1922 / 142 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Jun 1922 18:00:01 GMT) scan diff

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E cbhew Kortupälou qur Folge: batie (Fehr wahr!) als das

heute bei der Zujammenfeßung des Beamtenapparats aus den

Angehörigen verschiedener politisher Parteien überhaupt mögli

ist; denn Sie haben doch dadur, daß Demokraten und Zentrums-

leute, daß Sozialdemokraten und Deutschnationale in einem Regie- rungspräsidium,- in einem Oberpräsidium, hier in der Zentrale sigen, doch schon die Gewähr, daß von einer Gruppe, von denen eine früher den ganzen Apparat in Preußen beherrshte, nihts mehr vertusht werden kann. Würde heute in einem Regierungs- präsidium, in dem eine bêstimmte Parteirihtung die höchste und größte Zahk der Beamten stellte, heute vielleicht der Versuch gemacht werden, unangenehme Dinge zu vertuschen, die Ver- fehlungen eines Beamten mit dem Mantel der Duldsamkeit zu bededen, so wäre dur die Buntscheckigkeit der politishen Parteien in der Verwaltung eine Garantie dafür gegeben, daß solche Ver- suche mißlingen müßten. Wie Sie bei dieser Sachlage zu dem Vorwurf kommen können, daß die heutige Aemterbeseßung zur Korruption führen müsse, ist mir unerfindlih.

Nun ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander zur Schußpolizei. JFch bin zwar mitt seiner Feststellung durchaus einverstanden, daß die Debatte der lebten Tage ergeben habe, daß alle Parteien in dem Verlangen, daß das Shubpolizeibeamtengeseß so shnell wie mög- lih dem Hause vorgelegt werde, nahezu einig sind. Fch stelle fest, daß das Ministerium des Jnnern an der eingetretenen Vèrzöge- rung keine Schuld trägt. Das Geseß ist bereits vor einigen Monaten dem Staat3rat unterbreitet worden, der Staatsrat hat aber die Beratung und Verabschiedung des Geseßeutwurfs abge- lehnt, weil das Reichsrahmengeseß, das von der Reichsregierung in Norbereitung genommen war, noch nit verabschiedet sei. Jch kann Jhnen und der Schußpolizeibeamtenschaft im allgemeinen die erfreu- liche Mitteilung machen, daß gerade am heutigen Tage der zuständige Aus\chuß des Reichsrats und der Reichsrat selbst das Rahmengeseß verabschiedet hat, daß es noch morgen dem Reichstage zugehen soll und daß. verschiedene Parteien des Reichstags übereingekommen sind, das Reichsrahmengeseß ohne Debatte anzunehmen. (Bravo!) Mit der Annahme des Reichsrahmengeseßes würde dann auch für den Staatsrat die Grundlage für die Beratung geschaffen sein. Jch bin überzeugt, daß auch die Staatsratsmitglieder es sich an- gelegen sein lassen werden, das Geseß ohne jede Verzögerung zur Verabschiedung zu bringen, so daß es dann dem Hause vorgelegt werden kann. Bei der parlamentarischen Situation von heute gebe ich mich allerdings darüber keiner Täushung hin, daß vor dem Frühherbst die Verabschiedung durch den Landtag nicht er- folgen wird, wenn sich niht die Parteien zu dem Opfer bereit finden werden, in den Sommermonaten zu einer kurzen Tagung ‘zusammenzutreten, um das Geseh zu erledigen.

