1876 / 206 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Sep 1876 18:00:01 GMT) scan diff

5. 9. Hinfichtlih d2s Austritts aus der jüdischen Religions- gemeinschaft (dem Judenthume) bleibt es bei den Beftimmungen des Gesezes vom 14. Mai 1873, betreffend den Austritt aus der Kirche. E

Die nah §. 6 Litt. b. des gegenwärtigen Geseßes den aus einer Synagoger1gemeinde ausgetretenen Juden obliegende beson- dere Verpflichtung wird durch den nachträglihen Austritt der- \elben aus dem Judenthume aufgehoben. j

8. 10. Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Bestimmun- gen werden hierdurch außer Kraft gesetzt.

S. 11. Der Minister des Innern und der Minifter der geistlichen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten find mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt. i

Urfkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Jnfiegel. i ;

Gegeben Wildbad Gastein, den 28. Juli 1876.

(L. S.) Wilhelm. Fürst v. Bismarck. Camphausen. Graf zu Eulenburg. Leonhardt. Falk. v. Kameke. Achenbach. Friedenthal. Hofmann.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- Und Medizinal-Angelegenheiten. Dem Gymnafial-Direktor Syrée D die Direktion des Gymnafiums in Hedingen übertragen worden.

s _ bisherigen kommifsarishen Kreis-Sculinspektoren, Io h. Mathias Hecker in Neuwied und Dr. Wenzeslaus Hubert Fenger in Treis find zu Kreis-Schulinspektoren im Regierungs- bezirk Coblerz ernannt worden. i i

An dem Schullehrer-Seminar zu Dillenburg ift der Kan- didat der Theologie Loewer als ordentliher Lehrer angestellt

worden.

Minifterium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.

BetanntmaqGUuUnga : '

Die Kandidaten der Baukunst, welche in der zweiten dies- jährigen Prüfungsperiode die Prüfung als Bauführer abzulegen beabfihtigen, werden hierdurch aufgefordert, bis zum 30. d. M. Kch \hriftlich bei der unterzeihneten Behörde zu melden und dabei die vorgeshriebenen Nachweise und Zeihnungen einzu- reihen. Wegen der Zulafsung zur Prüfung wird denselben demnächst das Weitere eröffnet werden. : ; ;

Meldungen nah dem angegebenen Termine müfsen unberück- Fichtigt bleiben.

Berlin, den 1. September 1876. .

Königliche technische Bau-Deputation. W. Salzenberg. Iuftiz-Minisierium.

Der Notariats-Kandidat Koenen in Aachen ift zum Notar Für den Friedensgerihtsbezirk Treis, im Landgerichtsbezirke Coblenz, mit Anweisung seines Wohnfigzes in Treis ernannt worden.

Haupt-Verwaltung der Staatsschulden.

Der heutigen Nummer dieses Blattes liegt die Bekannt- machung, betreffend die Niederlegung der im Jahre 1875 durch die Tilgungfonds eingelösten Shulddokumente des vor- maligen Norddeutshen Bundes, vom 17. Mai 1876 bei.

Angekommen: Se. Excellenz der Staats-Minister und Präfident des Reichskanzler-Amts Hofmann aus Süddeut\ch{- [Iand.

Das 25. Stück der Geseß-Sammlung, welches heute aus- gegeben wird, enthält unter F Nr. 8454 das Gesetz, betreffend den Austritt aus den jüdi- Fen Synagogengemeinden. Vom 28. Juli 1876. Berlin, den 1. September 1876. Königliches Geseß-Sammlungs-Amt.

Die heutige Nummer des Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers enthält in . der Central-Handels-Register-Beilage:

1) Nx. 166 der Tarif- 2c. Veränderungen der deuts \chen Eisenbahnen;

2) Uebersicht über die in der Vakanzenlifte für Militär-Anwärter Nr. 36 enthaltenen erledigten Stellen;

3) Zufammenftellung Nr. 34 der im Deutschen

. Reichs- und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger Zur Besezung angezeigten gegenwärtig vakanten Stellen;

4) Vebersiht Nr. 34 der im Deutschen Reihs-

und Königlißh Preußishen Staats-Anzeiger be- - Tannt gemachten anstehenden Submissions - Ter- mine.

Nichtamtliches. Deutsches Nei:

Preußen. Berlin, 1. September. Ihre Majestät Die Kaiserin-Königin besuchte gestern das Elisabeth-Kran- fenhaus und war im Königlihen Palais beim großen Zapfen- ftreih zugegen, zu welchem die Mitglieder der Königlihen Fa- milie und die Hoffstaaten geladen waren. Abends kehrte Ihre Majestät nah Schloß Babelsberg zurück und traf von dort heute morgen, zur großen Parade des Garde-Corps auf dem Kreuzberge, ein. Den Kammerherrndienst bei Ihrer Majeftät übernimmt heute der Königlihe Kammerherr Graf Fürftenstein.

Ihre Kaiserlihen und Königlihen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin kamen gestern Abends 7 Uhr nah Berlin und wohnten im Palais Ihrer Majestäten der Aufführung des großen Zapfenftreihs bei. Höchst- dieselben kehrten um 94 Uhr in der Begleitung Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin nach Pstsdam zurü.

Se. Kaiserlihe und Königlihe Hoheit der Kronprinz wird am 2. September Nachmittags von hier —-über München nach Regensburg zur Besichtigung der dort zu- sammenaezogenen Königlih bayer:schen Kavallerie-Divifion ab- reisen und von dort am 6. September früh in Leipzig behufs Beiwohnung der großen Manöver des XI[, (Königlih \ächfi- ichen) und des 1V. Armee-Corps eintreffen. In der Begleitung Sr. Kaiserlihen Hoheit befindet fich der persönliche Adjutant Oberst Mischke. Der Stab der 4. Armee-Inspektion wird Se. Kaiserliche Hoheit in Regensburg erwarten.

