1876 / 214 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 11 Sep 1876 18:00:01 GMT) scan diff

Legitimation Hierfür dient ein den Kongreßmitgliedskarten ange- fügter besonderer Coupon.

Nachdem der dur Urtel und Ret seines Amtes ent- seßte frühere Erzbishof von Gnesen und Posen, Graf von Ledochowski im März d. I. durch eine aus Rom datirte Ansprache den Geistlihen der vereinigten Erzdiözesen mitgetheilt hatte, „daß er die thätige Ausübung der bishöflihen Gewalt in seinen beiden Erzdiözesen wieder übernommen habe“, hat derselbe unter V-r.chung der bestehenden Staatsgeseze diesen Worten auch d!e That folgen lassen. Derselbe hat unterm 8. Zuli c. an den Pfarrer Brenk in Piaski das nachstehende

reiben gerichtet : E 9 Dilecte Fili!

Tristis ad nos pervenit nuntius, nefarias politico - ecclasiasticas leges a gubernio Borussico ultimis hisce annis ad subvertendam Ec- clésiíam Christi Domiri editas a te magno cum fidelium scandalo publice agnitas fuisse, quamyis “ignotum tibi esse non potuerat, ejusmodi leges tum passim a Nobis et omnibus in Borussía sacrorum Anstistitibus, tum ab ipso sanctissimo Patre, Romano Pontifice, die 5. mensis februarii a. 1875 condemnatas faisse. Ne igitur silentio Nostro quod a te male gestum est probare videamur, praesentibus litteris prima vice te mouemus, haecque canonica monitio ura sit pro trina, ut irtra nonaginta dies, a dato praesentium com-

utandos, scandalum a te datum repares, agnitionem memoratarum egum, quam ultro professus es, scripto revocando coram Decano tuo duobuzgque testibus, quod scriptum Nobis a te transmittendum erit, et omnino abhine ita te geras, sicuti catholicum parochum et Christi ministrum decet, alias praefato spatio nonaginta dierum inutiliter praeter lapso te ipso facto et sire ulteriore declaratione ab officio Suspensum esse SCcias USque ad resipiscentiam et condignam satis- factiozem, quod si non resipiscas, nec ad cor, prout te in Domino adhortamur atque humili prece a Deo flagitamus, redeas, ad gra- yiores poenas procedere contra te cogemur,

Datum Romae die 8. Julii 1876.

+ Miecislaus Cardinalis Ledochewsky. Archiepps. Gnesnen, & Posnanien, Rrado. D. Jul. Brenk Parocho in Piaski Archidioecesis GnesnensÌis,

Das Sthreiben lautet in deutscher Ueberseßzung: Geliebter Sohn! :

Es ist die betrübende Kunde zu Urs gelangt, Du habest die von der preußischen Regierung in den leßtvergangenen Jahren zur Ver- nichtung der Kirche des Herrn Christus erlassenen ru{losen firhen- politis@en Geseze zum großen Aergerniß der Gläubigen öffentlich an- erfannt, obwohl es Dir nit konnte unbekannt geblieben sein, daß derartige Geseße niht nur von Zeit zu Zeit von Uns und allen Ober- birten der Kirche in Preußen, sondern auch vom heiligen Vater in

Rom, dem Papste selber am 5. Februar 1875 verdammt worden sind. Auf daß es nun nicht scheine, als bifligten

wir durch Stillschweigen Unsererseits Deine s{chlechte That, so er- mahnen wir Dich durch gegenwärtiges Schreiben erstmalig und diese eine fanonische Ermahnung gelte als dreifache: binnen neunzig Tagen, vom Datum dieses Schreibens an gerechnet, mache das von Dir gegebene Aergerniß dadurch wieder gut, daß Du die freiwillig von Dir geleistete Anerkennung der erwähnten Geseße in Gegenwart Deines Dekans und zweier Zeugen in einer s{rift- lichen Erklärung widerrufest. Dies Schriftftück wirst Du mir zu übersenden haben und sollft Dich überhaupt von nun an so betragen, wie es einem fatholishen Pfarrer und Diene- Christi geziemt. Anderenfalls, wenn der obenbestimmte Zeit- raum von 90 Tagen etfolglos verstrichen, so wisse, daß Du dur diese Thatsache selber und ohne: weitere Erklärung von Deinem Amte S bist, bis Du zur reuigen Erkenntniß kommst und ent- prechende Genugthuung leiftest, Bereuest Du jedo nit und gehst nicht in Dich, wie wir Dich im Herrn ermahnen und: in demüthigem Gebete von Gott erflehen, so werden wir mit s{chwereren Strafen gegen Dich vorzugehen genöthigt sein. Gegeben zu Rom, den 8. Juli 1876. + Miecislaus Cardinal Ledochowsky, Erzbischof von Gnesen und Posen. An den ehrwürdigen D. Jul. Brenk, Pfarrer in Piaski, Erzdiözese Posen.

Seitens des Pfarrers Brenk ift hierauf an den Grafen von Ledochoweki in lateinisher Sprache ein Antwortschreiben gerichtet, welches nach der von dem Pfarrer Brenk der Staats- regierung gemahten Anzeige in deutsher Uebersezung wörtlih Tautet:

„Eminenz! Ihr Admonitions\s{reiben habe ich am 8. Juli cr. in Piaski erhalten und habe dieses zur weiteren Veranlaffung, wie dies billig und recht war, der hohen Königlichen Regierurg über-

geben.“ D. F. -Brenutk.

Nachdem die dem Minifter für die landwirth\schaftlihen Angelegenheiten eingegangenen Berichte der landwirth\schaftlihen Centralvereine über die Prämiirung ganzer Wirthschaften dargethan baben, daß zwar die Mehrzahl der Vereine fih gürtkftig über diese Maßregel aus\priht, vielfah aber noch Divergenzen über den zweckmäßigften Modus folcher Prämiirungen im Ganzen und in den Einzelheiten beftehen, hat der Minifter be- \{lofsen, zunähft einige \solhe Prämiirungen probeweise vor- nehmen zu lassen, um nach den hierbei zu machenden Erfah- rungen zu beurtheilen, ob und wie dies Verfahren allge- meiner einzuführen ist. Der Minister ha! deshalb der ostpreußi- sen landwirthschaftlihen Centralstelle, der Königlihen Land- wirthshafts- Gesellschaft in Celle und dem Rheinpreußischen Ilandwirthschaftlihen Centralverein je 1000 F und eine goldene und eine filberne Medaille, sowie der Centralstelle des land- wirthschaftlichen Vereins für Hohenzollern 400 und eine sil- berne Medaille zur Verfügung um eine Konkurrenz nach den im Folg:nden ausgeführten Gefihtspunkien zu eröffnen.

