1876 / 224 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Sep 1876 18:00:01 GMT) scan diff

vom Professor Rustige verfaßtes Festgediht vorgetragen. Se. Majestät der Kaiser erschienen mit Jhren Majestäten dem König und der Königin von Württemberg auf dem Mittel- balkon des Schlosses und nahmen unter enthusiastischer Be- grüßung durch die Versammelten die Allerhö@hstdenselben dar- gebrachte Huldigung entgegen. Der Fackelzug verlief in glänzendster Weise.

Berlin, 22. September. Der Bundesrath hielt estern die erste Vlenarsißung. Den Vorsiß führte der Prä- fident des Reichskanzler-Amts, Staats-Minister Hofmann.

Nach Erledigung einer geschäftlihen Angelegenheit und Wahl des Protokollführers wurde über die Bildung der Aus- schüsse für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen Mittheilung gemaht und zur Wahl der Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr, für Eisenbahnen, Post -und Telegraphen, für Justizwesen, für Rechnungswesen, für auswärtige Angelegenheiten, für Elsaß- Lothringen, für die Verfassung und für die Geschäftsordnung geschritten.

Hierauf wurde Mittheilung gemacht über eingegangene, den Ausschüssen zugetheilte Vorlagen. Von Vorlagen, betreffend: a. die Uebersicht des Ergebnisses des Heeres-Ergänzungsgeschäfts für 1875; b. die Nahweisung über die den Bundesstaaten bis Ende Juni d. J. überwiesenen Beträge an Reichsmünzen wurde Kenntniß genommen.

Es folgten Mittheilungen, betreffend: a. die mit Groß- britannien getroffene Vereinbarung über das Strandungs- xecht auf der Jnfel Helgoland; b. die Jmpf-Anstalten in An- halt, Bremen, Mecklenburg-Streliß und Reuß j. L.; c. die Einlösung des Staats-Papiergeldes von Bayern, Sachsen- Meiningen, Schwarzburg - Sondershausen und Reuß ä. L.;

Ferner Anträge, betreffend: a. den Abschluß einer Ver- einbarung mit Belgien über gegenseitigen Musterschußt ; b. eine Meinungsverschiedenheit über das Eigenthumsreht an einem Wiesenstück bei der Festung Posen, c. die Pensionsverhält- nisse mehrerer Beamten der Postverwaltung und der Landes- verwaltung von Elsaß-Lothringen.

Endlich wurden einige Eingaben den betreffenden Aus- s{üssen überwiesen.

Die vereinigten FEAR A des Bundesrathes für s Seéwesen, für, Händel. und -VexrlehL Und für

da Justizwesen versammelten sih gestern zu einer Sißung.

Im Jahre 1867 wurde das „Bundeskanzler- Amt“ errichtet als eine Behörde für die dem Bundeskanzler obliegende „Verwaltung und Beaufsichtigung der durch die Verfassung zu Gegenständen der Bundesverwaltung gewor- denen, bezw. unter die Aufsicht des Bundes-Präsidiums ge- stellten Angelegenheiten“, sowie für die dem Bundeskanzler zustehende „Bearbeitung der übrigen Bundesangelegenheiten“.

Diese Einrichtung, wonah mit Ausnahme der auswär- tigen sämmtliche, unter Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers zu erledigenden Geschäfte der oberen Leitung einer einzigen Centralbehörde unterstellt waren, genügte für die erste Zeit dem Bedürfniß.

: Die Geschäfte des Bundeskanzler-Amts wuchsen aber an

Umfang und Bedeutung in demselben Maße, in welchem die Thätigkeit des Bundes jih entwickelte und sich auf die ein- zelnen durch Artikel 4 der Verfassung der Beaufsichtigung und Geseßgebung des Bundes überwiesenen Gegenstände erstreckte. Das Fortschreiten der Bundesgeseßgebung stellte dem Bundes- kanzler-Amt nicht nur dur die Vorbereitungsarbeiten zu Ge- feßen immer neue Aufgaben; auch durch die Ausführung der erlassenen Gesetze vergrößerte sich allmählich der Wirkungskreis der Bundesverwaltung weit über die: anfänglihen Grenzen hinaus.

Von dem größten Einfluß auf die Stellung und die Ge- FerecaR des Bundeskanzler-Amts waren sodann die politi- chen Ereignisse der Jahre 1870 und 1871. ‘Die Gründung des Reichs dehnte die Zuständigkeit des Amts auf das Gebiet der süddeutshen Staaten aus. Das von demselben zu ver- waltende Finanzwesen gewann eine größere Ausdehnung und eine komplizirtere Gestalt. Jn der Bearbeitung derjenigen elfaß-lothringischen Landesangelegenheiten, welche die Thätig- keit des Reichskanzlers in Anspruch nehmen, und in der Ver- waltung der Reichseisenbahnen erwuchjen der Reichs-Central- behörde neue, ihrem bisherigen Wirkungskreise fremde Auf- gaben.

__ Gleihwohl wurde nah Errichtung des Reichs nur der Name dieser Behörde in „Reichskanzler-Amt“ geändert. Eine Trennung und selbständige Organisation der im Reichskanz- ler-Amt vereinigten Verwaltungszweige fand zunäst nicht statt.

Inzwischen hat die Reichsge)eßgebung weitere Theile des durch die Reichsverfassung ihr zugewiesenen Gebiets ergriffen (es sei hier nur an die Justizgesezgebung, an die Reform des Münz- und Bankwesens erinnert), und es vermehrte \sich da- durch abermals die dem Reichskanzler-Amt obliegende Ge- schäftslast in hohem Maße.