_ den Kavallerie - Mufikcorps.

Gestern Abend 8 Uhr gez:angte vor dem Palais Sr. Majestät des Kaisers und Königs der von sämmt- lihen Musikcorps des Garde-Corps exekutirte große Zapfen-

rei ch zur Ausführung. ; / s Dié Musik war in einem Carré aufgestellt, in dessen Mitte Dirigenten befanden; die

fich die beleuhteten Pulte für die ten

Mittelstelung nahm die Mufik der Infanterie ein; rechts \tau- den die Tambours, links die Musik der Kavallerie. Zweihundert Fackelträger und dreißig Laternenträger, welche das 2. Earde- Regiment z. F. gestellt hatte, ershienen kurz vor 8 Uhr und umsäumten mit ihren Lihtern das Carrê.

Zur Aufführung gelangten: 1) Die Ehre Gottes, Hymne von Beethoven, von sämmtlihen Musikfcorps. 2) Torgauer Mars, von den Fnfanterie-Mufikcorps. 3) Triumph - Marsch aus „Aïda* von Verdi, von den Kavallerie-Musifcorps. 4) Marsh vom Prinzen Louis Ferdinand, komponirt 1804, von den Infanierie-Mufikcorps. 5) Largo aus der As-dur-Sonate von Beethoven, von den Kavallerie-Mustkcorps. 6) Mars aus der Oper: „Das goldene Kreuz“ von Brüll, arrangirt von Saro, von den Infanterie - Musikcorps. 7) Kaiser-Wilhelm- Marsh. Erinnerung an 1866 von H. Krahnest, von den Kavallerie-Musikcorps. 8) Finaleaus der Oper „Rienzi“ von Wagner, von sämmtlihen Musikcorps. 9) Großer Zapfenstreich, von dem Infanterie-Musikcorps und den Tambours. 10) „Retraite" von É): ¿Gebel“...von sämmtlichen Musikcorps. 12) „Großer Crescendo- und Decrescendo-Wirbel“, von sämmtlihen Tambours.

_ Se. Majeftät der Kaiser und König traten gegen Ende des Zapfenstreihes auf den Balkon des Kaiserlichen Palais und verweilten daselbs, bis der große Crescendo-Wirbel verklungen war. Auf den den Play begrenzenden Trottoirs hatten fh das Offizier-Corps und zahlreiche Herren vom Civil eingefunden. Im Uebrigen war der avolie Plaz und die nähstgelegenen Straßen esperrt. O Um 9 Uhr erreichte der Zapfenstreih sein Ende. j Heute Vormittag 10 Uhr fand auf dem Infanterie- Exerzierplay öfstlih der Tempelhofer Chaussee die diesjährige Hervst-Parade des Garde-Corps vor Sr. Majestät dem Kaiser und König statt. E i ;

Die Parade kommandirte Se. Königliche Hoheit der Prinz August von Württemberg, General-Oberft von der Kavallerie und fommandirender General des Garde-Corps. Die Truppen waren im Paradeanzuge mit Gepäck, die Fußtruppen in weißen Hosen erschienen und waren so zeitig ausgerückt, daß fie um 93 Uhr in das ihnen vom Hauptmann v. Bomsdorfs, vom Generalstabe des Garde-Corps, bezeihnete Alignement einrücken konnten.

Die gesammte Aufstellung zerfiel in zwei Treffen.

Das erfte dieser Treffen bestand aus der 1. Garde- Infanterie-Divifion unter dem Kommando des General: Lieute- nants von Pape und der 2. Garde-Infanterie-Division unter dem Kommando des General - Lieutenants von Dannenberg. Zur 1. Garde-Infanterie-Division gehörte: Die 1. Garde-Infan- terie-Brigade unter dem Kommando des General-Majors von L'Estocq und bestand aus dem Kadetten-Corps unter Oberst- Lieutenant Lust, dem 1. Garde - Regiment z. F. unter Oberst - Lieutenant von Derenthall, dem 3. Garde - Re- giment z. F. unter Obers von Grolman 11., dem Lehr- Infanterie-Bataillon unter Oberft-Lieutenant von Leipziger und dem Garde-Jäger-Bataillon unter Major Graf Finck- von Fincken- stein, Flügel-Adjutanten Sr. Majestät des Kaisers und Königs, sowie die 2. Garde-Jnfanterie-Brigade unter Kommando des General - Majors Freiherrn von Meerscheidt - Hüllessem, welche bestand aus dem 2. Garde-Regiment z. F. unter Oberst von Oppell, dem Garde - Füfilier - Regiment unter Oberst von Sannow und dem 4. Garde-Regiment z. F. unter Oberst vort Sanißz. Zur 2. Garde-Infanterie-Divifion gehörte: Die Z. Garde-Jnfanterie-Brigade, welche bestand aus dem Kaiser Alexander Garde - Grenadier - Regiment Nr. 1 unter Oberst von Wussow, dem 3. Garde-Grenadier-Regiment Königin Elisa- beth unter Oberft von Schlichting und dem Garde-Schügen- Bataillon unter Oberst - Lieutenant von Boelzig und wurde vom Oberst von Grolman I. befehligt, die 4. Garde-Infanterie- Brigade, bestehend aus dem Kaiser Franz Garde-Grenadier-Re- giment Nr. 2 unter Oberst-Lieutenant von Arnim, und dem 4. Garde-Grenadier-Regiment Königin unter Oberst von Minckwig, und wurde befehligt vom General-Major von Conrady, die kom- binirte Brigade, beftehend aus dem Garde-Fuß-Artillerie-Regi- ment unter Oberst-Lieutenant von Hellfeld, dem Garde- Pionier- Bataillon unter Major Freiherrn von Bock, dem Eisenbahn- Regiment unter Oberst Schulz und der Lehr-Kompagnie der Artillerie-Schieß\hule unter Hauptmann Homeyer à la suite des Fuß-Artillerie-Regiements Nr. 5, und wurde befehligt vom General - Major von Braun, Inspecteur der 1. Ingenieur- Inspektion.