Es soll nit die Hauptabsiht dieser Prämiirungen sein, den nzelnen Landwirth durch die Hoffnung auf eine Prämie zu großen Anstrengungen in seiner Wirthichaft, besonderen Meliora-

tionen 2c. zu veranlassen, sondern es f\oll die Konkur- renz wesentlich dazu dienen, auf möglichft unparteiische Weise solche Wirthschafien zu ermitteln, welche als für

die gegebenen Verhältnisse musiergültig zu betraten find. Die Publikation genauer Beschreibungen s\olher Wirt?- \chaften, und dieë is der Hauptzweck des ganzen Syftewms, soll dann allen in ähnlihen Verhältnissen wirthshaftenden Land- wirthen zur Lehre und Beispiel dienen. Gleichzeitig werden diese Beschreibungen mit der Zeit ein werthvolles historish- ftatiftishes Material bilden, um die Veränderungen und Fort- [chriite in unserem landwirth\schaftlizen Betrieb danah bemessen zu fönnen. Die Prämie selbft soll für den Prämiirten weniger eine Belohnung für sein Streben, dies muß fich ja im wirth- shafiliden Resultate bezahlt machen, als eine Entschädigung für die Mühwaltung sein, welhe mit der Beschreibung seiner r und der Offenlegung seiner Verhältnisse verbun- Sierdurch if nicht ausgeschlofsen, daß der zur Konkurrenz fich Melde-de hierin eine Veranlaffung findet, einzelnen noch befiehenden Uebelßtänden in seiner Wirthschaft abzuhelfen und besonders zum Zwecke einer rechnungsmsßigen Darlegung seiner Wirthschaftéresuitate eine georimete Buchführung einzurihten.

lihe Besiger uxrd Kleinwirthe fiatt. Größere Gutsbefiger fonkurrirn nur um Ehrenpreise. Die Konkurrenten melden fich unter Einreihung einer Wirthschaftsbeschreibung, welche nach einem einfahen, von den Vereinen aufzustellenden Schema entworfen sein muß und aus welcher alle zur Beurthei- lung der Wirthschaft nothwendigen Daten zu entnehmen find. Der Verein wählt eine Kommission von mindestens drei Mit- gliedern, welche die angemeldeten Wirthshaften zu mindeftens zwei vershieder.en Zeiten im Jahre besucht und beurtheilt. Die Dauer der Konkurrenz muß mindestens ein Jahr betragen, um Gelegenheit zu geben, die Wirthschaft in den verschiedensten Perioden zu pcúfen. Die Angaben der Wirthschaftsbeshreibung find hierbei zu prüfen resp. zu berihtigen. Die auf diese Weise beglaubigten Wirthschaftsbeshreibungen der prämiirten Wirth- \haften werden nebst dem Gutachten der Kommission in dem Vereinsblatt oder in \ons passender Weise veröffentlicht.

Sgließlih bemerkt der Minister, daß es sehr erwünscht wäre, wenn auch in den übrigen landwirthschaftlichen Central- vereinen ähnlihe Konkurrenzen aus eigenen Mitteln der Vereine zur Gewinnung umfafsenderer Erfal,rungen gleichzeitig angeftellt würden.

E _ Nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 920. April 1876 kann neben der Defraudationsftrafe auf eine Ordnungsftrafe erkannt werden, wenn die zur Bierbereit ung verwendete Biercouleur an einem der Steuerbehörde : nit

angemeldeten Orte aufbewahrt war.

Der hiesige Königlich italienisGe Botschafter, Graf de Launay, is von seiner Urlaubsreise zurückgekehrt und hat die Geschäfte wieder übernommen:

Der General-Arzt der Marine Dr. Wenzel if zum internationalen Kongreß nebs Ausftelung in Brüssel komm ans dirt worden und dorthin abgereist.

Der Kaiserliche Vize-Konsul I." Pit kin [in Gallipoli (Stalien) ift gestorben. :

Der Kaiserlich rusfishe General-Adjutänt, Baron von Wurangell, traf vorgestern Abend aus Wiesbaden hier ein und reiste heute früh nach St. Petersburg weiter.

S. M. S. „Vineta* beabfichtigte am 25. Juli cr. von Honkong nah Chefoo zu gehen.

S. M. S. „Victoria? hat am 17. Iuli cr. St. Thomas verlassen, traf am 20. desselben Monats in Barbadoes ein, ging am 23. wieder in See und ankerte am 12. August cr. auf der Rhede von Bahia. An Bord Alles wohl.

S. M. Schiffe „Friedrich Carl“ und „Kronprinz“ find, telegraphisher Nachriht zufolge, am 9. d. Mts. Miitags in Smyrna angekommen. S. M. Kanonenboot „Pomme- rania* wird daselbft am 10. erwartet. f A Mils

S. M. S. „Medusa* ift am 7. September cr. auf der Rhede von Plymouth zu Anker gegangen. f “4A L

s E L L P E E E T L F E E E E T I Ey

Kiel, 9 September. Der Großfürst Wladimir und

Gemahlin trafen geftéèrn, von Doberan kommend, hier ein

und setzten heute auf der Kaiserli rusfishen Dampfyacht „Der- jawa“ die Reise fort. /

Côln, 10. September. Die Prinzessin Alice von Hessen traf auf der Reife- nah England geftern Abend hier ein. "#3 -:

Bayern. Mklnchen, 8. September. Nach der „A. A. Z.“ mußte die für gestern bestimmte Reise des Königs von Berg nach Hohenshwangau, um dort das Namensfest der Königin- Mutter zu feiern, unterbleiben, da Se. Majeftät in Folge einer leihten Erkältung unwohl war.

