1922 / 142 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Jun 1922 18:00:01 GMT) scan diff

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18 %i durch die Außenhandelstelle gen.

T S E Ea en Gre A R C E G ie

_düngerpreis. Das Reich könnte auf die Umsaßsteuer für Getreide, __ Brot und Mehl verzichten. Endlich ist ernsthaft zu erwägen, ob Ene rid e nicht auch dadurch herbeigeführt werden kann, - daß e

l As aber bleibt die Förderung der landwirtschaftlihen

‘erma wirt\

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben find.

__ Naq einer Mitteilung der Au en] andelstelle Chemie.

16 4 Enaland heabiGt morden Der Pri für hen 8her, Näheres ist

: e, Mebenstelle „Anoroanische

Ware bleibt vorerst

Chemie“ zu e

Deutscher Reichstag. - - 230. Sißzung vom 2. Juni 1922, Nachmittags 2 Uhr. {Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *®).)

Die Jnterpellation He r gt (D. Nat.), betreffend þplan=- mäßige Sicherung der Lebenshaltung der minderbemittelten Bevölkerung wird innerhalb der geschäftsordnungsmäßigen Frist beantwortet werden.

Der Gesehentwurf über die Erhöhung der Patentgebühren wird ohne Erörterung dem Rechtsaus\shuß Überwiesen.

8 Hievauf wird die erste Beratung des Gesebentwurfs über Regelung des Verkehrs mit Getreide aus der Ernte 1922 fortgeseßt.

Abg. Di e z (Zentr.): Durch die Dürre im vorigen Herbst und die Kälte in diesem Frühjahr sind die Aussichten auf eine gute Ernte geshmälert. Leider hat die Diskussion bereits den Boden der Sachlichkeit und der ruhigen Ueberlegung verlassen. Diese ganze Frage muß aber ohne jede Voreingèenommenheit sîne ira et studio behandelt werden. Uebereinstimmung herrscht zwischen rechts und links darüber, daß die Brotversorgung der minder- bemittelten Bevölkerung gesichert werden muß. Da muß auch eine Ein zur Erreichung dieses Zieles möglih sein. Bei der Durchführung der Umlage sind die schwersten Mißgrisse vor- gekommnten, ers in der Unterverteilunqg. Fm vorigen Herbst war in Hamburg überseeisher Weizen verhältnismäßig billig zu haben. Jh weiß nit, warum diese Gelegenheit zur Schaffung einer Reserve nicht benußt worden ist. Die Landwirtschaft ist Be bereit, an der Sicherung der Brotversorgung und an einer

Es für die Minderbemittelten mitzuwirken, was sie aber mit Entschiedenheit ablehnt, ist die Sonderbelastung. Die Landwirtschaft verlangt, daß nur die wirklih Bedürftigen billigeres Brot erhalten. Es wird zu erwägen sein, ob man die Verbilligung nit von einem Antrage des Konsumenten abhängig maht. Zu erwägen wird auh sein, ob die Arbeiterschaft dadurch zur Ver- billigung beitragen kann, daß sie in der Woche eine oder mehrere Neberstunden leistet und auf den Ueberstundenzuschlag zugunsten der Brotverbilligung verzichtet. Ferner ist zu erwägen, ob nicht für die Ablieferung eine Gegenleistung gegeben werden kann durch Erleichterung der Holiaserung mit Kunstdünger, und ob nicht eine Relation geschaffen werden kann zwishen Umlagepreis und Kunst-

ag auf markenfreies Brot eingeführt würde. Die roduktion. Meine politishen Freunde behalten sih die Stellung- nahme zu dem Entivurf sowohl wie zu all diesen Einzelfragen vor. Nur das eine erkläre ih im voraus, daß eine Abwälzung der ganzen Last auf die Landwirtschaft allein für uns nicht in Frage kommt. Auch aus Kreisen der Vertreter der Arbeiterschaft sind früher Stimmen laut geworden für einen Shuß der Landwirtschaft durch Einführung von Zöllen. Diese Methode ist jedenfalls besser als die, die anderen Volkskreise gegen die Landwirtschaft aufzuheben, troß des besten Willens, der bei der Landwirtschaft vorhanden ist. Die deutsche An trie ie bis zu einem Drittel ihrer Leistungs- fähigkeit anf andwirtscchaft angewiesen. Die Vorausfezung dafür ist eine kaufkräftige Landwirtschaft, und daß die Kaufkraft der Landwirtschaft bereits bedenklihe Zeichen des Rüganges. auf- weist, dafür sind Heugen unsere öffentlichen Kreditanstalten, bei denen die Landwirtschaft in verstärktem Maße Kredite in Anspruch nimmt. Es darf nicht übersehen werden, daß in der Landwirtschaft niht nur der Mann arbeitet, sondern ebenso anstrengend au die Bäuerin und die Kinder. Daß sih das Einkommen in. der Familie erhöht, wenn alles arbeitet, gilt doch nicht nur für die Landwirt- chaft. Die Leidenschaft ist in dieser Frage bereits soweit gestiegen, daß man mit revolutionären Maßnahmen droht. Es liegen Ent- \chließungen vor, die klipp und klar sagen: Wenn Jhr nicht so tvollt wie wir, so werden wir Euch als Abgeordnete den Stuhl vor bie Tür sehen. Hier handelt es sich um eine Frage der Ver- antwortlihkeit, die niht nach Mandatsrücksichten entschieden werden darf. Soll das Deutsche Reih wirkllih eine derartige Belastung3- probe bestehen unter der Parole: „Gegen den Brotwucher?“ Fch warne, ein Gebiet zu berühren, das von äußerster Gefährlichkeit ist. Man weiß nicht, wie das Feuer um si frißt, wenn man ihm erst mal freien Lauf läßt. Noch immer besteht die Hoffnung, daß eine Einigung niht ausges{lossen ist. Wir wollen ‘im Ausshuß eine Vereinigung der nteressen herbeiführen, sind aber nicht gewillt, irgendeiner Partei die Verantwortung abzunehmen. Die Verantwortung muß von der großen Mehrheit des Hauses getragen werden. Die Zentrumsfraktion wird- alles tun, um die Brot- versorgung der bedürftigen Volkskreise zu sihern, und zwar zu igten Preisen, aber sie lehnt jede Sonderbelastung der Land- t ab, Die beste Konsumentenpolitik ist es, die Produktion der Landwirtschaft zu Leigern, denn die Steigerung der Produktion {ütt allein unser 1k vor dem Verhungern. (Beifall im Bentrum.) _ “Abg. Du sche (D. Vp): Seit Fahren mache ih dîe Erfahrung, Had die wichtigen Fragen der Grnährung im Reichstag R K Sonnabend und Montag auf der Tagesordnung stehen, wenn das Haus leer ist, weil die Abgeordnetèn, die Gott sei Dank noch nit alle in Berlin wohnen, über den Sonntag nah Hause gefahren sind, um sih in ihrem Betriebe umzuschen. Fh mache daraus nie- mand einen Vorwurf, wir sollten aber in Zukunft diese Fragen von höchster Bedeutung an besseren Tagen auf die Tagesordnung yen. Die landwirtschaftlihen Organisationen, die 15 Millionen inwohner umfassen, wünschen die Abschaffung der Getreide- umláge. Allerdings haben wir bei der Einführng der Zwangs- wirtschaft im Kriege nach bestem Glauben gehandelt. Zunächst seßte sich gerade Serr von Wangenheim in Erinnerung an den Antrag des Grafen Kaniß für die Betwirtschaftung des Brot- getreides ein, weil er darin vielleiht die Einführung eines Ge- treidemonopols und eine Finanzquelle für das Reich erblickte. So- dann war es der Berliner Oberbürgermeister Wermuth, der im Jnteresse der Versorgung von Groß Berlin Konsumentenpolitik treiben wollte, und s{chließlich Herr Dr. Rösike. Jh mache daraus keinem der Herren einen Vorwurf. Wix treten sämtlih selbst- verständlih und bewußt für die Pflicht der Landwirtschaft cin, für die Ernährung des Volkes zu sorgen, aber diese Pflicht soll man nicht unnötig eg ren. Unser Standpunkt zu der Vorlage ist klar und folgerichtig. Wir haben das Prinzip der freien Wirtschaft in unserm Pr amm und haben bei dem Steuerkompromiß den Abbau der Zwangswirtschaft auch auf dem Gebiet der Ländwirt- schaft zur Bedingung gemacht. Wir haben auch vor einigen Wochen mit einer andeven Fraktion eine Entschließung eingebracht, wonach ie Getreideumlage die Vermehrung der landwirtschaftlihen Er- gung und damit die Ernährung des Volkes verhindert. Wir nd verdeng daß durh die Zwaängswirtschaft und die Umlage ie Produktion niht gesteigert wird, sondern zurückgehen muß. Wir müssen aber dahin kommen, mit einheimishen Lebensmitteln unsex Volk zu e en. Dex Minister Hermes hat Uns auf diesem Gebiet vorwärts acht, und wir sind auch dem jeßigen Ernäh-