Das Zweite Treffen wurde vom General-Lieutenant, General-Adjutanten Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der Garde-Kavallerie-Divifion Graf von Branden- burg II. befehligt, und bestand aus der 1. Garde-Kavalleri2- Brigade unter dem General-Major oon Schenck ; zusammengeseßt war dieselbe aus dem Regiment der Gardes du Corps unter Oberst von Alten, und dem Garde-Kürasfier-Regiment unter Oberst Freiherrn von Locquenghien, der 2. Garde-Kavallerie- Brigade unter General-Major von Drigalski; zusammen- gesezt war dieselbe aus dem Garde-Husaren-Regiment unter Oberst-Lieutenant von Krosigk, dem 1. Garde-Ulanen-Regiment unter Oberft Freiherr Eller- von Eberstein und dem 3. Garde- Ulanen-Regiment unter Oberst-Lieutenant Graf von Schlieffen ; der 3. Garde-Kavallerie-Brigade unter dem Kommando des General- Majors und General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs Freiherrn von Loëz zusammengesezt war diese Brigade aus dem 1. Garde-Dragoner Regiment unter Oberst von Brozowski, dem 2. Garde - Ulanen - Regiment unter Oberst von Hesberg und dem 2. Garde-Dragoner-Regiment un- ter Oberst Freiherrn von Zedliß-Leipe. Zum zweiten Treffen gehörte ferner die Artillerie und der Train unter dem Kom- mando des General-Majors und Commandeurs der Garde-Feld- Artillerie-Brigade von Dresky und beftand aus dem 1. Garde- e unter Oberst von Zglinißki, dem 2.

arde-Feld-Artillerie-Regiment unter Oberft von Lyncker, der Lehr- Batterie der Artillerie-Schieß\hule unter Hauptmann Gufike und dem Garde-Train-Bataillon unter Major von Rüchel-Kkeift.

Die Formation war bei der Infanterie in Compagniefront- Kolonne, der Lehr-Cowmpagnie der Artillerie-Schieß\{chule in Zug- Kolonne, Kavallerie in Kolonne in Escadrons, Feld- Artillerie und Train in Linie; auf dem rechten Flügel des 1. Treffens ftand die Leib-Gensd'armerie und daran anschließend die sämmt- lihen Stäbe.

Beim Erscheinen Sr. Majestät des Kaisers und

leidzeitig von der ganzen Parade gemaht, wobei die Musikcorps die E n ume intonirten und von den Truppen 3 Mal Hurrah gerufen wurde, während des Abreitens der Auf- fielung durch Se. Majestät wurde von den Truppentheilen brigadeweise präsentirt. Das 2. Treffen wurde, nachdem das 1. vom rechten Flügel aus abgeritten war, vom linken Flügel aus geschen. Sobald Se. Majestät eine Brigade passirt hatten, begann die Formation zum Vorbeimarsch. Der Parademarsh wurde nur einmal ausgeführt und zwar von der Infanterie in Compagniefronten im Schritt, von der Kavallerie 2c. im Trabe. Die Parade-Aufftellung gewährte einen imposanten Anblick und die Suite war ebenso zahlreich als glänzend zu nennen. Wie immer bei dergleichen Gelegenteiten hatte fich eine große Zu- \hauermenge eingefunden, die theils zu Wagen, theils zu Pferde oder zu Fuß dem militärischen Schauspiel zusah. Nach been- deter Parade hatten sich die Truppentheile zum Abmarsch for- mirt und rückten demnächst unter ilingendem Spiele in ihre Quartiere ab. i

Die Fahnen, welche durch eine Compagnie des 1. Garde=- Regiments zu Fuß und die Standarten, welche durch eine Com- pagnie des Regiments der Gardes-du-Corps aus dem Pa- lais abgeholt waren, wurden von denselben Truppene theilen nah beendeter Parade dorthin zurückgebraht. Aus Anlaß der heute auf dem Tempelhofer Felde statt- gefundenen Parade findet heute Nahmittag im Weißen Saale des Königlichen Schlosses große Militärtafel und Abends im Königlichen Opernhause eine Militär-Festvorftellung statt.

1. September. Se. Majestät der Kaiser empfingen heute den amerikanishen Geshäftsträger Herrn Fis ÿ in Privat- audienz und geruhten aus dessen Händen das Antwortschreiben des Präsidenten Grant, auf den Allerhöchsten _Glücwunsh gelegentlih des hundertjährigen Bestehens der Vereinigten Staaten, entgegenzunehmen.

Das Antwortshreiben lautete:

Ulysses S. Grant,

Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika an Wilhelm I., Kaiser von Deutschland, König von Preußen 2c. 2c. 2c.

Großer und guter Freund!