Die größeren Uebungen der bei Alt-Eglofsheim kon- zentrirten Kavallerie-Division die aus 24 Escadrons mit zwei reitenden Batterien 2c. bestand find geftern zum Abschlusse gelangt. Der heutige Rafttag wird zu einem von den Offizieren veranstalteten Rennen, zu welhem auch der König, sowie die Prinzen Leopold und Arnulf mehrere Ehrenpreise gewidmet haben, benutzt, und morgen werden die Regimenter den Rück- marsch{ in ihre Garnisonen antreten.

Sachsen. Leipzig, 8. September. Jhre Majestät die Königin hat heute Mittag dem hiefigen Kunftgewerbe-Mu- seum, welhes gestern vonSr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen mit einem Besuche ausgezeichnet worden war, gleihfalls die Ehre Ihres Besuchs zu Theil werden lasen. Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz hat am gestrigen Nachmittag nach Befihiigung der Sammlungen des hiefigen Kunstgewerbe-Museums auch dem fstädtishen Museum die Ehre seines Besuches zu Theil werden lassen. Höchfiderselbe wurde von den Mitgliedern des Direktoriums des Kunstvereins ehrfurchtsvoll begrüßt und durch die Räume des Museums geleitet,

AÆürttemberg. Stuttgart, 8. September. Heute früh starb auf seinem Gut Leinfelderhof der Staats-Minister a. D. Frhr. v. Neurath.

9, September. (W. T. B.) Die allgemein verbreitete (aus dem „W. T. B.“ auch in den „Reichs-Anzeiger“ über- gegangene) Nachriht vom Tode des Konfiftorial - Präsidenten von Golther hat- fih nah an authentisher Stelle eingezogener Crkundigung.-uiht bestätigi. Im Gegentheil ift heute im Be- finden des Kranken cinige Besserung eingetreten.

Baden. Karlsruhe, 9. September. Der Großherzog feiert heute sein 50jähriges Geburtsfeft. Das Gefetzes- und Verordnungsblatt enthält: Geseh, die Einrihtung und Befugnisse der Ober-Rehnungskammer betreffend, sowie das neue G e- sey über die Erwerbfteuer. Das Gesetz tritt mit dez Anfang des Steuerjahres 1878 in Wirksamkeit. Im Geseg kommt die Ver- einigung der bisherigen Erwerb- und Klafsenfteuer zum Aus- druck. Die Ermittelung des steuerbaren Ertrags erfolgt vor- behaltlich der durH das Gesch beftimmten Ausnahmen, auf Grund der von dem Pflihtigen zu machenden Angaben und bezw. Erhebungen bei dem jährlichen Ab- und Zuschreiben.

Spesen. Darmstadt, 8. September. Der vierte Aus- \chuß der Zweiten Kammer i auf Donnerstag, den 14. d. M., einberufen, Gegenstände seiner Berathung werden zu- nähft sein: Der Antrag des Aba. Dumont, die Entschädigung bei Einguartierung von Truppen in Friedens zeiten betreffend, und der Antrag des Abg. Frhrn. von Nordeck zur Rabenau, die Durchführung des Titels VII. der Reichsverfas- sung in Bezug auf das Eisenbahnwesen betreffend. Na- mens des Finanzausfchusses der Ersten Kammer hat Hr. Wernher (Nierftéin) Bericht erstattet über die Vorlage des

Ministeriums der Finanzen, den Gesehentwurf, die Besteuerung ! des Weines betreffend. Der Aus\{huß beantragt Beitritt zu i sammtlichen Beschlüssen der Zweiten Kammer.

Die Konkurrenz um Geldpreise findet nur für bâäuer- -

Weiter hat Namens des zweiten Aus\{hu}ses der Ersten Kammer Hr. von Willih Bericht erstattet über die Vorlage des Ministeriums des Jnnern, den Gesezentwurf, die Sterbequartale der Volks\hullehrer betreffend. Wenn der Aus\{huß auch in der varliegenden Frage eine willkommene Gleichheit der Verhält- nie der Civilbeamten mit denen der Volksschullehrer nit an- zuerkennen vermag, fo glaubt er doch, aus Gründen der BVillig- keit und Zweckmäßigkeit, den Beitritt zu den Beshlüssen der Zweiten Kammer beantragen zu sollen.

Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 9. September. Die Großherzogin iff von ihrer Reise nah dem Eisenacher Oberlande gestern nah Wilhelmsthal zurückgekehrt.

Schwarzburg - Sondershausen. Sondershausen, 7. Septemb-r. Die im Landtage von dem Abg. Drechsler begründete Interpellation, betreffend den derzeitigen Stand der Verhandlungen über die vom vorigen Landtage beschlofsene und von der Staatsregierung zugesagte Reform der Penfionsanstalt für Hinterbliebene von Staatsdienern 2c. wurde Seitens der Fürftlihen Staatsregierung dahin beantwortet, daß der betref- fende Geseßzentwurf bereits der Vollendung nahe sei und dem Land- tage bei seinem vorausfihtlich gegen das Ende dieses Jahres erfol- genden Wiederzusammentritt vorgelegt werden \olle. Hierauf wurden drei Gesegentwürfe: 1) betreffend die Ausführung des Reihs- gesetzes vom 7. April 1876 über die eingeshriebenen Hülfskafsen, 2) betreffend die Neubegründung von Reallasten, 3) betreffend die Fischerei, die zwei lezten mit einigen Abänderungen ange- nommen. Der Präfident theilte mit, daß die sämmtlihen Bor- lagen, welche dem Landtage zugegangen seien, erledigt wären. Der Staats-Minifter ‘v. Keyser dankte Namens der Staats- regierung dem Landíag für die rasche und \orgfältige Er- ledigung aller Arbeiten und erklärte den Landtag kraft Aller- höchster Vollmacht für vertagt. E: S E” “De éi R Zar E E Er ge T E I

Elsaß-Lothringen. Mes, 6. September. (Karlsr. Ztg.) Das vom Bezirkstag berathene Budget von Lothringen für das Jahr 1877 \{chließt in Einnahmen und Ausgaben mit je 2,240,183 4 Unter Anderm find für Armenwesen 76,504 #4, für Förderung von Künfien und Wissenschaften 6100 #, für landwirthschaft- lihe Zwecke 15,700 # ausgeworfen. Zur Vollendung des Irren- hauses zu Saargemünd (die Geisteskranken unseres Bezirks wur- den seither in der franz fishen Irrenanftalt | zu Nancy unter- gebracht) ift die Summe von 592,497 Á# festgesegzt.