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*) Mit Ausnahme der dur Sperrdruck hervorgehobenen Reden

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j du G x it Vert auten entgegengekommen. 1} pet: Babe: Sia Eee gnng ans : | t is

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niste e Aufhebu Le stes der : E L E A L essor Fehr Verständnis für unsere Wünschè zu finden." Die 2 versorgung des deutshen Volkes darf unter keinen Umständen

stocken. Die landwirtschaftlihen Organisationen können drei Mil- lionen Tonnen Brotgetreide zur Verfügung stellen. Die Abliefe-

rungsfveudigkeit der Landwirte würde hon aus physiologishen Griüsiden Be j

i E. freien As A er Im vorigen Jahre von der age von d 10 on Gee % ares “worden. Auch wir würden es begrüßen, wenn für die Minderbemittelten das Brot verbilligt werden könnte. Aber dex Kreis der Versorgungsberechtigten muß vorsichtig gezogen werden unter besonderer Berücksichtigung der ingwischen eins getretenen sozialen Schihtung. Wir sind. dafür, daß die Be- sißenden aller Berufe je nach ihrem Vermögen zu dieser Verbilli- gung beitragen müssen. Gegen die Umlage spricht, daß die Ver- braucher von ihr bei weitem nicht den Nutzen gehabt haben, den man erwartet hat. Die Kosten der Zwangsbewirtschaftung sind eben zu hoh. Sie werden pro Zentner mindestens 40 Mark bes tragen. Die Kosten dex Reichsgetreidestelle und der Kommunal» verwaltungen machen allein 18 % der Gesamtkosten des Brotes aus. Das, was der Landwirt für das abgelieferte Getreide be- fommt, ist nur ein ganz geringer Teil dessen, was das Brot kostet. Jch habe mir auch sagen lassen, daß Millionen dafür aus- gegeben worden sind, um durch Reklameartikel den Landwirten die Umlage [{chmackhaft zu machen, was natürlih in keiner Weise gelungen ist. Offen ausgesprochen werden muß, daß, ob die Umlage fommt oder nit, eine Erhöhung des Brotpreises nicht zu um- gehen ist. Die Umlage muß produktionshindernd wirken, und sie wird dazu führen, die Spekulation mit dem freibleibenden Getreide zu vergrößern. Dazu kommt, daß die Aussichten für die diesjährige Getreideernte ungünstig find. (Zuruf des Abg. Malzahn sKomm.]: Die Ernte ist immer \{lecht!) Daß nur die freie Wirt- haft die Produktion steigert, hat sih darin gezeigt, daß im Fahre 1921 die Anbaufläche für Kartoffeln um 11 § gestiegen ift. Auch uns liegt die Sorge für eine ausreichende Ernährung am Herzen, und wir werden von etwaigen Lieferungsstreiks dringend abraten. Fch hoffe, daß die Verhandlungen 1m Ausschuß dazu führen werden, die Versorgung der Kreise, die jeßt unter großer. Not zu leiden haben, gu Sen Preisen zu ermöglichen. (Lebhafter Beifall bei der D. Vp. / E