Ihr Brief vom 9. Juni, in welhem Sie freundlichst Ihre herzlihen Glückwünsche bei Gelegenheit des hundertsten Jahres- tages, den wir kürzlih gefeiert haben, darbrachten, ward mir am 4. Zuli überreiht, und wurde von dem Inhalt mit ungeheuchelter Genugthuung Kenntniß genommen. x

Die in jener Mittheilung enthaltenen Ausd1ücke der Sym- pathie mit dem bisherigen Fortschreiten dieses Landes und die guten Wünsche für seine zukünftige Wohlfahrt sind um so erfreuliher, da fie von dem Oberhaupte eines großen Reiches fommen, mit welchem diese Republik während des ganzen Jahrhunderts ihres Bestehens friedliche und freund\schastlihe Beziehungen gehabt hat, die fich in guten und \chlechten Zeiten bewährt und mit zunehmendem Fortschreiten und Wohl- fiande beider Länder fortdauernd befestigt haben. Es ist mein aufrihtiger Wunsch, daß dieselbe gegenseitige Herzlichkeit Und derselbe Wohlstand, deren beide Länder während des erften Jahrhunderts unseres Bestehens ih erfreut haben, au während des kommenden Jahrhunderts ihnen beschieden sein mögen.

Indem ih Ihnen Gesundheit und Glück für eine lange Regierung wünsche, bitte ich Gott, daß Er Eure Majestät in seinen siheren und heiligen Schuß nehme.

Washington,

10, JUli 1876.

Ihr guter Freund (gez.) U. S. Grant. (ggz.) Hamilton Fish Staats-Sekretär.

Durch Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 29. v. M. sind unter Aufhebung aller cutgegenstehenden Festseßungen neue Be- ftimmungen über Kapitulationen in der Kaiserlihen Marine erlassen worden.

Wiewohl Diebftahl und Unterschlagung unter Eheleuten straflos find, geseßlih demnach als Verbrechen nicht betrahtet werden, \o is doch die unbegründete Beschuldigung eines Ehegatten Seitens des Anderen als grobe und widerrecht- lihe Kränkung der Ehre und demnach als Ehescheidungsgrund im Sinne des AUgem. Landrechts anzusehen. Erkenntniß des Ober-Tribunals, l, Senats, vom 12. Mai d. I.

Der General der Infanterie von Olle, Direktor der Kriegs-Akademie, is von Urlaub hierher zurückgekehrt, ebenso der Königlih bayerische General-Major und Militärbevollmähtigte von Fries.

Der General-Lieutenant von Biehler, Allerhöchst be- auftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte der General-Inspektion des Ingenieur-Corps und der Festungen ist von seiner Dienst- reise hierher zurückgekehrt.

Der Argiv - Hülfsarbeiter Dr. Doebner bei dem Staatsarchive in Breslau ift zum Archiv-Asfistenten ernannt und der Archiv-Hülfsarbeiter Dr. Pfotenhauer von Schleswig an das Staatsarhiv in Breslau versezt worden.

Dr. Katt in Berlin verstorben.

Der Kaiserlich russishe Reihscontroleur, General-Adju- tant von Greig, is gestern Abend aus St. Petersburg hier angekommen und im Hotel Royal abgestiegen.

S, M. S. „Ariadne“ ift am 28. Juli cr. auf der Rhede von Singapore eingetroffen.

Ratzeburg, 30. Augufi. (Hamb. Nachr.) Am gestrigen Tage hat, zur Vertretung des Kreises Herzogthum Lauenburg, die bisherige lauenburgishe Ritter- und Landschaft zum ersten Mal getagt. Aus der Tagesordnung

jezt dem Landes-Kommunalverband gehörende Vorwerk Kittliß abgegebenen Pachtgebote eine Erwähnung.

Bayern. München, 30. August. (Nürnb. Korr.) Gemäß Ziffer 16 der Verordnung, betreffend die Ausführung des Geseyes vom 13. Juli 1873 über die Kriegsleiftun- gen vom 1. April 1876 find in denjerigen Bundesftaaten, in welchen Vertretungen von Kreisen oder gleichartigen Verbänden bestehen, unter deren Mitwirkung geeignete Sachverständige in genügender Zahl periodisch im Voraus zu bestimmen. Hiernah hat das Königlihe Staats-Minifterium des Innern nun angeordnet, daß die Wahlen der Sachverständigen dur die Distriktsaus\chüs}se, beziehungsweise durch den Magistrat der unmittelbaren Städte alsbald und zwar auf die Dauer der Wabhlperiode vorzunehmen und in Zukunft bei jedem Eintritte

Königs bei der Paradeauffstelung wurden zuerst die Honneurs

einer neuen Wahlperiode zu erneuern find.

E L R E T E Ber T A E RNRO ie

Der Archiv- & Hülfsarbeiter Dr. Lenz beim Staatsarchiv in Marburg if aus- geschieden und der Hülfsarbeiter beim Geheimen Staatsarchive 18

verdient das die Nihtgenehmigung der auf die frühere Domäne, 2

Sacbsen. Dresden, 31. August. (Dresd. Journ.) Ihre Majestät die Königin hat fich heute von P.Tnig nah der Lausiÿ begeben und gedenkt am 2. September wieder im Königlichen Hoflager zu Pillniß einzutreffen.

Württemberg. Stuttgart, 29. August. (Schwäb. Merk.) Das Programm für die Sedanfeier is set Seitens des Festaus\husses der bürgerlihen Kollegien festgeftellt worden. Danach findet am 1. September, Abends 6 Uhr: S lotckens- geläute von sämmtlihen Kirhthürmen, dann ToDtenfeier auf dem Fangelsbach-Friedhof an den Gräbern der hier be- erdigten Krieger, und Abends 8 Uhr: Freudenfeuer auf den Höhen der Umgebung der Stadt statt. Am 2. September, Morgens 7 Uhr: Choral von den Kirhthürmen, um 9} Uhr Vormittags Feftgottesdien||, von 8 bis 11 Uhr Squl- feier in sämmtlichen Lehranstalten, und Abends Banfket im Festsaale der Liederhalle.

Hessen. Darmstadt, 30. August. Der Präftdent des Großherzoglihen Gesammt-Ministeriums, Minister FreiHerr von Star ck, hat, von einer vierwöchigen Urlaubsreise geftern zurück- gekehrt, die Leitung der Geschäfte wieder übernommen.