Unter solchen Umsiänden mußte sich allmählih das Be- dürfuiß fühlbar machen, auf eine Entlastung des Reichs- kanzler-Amts und eine gesonderte Entwickelung einzelner Zweige der centralen Verwaltung Bedacht zu nehmen. Jn dicser Richtung wurde durch das Gesez vom 27, Juni 1873 eine dem Reichskanzler unmittelbar unterstellte Centralbehörde für die Wahrnehmung des Aufsichtsrehts des Reichs über die Eifenbahnen geschaffen. Es wurde ferner durch Kaiserliche Verordnung vom 22. Dezember 1875 auf Grund des Reichs- haushalts-Etats für das Jahr 1876 die Verwaltung des Post- und Telegraphenwesens von dem Ressort des Reichskanzler- Amts getrennt und die Leitung derselben unter Verantwort- lichkeit des Reichskanzlers dem General-Postmeister übertragen.

Durch die Abzweigung der genannten Verwaltungen er- fuhr der Geschäftsbereih des Reichskanzler-Amts zwar eine Verminderung. Aber der dem Reichskanzler-Amt verbliebene Wirkungskreis ist noch immer außerordentlich groß, er umfaßt verschiedene, ihrer Natur nach nicht zusammengehörige und deshalb zur Vereinigung bei einer einzigen Be- hörde an und für sich niht geeignete Verwaltungs- zweige, welche zugleich von solcher Wichtigkeit sind und eine so bedeutende Arbeitslast mit \sich bringen, daß eine weitere selbständige Organisation einzelner Abtheilungen des Reichskanzler-Amts schon im Fnteresse einer sahgemäßen, zugleih gründlihen und raschen Erledigung der Geschäfte wünschenswerth erscheint. Die in dieser Hinsicht als zweck- mäßig erkannten Aenderungen sind aus einer Anlage zu dem “gde d für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1877 eritchtld).

Wenn die der Reorganisation zu“stellende Aufgabe darïn zu suchen ist, daß einer jeden dem Reichskanzler unmittelbar unterstellten Centralbehörde mögli ana Aufgaben zugewiesen werden, \o ergiebt sich die Grundlage der Umge- staltung aus der Entwicklung, welche die Geschäfte des Reichs- fanzler-Amts bisher genommen haben.

Unter den Verwaltungszweigen, die dem ursprünglichen Wirkungskreise des Reichskanzler-Amts erst im Laufe der Zeit hinzutraten, sind es hauptsächlich zwei, welche si, ihrer Natur na, zu einer besonderen, in sich abgeschlosjenen Organisation eignen, nämlich:

1) die Aufgaben, welche dem E dur die Ausdehnung seiner Geseßgebung auf das Justizwesen erwachsen, und

2) die durch die Ereignisse von 1870/71 dem Reichs- fanzler-Amt zugebrahte Mitwirkung bei der Landes- und Eisenbahnverwaltung in Elsaß-Lothringen.

Jeder dieser beiden Verwaltungszweige, für welche bereits besondere Abtheilungen des Reichskanzler-Amts eingerichtet sind, ist so umfassend und wichtig, daß für denfelben die Ab- zweigung vom Reichskanzler-Amt und eine selbständige Orga- nisation nach Analogie der -für das Postwesen schon bestehen- den gerechtfertigt und geboten erscheint.

Der vorliegende Etatsentwurf sondert deshalb aus dem bisherigen Etat des Reichskanzler-Amts selbständige Etats für das Reichs-Fustiz-Amt und für die Verwaltung der Reichslande aus und bringt auf jeden der beiden ausge- sonderten Etats das erforderlihe Beamtenperfonal, sowie die Fonds zu persönlichen Ausgaben in dem nah Bedarf ver- stärkten Umfange.

An die Spitze des Reichs-Justiz-Amts soll, der Bedeutung der demselben obliegenden Aufgaben und dem höheren Maße von verantwortlicher Selbständigkeit entsprechend, ein Staats- sekretär gestellt werden. Eine weitere Lees des Personals an Mitgliedern ist gegenüber dem bezüglichen Personalbestande der Zustizabtheilung des Reichskanzler-Amts nicht vorgesehen. Es 1st vielmehx davon ausgegangen, daß eine systematische Heranziehung egner Hülfskräfte zu vorübergehender Mitwirkung bei den Aufgaben des Reichs-Justiz-Amts der Natur dieser Aufgaben mehr entspriht und ihrer Lösung för- E jein wird, -als die Verstärkung des ständigen Per- sonals.

Auch für die Verwaltung der Reichslande war die Umwandlung der Stelle des Direktors der bisherigen Abtheilung des Neichskanzler-Amts für Elsaß-Lothringen in die eines Unter-Staatssekretärs mit entsprehend bemessener Kompetenz durch die demselben mit der größeren Selbstän- digkeit auferlegte größere Verantworlichkeit geboten.

Aus den dem Reichskanzler-Amt nach diejen Abzweigungen verbleibenden Geschästen sondert sich als äußerlih fest ab- geschlossene und ihrer“ Natur nach besondere technishe Spezial- E erfordernde Gruppe die der Neichs-Finanz- verwaltung aus. Jm JFnteresse der organischen Gliederun des Dienstes und der Entlastung der oberen Leitung empfiehlt es sich, für die Geschäfte der Finanzverwaltung eine besondere Finanzabtheilung unter besonderer Leitung zu bilden, neben welcher die Centralabtheilung für die übrigen, dem Reichs- fanzler-Amt zugewiesenèn Angelegenheiten bestehen bleibt.

Da es für den Präsidenten des Reihhskanzler-Amts wegen des Umfangs der Geschäfte unmöglich ist, alle unter der Firma desselben ergehenden Erlasse selbst zu zeihnen, so liegt es im Bedürfniß, däß thm ein- Unter:Staatssekéetär zur Seite stehe, dem dessen ständige Vertretung und die Sorge für sachliche und formelle Uebereinstimmung in allen von den beiden Ab- theilungen des Reichskanzler-Amts ausgehenden Erlassen und Verfügungen obliegt. Derselbe wird zugleih die Geschäfte des Direktors der Centralabtheilung wahrnehmen. Mit Nück- sicht hierauf ist die Stelle eines Unter-Staatssekretärs auf den Etat gebracht worden, während die auf dem Etat verblei- bende Direktorstelle die für die Finanzabtheilung bestimmte ist.