oba. E ricimanu (Dem.): Meine politischen Freunde bedauern außerordentlich, daß in dieser Frage die Parteipolitik in den Vordergrund gerückt wird. Wir sollten uns mehr, um die Ursachen kümmern, die unser ganzes Volk in diese shwierige Lage gebracht haben. Das ist der verlorene Krieg und der Vertrag bon Versailles. Jch bin überzeugt, daß es der Wunsch und Wille des deutshen Volkes ist, zu einer Vereinigung aller Kräfte zu gelangen, um wieder vorwärts zu kommen. Man müßte ja sonst an dem gesunden Sinn des deutschen Volkes verzweifeln. Wenn in der Debatte die Sache so dargestellt worden ist, als habe die '‘Land- wirtschaft absolut kein Verständnis für die Not des Volkes, so muß ih dem lebhaft widersprehen. Wir Landwirte stehen auf dem Stadpunkt, daß gerade seit dem Zusammenbruh die Regierung allzusehr eine Erfassungspolitik irienes hat und nit eine Politik der Produktionsfördecung. JFch gehöre dem bäuerlichen Berufe an und vertrete den Standpunkt der freien Wirtschaft. Die Er- fahrungen der Zwangswirtschaft zwingen die Landwirte dazu, immer wieder den Ruf nah freier Wirtschaft zu erheben. Meine politishen Freunde, die grundsäylih auf dem Boden der freten Wirtschaft stehen, die aber auch die Sicherstellung der Volks=- ernährung in erster Linie wünschen, hätten gern einen anderen Weg zur Stherstellung der Volksernährung pet ub Vielleicht wird in den Beratungen des Ausschusses ein Weg gefunden werden können, auf dem die Fnteressengegensäße zum Austrag zu bringen sind. Dér jeßige Gesetzentwurf. is im -wesetitlichen derselbe wie im vergangenen Fahre. Meine politishen Freunde legen Wert darauf, daß vor allem der kleine Besiß nicht so belastet werden darf wie im vergangenen Fahre. Gerade der kleine Landwirt hat ungeheuer zu leiden gehabt unter der Umlage. Fhm hat man an restlos sein Getreide genonimen. Um so mehr wird in diesem Fahre dahin gearbeitet werden müssen, daß dem kleinen Mann der nötige Schuß gewährt. wird. Für die hier so oft betonte SFntensivierung der Landwirtschaft ist die Kunstdüngerfrage eine Hauptsache, und damit im Zusammenhang steht die Kohlenfrage. Bezüglich der Kohlen möchte ih die Vertreter der Arbeiterschaft fragen, ob sie sih nicht für eine starke Förderung der Kohle ein- seßen wollen. Schon jeßt ist die Einfuhr englischer Kohle so gestiegen, daß fünf- bis sech3hundert Millionen Goldmark dafür aus dem Lande gegangen sind. Die Vorschläge des Herrn Dieg würden einen großen Apparat erfordern. Fmmerhin hoffen wir, daß die Umlage so gestaltet wird, daß sie für die Landwirtschaft erträglbvŸY wird. Die Reichsregierung sollte es sich angelegen sein lassen, auch ihverseits für die Kultivierung von Oedländereien Mittel aufzuwenden. Jm Fnteresse der Volksernährung darf man ‘diese Frage nicht den Ländern allein überlassey, (Beifall bei den Demokraten.)

_ Abg. Dr. Hei m (Bayer. Vp.): Die Getreidedeckte des Vorjahres n nit zu_ kurz, sondern reiht noch einige Monate in das neue Wirtschaftsjahr hinein. (Reichskanzler Wirth erscheint im Saal.) Eine geringe Getreideernte und dabei eine gute Kartoffelernte ist mir lieber als umgekehrt. Man kann die Lage erft übersehen, wenn die Scheunen gefüllt sind. Die Vorlage hat ebenso wie die vor- jährige das Ziel einer gewissen Vorratssicherung und einer Preis- sicherung. Unsere Brotversorgung hat sich gegen den Frieden völlig geändert. Fm Frieden brauhten wir nur 900 000 Tonnen Brot- getreide aus dem Auslande einzuführen, also nur einen geringen Pro- zentsaß, heute müssen wir fast zwei Millionen Tonnen einführen, das heißt 25 % unseres Bedarfs. Die Annahme, daß wir von 6,8 Millionen Getreide, wovon zwei Millionen aus dem Ausland sind, durch eine Umlage 4,5 Millionen Tonnen herausziehen

- könnten, ist vollkommen irrig. Das wäre bei einer s{chlechten Ge-

treideernte fast eine restlose Erfassung der ganzen Ernte. Mit solhen Gedanken soll man niht spielen, wenn man die Dinge ernst betrachtet, Fm vorigen Jahre sagte man den Bauern, die Umlage sei nur ein Uebergang und der Anfang des Abbaues der Zwangswirtschaft. (Sehx richtig! recht3.) Heute müssen wir aber mit einer Umlage zur Vorratssicherung und zux Preisniederhal- tung auf die Dauer rechnen. Bei einer Üebergangsmaßnahme konnte

man sih im Ege Fahre mit dem rohen Maßstab dex Verteilung

abfinden, jeßt aber bei einer dauernden Einrichtung nicht mehr.

, Deshalb müßte man das ganze Haus ohne Rest überzeugen können,

daß der rohe Maßstab fortfallen muß, wenn aus Gründen der Staatsraison eine dauernde. Einrichtung getroffen werden soll. Dann aber muß der wesentlichste Faktor, die Landwirtschaft, die ihre Lasten gerne trägt, mithelfen. Mit Zwang wird hier nichts erreiht. Das die Bauern Sabotage treiben, ist nicht wahr. Jh zweifele niht daran, daß es uns gelingen wird, hier eine gemein- schaftliche Linie auf Grund der Gerechtigkeit zu finden. Es ist immer eine Brutalität, wenn man den Preis für ein Produkt bindet, ohne die Komponenten des Preises zu berücsichtigen. Das ist wirt- \chaftliher Unsinn. “(Sehr richtig! rechts.) Wie wird denn der Preis für das Umlagegetreide gemacht? Seien wir doch einmal ganz ehrlich. (Große Heiterkeit, Bwischenrufe links.) Daß die Auf- forderung zur Ehrlichkeit so entrüsten würde, hätte ih niht gedacht. (Große Heiterkeit.) Der Preis müßte festgeseßt werden nach den Gestehungskosten, er wird aber nah politishen Rücksichten fest- gesebt: sovie ist erträglih, doch stellen wir den Preis so hoch ohne Rücksicht auf die Unkosten, Wenn es ein Politikon ist, den. Brot- reis auf einer gewissen Höhe zu halten, dann darf man nicht ein- ach dem Produzenten sagen: Du mußt damit zufrieden sein, weil 08 ein Politikon ist. Der Unterschied im Preise durch die Brot-

verbilligung mit Hilfe der Umlage macht zuungunsten der Land=.