Die s{chon früher anberaumte, aber wegen der baulihen Veränderungen im Ständehause vorerst ausgeseßzte Sit ung des Finanzaus\schusses der Zweiten Kammer, in we: cer über die von der Ersten Kammer zum Staatsbudget gefaßten Be- \{lü}e, soweit solhe von denen der Zweiten Kammer abweichen, berathen werden \oll, ist nunmehr auf den 7. nähsten Monats festaesezt. Bis dahin hofft man das entsprechende Sigzungs- zimmer fertig zu stellen.

Sachsen - Weimar- Eisenach. Weimar, 31. August. (Weim. Ztg.) Die Erbgroßherzogin hat sih heute zu einem mehrwöchigen Aufenthalt in ein franzöfishes Seebad begeben.

Hamburg, 30. August. Bekanntlih hat der AUuSwande- rungs-Agent R. Séyas *) mitder venezolanishen Reg ierung einen Kontrakt Behufs Anwerbung, Einführung und An fiedelung europäischer Auswanderer adbgeshlossen. Dieser Agent hat nunmehr in Bordeaux eine Gesellshaft „La Franco-Y énézué- lienne“ ins Leben gerufen, welhe über ein in 4000 Aktien à 500 Fr. auszugebendes Anlagekapital von 2,000,000 Fr. ver- fügen soll und deren Prospekt venezolanische Zeitungen BDeröffent- lihen. Danach will Séyas der zu bildenden Gesellschaft ein im Staate Bolivar, angeblih im Thale des Tui bei Altagracia de Orituco gelegenes, 500 Hektaren umfassendes Terzain ab- treten und verpflichtet sh, die Einwanderer nah Venezuela zu bringen und nah der Ankunft aht Tage lang zu verpflegen.

Das der Gesellschaft abgetretene Gebiet mag fich nun mög- liherweise zu Kaffee-Anpflanzungen eignen, ob aber daffelbe mit Rückficht auf die Thatsache, daß dort auch Cacao gebaut wird, dessen Kultur in fiebergeshwängerten feuchten Niederungen am besten gedeiht, für europäische Kolonisten geeignet ift, muß sehr bezweifelt werden. Der Tui, welher gewöhnlich als schiffbar bezeihnet wird, mag es früher gewesen sein, ift es aber gegenwärtig in der That nicht. Nur in der Nähe von Alta- gracia mag er in der Regenzeit vielleiht ein Rindenkanoe an einzelnen Stellen tragen können.

In dieser Gegend nun soll der Einwanderer unkultivintes Land mit einem Flächeninhalte von 1¿ Hektaren erhalten, das er nah feinem Belieben urbar machen kann; außerderrr erhält er ein Stück Landes von derselben Gr ße, welhes urbar zu machen und zu kultiviren er verpflihtet is. Dieses leßt- gedachte Terrain hat die Gesellschaft das Recht, nah Ablauf von 3 Jahren anzukaufen. Nach den Verheißungen des Herrn Séyas würde der Kolonist bei diesem Kaufgeschäfte nitt weniger als 7500 Frcs. verdienen.

Doch dem sei, wie ihm wolle, der Shwerpunkt Des mit dem Einwanderer von der Gesellschaft zu schließenden Kontraktes liegt darin, daß der Erstere 52 Tage im Jahre für Die legztere zu arbeiten verpflichtet ist. Würde nun der Vertrag \#o abge- \chlo}sen, daß der Kolonist etwa einen Tag in der Woche im Dienste der Gesellschaft opferte, so wäre die Bedingurtg weni- ger hart.

Nach dem Wortlaute des Vertrages aber is die Gesellschaft berechtigt, die Tage sih nah ihrem Belieben auszuwähkeu, der- gestalt, daß der Einwanderer 52 Tage lang hintereinander zu jener Arbeit genöthigt werden kann, daß in diesem Falle der Kolonist in die Lage kommen würde, seine eigene Anpflanzung zu vernachlässigen, ist eine nur zu nabe liegende Befürchtung. Der Tagelohn von 2 Frcs. 50 Cent., ein Saß, der bei den venezolanishen Theuerungsverhältnissen als sehr gering bezeichnet werden muß, bietet ihm hierfür kein genügendes Aeautivalent.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 30. August. (Köln. Ztg.) Die Arbeiten an dein Bau der neuen Encein‘e Haben be- gonnen, Dieselben werden vom oberen Ill-Anshluß bis zurn Stein- thor zu gleicher Zeit in Angriff genommen. Diese Strecke is in vier Bauposten eingetheilt, deren jeder einem Ingenieurr-Haupt- mann unterstellt ift. Vorerst find nur die Erdarbeiten im Gange und man hat zunähft mit Abtragung derjenigen Außen- werke begonnen, welhe in das neue Tracé fallen.

Desterreich-Ungaru. Wien, 30. August. Aus D isters - dorf wird gemeldet: Der Kaiser begab sich heute um 64 Uhr früh von hier nah Inzersdorf, wo Se. Majestät von Dem Erz- herzoge Albrecht empfangen wurde. Sodann begab fich der Kaiser nah Loidesthal, Ober-Sulz, Schrik und Pyrawerth, um dem Mannöver zu folgen. Um 12 Uhr traf Se. Majestät wieder in Zistersdorf ein. Die Kaiserin hat fich mit Der Erz- herzogin Marie Valerie heute Vormittags 190 UHr von S\{chl über Lambah und Leoben nach Miramar begeben. Prinz Arthur von England reist am 1. September von England ab und trifft am 3., Abends gegen 19 Uhr im hiesigen Westbahnhofe ein, wo der Botschafter Sir Andrew Buchanan Se. Königliche Hoheit empfangen wird. Jn Folge diefer Zeit der Ankunft wird der Prinz fich erst am 4. mit dem Kron- prinzen Rudolf zu den Manövern nach Feldsberg Gegeben. …_ 8istersdoxf, 30. August. Wie dem „FremdenBL[.“' von bier telegraphirt wird, trifft der Minister des Aeußern Graf Andrassy in Falge Berufung des Kaisers heute mit mehreren Ministerialbeamten hier ein, um morgen, am Ruhetage der Manöver, dem Kaiser Vortrag zu erftutten.