Von dem Generalstabswerke über den deutsch- französischen Krieg ist soeben das 11. Heft erschienen. Dasselbe enthält die Geschichte des Krieges auf dem westlichen Kriegsschauplaße von Ende September bis Ende Oktober 1870. In diesem Zeitraum war die-Umzingelung von Paris vollendet. Das für die Franzosen verlustreihe Gefeht von Chevilly (30. September gegen das VI. Corps) und das von Bagneurx 13. Oktober gegen das 1]. bayerishe Corps) waren vom ¿Feinde noch in dem Glauben, daß es sich bei den Deutschen um einen gewaltsamen Angriff der Hauptstadt handle, unter- nommen worden. Mit der Erkenntniß, daß die Aushunge- rung der Hauptstadt durch Umschließung beabsichtigt sei, be- gannen die Franzosen Durchbruchsversuche. (Gefechte bei Malmaifon gegen das V. Corps, 21. Oftober; von Le Bourget gegen das Garde-Corps, 30. Oktober.) Deutscherseits wurde gleichzeitig der artilleristishe Angriff der Hauptstadt nah dem Plan der Generale v. Hindersin und v. Kleist ins Werk gesetßt.

Die Erzählung wendet sich dann der Einnahme von Soifsons zu und geht auf die Ereignisse im Süden von Paris, auf die Waffenthaten des 1. bayerishen Corps und der 22. Division unter Führung der Generale v. d. Tann und v. Wittich über, welche Heerestheile zur Bekämpfung der in der Beauce sich ansammelnden neuen französischen Streitkräfte aus der Pariser Umschließungsarmee abgesandt, den Feind bei Artenay (10. Oktober) s{lugen und Orleans eroberten (11. Dftober). Der Streifzug der 22. Division gegen Chateaudun und Chartres {ließt den Fnhalt dieses Hestes, dessen leßte Worte bereits auf die wichtigen gleichzeitigen Er- eignisse des östlihen Kriegsshauplaßes, den beginnenden Feldzug des Generals v. Werder und den Fall von Meg, hindeuten.

Das Betteln um Almosen unter Vorspiegelung falscher Thatsachen, welche die Mildthätigkeit besonders wach- rufen sollen, ist nach einem Erkenntniß des Ober-Tribu- nals, Senats für Strafsachen, vom 6. September d. J. als Betrug zu bestrafen.

Der bisher im Kollegium der Königlichen General- Kommission für die Provinzen Pommern und Posen behufs seiner Ausbildung beschäftigte Regierungs - Assessor Perrin ist als Spezial - Kommissarius zu Stargard in Pommern angestellt.

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_— S. M. Kanonenboot „Nautilus“ ist, telegraphischer Nachricht zufolge, am 11. d. Mts. in Singapore angekommen. S. M. S. „Augusta“ ist am 20. d. Mts. in Wilhelms- haven in Dienst gestellt. Stralsund, 19, September. Auf dem von dem Fürsten

und Herrn zu Putbus heute Vormittag 10 Uhr im Land- ständischen Hause hierselbst eröffneten extraordinairen Ne u-

Marnommershen Kommunal-Landtage, zu dem sämmt- liche eordnete sich eingefunden hatten, stand „der Erlaß der Ausführungs - Bestimmungen zu dem unterm 28. Aprik d. F. Allerhöchst genehmigten neuen Reglement der Neu-Vor- pommerschen Feuer - Versicherungs - Sozietät für Gebäude“ auf der Tagesordnung. Von dem bestellte Herrn Refe- renten wurde zuerst die „Verwaltungs-Ordnung“ vorgetragen, nah deren Durhberathung und Annahme die Zeit soweit vorgerückt war, daß die übrigen noch zur Verhandlung stehen- den Ausführungsbestimmungen für heute von der Tagesordnung abgeseßt werden mußten. Der Vorsißende {loß damit die

Ee Sizung gegen 3 Uhr und bestimmte die Fortseßung er Berathungen auf morgen Vormittag 10 Uhr.

Bayern. München, 20. September. Die Königin- Mutter, welhe am Montag Abend von Hohenshwangau Rer eintraf, hat sowohl gestern als heut die Kunst- und

unstgewerbe-Ausstellung mit mehrstündigen Besuchen beehrt. Jhre Majestät wird in den . nähsten Tagen nach Hohen- \chwangau zurückehren und noch bis gegen Ende Oktober da- selbst verweilen.

Der Königliche Staats-Minister v. Pfeufer is aus dem Urlaub zurückgekehrt und hat gestern die Leitung des Königlichen Staats-Ministeriums des Jnnern wieder über- nommen. Jn den leßten Tagen wird auch der Staats-Minister v. Lutz aus dem Urlaub zurückkehren.

Sachsen. Dresden, 21. September. Jn Folge der von den Kaiserli deutschen Vertretungen im Ausland bei dem Reichskanzler-Amte eingegangenen Beschwerden, daß die ihnen von Behörden der deutshen Bundesstaaten zugehenden Briefpostsendungen meist unfrankirt seien, hat das Ministe- rium des Fnnern alle ihm unterstehenden Behörden und Verwaltungsstellen noch einmal besonders angewiesen, alle Briefpostsendungen, die sie an Kaiserlich deutsche Vertretungen im Auslande abgehen lassen, zu frankiren.

Württemberg. Stuttgart, 20. September. Der Herzog Wilhelm von Württemberg is gestern Abend zum Besuch der Königlichen Familie hier angekommen.

Badeu. Scchloß Mainau, 20. September. Der Großherzo g hat heute Nachmittag Schloß. Mainau ver- lassen, wird heute Abend in E eintreffen und gedenkt morgen fich nach Stuttgart zu begeben, während die Gro ß- ren bis zum 25. d. noch hier verbleibt und dann nah

aden-Baden übersiedelt.