Oesterreih-Ungaru. Wien, 9. September. Der Kai- ser ist heute Morgens nach Hermannstadt abgereist und wird nach einer Meldung der „Hermannft. 3.“ daselbst morgen früh eintreffen. Am 11. wird Se. Majeftät eine Truppenrevue auf dem dortigen großen Exerzierplaze abhalten, und am 12. und 13. September dem zwischen Hermannftadt-Großau stattfindenden Manöver beiwohnen. Abends 9 Uhr findet die Abreise des Kaisers statt. Wie aus Athen vom 8. gemeldet wird, i die Kaiserin im firengften Inkognito aus Corfu an demselben Tage dort eingetroffen. Der Kronprinz Rudolf hat fih heute Morgen von Hegzendorf aus nach WMiramare begeben.

Die „Politishe Correspondenz“ meldet aus Athen vom gestrigen Tage, daß die Kaiserin von Oesterreih daselbst im firengsten Inkognito aus Korfu eingetroffen sei.

Der Reihs-Finanz- Minister Freiherr v. Hof- mann hat gestern als solher den Eid in die Hand des Kaisers abgelegt.

Pest, 9. September. Wie der „N, Fr. Pr.“ von hier gemeldet wird, wird der Ministerrath sofort nah Tiszas Rück- kehr die Berathungsordnung für den Reichstag fest- fiellen. Im Minifterium wird eine ganze Reihe von Geseßzent- würfen vorbereitet, welhe neben den wirthshaftiliden Fragen verhandelt werden“ sollen. Der Finanz-Minister hat angeordnet, daß in den vom Froft heimgesuhten Gegenden die Steuerein- treibung im Exekutionswege unterlassen oder doch möglich|t milde betrieben werden soll. Wegen Unterstüßung dieser be- \chädigten Grundbefiß-r im Wege von Anleihen wird von der Regierung eine Reiczstagsvorlage vorbereitet.

Agram, 9. September. Eine Deputation bosnischer Flüchtlinge begab fih, wie die „N. Fr, -Presse* berichtet, vorgestern zum General Mollinary und überreichte ein Gesuch, die Regierung möge fie vor Hungersnoth shügen, da fie nihts verdienen könnten.

Niederlande. Haag, 6. September. (Leipz. Ztg.) Die Minifter der Auswärtigen Angelegenheiten und der Finanzen haben dem Gemeinderathe von Mastriht in Er- widerung auf eine Eingabe defselben Mittheilung gemacht, daß für die Regierung keine Beweggründe bestehen, um der in An- regung gebrachten Idee des Abschlusses eines Zollvereins mit Belgien Folge zu geben.

Schweiz. Bern, 8. September. Der bisherige Mis nifterresident der Vereinigten Staaten bei der s{hwei- zerishen Eidgenossenschaft, Horace Rublee, hat dem Bundes- Präsidenten seine Abberufung von dieser Stelle angezeigt und ihm ein neues Beglaubigungs\schreiben als Geschäfts- träger überreicht.

(Köln. Zig) Der italienishe Minister-Präsident Depretis nebs Begleitung wurde bei seiner Ankunft in Locarno von dem \{chweizerishen Gesandten in Rom, Pioda, und dem Gotthardbahn-Inspektor Koller empfangen. Der Bundes-Prä- fident Welti und Bundesrath Anderwert find am 7. von der Besichtigung der Gotthardbahz-Bauten nah Bern zurückgekehrt.

Der zum außerordentlichen und bevollmächz- tigten Minister der Republik San Salvador bei der \chweize .ishen Eidgenossenshaft ernannte Carlos Gutierez ist in Bern eingetroffen. Außer dem Abs{chluß eines Handels- vertrages mit der Schweiz hat derselbe noch das Stu= dium des \{hweizerischen Föderatiosystems zur Aufgabe, welhes den fünf central-amerifkanishen Republiken als Vorbild für die von ihnen beabfihtigte Konföderation dienen soll.

Großbritannien nund Arcland. London, 9. Sep-

tember. (W. T. B.) In dem heute NaŸmitiag 35 Uhr in Blackheath abgehaltenen Meeting, welches troß wiederholten Plaßregens von etwa 12,000 Personen be-

suht war, hielt Gladfione eine Rede, in we!cher er etwa Folgendes sagte: England habe in dem Krimkriege eine Reihe feierliher Verpflihtungen übernommen; er sei hierher gekommen,

um an deren Erfüllung zu mahnen. “Nie habe er eine Bewegung gesehen, welhe mit s\solher Scnellig- keit so bedeutende Dimenfionen angenommen und sich in eine wahrhaft nationale Bewegung umgewandelt habe.

Die Frage, um welhe es sich hierbei handle, stehe über jeder | Partei, über jeder Nationalität uud selbs| über dem Christen- | thum, weil es eine Frage der allgemeinen Menschlichkeit sei. Die