wirtschaft 20 Millionen Mark aus. Die ganze Reichseinkommen-

- bat etwas für si, und es is abzuwä

fieuer îm Jahre 1921 betrug W Milliarden Mark. Wenn also uer Ver fka eine Notwe eit ist, dann muß man nit nur die Landwirts{ sondern auch Jndustrie, Handel usw. dazu

ranziehen. Dex Preis wird festgeseßt, wenn noch nicht einmal zu über chen ist, was. dex Bauer zux Lebenshaltung und zur neuen Produktion braucht. Der “Bauer erntet nur einmal im Fahre und * muß seitte Etnnahmen daraus auf das ganze Jahr verteilen. Wenn der Landwirt nicht erbittert werden soll, muß er wenigstens soviel haben, daß er die Wirtschaft fortsegen kann. Es is ein Ixxtum, daß , der Bauer im Gelde s{chwim Es ist noch gar nit zu übersehen, was er im ärz und April wieder in den Boden hineinstetex muß. Jun keinem Beruf ist das Risiko der Arbeit so groß, wie in der Landwirtschaft. Hier sind ¿wei er: die einen treten für völlige freie Wirtschaft, die anderen für den Rest der Zwangswirtschaft ein, Jeder Standpunkt n, welches System besser ist. Das ijt wie Seylla und Charybdis. as ist niht über den Segen der freien Wirtschaft prophezeit worden! Die Preise sollten zurück- gehen, aber das ist doch niht wahr. (Sehr rihtig! links.) Verteilem wir doch Licht und Schatten gerecht. (Zwifhenruf rechts: Valuta!) Gewiß, darin sind wir eînig, der lebte Grund ist unsere Valuta, aber damit müssen wir rechnen! Die Erfahrungen in Rußland zeigen, daß die Bauern nach Einführung der Naturallieferungen weniger produziert haben. Unsere Klein- und Mittelbauern haben volles Verständnis für die Erfordernisse der Zeit. Wir haben eine doppelte Ernährungskriss, eine rein deutshe und eine in der ganzen Welt. Ein Erzeuger wie Rußland is völlig ausgeschieden, der ein Drittel des Weltbedarfs deckte. Jch wünsche, daß Rußland bald wieder exsteht, aber die Hoffnung auf Rußland ist bet mir gering troß des Vertrages von Rapallo. Wir haben getäuschte Hoffnungen schon genug. (Sehr wahr!) Das Umlagegeseß von 1921, das nur ein Notbehelf war, darf nit wiederkehren. Heutè haben wir dauerride Warenknappheit, der freie Handel fann uns gar nicht billig versorgen. Die Zahk derer, die sich mit dem Handel beschäftigen, wächst lawinenartig. tens ( handelt und nit mehr gearbeitet. (Heiterkeit.) Fch beschuldige nicht den Handel, sondern das System. Dex Zwischenhandel wirkt folofsal verteuernd. Das Notwendigste ist eine Verkehrsregeluüng durch Kontrollstellen, die den. Weg verfolgen, den jeder einzelne Waggon Lebensmittel! nimmt. Fn Bayern haben wir das mit den Kartoffeln so gemacht. So, wie jeyt der Ueberhandel sich aus- wächst, kann es nicht weitergehen. Auch die Zulassung zum Handel muß ‘strenger gehandhabt werden. Wann wird. der Zustand der fortgeseßten Teuerung aufhören? Die Bauern sind niht daran huld. Die wirklichen Ursachen sind zum Teil Nachwirkungen dexr Revolution, in der Hauptsache aber i es der Versailler Vertrag. Ohne dessen Revision kommen wir zu keiner Besserunz, und da muß auc die Schuldfvage wieder aufgerollt werden. JFmmer wieder muß die Regierung daran erinnert werden, sich in dieser Frage zu rühren, damit es nicht weiter heißt: „Fhr habt Euch ja als die SHuldigen bekannt!“ Fm übrigen sollten wir ‘uns darauf besinnen, in welcher Lage wir uns befinden. Der Luxus an gewissen Stellen s\pottet jeder Beschreibung. Die Kanaillen, die man an gewissen Orten beobachtet, verdienen keine Schonung. Leider ist au’ ein Teil unserer Jugend von diesem Treiben schon erfaßt. Die Stunde ist so ernst, daß es für jeden ernsten Menschen hier nur eins geben sollte: Der Wille zum Helfen, (Beifall.)

Abg. Heydemann (Komm.): Der Reichskanzler is wohl hierher gekommen, um sih von der Rede des Herrn Dr. Heim zu erholen. (Heiterkeit. Dex Reichskanzler verläßt den Saal.) Fm vierten Fahr der deutschen Republik sind die Agrarier Trumpf. Sie be- fampfen die Republik und wuchern zuglei das Volk aus. Der Reich8prüäsident gilt ihnen nur als Schildhalter für die wieder=- fommende Monarchie. Die Güterpreise gehen immer mehr in die Höhe. Arbeiter und Beamte brauchen zwei Drittel - ihres Ein- fommens nur für die Ernährung. Die Landwirte sind in besserer Lage, wix gönnen es ihnen auch, aber wir wenden uns gegen die \chamlose Au8wucherung ‘der Bevölkerung. Wovon \oll das Volk leben, wenù 28 }ch kein“ Brot tnehr kaufen kann? Die politischè Diktatur der Junker will man ‘in agrarishen Kretifén - dur ‘eine wirtschaftlihe Diktatur. ergänzen, das ist der Zweck der jeßigen Agitation. enthalten sind, werden verwirkliht werden. ‘Heute hat hier im Hause der Abgeordnete Lind ih dahin geäußert, die Landwirte würden ih an das Umlagegeseß einfach niht kehren. Die Regierung sollte in erster Linie für billiges Brot sorgen. Statt dessen wird dieses Geseß eine erbeblihe Brotverteuerung bringen. Der agrarishe Terror wird von der Regierung geduldet. Die Mehrheitssozialdemokratie macht sih, wenn sie diese elende Regierungsvorlage annimmt, mitshuldig an der Brotvertèuerung. Das Rüdckgrat aller politischen Kämpfe ist heute der Kampf um das Stück Brot. Wir leben bereits in einem latenten Bürgerkrieg, und es gilt dafür zu sorgen, da dieser mit dem Siege des Proletariats endet. (Beifall bei den Kounm,)

Damit \chließt die Debatte, Persönlich bemerkt der

Abg, von Graefe (D. Nat.) gegenüber dem Abgeordneten Heydemann, der ihn als Juden bezeichnet hat, daß diese Vehaup- tung eine orientalische Phantasie sei, Er müsse annehmen, daß der Abg. ‘Heydemann entweder die Verhandlungen des Reichs- tages vershlafe oder gegen besseres Wissen gesprochen ' habe. Schon aus Pietät gegen seine Vorfahren würde er diese nicht fo verleugnen, wie Herr Heydemann seine Abstammung verleugnet.