_ Braunschweig. Braunschweig, 22. September. Die Geseß- und Verordnungssammlung publizirt ein Geseß vom 18. September 1876, durch welches die Bestimmung im §. 56 der Neuen Landschastsordnung vom 12. Oktober 1832, nah welcher neue Anbauer niht ohne vorgängige Vernehmung der Landgemeinde und im Falle eines Widerspruchs nicht ohne vorgängige Entscheidung der Verwaltungsbehörden über die vorgebrachten Gründe, zugelassen werden jollen, hierdurch auf- gehoben wird,

Desterreih-Ungarn. Wien, 20. September. Die ungarischen Minister Szell, Trefort und Baron Wenkheim sind bereits gestern in Wien eingetroffen. Minister-Präsident Tisz& soll heute folgen * und morgen die gemeinsamen Konferenzen ihren Beginn nehmen. Jm Gefolge der ungarischen Minister ist auch Sektions-Rath Matlekovics an- gekommen, um als Fachreferent bei diesen Konferenzen zu fungiren und an den Kommissionssißungen in Angelegenheit der Feststellung des rumänischen Spzialtarifes theilzunehmen. Ueber den Entwurf des neuen pon und Handelsbündnisses verlautet dem „Fremdenbl.“ zufolge, daß in demselben jener Paragraph, welcher über das gemeinsame Konsulatswesen ver- fügt, dahin erweitert werden soll, daß die beiderseitigen Han- El alias die Ernennungen der Konsuln beeinflussen önnen. f

Prag, 2. September. Der Wiener „Presse“ wird von hier telegraphirt: Die Jung czehen aus den Bezirken um den Berg Nzip beriefen auf nächsten Sonntag ein Meeting ein. Auf demselben sollen berathen werden: die Haltung Oester- reihs mit seinen siebzehn Millionen Slaven gegenüber der orientalishen Frage, die Frage des Ausgleihs mit Ungarn und eine Petitionsbewegung, um eine czechishe Universität mit Hülfe russischer Gelder zu gründen. An die russischen Vereine (Bratskaj Zascity) - jollen Petitionen um Geldsamm- lungen eingeleitet werden, damit entweder in Prag oder im Auslande eine czechische Universität errichtet werde. Das auf nächsten Sonntag nah Przibram einberufene Meeting wurde verboten.

Pest, 19. September. Wie dem „Pester Lloyd“ aus Wien berichtet wird, sieht man dort für einen der nälhsten Tage den Erklärungen der ungarishen Minister auf eine Reihe formeller und materieller Propositionen bezügli des Ausgleiches entgegen, welche die Wiener Regierung im Laufe der leßten Wochen dem Adr 4 Kabinette gemacht hat. Es sind dies jene Entwürfe, welche den Gegenstand der Berathung in den jüngsten Minister-Konferenzen gebildet haben und deren Annahme bercits gemeldet wurde.

9%. September. Den FJnformationen des „Pest. Lld.“ gemäß, beharrt die ungarische Regierung in det Aus-= gleihsfrage unershütterlih auf der vollständigen Jntegrität der Wiener Stipulationen, welche, nah ihrer festen Ueber- zeugung, ohnedies hon das Non plus ultra der möglichen Kon- zesstionen an Oesterreich involviren. Jn diesem Sinne werden Finanzminister Szell und der provisorisch mit der Leitung des Handelsamtes betraute Minister Trefort in Wien vorgehen und vom Minister-Präfidenten Tisza, der ihnen dahin nach- folgt, sicherlih nit desavouirt werden. Wie dem „Pest. Lld.“ ferner gesagt wird, gilt die Wiener Reise des Minister-Präsi- denten neben dem Ausgleihe auch noch laufenden Staatsge- schäften und ganz besonders au der allgemeinen politischen Lage, welche dem Grafen Andrassy dringender als je das Be- dürfniß nahegelegt haben dürfte, die beiden Staatsregierungen über seine neuesten Entschlüsse aufzuklären. |

21. September. (W. T. B.) Die ungarische Regie- rung ist, wie der „Hon“ auf das Bestimmteste erklärt, end- gültig ents{chlofsen, die ungarischen Südbahnlinien anzukaufen, die- bezüglichen Verhandlungen find, wie das Blatt hinzufügt, bereits in vollem Gange.

Großbritannien und Jrland. London, 20. Sey- tember. Die Entrüstung-Meetings dauern fort; in London und Magen wuroen wieder solche abgehalten, in denen die üblichen Reden gehalten wurden,

Das Kriegs-Ministerium hat eine Denkschrift Herausgegeben, in welcher die außerordentlih großen Vortheile, welche der Heeresdienst einem jungen Manne als Beruf bietet, dargelegi werden. Der Ober-Befehlshaber hat an die kom- mandirenden Offiziere den Befehl erlassen, der Denkschrift die möglih weiteste Verbreitung zu geben und darauf zu achten, daß beurlaubte Soldaten sie in ihren Heimatspläßen befannt machen können.

Das Auswärtige Amt hat vom britischen Geschäfts3- träger in Madrid eine „esche erhalten, welche die Kopie einer Note des spanischen - ‘isters für auswärtige Angelegen- heiten übermittelt, in welhe. s mit Bezug auf Pässe heißt: Alles, was von Ausländern, 1.2? Spanien besuchen, verlangt wird, ist, daß sie mit irgend einem Dokument verf?ehen sind, das ihre Jdentität nahweist.

Jn gestriger Sißung des in Leeds tagenden Kon- gresses des Fron and Steel Fnstitute wurde Dr. Sie- mens zum Präsidenten für das nächste Jahr gewählt. Zu gleicher Zeit wurde eine Deputation ernannt, welche kontinen- tale Städte besuhen und sich bestreben soll, freihändlerische Anschauungen mit Bezug auf englisches Eisen zu fördern.