Türkei, weit davon enifernt, die gegen fie erhobenen Anklagen zurückzuweisen, Habe dieselben nur vershlimmert durch Ableug- nungen, welche eher eine Glorifikation der Uebelthäter gewesen \ei. Sie habe diejenigen bestraft, welche es versucht hätten, die Gräuelthaten bekannt den zu lassen und habe einige der \{limmfsten Verbreher mit Auszeihnungen belohnt. Man wolle Serbien wie ein zweites Bulgarien behandeln. Diejenigen, welche, obgleih fie im Besitze der dazu erforderklihen Macht seien, diesen Gräuelthaten fein Ende gebieten, würden die Verantwortlichkeit für dieselben zu tragen haben. Gladftone spra hierauf zu Gunsten einer Kooperation Englands und Rußlands; obgleih Rußland, wie jede andere Nation, von Ehrgeiz nit frei sei,- so werde es doch von Im- pulsen der Humanität geleitet. Man müfse alle Verdähhtigungen zurückhalten und fih niht auf alte und individuelle Erinnerungen stüßen. Er habe niemals eine große Frage gekannt, in welcher die Mächte und Völker Europas eine folch? Uebereinstimmung gezeigt hätten. Unter den \echs Großmächten sei keine, von der England etwas anderes als berzlihe Zustimmung erwarten dürfe. Deft: rreich sei im Genusse seiner jugendlihen konstitutionellen Freiheit niht mehr eifersühtig, wie das am Ende des Krimkrieges der Fall gewesen sei; er zweifele niht, daß es fortfahren werde, mit den anderen Mächten zur Erreihung des gemeinsamen Ziels zusammenzuwirken. Deutshland an der Spigze der teutonischen Race, werde fiherlih niht die gewonnenen Ehren beflecken, noch seine moralishe Macht in Europa dadur gefährden wollen, daß es versuche, die edlen Gefinnungen, welche die ganze Christenheit durchdringen, von ihrem Biele abzulenken. Ebensowenig sei dies von der großen französischen Nation zu erwarten, welche \o viel für die Civilisation gethan habe und nun nach langdauernden Erregungen den Weg zu einer befestigten Freiheit gefunden zu haben \cheine. Für Italiens Haltung endlih würde er selbst Bürgschaft über- nehmen, zumal dieses Land seit dem BVeginn der Schwierigkeiten im Orient den Unterdrückten f.ets seine Sympathien gezeigt habe. „Isolirt, so {loß Gladstone, können wir unser Ziel nit er- reihen, wohl aber vereinigt.“

11. September. (W. T. B.) Die heutige „Times“ widmet der Rede Gladftone's in Blackheath einen längeren Ar- tikel und erklärt, England sei nicht allein verpflichtet, eine Ver- ftändigung mit Rußland zu erzielen, sondern nöthigenfalls auch die ersten Schritte hierzu zu thun. Der gezenwärtige Augenblick sei äußerst günstig, um die Jrrthümer zu berichtigen, von welchen die Ablehnung des Berliner Memorandums begleitet gewesen sei.

Frankreich. Paris, 9. September. Das „Journ. of.“ vom Sonnabend bringt das Dekret des Präfidenten der Repu- blik, welhes das General-Reglement für die Ausftel- lung von 1878 genehmigt, sowie das Reglement felbst. Da- nach zerfallen die auszuftellerden Gegenstände in 9 Gruppen oder 90 Klafsen.

Ferner wird dem „Journ. off.° aus Calais gemeldet, daß die Sondirungen des unter dem Kanal projektirten Tunnels im Laufe dieses Monats beendet sein werden und daß bis jetzt die Resultate im höchsten Grade befriedigen.

Aus Neu-Caledonien i| die Meldung gekommen, daß der Marine-Infanterie-Kapitän Mairet von den Eingeborenen gefangen, getödtet und verspeist worden ift.

Lyon, 9. September. (W. T. B.) Der Marshall Mac Mahon traf heute Nahmittag hier ein. Die Begrüßung des Präsidenten des Munizipalrathes beantwortete der Marschall- Präsident mit einer längeren Rede, in welher er hervorhob, daß er, so lange er an der Spigze der Regierung stehe, stets bestrebt sein werde, die Ruhe des Landes aufrecht zu erhalten.

Der Empfang der Behörden Seitens des Marschall -Präsidenten fand um 5!/, Uhr Natß- mittags flat. Der Generalrath ershien um 59/, Uhr, zog sich aber, da der Empfang bereits begonnen hatte, unter Protest zurück. Einige Generalräthe riefen, als fie die auf der Straße versammelte Menge durhschritten: „Es lebe die Republik, es lebe die Amnestie!“ Die Menge blieb indeß ruhig. Der Empfang verlief ohne weiteren Zwischenfall.

10. September. (W. T. B.) Auf die Empfangsanrede des Präsidenten der hiefigen Handelskammer erwiderte der Mar- \hall-Präsident mit einer längeren Rede, in der er der Hoffnung und dem Wunsche Ausdruck gab, daß recht bald ein Zeitabschnitt eintrete, wo die militärishen Rükfihten in den Hin- tergrund träten und wo man fich aus\{chließlich friedlihen Be- \châftigungen hingeben könne. Was die Handelsverträge mit

E anderen Nationen und deren Erneuerung betreffe, so sei diz Re-

gierung mit dieser Frage beschäftigt. Dieselbe halte es aber für vortheilhafter, zunächst alle Handelsverträge ablaufen zu laffen, um dieselben dann gleichzeitig gemeinsam zu erneuern. Wenn auf diese Weise alle Nationen durch einen gemeinsamen Vertrag mit einander verbunden wären, würden dieselben durch das ge- meinsame Interesse in einer gleihsam solidarishen Weise an Erhaltung des Friedens betheiligt sein.

Spanien. Madrid, 9. September. (W. T. B.) Dem mini- fieriellen Iournal „Chronista* zufolge, haben die proteftantisczen Geistlihen fih an die englische Gesandtschaft gewandt und bei der- \elben wegen der Maßnahme der Regierung, welhe den An- \chlag von Bekanntmachungen verbietet, die \fih auf den pro- testantishen Kultus und die protestantishen Schulen beziehen, Reflamation erhoben. Die Geistlihen würden sich am Abend über ihr weiteres Verhalten berathen.

10. September. (W. T. B.) Wegen des Verfah-

E rens des Unterpräfekten von Port Mahon (auf Minorca) F ift cine Untersuchung angeordnet und soll derselbe, wenn fich

ergiebt, daß er wider die Verfafsungsartikel in Belreff der reli- giôsen Toleranz verstoßen hat, zur gerihtlihen Veraniwortung

Æ# gezogen werden.