Abg. Heydemann : Zur Entscheidung der Frage, ob man jüdisches Blut in den Adern hat, gehört nicht nur ein Stamm=- baum für den Vater, sondern auch die Abstammung. mütterlicher- seits. Gegen. den Vorwurf, daß ich meine Abstammung véêr- leugne, brauche ich mich nicht zu verteidigen.

Abg. von Graefe: Herr Heydemann hat mi falsch ver- standen. Ich habe niht etwa behaupten wollen, daß er jüdischer Abstammung sei. Er weiß auch sehr wohl, daß ich etwas. anderes gemeint habe. Jm übrigen kann ih ihm eine [üdenlose Rethe von 32 Ahnen zur Verfügung stellen, die niht einen Tropfen jüdischen Blutes gehabt haben.

Die Vorlage wird dem Ausshuß für Volkswirtschaft überwiesen.

Ein von Mitgliedern fast aller Parteien eingebrachter Antrag, betreffend Abänderung des GRA E \hastsgeseßes, wird in allen drei Lesungen erledigt, nachdem Justizminister Dr. Rad bruch betont hatte, daß dem Hause in absehbarer Zeit eine umfassende Revision des Vanelle palgelenes vorgelegt werden würde.

__ Die Vorlage über die Schubpolizei der Länder wird ohne Erörterung dem Hauptaus\huß Überwiesen.

Damit ist die Tagesordnung ershöpft. Nächste Sizung Mittwoch 2 Uhr. (Zweite Lesung der Sachlieferungs- Er JFnterpellation, betreffend Neutralisierung der Rheinlande; Fnterpellation über das Ergebnis der Verhand- lungen mit der Reparationskommission und Fnterpellation über das Verlangen der Entente nah Zerstörung von Eisen- bahnen im Rheinlande und Einstellung von Eisenbahnbauten.)

Schluß 614 Uhr.

Preußisher Landtag. Nachtrag.

150. Sißung vom 19. Juni 1922.

Bei der Fortseßung der zweiten Beratung des Haushalts. des Ministerium des Jnnern in der Sißung vom 19, ‘d. M. hielt der Minister Severing im Anschluß an die Aus- führungen des Abg. Dr. Steffens eine. Rede, die folgenden Wortlaut haite:

Nächstens wird nur noch ge=.

Die agrarischen Drohungen, wie sie in den „Richtlinien“

Meine Damen und Herren! Hätte sich meïn Herx Vor- reduer nicht ausdrücklich auf seinew bürgerlichen. Beruf als. Geshihtsforsher berufen, so hätte ich wahrscheinlich keine Veran- lassung gefunden, noch einmal zu der Hindenburg-Feier däs Wort zu nehmen. Jch möchte ihm aber seinen Ruf und vor allen Dingen eine sahliche Berichterstattung s{hüßen, und darum halte ih mi für verpflichtet, zu der Angelegenheit doch noch einiges amtliches Material beizusteuern, das mir insbesondere gecignet ‘erscheint, einen JFrrtum des Herrn Vorredners zu berichtigen, als ob zu der Zerstörung des Porzellans in Ostpreußen nur die link3- gerichtete Presse beigetragen habe. Zunächst: ih habe keineswegs behauptet, daß der Besuch der Person Hindenburgs in Ostpreußen die Republik gesährdet habe. Fch habe aber, als mir von diesem Besuch Kenntmis gegeben ‘und zu gleicher Zeit der fertige Plan unterbreitet wurde, mit allen Paraden und mit allen Auf- stellungen der Kriegervereine und der Militärvereine diese Ver- bindung von Paraden mit dem Besuch Hindenburgs in Ostpreußen als iy der Tat für Ostpreußen gefährliß angesehen. (Zurufe

rechts: Nanu, warum denm?) Fa, wenn ih wirklich von einer

Nervosität allein befangen oder angesteckt gewesen wäre, dann wäre es mir unverständlih geblieben, warum auch Angehörige der Partei meines Herrn Vorredners meine Bedenken sofort teilten, als ih sie ihnen mitteilte. (Zurufe rechts.) Meine Herren, ¿ch möchte Fhre Amtsführung einmal beobachten in Situationen, in denén es wirklich darauf ankommt, Entscheidungen zu treffen, die den Shuß einer gefährdeten Provinz betreffen. Fch habe bisher an den Herren von der Deutshnationalen Volkspartei keine besondere politishe Nervenstärke gesechewn. Jch habe bei ihnen feinen besonderen Mut gefunden, wenn es sich darum handelte, in kritischen Situationen seinen Mann zu stehen. (Zurufe links.) Jch wiederhole, daß ih, als ih meine Maßnahmen traf, niht in erster Linie an den Schuß der Republik als staatsrechtliche Ein- richumng gedacht habe, sondern an den Schuß dex Republik Preußen, zu der ja auch die Provinz Ostpreußen gehört, die mir ih beziehe mich auf meine Ausführungen vom Freitag mit dem Rheinland und mit Oberschlesien besonders gefährdet erscheint. Jch wiederhole, die Verbindung der verschiedenen Paraden mit dem angeblih privaten Besuch Hindenburgs in Ostpreußen war mir bedenklich. Diese Bedenken habe ich vorgetragen, und diesen Bedenken haben sih auch die Herren angeschlossen, die der Volks- partei und der Deutshnationalen Partei als Regierungsbeamte, also Männer mit Verantwortlichkeit8gefühl, nahestehen. Es war ein Vertreter der Volkspartei ih wiederhole das ecbenfall3, um jeglicher Geschichtsklitterung vorzubeugen —, der Regierungs- präsident von Allenstein, der sich freïwillig erbot, auf den Freiherrn von Gayl mit dem Ersuchen einzuwirken, den Hexrn Generalfeld- marschall zu bestimmen, von seiner Reise Abstand zu nehmen oder sie auf eine politisch niht gerade so kritishe Zeit zu verschieben. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Auf Einzelheiten gehe ih nit ein, sonst wäre ih verpflichtet, auG einen Frrtum meines Herrn Vorredners zu berichtigen, daß der von der Studentenschaft veranstaltete Fackelzug vollständig mah den Anweisungen des Herrn Polizeipräsidenten arrangiert und durchgeführt worden wäre. Das ist nicht rihtig. Der Fackelzug war von dem Polizeipräsidenten unter der Vorausseßung genehmigt worden, daß die Fackeln erst hinter der Mauex des Gartens angezündet werden sollten. “An diese Vereinbarung haben sich die Studenten nicht gehalten, sondern sie haben die Fackeln {hon vor dem Landeshause angesteckt und dadurch die nicht gelinde Erregung hervorgerufen, die den Polizei- präsidenten veranlaßt hat, persönlih die Maßnahmen zu leiten, die an jenem kritischen Abend zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung erforderlich waren.