Lemberg, 30. August. Der Landes-Kommandirende von Galizien, General der Kavallerie Graf Neipperg, ist Zur Be- grüßung des Kaisers von Rußland im Namen des Kaisers Franz Josef nah Warschau abgereist.

Trie st, 30. August. Die Kaiserin trifft mit ver Frau

Erzherzogin Marie Valerie morgen gegen 10 Uhr Vor-

*) Vgl, Reichs-Anzeiger vom 16. Dezember v. J. und 22, Mai d. J.

mittags mit einem Hof-Separatzuge in Miramar ein. Ihre Majestät hat \ich jeden offiziellen Empfang verbeten. Heute Vormittags wurde das für die Kaiserin beim Lloyd angefertigte \chwimmende Seebad nach Miramar gebraht, Die Damwmpf- Yacht „Miramar“, zur Diêpofition der Kaiserin, wird noch heute anlangen.

Pefi, 30. Augufi. Der frühere Handels-Minister Simonyi richtete ein Abschieds\hreiben an die Beamten des Handels-Ministeriums. Die provisorishe Kadettenschule in Hermannstadt wird in eine Kadettenshule für 200 Frequen- tanten der Fußtruppen umgewandelt und mit der gänzlih auf- zulöfenden Vorbereitungsshule in Klausenburg vereinigt. Ebenso wird die Preßburger provisorische Kadettenshule in eine Kadetten- \chule für 200 Frequentanten der Fußtruppen umgewandelt,

Agram, 30. Auguft. FZM. Mollinary if von seiner Inspektionsreise gestern Abends zurückgekehrt.

_ Schweiz. Bern, 29. August. Der Bundesrath hat die vom Oberst Mercan in Basel nachgesuchte Entlassung als Kommandant der vierten Division der eidgenössischen Armee für Ende September genehmigt. Dffiziellen Erhebungen zufolge beläuft sich der Wasserschaden, welchen der Kanton Thur- gau jüngsthin erlitten, auf nicht weniger als \sechs Millionen.

Großbritannien und Jr!and. London, 30. Auguk Die Entrüstung über die Vorgänge in Bulgarien sindet,, wie die „Engl. Corr.“ meldet, wiederholt Ausdruck in Ver- sammlungen und Reden. In Nottingham beshchloß man am Montag, ein öffentlihes Meeting zu veranstalten und auf dem- selben gegen jede Mitshuld Englands an dem von türkischen Truppen begangenen Blutthaten zu protestiren (vgl. unten). Der Verein der Bergleute von Cleveland verurtheilte am Montag in Salt- burn die orientalishe Politik der Regierung und forderte die Zurüberufung des Sir Henry Elliot und dec britischen Flotte in der Besika:Bai. Hochkirhlihe Geistlihe in Exeter haben fich in ftarken Ausdrüdcken über die bulgarishen Gräuel- thaten ausgesprochen. Rev. Prynne in Plymouth hielt am Sonntag Abend eine Predigt, deren Gegenstand die Gr- weckéung der Sympathien für die unterdrückten Christen in der Türkei war. Auf der Monatêversammlung der baptistishen Geistlihen in Bristol ward der Sekretär des Vereines, Rev. Evans, ersucht, die Hülfe der Zeitungen in Bristol zu erbitten, um dem Volke dieser Stadt die Thaten der Türken zu {\{childern. Ferner fand geftern in Glasgow ein Protefi-Meeting unter Versiy des Lord Prodost statt. Die Parlamentsmitglieder Anderson, Cameron und Holms verurtheilten in ftarken Aus- drücken das Verfahren der Türken. Ein anderes Meeting ward beschlossen ebenso die Sammlung von Fonds zum Besten der von Hunger bedroßten Bulgaren.

Wie aus Chatham gemeldet wird, hatte der drohende Angriff auf das dortige Zuchthaus niht die Befreiung der fenishen Gefangenen, sondern die der daselbst internirten, zu lebenslängliher Haft verurtheilten drei Amerikaner, welche vor zwei Jahren den großen Betrug gegen die Bank von Eng- land verübten, zum Zweck. Um diesen Verbrechern zur Freiheit zu verhelfen, warer. den Wärtern kürzlih große Summen als Bestechung geboten worden. Das Gefängniß wird von einem Cordon von Soldaten und bewaffneten Wächtern ftreng bewacht.

Das auswärtige Amt hat vom britishen Repräsfen- tanten in Peru ein aus Lima datirtes Telegramm erhalten, weiches meldet, daß der overste-Gerichtshof das freisprehende Urtheil des Gerichtshofes erster Instanz in Sachen der Gefange- nen des „Talisman“ beftätigt habe. Lehtere würden dem- nach Peru in wenigen Tagen verlassen können.

1 September. (W. T. B.) Auf einem gestern in Nottingham abgehaltenen Meeting, wo die in Bulgarien durch die Türken verübten Grausamkeiten Gegenstand der Ver- handlung waren, wurde ein Brief des Unter-Staats- sekreärs des Auswärtigen, Bourke, verlesen, in welchem hervorgehoben wird, daß die englishe Regierung in nahdrück- lihfter Weise bei der Pforte wegen der Vorgänge in Bul- garien Vorstellung erhoben und dabei besonders bemerklich gemacht habe, daß in Folge dieser Ereignisse Encland in einer Weise der Türkei entfremdet werden würde, welhe für dieselbe verhängnißvoll werden könnte.