Italien. Rom, 4. September. In den Räumen des

_ biefigen Apollo-Theaters hatten fich geftern 3—4000 meift den E befferen Klafsen angehörige Personen zu einem Meeting ver-

sammelt, um gegen die von den Türken in Bulgarien ver- Übten Grausamkeiten zu protestiren. Die Bedeutung dieser Kundgebung als Ausdruck der öffentlißen Meinung des Landes wurde noch durch zahlreihe Beitrittserklärungen politischer Vereine aus den Provinzen, sowie zurch beiftimmende Zu- schriften von Senatoren, Deputirten und fonstigen Autoritäten

F aller Parteien erhöht.

Das Ergebniß - der Verhandlungen, bei welchen einzelne Redner die notorische Türkenfreundlihkeit des Vatikans sowohl als die anfänglihe Zurüdhaltung der italienishen Regierung

gegenüber den aus Bulgarien an die Deffentlihkeit gedrungenen

Sthreckensnachrihten aufs Schärffte angriffen, wurde in einer E Stimmenmehrheit votirten Resolution zusammen- gefaßt.

Aus dem Inhalt derselben if hervorzuheben, daß die Ver- sammlung laut die Grausamkeiten verdammt, welche weit über die Nothwendigkeit der Kriegsführung hinaus gegen ein um seine Unabhängigkeit kämpfendes Volk begangen seien. Ss knüpft fich daran die Aufforderung an die italienische Reaierung, ihre Aktion zu Gunften der Slaven auszudehnen, damit dem Elend ein Ziel gesezt und den Bewohnern jener Länder eine bessere Zukunft gesichert werde. Endlih wird die Gefälligkeit gegen die mit den Waffen streitenden Jünger des Korars ge- brandmarkt, deren fich fogenannte Anhänger ‘des Evangeliums \{uldig matten.

__ Ein von der Versammlung gewähltes Comité ist mit Aus- führung der gefaßten Beshlüsse und der Einleitung einer Sub- fkription zur Linderung des Nothzuftandes beauftragt.

Auch zu Mailand hat am nämlichen Tage ein ähnliches Meeting ftattgefunden.

8. September. (Ital. Nachr.) Die Marokkanische Gesandtschaft hat sich gestern in Genua auf dem ihr von der Regierung zur Verfügung geftellten Dampfer „Conta di Cavour“ nach Tanger einge\hi}t.

(Köln. Ztg.) Der Iustiz- und Kultus-Minister Mancini hat einen Erlaß an die Präfekten gerichtet, welcher der überhand nehmenden Wiederauflebung der Nonnenklöfter steuern soll. Darin heißt es: „Es ift der Regierung beftannt, daß in den aufgehobenen Klöstern, welche den unterdrückten Non- nen zu zeitweiliger Benuzung belassen wurden, häufig neue Einkleidungen von Nonnen vorkommen, und zu diesem Zwecke Novizinnen aufgenommen werden.“ Die Regierung sei gewillt, folhen Mißbrauch fortan nicht mehr zu dulden. Das Gesetz habe die Nonnen der aufgehobenen Klöfter auf ihren Wunsch ‘in den bisherigen Räumen belassen, aber nur fie allein. „So wird denn die Existenz von neuen Profefsen oder Novizinnen in einem Kloster die Regierung veranlassen, diese augenblicklich zu ver- treiben und die Nonnen, welche dieselben gegen das Gese auf- genommen haben, in ein anderes Kloster zu verweisen.“ Die Präfekten werden dann weiter angewiesen, dieses allen Kloster- Vorfteherinnen kund zu thun, au der Regierung zu melden, in welche Klöfter Novizinnen oder neue Nonnen aufgenommen wurden, sowie diejenigen Häuser zu beauffihtigen, welhe in privater Form Frauengemeinfchaften geistliher Natur beherbergen.

9. September. (W. T. B.) Der serbishe Minister- Präsident Ristics hat an den Präfidenten des hier am vers gangenen Sonntag zu Gunsten der Slaven abgehaltenen M ee- tings und an den konstitutionellen Verein in Perugia Depeschen gerichtet, in welchen er für die Kundgebung des lebhaften Interesses an der von Serbien vertheidigten Sache, im Namen des Fürsten seinen Dank ausspricht.

Türkei. Zonftantinopel, 5. September. Die „Pol. Corr.“ meldet: Der von den sechs Garantiemächhten in der leßten Ver- sammlung bei dem englischen Botschafter beschlossene Schritt ift geftern erfolgt. Jeder der betreffenden Vertreter brahie den Wunsch nah unvéerweilter Einstellung der Feindseligkeiten zwar einzeln, jedoch in identishen Ausdrücken zur Sprache. Die

Antwort der Pforte lautete, wie folgt: Die Türkei wünshe die Wiederherstellung des Friedens sehnlicher als irgend Jemand, sie könne aber zu einem Waffen-

ftillsiande ihre Ein-: illigung niht geben. Die Gründe, welche die Pforte für ihre Weigerung anführt, find folgende: Die täg- lien Ausgaben für die Armee erreihen eine ungeheure, für das Land höchst drückende Ziffer und es kann nicht angehen, 200,000 Mann, Gewehr in Arm, unthätig stehen zu lassen. Die Irre- gulären, welche vom Kriege leben, müßten während des Waffen- ftillstandes Sold erhalten und auf Staatskosten ernährt werden. Die Unterhandlungen könnten fih bis zum Eintritte der {lech- ten Jahreszeit in die Länge ziehen und der Waffenstillstand fönnte nur den Serben nüßlich werden, welche die Ruhe be- nügen würden, um ihre durch die Niederlage ershütterten Armeen zu reorganisiren.

7. September. (Auf indireftem Wege.) (W. T. B.) Wie die „Agence Havas-Reuter“ erfährt, sollen die von der Pforte aufgestellten Friedensbestimmungen unter Anderem Fors derungen enthalten, nach welchen die Befestigungswerke von Bel- grad und Semendria geshleift werden und die serbishe Armee eine Stärke von 20,000 Mann in keinem Fall überschreiten sol.