Nun gestatten Sie mir, Jhnen einen Teîïl der Materialien zu unterbreiten, die Jhnen wohl auch die Auffassung beibringen werden, daß der Besuch Hindenburgs den privaten Charakter nicht trug, den auch mein Herr Vorredner der Reise zu geben sih be- mühte. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Hätte der Generalfeldmarshall durch den Freiherrn von Gayl dem Ober- präsidenten oder dem Regierungspräsidenten, dem Magistrat der Städte, deren Ehrenbürger er ist, mitgeteilt, er beabsichtige, Neudeck zu besuchen, dann hätten wir niht den geringsten Anlaß gehabt, diejenigen Anweisungen an die Regierungsbehörden zu geben, die den Tadel meines Herrn Vorredners gefunden haben. Der Herr Oberpräsident hätte von uns die Genehmigung bekommen, den Generalfeldmarschall auf ostpreußishem Boden zu begrüßen, wir hätten den Regierungspräsidenten und den Städtevertretern nit die geringste Beschränkung auferlegt. Die Reise hätte sich \o boll- ziehen können, wie der Generalfeldmarschall sie nah dem Bericht verschiedener Herren auch zunächst aufgefaßt wissen wollte, als ein vielleicht leßter Besuch seiner Heimatprovinz. Als wir aber die Mitteilung bekamen, es werde alles versucht, um landwirtschaftliche Arbeiter gegen ihren Willen auf Lastwagen und anderen Beförde- rungsmitteln zu den Orten zu bringen, die als Demonstrationsorte in Frage kommen (hört, hört! bei den Sozialdemokraten Un- ruhe und Zurufe rechts), als wir in Erfahrung brachten, daß die Schulkinder unter nicht gelindem Druck zu diesen Veranstaltungen geführt werden sollten (Unruhe ‘und Zurufe rechts), als wir toußten, daß die sogenannte Parade auf dem Devauer Play eine Besucherzahl von 200 000 aufweisen sollte, und daß ursprünglih in Aussicht genommen war, dieser großen Parade in der Tat militä- rishen Charakter beizulegen, da hielten wir es für unsere Pflicht, einzugreifen und die Behörden durch strikte Anweisungen zu warnen, sich mit diesen Veranstältungen identifizieren zu lassen. Daß meine Befürchtungen, daß die Entente aus den Ansammlungen und aus der Parade Kapital schlagen könnte, niht unbegründet war, wollen Sie aus folgenden Bemerkungen eines amtlichen Berichts ersehen:

Zwei Offiziere von der Ententekommission waren schr eifrig am Beobachten und Notizenmachen. Sie zeigten vor allem Fnteresse für das Kommandieren dex einzelnen Kriegervertins- vorsizenden, welche stundenlang vorher die einzelnen Vereine ausrihten und stillstehen ließen.

(Hört, hört! und Heiterkeit links.) Alles das, was über die Ver- anstaltungen in den einzelnen Städten, über die Teilnahme ehe- maliger aftiver Militärs an diesen Feierlichkeiten mitgeteilt worden ist, bestätigt uns nachträglich, daß unsere Befürchtungen leider nur zu sehr berechtigt gewesen sind, und ih befürchte, daß uns die Ost- preußentage *noch teuer genug werden. (Hört, hört! links.) Fn demselben Bericht, aus dem ih mir eben eine Stellé vorzutragen erlaubte, heißt es ferner: :

Jn Fudiîtten waren etwa 10 000 Teiîlnehmer anwesend. Mit Leiterwagen wurden die Arbeiter von etwa 150 Gütern aus den Kreisen Friedland und Preußisch-Eylau herangefahreu.

(Hört, hört! links.) Die Schulen waren stundenlang unterwegs, und man konnte Kinder beobachten, die müde waren und daher das Fnteresse an dexr ganzen Sache verloren. :

(Hört, hört! links.) Fn einem anderen amtlihen Bericht heißt es:

Sämtliche Güter der Umgegend hatten an diesem Tage die Arbeit eingestellt, und die Leute waren auf Leîiterwagen nach dem Festplaß hingeschafft worden.

(Zurufe und große Unruhe. Gklocke des Präsidenten. Diese Vor- kommnisse erinnern an die ostpreußishen Wahlen der Vorkriegszeit. (Sehr richtig und Zurufe links.) Fch habe nicht den Beruf und auch nicht die Neigung, die Presse der Linksparteien gegen die An- griffe meines Herrn Vorredners zu verteidigen; das steht mir als Staatsminister nicht zu. Mein Herr Vorredner hat aber darauf aufmerksam gemacht, daß ih in meiner Rede vom Freitag meine Bemühungen hervorgehoben habe, die politishen Parteien der Provinz Ostpreußen unter einen Hut zu bringen, und wenn dies Bemühen sich jeßt als erfolglos beweisen sollte, so trüge daran einzig und allein die Schreibweise der linksgerihteten Presse die Schuld. Um Licht und Schatten gleichmäßig zu verteilen, möchte ich auf folgendes verweisen. Fn dem Blatt, das in dem Wirkungsort meines Herrn Vorredners erscheint, in der „Barten- steiner Zeitung“ (hört! hört! links lebhafte Unruhe rechts Glocke des Präsidenten) ich möchte meinen Herrn Vorredner nicht mit dieser Zeitung und auch nicht mit den Mitteilungen dieses Blattes identifizieren, aber der Herr Abgeordnete Dr. Steffens hat als Geschihhtsforsher ein Jnteresse daran, daß ih festhalte, daß auch diese Sorte Presse zu der Zerklüftung bei- getragen, die \ich, wie ih fürhte, in den nähsten Tagen in Ost preußen noch weiter herausstellen wird. Den linksgerichteten Parteien wird zum Vorwurf gemacht, daß sie die hohen Verdienste des Generalfeldmarschalls Hindenburg um Ostpreußen und um das Vaterland im ganzen nicht genügend anerkennen, daß die Autorität -Hindenburgs ganz besonders durch die Angriffè. ange- tastet worden sei, die in der „Roten Fahne Ostpreußens“ erfolgt seien. Jh habe am Freitag schon erklärt: alles, was an behörd- lichen Maßnahmen zu treffen notwendig war, sollte sih niht gegen die Person Hindenburgs richten und hat sih niht gegen Hinden- burg gerichtet. Aber was ich Jhnen jeßt vorlesen will, rihtet si gegen Anordnungen der Staatsregierung und ih weiß nicht, ob Herr Dr. Steffens den Mut haben wird, diese Angriffe gegen die Staatsregierung zu verteidigen. Die Angriffe sind in eine, ih hätte fast gesagt, poetishe Form gebracht, aber ih bitte, das nicht allzu wörtlich aufzufassen. Der Schreiber hat versuht, seine An- griffe in Reime zu kleiden; das ist ihm aber nicht immer gelungen. Das sogenannte Gedicht lautet:

Dankbar unsre Herzen s{chlagen,

Von Begeisterung erfaßt,

Denn es ist in diesen Tagen

Der Feldmarschall unsex Gast. (Heiterkeit)

Bilder. aus vergangnen Tage

Sieht der Geist vorüberziehn,

Ach, mit größtem Unbehagen

Fühlt man dieses in Berlin. (Heiterkeit.)

Angst nah außen, Angst nach innen

Schwächte des Gehirnes Kraft,

Drum nach längerem Besinnen

Shrieb man der Beamtenschaft:

„Kundgebungen sind verboten“,

Also shwarz auf weiß es steht,

Weil den Herrn der Hosenboden

Wieder mal mit Grundeis geht. (Heiterkeit. Zurufe.) Also, meine Herren, jeßt kommen Stellen, auf die ih besonders aufmerksam mache:

Solch Erlaß von hoher Stelle

Zu den Akten wird gelegt,

Wo noch rein des Geistes Quelle,

Und wo treu das Herz noch s{chlägt.

Mancher in die stillste Ecke

Legt den herrlichen Erlaß,

Braucht ihn dann zu andrem Zwette.

Denkt: Fhr könnt mir sonst noch was! (Heiterkeit und Zurufe.) Jch habe keineswegs die Absicht, mi dur diese niedrigen Angriffe irgendwie aus dem Konzept bringen zu lassen. Aber, meine Herren, diese und ähnliche prosaische An- griffe gegen die Staats- und Reichsregierung beweisen jedenfalls, daß die rechtsgerichteten Parteien gar niht gesonnen sind, die Autorität der Staatsregierung in irgendeiner Weise zu fördern. Jch stelle noch einmal fest: die Arbeitershaft der Provinz Ost- preußen war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bis vor wenigen Wochen bereit, alles zum Schuße der Provinz zu tun, um in kritishen Tagen die Grenzen der Provinz gegen jeglihen feind- lihen Ueberfall zu hüben. Der -Verlauf verschiedener Arbeiter- versammlungen und. der Verlauf einer- bedeutenden Arheitertagung in der Provinz, die in den leßten Tagen abgehalten wurden, lassen aber erkennen, daß sich an entsprehende Abmachungen niht mehr alle Gruppen gebunden fühlen (Zurufe), und die Verantwortung für diese unerfreulihen Foïgen der Hindenburgreise fällt auf die- jenigen, die niht auf den Mahnruf der Staatsregierung gehört, die niht ihren ganzen Einfluß aufgeboten haben, um diese Reise in eine Zeit zu vershieben, die niht mit Gewittern aller Art so geladen war wie die heutige, und die nihts unternommen haben, um den Feldmarschall davon zu überzeugen, daß er für seine Provinz und das Land besser handeln würde, überhaupt auf diese Art der Reise zu verzichten. (Sehr richtig! links. Zurufe rechts.)

Jch habe diesen Ausführungen nichts mehr hinzuzufügen. Jh

bitte nur Herrn Dr. Steffens als Abgeordneten und Mitglied einer Koalitionspautei, die doch auch jeßt mit gehalten ist, die Ruhe urtd Ordnung aufrechtzuerhalten (Hört, hört! bei den Kommunisten), die do mit gehalten ist, daran mitzuarbeiten, sih bei der Scilde- rung derartiger Vorgänge nicht auf den einseitigen Standpunkt zu stellen, den er soeben vertreten hat, objektiv alles darzustellen und nicht die Verantwortung für die unerfreulihen Folgen dieser Reise den anderen Parteien samt und sonders in’ die Shuhe zu [hiében,

von benen \ich der größte Teil nah besten Kräften bemüht hat, gerade der Provinz Ostpreußen die Ruhe zu geben, die in diesen Monaten besonders notwendig sein wird. (Bravo!)

Nah dem Abg. Dr. v. Dryander nahm der Minister * Severing das Wort zu folgender Rede: A Der Herr Abgeordnete Dr. von Dryander hat in seinen Aús- führungen unter anderem den Sag gebrautht: Die Einstellung zur Republik ist heute eine andere geworden, als es noch vor * 35s Fahren möglih war. Er liefert für die Richtigkeit dieses * Satzes den lebendigen, persömlichen Beweis. (Sehr gut! links.) : Vor 324 Jahren hat er sich als aktiver Beamter des Preußischen * St@æatsmimisteriums anders zur Republik eingestellt. (Hört, hört! - links.) Er hat damals versucht, an amfliher Stelle die Hohen Jdeale und Ziele zu verwirklichen, von denen er in den lehten Sätzen seiner Ausführungen sprach. Daß ‘er sich heute anders eitstellt, beweist mir, daß damals doch wohl andere Motive für seine Haltung gesprochen haben. JFch vermute, daß er damals, wie viele seiner deutschnationalen Freunde, der Auffassung war, - daß man gut daran tun, zweckmäßig handeln würde, wenn man der allgemeinen Stimmung und nicht seiner persönlichen politi- i schen Ueberzeugung Rechnung trüge. (Sehr gut!) Wenn er das nicht wahr haben will, dann verstehe ih nicht, wie ex zu der Er- - fenntnis kommt, daß heute die Stellung zur Republik eine ganz audere sei als vor 3/4 Fahren. Aber das interessiert ihn ja nur persönlich. :