_Franfreich. Paris, 30. August. Der Marshall- Präsident if gestern nah Paris zurückgekehrt,

Die Abtheilung des französishen Geshwaders, welche bisher vor Salonichi gelegen, ist am 28. August von dort abgesegelt. Es bleibt in dem genannten Hafen nur noch der Aviso „Desaix.“

_ Der Bischof von Frejus und Toulon verlangt in einem an den Justiz-Minister gerihteten Schreiben ftrenge Bestrafung der Urheber der Reden, welche bei der Vertheilung der Preise in den Schulen von Toulon gehalten wurden und den Vorschriften des Syllabus niht gemäß wären.

Die abnehmende Bevölkerung Frankreichs giebt allen Blättern Stoff zu ernften Betrahtungen; zumal dieselbe nah allen ftatiftishen Nachrihten in England, Deutsch- land, Rußland, Italien zunimmt, in Frankreich im günstigsten Falle ftillsteht. „Wenn diese Situation andauert oder gar noch {limmer wird, sagt das „Journal des Debats“, dann müssen wir jeder Hoffnung auf zukünftige Größe entsagen!“ Deutsch- land zählte 1871 41,009,999 Einwohner, jeßt 42,757,812; das macht einen Zuwachs von 435,000 jährlich. Frankreih hatte 1872 36,102 921 Einwohner, alfo etwa 5 Millionen weniger als Deutschland, Und diefer Unterschied is seitdem gewachsen. Jegt beträgt er 6,250,000. Das Blatt bringt genaue und interessante statistishe Angaben über die Sterblichkeits- und Ge- burisverhältnisse und findet die Autsichten so trübe, daß die ge- schgebenden Körperschaften sich aufs Angelegentlichsie mit dieser Frage zu beschäftigen hätten. „Die Wage der Macht, {ließt der Artikel, wird immer auf die Seite derjenigen Völker \ich neigen, die die meisten kräftigen und thätigen Männer haben, E, wenn mit der Zahl fich Wissen und strenge Sitte ver- inden.“

Griechenland. Athen, 20. August. Der „Pol. Corr.“ wird u. A. Folgendes geschrieben: „Außer dem \ih organisirenden Aktionécomité „Adelphotes“ hat sih in dieser Woche ein Unter- stüßungscomité für die Verwundeten und Verunglückten Serbiens und Montenegros unter der Devise „Zum rothen Kreuz“ gebildet. Unter dem Präsidium des durhch seinen Wohlthätigkeitsfinn bekannten Erzbishofs von Phthiotis, Kallinikus, vereinigten sich einige der angesehensten Be- wohner Athens zu diesem humanen Zweck. Dieses Comité wird morgen seine von dem hier weilenden Bruder des Redacteurs der Triester „Himera“, Hrn. Vyzantios, verfaßte Proklamation veröffentlihen, Gelder, Charpie, Kleidungsstüdcke, Medikamente 2. entgegennehmen, und fich deutlih als nit für

beide Kriegsparteien, sondern „nur für die christlihen Brüder

wirkend“, deklariren. Oberst Koronäos hat die Stelle d:s Organisators der Nationalgarde im Ministerium des Innern angenommen, und arbeitet vorerst theoretisch. Auch cer ist der Meinung, daß díe Nationalgarde nur nach dem Land- wehrsystem organifirt werden könne und theilt deshalb dieselben in drei Kategorien: die mobile, die aktive und die disponible Nationalgarde, ein. Davon wird nur die erste Kategorie den Befehlen des Kriegs-Ministeriums untergeordnet sein, während die beiden übrigen dem Ministerium des Inuern unterstellt bleiben. Die mobile Nationalgarde, welche die jungen Leute von 20 bis 30 Jahren umfaßt, soll vor allem auf die Beine gebracht werden, wozu nun s{chon die Liften angefertigt und in den Bürgermeisterämtern aller Städte und Dörfer zur Einsicht 15 Tage lang aufgelegt worden sind. Man rechnet auf mehr als 65,000 Mann mobiler Nationalgarde, die mit neuen Chassepot- oder Mylonas-Gemwehren, deren Patronen ziemlich einheitlih find, bewaffnet werden sollen. Man hat eingesehen, daß mit der Einführung der allgemeinen Wehrpfliht nah preu- ßishem Vorbilde nihcht mehr länger gezögert werden darf, und arbeitet soeben an den betreffenden Geseßentwürfen. Da aber selbstverständlih mehr als drei Jahre nöthig find, um zu Re- sultaten dieses Systems zu kommen, fo wird die mobile Natio- nalgarde ins Leben gerufen werden, was wohl in Z3—4 Mo- naten geschehen kann.

__FUrbet, Konslantintopel, 31. August, (W. T. B) Die „Agence Havas-Reuter“ meldet: In dem heutigen Minifter - rathe, an welchem auch die Großwürdenträger des Reiches Theil nahmen, ift Abdul Hamid an Stelle Murads zum Sultan proklamirt worden.

(W. T. B.) Der gestrige Ministerrath hat gutem Vernehmen nach die Beschlußfassung über die Ein- ftellung der Feindseligkeiten ausgeseßt und will zuvor noch nähere Kenntniß von den Abfihten der Mächte erlangen.