Wie „Morning Post“ meldet, hat die britishe Regie- rung in Folge der Niederlage des Präsidenten von Transvaal und Des von ihm ausgedrückten Wunsches, daß die britische Ko- lonialregierung das Protektorat über die Unterthanen der Republik übernehmen möge, sowie auch in Anbetraht der wahrscheinlihen Uebergabe dieser Provinz an Jhre Majestät beschlossen, dem Befehlshaber am Kap der guten Hoffnung, General-Lieutenant A. A. T. Cunyngham, Verstärkungen zu senden. Der Dampfer „St. Lawrence“ ist zu diesem Behufe gechartert worden und wird mit den ersten Truppen-Detache- ments am nächsten Sonnabend oder Montag absegeln.

Da die britishe Regierung fich geweigert, die Einge- bornen von Kap Palme in ihrem Kampfe gegen die Re- gierung von Liberia zu unterstüßen, fo ist dort Frieden gc- Jchlofsen worden.

Frankreich. Paris, 20. September. Das „Journal Officiel“ enthält folgende Mittheilung: „Jn einer am 11. d. M. im Theater Tivoli abgehaltenen niht genehmigten öffentlichen Verfammlung wurden mehrere Reden politishen und reli- giösen Jnhalts gehalten. Wir glauben bei dieser Gelegenheit daran erinnern zu müssen, daß der Art. 1 des Geseßcs vom ‘6. Juni 1868, welcher der Genehmigung des Polizeipräfekten von Paris und der Präfekten in den Departements die öffent- lichen Versammlungen, über welchen über politische und religiöse Dinge ge)prochen werden soll, unterwirft, noch immer in Krast ist. Wenn ein neues Zuwiderhandeln gegen diesen Ar- tikel festgestellt werden sollte, so werden sofort Protokolle auf-

genommen und die zuchtpolizeigerihtliche Verfolgung eingeleitet

werden.“ “Die „Ag. Havas“ bemerkt dazu: „Diese Verwar- nung bezieht sih auf die unter dem Vorfiße des Depulirten Talandier gehaltene öffentlihe Versammlung zur Gründung einer Vereinsbibliothek des 18. Arrondissements von Paris.

Hr. Talandier hielt eine Rede, in welcher er dem Klerikalis-

mus die Schuld an der Bornirtheit der Mehrheit zur Last legte und namentlih seine Wirkung auf die Frauen bedauerte.

Die Resultate der Munizipalwahlen sind zwar noch nit vollständig bekannt, do läßt \sih bereits übersehen, daß dieselben zum großen Verdruß der Ultramontanen und Bonapartisten, im Ganzen für die Regierung gütistig find. Dies bezeugen die dem Minister des Jnnern zugegangenen Meldungen über mehr als 6000 Wahlen.

Die hiesigen Blätter besprechen die türkishen Friedens- bedingungen und meinen, die Pforte irre sehr, wenn sie glaube,

mit dem Frieden wäre Alles abgethan. Der „Moniteur“ sagt, -

die Türkei sei derjenige europäische Staat, der seinen nicht- muhamedanishen Unterthanen die wenigsten Bürgschaften gegen Unterdrückung und Plackerei biete; ihr altes Verwal- tunassystem sei so wenig sür die Muhamedaner wie für die Christen werth und müsse umgestaltet werden. Die Sultane Haben Verbesserungen verheißen, auch Versuche gemacht, aber noch nichts Solides an die Stelle dessen gejeßt, was sie be- Jeitigt hatten, und es sei shwer zu glauben, daß der Kaisfer- liche Hat besseren Erfolg haben werde.

Italien. Rom , 19. September. (Jtal. Nachr.) Gestern anden Volksversammlungenin Turin und in Neapel ars Auf beiden wurde gegen die von den Mohamedanern in Bulgarien gegen die Christen verübten Gräuelthaten pro- testirt und die Absendung von Telegrammen und Sympathie- adressen an die Fürsten und Völker von Serbien und Mon- tenegro beschlossen.

Türkei. Konstantinopel, 15. September. Hiesige Blätter veröffentlichen den bis jeßt erst in einem telegraphischen Auszuge bekannt gewordenen Hat des Sultans Abdul Hamid vom 10. d. Mts, Er lautet nah einer Uebersezung der ¿Koln Bla:

„Mein erlauhter Vezier, Mehmed Ruschdi Pascha! Da durch göttliche Vorherb estimmung mein fehr edler und edelmüthiger Bruder, der Sultan Murad V. fich aus den Obliegenheiten des Reiches und des Kalifates zurückgezogen, so habe ih, getreu den Vorschriften des ottomanishen Geseßes, den Thron meiner erhabenen Vorfahren be- stiegen. Da dein Patriotismus und deine Kenntniß der wichtigen Staatsgeschäfte bewährt find, behalte ih dih auf dem Posten des Großveziers und des Präsidenten des Ministerratheë. Zugleich bestätige ih die Minister und die übrigen Würdenträger in ihren betreffenden Stellungen. Mein Glaube an Gott wird den Erfolg erleichtern und voll- enden, was ich unternommen habe. Meine Hoffnungen und Wünsche be- {tehen in der Befestigung der Macht und Kraft meiner Regierung, fowie des Glückes meiner Unterthanen, die ohne Ausnahme sich der Freiheit, des Wohlseins und der Gerechtigkeit erfreuen. Ich habe die

este Hoffnung, daß alle Minister und Würdenträger sich uns an- {ließen und uns belfen werden, um auf diefemm Wege voranzu- reiten. Jedermann weiß, daß die Gründe und Ursachen des Tkri- tischen Zustandes, den jeßt unser Reih durchmacht, zahlreich und ver- {chieden sind; aber wie man auch die Lage ansehen mag, man sieht, daß der Ursprung aller dieser Ursachen nur darin liegt, daß die Ge- seße und Grundregeln unseres Staates, welche auf dem Sceriat be- ruhen, nur nach dem Willen und der Laune derjenigen erklärt und ausgeführt werden, welche die Angelegenheiten des Staates verwalten.