Auf die Frage der Verseßung der Schuߧpolizeia offiziere gehe ih in diesem Augenblick niht ein. F erkläre - hiex noch einmal vor der vollsten Oeffentlichkeit: Diese Versezungen waren aus dienstlihen Gründen notwendig. Und daß meine Er= wartung, daß mit diesen Versezungen Ruhe in den Betrieb der Schutzpolizei in Berlin einkehren würde, rihtig war, beweist die : Tatsáche, daß im Betriebe der Schußpolizei in Berlin die Fndis= kretionen, die Disziplinbrüche nicht mehr so häufig vorkommen wie zu der Zeit, als die verseßten Offiziere großen Einfluß in der ' Offiziershaft Berlins ausüben konnten. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Abgeordnete Dr. von Dryander hat dann an mich die Anfrage gerichtet, auf welche Gruppen von Beamten ih das Gebotder Amtsvershwiegenheit ausdehnen wolle, ob nicht bei dem häufigen Wechsel der Ministerien und der Minister nur ganz bestimmte politishe Gruppen und Parteien davon be- troffen werden sollten. Jh bin der Meinung, daß alle Beamten zur Amtsvershwiegenheit verpflichtet sind, und daß sie besonders solche Dinge nicht zur Kenntnis der Oeffentlichkeit bringen sollen, deren Bekanntgabe besonders in den Zeitläuften der internationalem * Verwicklungen dem eigenen Land Schaden zufügen. können. (Sehr richtig! links.)

Herr Abgeordneter Stieler hat heute morgen, als ex auf Schäden in der Schußpolizei, in- der Beamtenshhaft verwies, kurz - die Treibereien eines Anspach besprochen und dabei zu gleicher Zeit darauf aufmerksam gemacht, daß vor einigen Wochen im Ruhrrevier ein Prozeß verhandelt worden sei, in welhem Schuß polizeibeamte als Angeklagte vor den Schranken des Gerichts standen. Diesen Beamten konnte nachgewiesen werden, daß sie die Verhältnisse in der Schußhpolizei Ententeagenten direkt und indirekt - mitgeteilt hatten. (Hört, hört!) Jedenfalls haben Eniente= agenten aus diesen Mitteilungen aus dem, Betriebe der Shuß= polizei Kapital für die Politik der Entente uns gegenüber ge- s{lagen. Die „Deutsche Tageszeitung“ hat diese Gerichtsverhand= lung gebracht und hat sie mit der Kennzgeihnung der angeklagten Schußpolizeibeamten als „Lu mpenhunde“ versehen Jch bin der Meinung, daß, wenn Herren der Deutschnationalen Volkspartei diese Charakterisierung Schußpolizeibeamten ange= deihen lassen, die aus dem Dienstbetriebe der Polizei Mitteilungen in die Oeffentlichkeit bringen, daß dann diese Bezeichnung auch diejenigen Beamten verdienen, die über die angeblihe Zur- di8positionsstellung der schlesishen Landräte deutshnationalen Parlamentariern Material anvertrauen. (Sehr wahr! bei den . Sozialdemokrcäten.) Denn ich bin weiter der Meinung, daß die Mitteilungen über technishe Belange der Schußpolizei, mit denen die Entente eigentlich wicht viel anfangen konnte, keinen so großen Schaden für Preußen und“ das Reich angestiftet haben als die falshen Mitteilungen über die künftige Behandlung der aus Obera \chlesien abgerufenen Landräte; dur die Bearbeitung der Oeffent= . lichkeit durxh die deutschnationale Presse in Oberschlesien und im Staate ist allerdings der Eindruck erweckt worden, als ob in bezug auf die Beamtenpolitik die Staatsregierung noch genau so rigoros vorgehen wolle als unter dem alten Kurse. Die Erzeugung dieser Stimmung in Oberschlesien ist niht dazu angetan, bei der not- wendig werdenden Abstimmung die Herzen der Oberfchlesier für den preußischen Staat zu gewinnen. (Sehr gut!) JchG habe die Artikel des „Tag“, wie ih noch cinmal an dieser Stelle feststellen möchte, nicht gelesen, und dexr Herr Abgeordnete von Dryander oder andere deutschnationale Parlamentarier mögen schreiben, was sie ollen: wenn ich Zeit habe, wenn îch hier und in anderen Sitzungen zum Anhören, zum Aushalten verpflichtet bin, wenn ih Reden mehr oder weniger geistreiwen Fnhalts über mih ergehen lassen muß und dadurch Zeit und Muße gewinne, werde ih viel= leiht auch die Ergüsse der „deutschnationalen Parlamentarier“ zur Hand nehmen. Wenn sich aber Minister in ihrer heutigen Arbeit von den Kritiken des „Tag“ oder der „Roten Fahne“ bestimmen lassen wollten, überhaupt von dem s{chwarz-roten Kaxtell, . „Schwarzer Tag“ und „Rote Fahne“, dann, meine Damen und Herren, wäre es mit der Amtstätigkeit der preußishen Minister - und mit dem ganzew Ovganisations- und Beamtenapparat herz= lih \{chlecht bestellt. Sie mögen schreiben, was Sie wollen, az mir prallt das alles ganz wirkungslos ab.

Meine Damen und Herxen, wenn ih die Artikel so genau durchstudiert hätte wie der Herr Abgeordnete Dr. Heß, so wäre: ich. wahrsheinlich in dex Lage, noch andexe sahlihe Unrichtigkeiten . des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander nachzuweisen. . Jh: kann nur noch einmal wiederholen: ich bemühe mi, und. die- Beamten im Ministerium und derx ganze preußishe Organisatiomss . und Beamtenapparat mit wenigen Ausnahmen - mit mir, - jede - Korruption aus der preußischen Staatsverwaltung fernzuhalten, - und den Vorwurf des Herrn Abgeordneten Dx. von Dryander, daß die Aemterbeseßzung, die heute nah anderen Gesichts4 ? punkten erfolgen muß als untex dem alten Kurse, einer Korruption gleihkomme oder Korruption erzeugen müsse, weise ih mit allec- Entschiedenheit zurück. (Lebhafte Zustimmung.) i

) Ich bin vielmehr ‘der Meinung, daß die Aemterbejegung unter dem alten Regime