7 ŒW.D B) Die tuclishe Regierung hat über die Proklamirung Abdul Hamids an ihre Vertreter im Auslande folgende Mittheilung gerihtet: „Da die {were Krankheit, von welher Sultan Murad Khan seit dem zehnten Tage seiner Thronbesteigung befallen is und welche seitdem stets zugenommen hat, ihn in die offenbare Unmöglichkeit versetzt hat, die Zügel der Regierung länger in den Händen zu behalten, so ist Kraft des Fetva Sr. Hoheit des Scheikh-ul-Islam und in Gemäßheit der Geseße, welhe die Ausübung der Souveränetät in dem osmanischen Reiche regeln, Se. Majeftät der Sultan Abdul Hamid I11., der bisherige präásumtive Thronfolger, heute zum Kaiser des türkishen Reiches proklamirt worden.‘

(W. T. B.) Ueber die Proklamirung des Sultans Abdul Hamid wird weiter gemeldet: Der Sultan AbdulHamid begab sich heute nah Top Kapu, wo er von allen Ministern und hohen Würdenträgern empfangen wurde. Nah Verlesung des Fetva des Scheikh-ul-Islam, durch welchen Sultan Kurad des Thrones entscßt wird, fand die Ceremonie der Anerkennung und BProklamirung Abdul Hamids statt. Derselbe begab fih darauf unter den Zurufen der Soldaten und der Bevölkerung und dem Donner der Geshügze in das Palais. Achmet Damat Pascha ist zum Marschall des Palais ernannt worden.

l Vom türkisch - serbishen Kriegsschauplagze liegen noch folgende nahträglihe Meldungen vor:

Havptquartier vor Alexinaz, 30. August, Morgens. (N. Fr. Br.) DieS erben zogen fih allenthalben in vershanzte Stel- lungen zurück. Wegen Truppenvershiebung und Beerdigung der Todten, wozu 150 Bulgaren von Nish auf das Gefehtsfeld beordert wurden, unterblieb gestern jede Aktion. Ein er- neuerter türfisher Angriff wird mit aller Energie vorbe- reitet, und zwar vom linken Morawa-Ufer her, wohin au gestern die türkische Hauptkraft dirigirt wurde.

Semlin, 30. Auguft. (N. Fr. Pr.) Seit zwei Tagen fand kein Kampf ftatt. Der Engländer, welcher wegen angeb- liher Konspiration zu Gunften Karageorgievichs verhaftet wurde, ist heute in Freiheit gesezt worden, weil die vorgefun- denen Briefe sich als ganz unverfänglih erwiesen.

Dex „Presse? wird unterm 29, d. aus Belgrad u. A. gemeldet: Die Türken find noch immer zwishen Dobrusch e- vaz und Katun. Abdul Kerim läßt aus Nish \{chweres Belagerung8ges{chüß herbeishaffen, um Alexinagßz..zu beschießen. Es haben die Türken bei Zitkovaz eine sehr feste Stellung inne, von der aus sie wohl Alexinaÿ angreifen könnten, wenn fie Mannschaft und Kriegsmaterial genug hätten. Der Transport der Kanonen aus der Belgrader Feflung hat deshalb auch nicht aggre?- sive, sondern defenfive Zwecke. Beide Teile find besirebt, ein fait accompli zu hafen, um die politishe Situation für #|ch so aünstig als möglih zu geftalten, und deshalb wurden au die Unterhandlungen verzögect, namentlich von türkisher Seite. Dem Mangel an Offizieren ist jegt theilweise abgeholfen, aber es fehlt an Mannschaft. In den lezten aht Tagen soll die Armee mehrere tausend Mann an Todten und Verwundeten, nah einer Version 9000 Mann, verloren haben. Der Gesammt- verluft wird seit Beginn auf mindestens 12,000 geschätzt. _— Der Berichterstatter des „Pester Lloyd“’ meldet aus dem Hauptquartier Abdul Kerim Paschas - unter dem 25. August u. A.:

_„In den Kreisen der türkishen Generalität herrs: große Mißstimmung gegen das Armeekommando, welches fo geringe Voraussicht gezeigt und mit unzulänglihen Mitteln den Angriff auf Alexinay begonnen hat. In Folge eines Zerwür f- nisses zwischen Ahmed Ejub und Hafiz Pascha sollte \{chon vor Knjazewasz die Brigade Hafiz jener Division zuge- theilt werden, welche bestimmt war, den Marschall Ali Saib am linken Morava-Ufer zu verftärken. In Folge jüngst erneuter Miß- helligkeiten ift der Seraskier Abdul Kerim heute persönlih aus Nis hierhergekommen und hat sofort einen Kriegsrath abgehalten. Der Serast kier theilte der versammelten Generalität mit, daß bereits alle Anftalien behufs Herbeishaffung \{chwerer Geschütze getroffen seien; ferner habe Mehmed Ali, der früher mit 8000 Mann bei Sjeniza gestanden, Befehl erhalten, die serbishe Grenze zu über- schreiten, in der Rihtung auf Krusewaß vorzurücken und ins Morawathal zu marschiren; endlih seien auch telegraphisch Verstärkungen aus Sofia unter Ferik Abdil Pascha hierher beor- dert worden. Vier Bataillone und eine Batterie blieben noh im Lager von Sofia; der Rest von vier Bataillonen, scchs Es- cadronen und einer Batterie, sowie die Zeibeks, das ift Frei- willige aus Syrien und Mesopotamien, etwa 600 Mann stark, find gegen Nisch in Marsh zgesegt. Der Seraskier Abdul Kerim wird wahrsheinlih heute oder morgen nah Nish zurückehren. Ec it gegen die in - An- regung gebrahte Enthebung Ejubs vom Armee-Kom- mando, weil er einen Wechsel inmitten der Operationen für in- opportun hâlt.

Die Serben entwickeln in den leßten Tagen eine außer-

ordentliche Thätigkeit; eine Abtheilung hat fogar versucht, Ali