Die Verwaltungs- und Finanzwidrigkeiten Haben fich so ver- mehrt, daß sie cin allgemeines Mißtrauen erzeugt haben. Die Ge- ritshöfe haben niht alle Merschenrehte zu verbürgen vermocht und unser Staat, der der Verwirklichung jeglicher Wohlfahrt in Indu- trie, Handel, Ackerbau 2c. gewachsen ist, ist troßdem nit vorange- ir Alles, was bisher geschehen, alle Maßregeln zur Sicher-

tellung unserer Unterthanen, ohne Rücksiht auf die indivi- duelle Freiheit, sind gescheitert oder #0 verändert worden, daß das Ziel, das man fich bei der Ergreifung dieser Maßregeln gesteckt, nit erreicht wurde. Dieser Mißerfolg besteht aus der Nicbtbeobabtung der Gesetze und Vorschriften. Folglih muß in Zu- kunft die Veröffentlichung von Geseßen und Vorschriften, welche Ver- trauen im Volke erwecken, als Ausgangspunkt gelten. Dieses Ver-

trauen kann nut dur die vollständige tend bubstäblihe Auéfübritng aller bis jeßt veröffentlihten Gesetze, sowie derjenigen, welche fünftig- hin gemäß den heiligen Anordnungen des Scheriat veröffentlicht werden, erfolgen. Zur Ueberwachung der Staatf3einnahmen und Aus- aben ist es dringend nothwendig, eine allgemeine Versammlung zu erufen, welche gemäß den Erfordernissen und Sitten der Landesbewohner zusammengesetzt ist. Die Mitglieder dieser Versammlung müssen sich durch vorherige Handlungen ihr Zutrauen erworben haben. Dieser Punkt muß tief und eingehend von den Ministern, welche das Ergebniß ihrer Erörterung unserer Bestätigung unterbreiten, untersubt wer- den. Einer der Beweggründe, welÞbe die Schwierigkeiten betreffs der genauen Autführung der Geseße schaffen, ift die Verwendung unfähiger Menschen, die Abseßung und der beständige Wesel der Angestellten ohne irgend einen stichaltigen Grund. Dieses System bringt für die Staats8geschäfte und für den Staat selber verderbliche Folgen mit fih. Folglih gilt es, für jeglihen Staatszwecig Svezia- litäten zu schbaffen und für Alles fähige und gewandte Männer anzu- stellen; grundlofe Abseßungen aber find zu vermeiden.

Die Verwaltung muß auf solider Grundlage aufgebaut werden und Verantwortlichkeit soll für alle Minifter, alle großen und kleinen Funktionäre, jeder in seinem Wirkungskreise, bergeitellt werden. Die materiellen und moralischen Fortschritte, die in den europäischen Industrien errungen worden, sind das Ergebniß der Kraft und des Unterrichtes; nun sind, Gott sci Dank, alle die Klassen unserer Unterthanen mit wirklicher Intelligenz begabt und jeder Art von Fortschritt gewachsen. Die Ausdehnung des öffentlihen Unter- rihtes ist also sehr dringlich und wichtig, und daher soll man ohne Zeitverlust darnach trachten, die zu dieser Ausdehnung nothwendigen Maßregeln zu ergreifen. Folglich wird man das Budget des öffentlichen Unterrihts-Miniftertums vermehren müfsen. Auch wird man die finanzielle und bürgerliwe Verwaltungsreform der Vilayets (Provinzen) auf den Grundlagen, welche die wirklichen Verwaltungs- und Finanzreformen der Regierung darstellen, beginnen müßen. Seit vorigem Jahre befinden sih die Herze- gowina und Bosnien, Dank den Eingebungen einiger Uebelwollenden, im Aufruhr. Serbien hat sich diesem Bunde angeschlossen. Indeß ist das Blut, das auf beiden Seiten geflossen, das Blut der Kinder Eines Vaterlandes. Die Sortsetung dieses Zustandes ift eine Quelle des Scbmerzes und der tiefen Betrübniß für mich. Du wirst die nothwendigen und wirk- samen Maßregeln ergreifen, um dieser traurigen Lage ein Ende zu machen. Ich bestätige alle Verträge, die mit befreundeten Nationen gesclossen worden. Du- wirst beständig an ihrer Beobachtung und vollständigen Erfüllung arbeiten, und alle deine Kräfte der Befesti- gung und Entwickelung unserer guten Beziehungen mit den fremden Staaten widmen. Dies sind meine aufrichtigen Wünsche und Ab- sichten. Möge Gott unsere Anstrengungen mit Erfolg krönen.“

Der Hat des Sultans Abdul Hamid hat lebhafte Entrüstung unter den Christen in Konstantinopel erregt. Der Korrespondent der „Köln. Ztg.“ schreibt darüber u. A.: „Wer die früheren Hats gekannt, wäre leiht in die Gefahr gekommen, den neuen für eine Fälshung zu halten; und es bedürfte in der That für viele der Autorität von Mitwissen- den, um an der Echtheit des vorliegenden zu glauben. Der Hat Humayum, der Hat des vorigen Dezembers, und selbst der Hat Murads suchten in Worten wenigstens den Anforde- rungen Europas gerecht zu werden. Der Hat Hamids verlegt die Ursache alles Elends einfach in die Nichtbeahtung des Scheriat (des religiösen Gesezes). Seit Jahrzehnten hat si der Kampf um die Beseitigung dieser Geseße und Vorschriften betreffs ihrer Anwendung auf die Nichtmufelmänner gedreht, und nach der Anficht aller sahkundigen Juristen hätten die Gesetesbestimmungen des Scheriat allein den traurigen ZU- stand der Rechtspflege herbeigeführt, der in allen Tribunalen des Landes, vom größten bis zum kleinsten, herrs{t.“ - Auch werden im Hat die Christen wieder offiziell „Rajah“ (Heerde) genannt.