Den heut angekommenen Nummern der „Turquie“ vom 2.— 5. September entnehmen wir folgende Mittheilungen :

Das Blatt hatte kürzlich einige Notiz über den Rücktritt und die Penfion Ariftarhi-Beys gebraht; jezt erklärt es diese Angaben für ungenau und sagt: „Nach besseren Informationen handelt es fich weder um Rüdtritt noch Penfion. Die kaiserliche Regierung hat kürzlih die Entlaffung Aristarhi-Beys als Viit- glied des Staatéraths angenommen und ihm ein Disponibilitäts- gehalt bewilligt.

In dieser Woche wird die Ceremonie der Sendung des,Sureï-Humapyum“ (der Kaiserlichen, für Mekka bestimmten Geschenke) ftaitfinden. Die Prozession wird von Mabeïn abgehen, um fich nach Tophane zu begeben; dort wird fie auf einem Spezialshif} nah Skutari unter Kanonenshüssen gebracht. Ein Staats\{hif} nimmt dann die Geschenke und die Pilger aus Kon- ftantinopel auf, um sie nach Beyruth zu bringen. Von dort gehen fie nah Damaskus, von wo die Karawane, nun vollstän- dig zusammen, den Weg durch die Wüste nah den heiligen Orten einschlagen wird.

Wien, 10. September. (W. T. B.) Dem „Telegraphen- Korrespondenz-Bureau“ wird aus Athen vom geftrigen Tage gemeldet, daß daselbft aus Kreta die Nachricht eingegangen fei, der dortige Gouv:rneur habe den Deputirten der fkretenfishen Nationalversammlung Mizotakes verhaftet und auf ein Schiff bringen lassen. Das Volk habe die Freilassung desselben ver- langt. Die Aufregung sei sehr groß, man befürhte weitere Verhaftungen.

Vom türki\ch{ch-\erbischen Kriegs\chauplagze liegen heute folgende Mittheilungen vor:

Die gestrige „Wien. Presse“ schildert die gegenwärtige Situa- tion auf dem Kriegs\chauplatze wie folgt:

„Vor einigen Tag-n bereits haben wir darauf hingewiesen, daß Krusewaß der getährlihste Punkt der serbishen Aufftellung im Moramathale sei. Falls die Friedensverhandlungen dem Kriege kein Ende machen, werden sich die Türken, so sagtcn wir, weit weniger mit der Erstürmung von Deligrad und Alexinaß vorläufig befassen, als viel- mehr das Thal der ferbishen Morawa, besonders Krusewatz, zu okku- piren trachten.

Einzelne Privatnachrichten, welche bis zum 6. September reichen, bestätigen unsere Anschauung und die seit Anfang dieses Monats ge- lieferten Scharmüßel weisen darauf hin, daß Abdul Kerim Pascha die Widerstandsfähiekeit des rechten serbischen Flügels untersuche. Der Erfolg solher Rekognoszirungsgefehte liegt selbstverständlich nicht darin, wer angegriffen oder zurückzedrängt worden sei; solche Gefechte habea nur den Zweck, den Rekcgnoszenten über die Stel« lung und Stärke des Feindes zu unterrichten,

Die Serben werden selbftverständlih nicht Krusewaß, Deligrad vnd Alexinatz allein beseßt halten; sie werden au die nördlisten, in den Winkel zwischen der serbishen und bulgarishen Morawa sich vorschiebenden Ausëläufer der Jastrebazgebirge beseßen müssen. Da- rei ift speziell die Thalfurhe des nah dem Dorfe Djumis benanuten Bathes von besonder-r Wichtigkeit, da sie in ihrem unteren Laufe die von Krusewaß nah Deligrad führende Straße begleitet.

Die verschiedenen Berichterftatter sind natürlich mit einezm augen- \ceinlih so bescheidenen Ziele, wie die Eroberung des untersten Laufes der serbi)chen Morawa von Kruser-aß bis Stolatsch, nit zufrieden. Die Einen behaupten, die Türken denken dermalen weder an Deligrad noch an Alexizaß, sondern {on an Kragujewaß. das Arsenal der serbischen Armee. Andere versicern wieder, daß Horvatovics den Türken ihre RückŒzugelinie nach Nisch verlegt und die böse Absicht habe, die Armee- Corps Abdul Kerims im Rücken auzugreifen. Vorläufig find derlei Kombizationen nur als fromme Wünsche oder als müßige Kombi- nationen anzusehen. Wollen die Tinken wirklich den Krieg 15it einem großen, entscheidenden Siege beendigen, dann müssen sie, wenn au nicht Deligrad, so doch Alexinaß einzunehmen traten und durch eine glücklihe Diversion gegen Kruscwaß eine weiter: Offupation serbischen Gebiets anftreben. Die Dinge stehen heute politisch wie militärisch iht danacv, als ob Kragujewaß oder gar Belgrad einen türkischen Angriff zu befüchten hätten.“

Das „Wiener Fremdenbl.“ \{chreibt: Jn Serbien if in der Kriegführung eine jener Pausen eingetreten, wie fie er- fahrungsmäßig in diesem Kriege jeder größern Aktion folgen. Der türkische Oberbefehlshaber motivirt den Stillstand seiner Thätigkeit mit humanitären Rückfichten. Es soll den Serben Zeit gelassen werden, Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Wahrscheinlicher dürften es Verpflegungss\chwierigkeiten sein, welche den Türken vorläufig Gewehr bei Fuß diktiren. Von s\erbischer Seite if vollends an ein offenfives Vorgehen \{chwer zu denken, so sehr auch gestern die Belgrader Luft mit derlei chimärishen Gerüchten gefüllt war. Dffenbar benußt General Ts\chernajeff seine Muße, um die \erbishen Milizen von der Manie der Selbstverftümmlung zu heilen, welhe neuerer Zeit wieder in be= denklihem Grade auftritt.