Jch habe aber einen anderen shweren Vorwurf des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander gegen die preußishe Schuß- polizei mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. Er hat gesagt, nicht allein in Braunshweig hätten sich Korruptions- ersheinungen in der Shußpolizei herausgestellt, son- dern die Kriminalität unter der Schubpolizeibeamtenshaft in Berlin rede eine deutlihe Sprache dafür, daß auch die Schuß- polizeieinrihtungen der preußishen Bezirke {hon davon angesteckt worden seien. Meine Herren, das ist verzeihen Sie, ich finde keinen parlamentarishen Ausdruck für diesen Vergleih und für diese Unterstellung. Jn Braunschweig is, wenn ih richtig: unter- rihtet bin, durch die Ermittlungen des parlämentarischen Unter- suhungsausshusses festgestellt, daß die Leitung der braunshweigi- schen Schupßpolizei niht auf der Höhe stand, daß die Leitung mit ihren Aufgaben es allzu leiht genommen hatte, daß sie mit dem Material des Staates, mit der Zeit der Beamten, nicht gewissen- haft genug umgegangen war. (Abg. Dr. von Dryander: Eine Fülle von Kriminalität der Beamten der Schußhpolizei! Wider- spruch bei den Sozialdemokraten.) Ach nein, das kann vielleicht ein Gericht festgestellt haben. Jch weiß es nicht. Wenn Sie darüber unterrichtet sind, bitte ich Sie, mir das Material zu unterbreiten. Der parlamentarishe Untersuchungsausschuß hatte die Aufgabe und diese Aufgabe hat er erfüllt —, zu unter- suchen, was an den Behauptungen von Sepp Oerter und einigen anderen Abgeordneten richtig sei, daß die Leitung der Shußpolizei unter dem Präsidenten Büchtenkirchner und dem Kommandeur der Schußpolizei ihrer Aufgabe niht gewachsen sei. Fn Berlin ist lediglich festgestellt worden, wie ih gern zugestehen will auch gelegentlid vor Gerichtsverhandlungen an anderen Orten —, daß unter den Schußpolizeibeamten einzelne Leute sind, die es mit mein und dein niht genau genommen haben, die, statt zu Ruhe und Ordnung anzuhalten, die Ruhe und Ordnung selbst dur Trunkenheit, Schlägereien usw. gestört haben. Aber ih frage den Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander: was haben die einzelnen gerihtlihen Feststellungen, die die Kriminalität einzelner Beamter beweisen, mit den Einrihtungen der preußischen Schußpolizei zu tun? (Sehe gut! bei den Sozialdemokraten.) Aus JZhren Aeußerungen muß jeder Unbefangene folgern, daß Sie

sagen wollten: die Korruptionserscheinungen, die in Braunschweig“

festgestellt sind, haben auch in der preußishen Schußpolizei Ein- gang gehalten. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Diese Tendenz Jhrer Ausführungen, diese Absiht Fhrer Bemerkungen weise ih mit aller Ents{hiedenheit zurü.

Sie haben weiter die ungeheuerlihe Behauptung aufgestellt, daß Beamte des preußishen Ministeriums des Jnnern in das Land hinausgeshickt worden seien, um Propagandareisen für den Shraderverband vorzunehmen. Fch bitte, mir das Material, das Sie zu einer derartigen Auffassung berechtigt, vorzulegen. Jch kann Jhnen aber erklären, meine Damen und Herren, daß diese Behauptung des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander auch wieder einmal nicht richtig ist! (Sehr vrihtig! bei den Sozialdemokraten und Zurufe: Spezialist für Un- rihtigkeiten!) Richtig ist, daß, nahdem die deutshnationale Presse über den ZFnhalt des preußischen Schußpolizeibeamtengeseyzes in der Schußpolizeibeamtenschaft die größte Beunruhigung hervorgerufen hatte, sich die Schußtpolizeiabteilung meines Ministeriums ver- pflichtet fühlte, diesen falshen Nachrihten und Mitteilungen ent- gégenzutreten, und zu diesem Zwecke sind die beiden Herren aus der Polizeiabteilung zu den Polizeiverwaltungen der einzelnen Provinzen gesondt worden, Herren, die an der Feststellung des Schubpolizeibeamtengeseßes hervorragenden Anteil genommen hatten. Sie haben den Schuhpolizeibeamten Vorträge gehalten mit dem Erfolg, daß nun allerdings die deutschnationalen Ver-

drehungsmanöver zum Schweigen gebracht worden \ind (hört, hört! bei den Sozialdemokraten, Demokraten und im Zentrum), und die Schußpolizeibeamten haben eingesehen, daß ihnen das3 Geseß Wertvolleres bot, als vorher in den Artikeln der deutsh=- nationalen Presse: behauptet worden war. (Sehr gut! bei den Sozialdemokvaten, Demokraten und im Zentrum.)