21. September. (W. T. B) Den ottomanischen Missionen wurde Seitens ihrer Regierung äufgetragen zu e€r- klären, daß die verbreiteten Gerüchte, als hätten die ottoma- nischen Truppen die Waffenruhe verleßt, jedes Grundes entbehren. Die ottomanische Regierung dementirt ferner die Nachricht, daß die christlihe Bevölkerung aus Thessalien und Epirus wegen befürchteter Verfolgung flüchte. Die voll- kfommenste Ruhe herrsche in diefen Provinzen.

(W. T. B.) Die „Könische Zeitung“ vom 21. d. M. meldet aus Paris: Alle europäishen Mächte haben sich jeßt, wie aus guter Quelle verlautet, über eine Ver- längerung des Waffenstillstandes geeinigt. Die Türkei macht zwar noh Schwierigkeiten, aber es ist anzunehmen, daß auch fte einwilligen werde. Das Friedensprogramm wurde zuerst in einer Unterredung zwischen Lord Derby und dem rufsischen Botschafter Graf Schuwaloff verhandelt. England {lug für Serbien und Montenegro den stätus quo ante vor, wünschte aber außerdem eine autonome Verwaltung für Bosnien, die Herzogewina und für Bulgarien. Der erste Theil dieses Programms kann als angenommen bezeihnet werden. Jn diesem Augenblick verhandelt man über die Autonomie und Verwaltung, welche indeß schwer festzustellen und zu organisiren scheint. An cine Ver- bindung Bosniens mit Serbien denkt man keineswegs. Die anderen Mächte scheinen mit dem englisch-russishen Programm einverstanden, jedenfalls tritt Frankreich bei. Die Mächte ge- denken das Resultat ihrer Verhandlungen der Türkei in einem gemeinsamen Schritte zu eröffnen, vorerst ist man indeß nur damit beschäftigt, eine Verlängerung des Waffenstillstandes bei der Türkei durchzusctzen.

Nom, 22. September. (W. T. B.) Bei dem Empfange des Comités zur Unterstüßung der Slaven hat der Minister des Auswärtigen, Melegari, auf die an ihn gerichtete An- sprache erwidert, daß die Regierungen bezüglich der Friedens- verhandlungen in Konstantinopel folgende Grundlagen für nothwendig erachtet haben : 1) Die Wiederherstellung des status quoantebellum für Serbien und Montenegro, 2) Fnstitutionen für die insurgirten Provinzen, welche ein friedliches Nebeneinander- leben der Bevölkerungen der verschiedenen Racen und Reli- gionen gestatten, 3) die Verpflichtung Seitens der türkischen Regierung, das Verhältniß dicser Racen zu einander durch Heranziehung muselmännischer Kolonisten nicht zu alteriren. Der Minister fügte hinzu, daß der Pforte die volle Verant- wortlichkeit für die verübten Gräuelthaten bleibe und erklärte \{ließlih, er habe Grund zu hoffen, daß der Waffenruhe ein Waffenstillstand folgen werde, welcher den Friedenss{hluß er- leichtern werde. S

Wien, 21. September. (W. T. B.) Die „Politische Korrespondenz“ {reibt : Nach einer. hierher gelangten amt- lichen Meldung der serbischen Regierung vom heutigen Tage ist die Nachricht, daß eine Deputation heute die Proklamirung Milans zum ferbishen König nah Belgrad überbringe, unbe- gründet. Fürst Milan hat der Deputation verboten, abzurei- jen und überhaupt angeordnet, daß der weiteren Entwicklung des betreffenden Zwischenfalls energish Einhalt gethan werde.

Aus Prisrend, 10. September, wird geschrieben:

„Die Baschibozuks des biesigen Paschaliks haben in eir,er Pe- tition an den Gouverneur erklärt, dg sic wegen Nicecauszahlung

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des Gehaltes und mazgelhafter Verpflegung ui®t länger im Felde steben wollen. În der That sind zwei aus 540 Mann bestehende Tabors dieser Irregulären nach Djakovitza gekommen und haben nach Verübung der babituellen Ausschreitungen \ic in den Dörfern dieses Kaimakainats zerstreut. Die Behörden subten durch die Der- wise und Mollabs arf die Irregulären einzuwirken, aber ohne jeg- bien Erfolg. In Tetúowo ging es ebenso zu. Die FIrregulâren aus Tetewo und Umgebung, ewa 220 Mann, kamen von der Grenze nah - diesem Städtchen zurück und erklärten dem Kadi, nab Haufe zu gehen, da kter Padishah die Streiter nicht er- halten könne. Noch am felben Tage zerfireuten fie si nach allen Rihtungen. Alt - Serbien hat in diesem Mo- mente fo gut wie feine Baschibozuks unter Waffen. Das fkür- kishe Armee-Corps am Jbar ist dadur wesentli gefchwächt worden. Ein Bataillon Softas, das vor etwa vier Wochen na Alt-Serkien kam, verlangt nach Konstantinopel zurückzukehren. Die Regierung hat eine große Steuer allen Klöstern ix Alt-Serdbien auferlegt. Die arge Geldfkfalamität, in der sich das Geuvernement befindet, {eint diese Maßregel hervorgerufen zu haben. Die Truvpen find ohne Brod und die Beamten haben seit Juli 1875 keinen Gefalt er- balten. Die Zaptichs wollen nicht mebr Dienste leisten und die: Beamten gerathen in eine furchtbare Notblage. Ob die erwähnte Steuer eine auëgiebige Hülfe schaffen werde, ist sehr fragli, da die Klöster theils arm, theils bereits stark in Kontribution gesetzt worden sind.“ E Belgrad, 17. September. Man schreibt der „Tokik. Korr. “: Der hier angekommene griechische Oberst Byzantios ist durchaus kein Spezialgesandter der griechischen Regierung, wie behauptet wurde. Das Kabinet Koumoundouros hat schon vor Wochen erklärt, Griechenland sei niht gerüstet und könne daher in feine Aktion treten. Seit damals find alle Unter- handlungen zwischen Athen und Belgrad ins Stocken gerathen. _— n einem vom 18. d. M. datirten Schreiben der „Pol. Korr.“ über die gegenwärtige Lage der Dinge in Bek- grad heißt es u. A.: „Die eingetretene Waffenruhe wird als die Einleitung zum Frieden betrachtet. Troß der Nodo- montaden des „zZstok“ ist es feststehende Thatsache, daß in Serbien Jedermann eiten chrenvollen Frieden herbeisehnt. Die wohlwollende Haltung aller großen Kabinete Serbien gegenüber verbürgt uns auch einen folchen Frieden. Wie ver- lautet, beabsichtigt der Kriegs-Minister , sobald die Friedens- Präliminarien unterzcichnet sind, die Milizen nah Haufe zu entlassen und nur das kleine stehende Heer und zwei Brigaden erster Klasse vorläufig noch unter den Fahnen zu behalten. Die Freiwilligen werden vor Allem verabschiedet werden-