_— In einem Telegramm vom 4. d. M. aus Deligrad meldet der Berichterstatter der „Daily News“ u. A. Folgendes: „Aiexinaßz befindet sich heute ebenso wenig als vor vierzehn Tagen in den Händen der Türken. Es wird durch eine serbishe Besaßung von 15,000 Mann mit zehn Batterien Artillerie gehaiten und die Serben haben bêëute einige der nächsten im Thale vor dem Brückens kopfe belegenen Dörfer wieder beseßt. Die Zahl der am 1. Sep- tember auf Seiten der Serben Verwundeten war urter 500 Mann. In Wüuklichkeit waren und find noch jeßt verhältnißmäßig wenig Türken in dem Morawa-Thal. Die türkishe Hauptarmee ift in zwei Abtkeilungen getheilt, deren eine mit Horvatowics zu hafen hat, der auf tuürkischem Gebiete vor dem Gramada-Passe sich befindet und das türkishe Lager bei Nisch bedroht. Die andere Abtbeilung ift in einer weitausgreifenden Shwenkung dur den Jankowa-Paß und über Krusewaßz begriffen, welhe ten Zweck hat, unterhalb Déligrad in das Morawathal hinabzusteigen. Die serbische Stellung kann nicht \{chlechter genannt werden, als sie vor einer Woche war; aber gewiß ist fie sehr unsicler. Wenn die Türken Mannschaften zu einem ernstlichen Angriffe exübrigen können, so kann Alexinaß mit seiner verringerten Bejaßung und seiner verbältnißmäßig isfolirten Lage schwerlich dem Schicksal entgeten, in ihre Hände zu fallen, und dann würde ein gleichzeitiger Angriff auf Deligrad und die Stellungen von Jankowa- Klifsura und Krusewaßz8 die serbishen Vertheidigungshülfsmittel in \hrecklicber Weise in Anspcuch nehmey. Erst müssen die Türken jedoch sh Horvatovics rom Halse schaffen, dir fortfährt, ihnen tapfer kie Spitze zu bieten.“ Derselbe Berichterstatter sendet vom 7. d. M. ein Telegramm aus Belgrad, dessen wichtigere Stellen lauten: „In Folge des neueften Vorrückens der Türken hat Tschernajcff den Befehl gegeben, die {weren Geschüße aus den Linien von Alexi- naß nab der Stellung von Deligrad zu bringen. Es ift dies blos eine du:ch die Vorsicht gebotene Maßregel in Anbetracht der Schwie- rigkeit, die {weren Geschüße rasch hinwegzubringen in dem Falle, Alexinatz sollte geräumt werden. Die zur Vertheidigung der Linie on Alexinaßz bestimmten serbi}chen Feldbatterien verbleiben in Stel- lung. Aus amtlichen Quellen erfahre ih, daß die gegen die Stel- lung von Alexinay vom 1. bis 3, September wirkenden türkischen Streitkräfte sechszig Geschüße, theils Sechs-, theils Zwclfpfünder, zählten. Am 3. umzingen die Türken Schitkovaß, bei welcher Operation sie \chwere Valuste erlitten. Dem Vorrüdcken der Türk-n that ein ruf- ficher Offizier Einhalt mit 9 Bataillonen Infanterie und 26 Geschützen. Die Gesammtzahl der bei Alexinaß vem 1. bis 3. September in Anspruch genommenen serbishen Streitkräfte beläuft sich auf 20 Ba- taillone Infanterie, 6 Sbwadronen Kavallerie und 102 Geschüße der verschiedensten Kaliber. Der Verlust der Serben wird auf 300 Todte und 1500 Verwundete, der Verluft der Türken anf 6000 Todte und Verwundete angegeben. Am 4. griffen die Türken, nahdem ihnen die Einnahme von Alexinaß mißgluckt war, Prtschilowiß an und versuchten den reten Flügel der Serben zu umgehen, um rückwä.ts von Deligrad in das Morawa-Thal einzudringen. Diese Bewegunz wurde von T)cher- najeff vereitelt, und die Türken erlitten angeblich einen Verluft von 2000 Mann. Es wird berichtet, die Türken seien gegen Krusewaßt zurückge- triecren worden und Tscherrajeff bedränge sie im Rücken auf der Straße nach dieser Stadt, während Horvatowics dem rechten Morawaufer entlang gegen Nish vorgerückt sei und die türkischen Verbindungslinien bedrohe. Ein Theil der türkishen Infanterie nebst Kavallerie und Artillerie rückte auf Krusewaß zu, als der Rest gegen Alexinaß vorging. Diese türkishe Abtheilung hat Krufewaßz noch nit genommen, aber die genaue Lage der Dinge in der Nähe dieser Stadt is {wer zu verstehen, da zuverlässige Mittheilungen fehlen. Die Armee Tschernajeff3 -ist, wie jeßt berichtet wird, vor- theilhaft in einer Linie aufgestellt, von der man annimmt, daß sie das Morawatbal völlig absperre und außerdem die Verbindungen mit Krusewaßz sichere. i Die Natrihten vom türkisch-montenegrinischen Kriegsschauplaßte lauten: E Ragusa, 8. September. Einem Telegramm der „N. Fr. Pr.“ zufolge waren alle bisher an der montenegrinisch-albanesishen Grenze stattgehabten Zusammensftöße zwischen Türken und Monte- negrinern die Folge von Rekognoszirungen. Ein größeres Ge- feht habe bisher nicht ftattgefunden und seien demnach au die

- aus flavisher Quelle kommenden Tages-Bulletins unwahr.

10. September. (W. T. B.) Nach hier eingegan- genen Nachrichten haben die türkishen Truppen am s. von dem befestigten Lager bei Podgorizza aus einen Ausfall gegen Dukla unternommen. Von Trebinje aus find türkische Truppen in Banjani eingefallen und haben daselbst zwei Klöster zerstört. An demselben Tage sind 10 ägyptishe Bataillone in Trebinje eingerückt.

Zara, 10. September. (W. T. B.) In Folge der Ar vasion der türkishen Truppen in Montenegro flüchten forte t die bei Grahovo weilenden Flüchtlinge aus der Herzegoæota und viele Montenegriner auf österreichishes Gebiet.

Rumänien. Bukare|, 10, September. (W. T. B.) Aus Veranlassung der Anwesenheit des Kaisers von Dester- reich in Siebenbürgen wird fih der Minister-Präfident Bra- tiano, begleitet von dem Flügel-Adjutanten des Fürsten von MENBnEN nach Hermanrftadt zur Begrüßung des Kaisers bea geben.

Dänemark, Kopenhagen, 9. September. Die hreise. der Königlichen Familie (außer dem dänisher: gu das