Numäuien. Bukarest, 22. September. (W. T. BZ Ein fürstlihes Dekret ordnet an, daß die am 12. Mai c. suspendirte Rekrutirung für die rumönishe Armee am 13. Oktober c. wieder aufzunehmen und am 13. November zu beendigen ist.

Amerika. Aus New-York wird unterm 19. ds. per Kabel gemeldet: Aus den amtlichen- Ausweisen über die Ab- stimmung bei den jüngsten Wahlen im Staate Maine erhellt, daß die republikanischen Kandidaten für den Gouverneurs- posten und die Siße im Kongresse für den Staat durch eine Mehrheit von 15,459 Stimmen gewählt wurden.

Mexiko, 1. September. (N. Y. H. Z.) General Diez befindet sich noch immer in Daxaca. Die Negierung hat 1000 Mann nach Boca del Monte gesandt, woselbst so schnell als möglich 7000 Mann Tkonzentrirt werden follen, um von dort nah Daxaca vorzudringen. Die Regierungstruppen er- ringen noch fortwährend Siege über einzelne kleinere Rebel- [en-Corps, doch ist es bis jeßt noch zu keinem entscheidenden Treffen gekommen. Nach Tumejco, an der Mündung des Rio Grande, sind zwei mexikanische Kriegsschiffe abgegangen.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau. Breslau, Freitag, 22. September, Mittags. Der Kon- greß der Altfatholiken ist heute mit einem feierlihen Gottes- dienst in der den Altkatholiken eingeräumten Corpus-Christi- Kirche, welcher auch Bischof Reinkens beiwohnte, eröffnet r3orden. St. Petersburg, Freitag, 22. September. Nach einem Telegramm des Fournals „Neue Zeit“ aus Semlin vom heutigen Tage, hat General Tschernajeff durch cinen Cirkular- befehl allen seinen Untercommandeurs anbefohlen, bei der ge- ringsten feindseligen Bewegung Seitens der Türken diese sofort anzugreifen, da kein formeller Waffenstillstand existire. St. Petersburg, Freitag, 22. September, Mittag8s Der „Golos“ spriht ih bezüglih der Erhaltung und Sicherung des ceuropäishen Friedens mit großer Zrs versiht aus, da zwishen Deutschland, Rußland und England cin Einverständniß in der Orientfrage hbc- stehe. Das „Journal de St. Pétcrsbourg“ äußert sich eben- falls frieolich und hebt anerkennend hervor, daß Fürst Milan die Proklamirung zum König von Serbien, die das Blatt ein Pronunciamiento nennt, zurückgewiesen habe.

Nr. 72 des “A mts-Blatts der Deutschen Reichs- Post- und Telegraphenverwaltung hat folgenden Inhalte Berfügung: vom 16. September 1876. Prüfung der Einnahme und Aus8gabe-Ergebnisse aus dem Postanweisungsverkehr.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des statistis{en Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standes-Aemtern in der Woche vom 10. September bis inkl. 16. September cr. zur Anmeldung gekommen: 156 Ebeschließungen, 826 Lebendgeborene, 30 Todtgeborne, 249 Sterbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Wie der „A. Z." aus Freiburg mitgetheilt wird, ist die Aufstellung des von Professor Molst in Karlsruhe modellirten, von dem Erzgießer Lenz in Nürüberg gegossenen sogenannten Werder- Denkmals, welches zu Ehren des XLV. deutschen Armee-Corps errihtet wird, glücklih beendet worden. Die Höhe des Denkmals beträgt 15 Meter, wovon der schr gelungene Bronzeguß, eins{ließ- lih der 5 Meter hohen Viktoria, allein eine Höbe von 13!/2 Meter hat. Die Enthüllung des Denkmals ist nunmehr auf den 3. Oks tober festgeseßt.

Gewerbe uud Handel.

In der gestern abgehaltenza Aufsichtsrathssitzung der Deut- \chen Bank wurde eine Uebersicht der Ergebnisse des ersten halben Jahres 1876 vorgelegt: Die Hauptziffern des Gewinn- und Verlust= . Kontos der Centrale find: Gewinn auf Wesel circa 803,000 M, auf Sorten Und Coupons circa 76,000 #, Konfortialgeschäste Zrca 26,000 6, ProvißKonen 654,000 M, Erträge der S anen und Kom";(anditen 554,000 K, Zinsen und DiLerje 379,000 Æ, ¿viammen 92,493,933 # Dagezen Verlust auf Effekten vornehmlich durch Abschreibunacz, auf, aus früheren Jahren herz rührende Bestände (Wiener ®ankverein, Rotterdamer Handelsverztni= gung) 574,000 Æ, Ve"ust auf Debitoren-Conten 66,000. 76, Gez

\chästsunkosten und Abschreibungen auf Mobilien und Zmwo n