Jch soll nun durch einige Ausführungen, die ich am ver- gangenen Freitag gemacht und in denen ih zugegeben habe, daß ax cinzelnen Orten militärishe Uebungen der Schutgpolizeibeamten vorgenommen worden seien, der Entente Anlaß zum Einschreiten, Handhaben für ihre ewigen Be- anstandungen gegeben haben. Jh habe für die Vogel-Strauß- Politik, die aus diesen Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander hervorgeht, niht das geringste Verständnis. Die Ententevertreter sind über die Einrichtungen unserer Schußpolizei so gut unterrichtet, daß sie nux mißtrauish werden würden, wenn wir ewas anderes behaupten, als die Tatsachen ausweisen. (Sehr rihtig! bei den Sozialdemokraten und Demokraten.) Jst es nicht etiva eine militärishe Uebung, wenn der Kommandeur der Schußz- polizei eines Ortes die Aufgabe stellt, die roten Banden aus cinem Haus, ‘das sie beseßt haben, zu vertreiben? (Hört, Hört! links.) Jst es nicht eine militärishe Aufgabe, wenn dann mit Ofen- röhren Maschinengewehre markiert werden (Heiterkeit) und wenn geschlossene Verbände diese Mashinengewehre aus dem Haus her ausholen sollen? Ja, meine Damen und Herren, das ist in den leßten Monaten noch als Aufgabe der Shußpolizei gestellt worden. Wir haben sofort Veranlassung genourmen, das zu verbieten, und haben Vorkehrungen getroffen," daß sih derartige Uebungen nit wiederholen. (Abgeordnete Frau Wolfstein: Wo war denn das?) Jh habe ein dienstlihes Jnuteresse daran, der Frau Kollegin Wolfstein das zu vershweigen. (Lachen bei den Kommunisten.)

Unrichtig ist weiter die Behauptung des Herrn Abgeordneten von Dryander, daß der Standpunkt des Reichs in der Frage der Schuhpolizei den leßten Noten der Gntente gegenüber durch die Haltung Preußens festgelegt worden sei, und daß diese Festlegung Preußens in der Konferenz der Einzelländer eine Beurteilung er- fahren habe, die niht gerade shmeichelhaft für Preußen gewesen ist. Jch sage noch einmal: das isstt unrichtig. Preußen ist wie jedes Land in diese Konferenz der Einzelländer Hineingekommen mit seinen Vorschlägen, der badishe Fnnenminister, der bayerische Jnnenminister mit seinem Vorschlag. Es ist das Für und Wider der einzelnen Vorschläge genau abgewogen worden. Schließlich hat sih herausgestellt, daß alle Länder im allgemeinen den Standpunkt Preußens angenommen haben, so daß nach den preußischen Plänen, mit den entsprehenden notwendigen Abweichungen je nah der Eigenart der einzelnen Länder, auch. die Pläne der anderen Länder eingereiht wurden. (Hört, hört! links.) Es ist nicht richtig, daß über den Kopf der Reichsregierung hinweg mit Ententevertretern separate Abmachungen gemacht oder separate Besprechungen ge- pflogen worden sind. Wenn sih die zuständigen Stellen des Reichs, der Reichsminister des Fnnern und der Minister des Auswärtigen in diesen Fragen Preußens bedienen wollen, fo haben wir gar keine Veranlassung, den Reichsstellen die erbetene preußische Hilfe zu verweigern. Preußen hat seine Zentralverwaltung der Polizei hier in Berlin, die preußische ist die größte. Es ist anzunehmen, daß die Polizeiverwaltung des Ministeriums des Fnnern die reichsten Erfahrungen äuf diésem Gebiéte besißt, die wettvollsten Anregungen geben kann. Es ist gar kein Wunder, daß infolge dieser Anregungen, die Preußen gibt, das Reich sich dem Stand- punkt Preußens in den meisten Fällen anschließt. Es wäre ein Wunder, wenn es anders wäre. Daraus aber zu folgern, daß Preußen mit Riesenschritten der Entente entgegengekommen sei, während die anderen Länder hätten bremsen wollen, das bringt nur der Abgeordnete Dr. von Dryander fertig, der auch diesen Anlaß gern benußen möchte, von der Korruption der preußischen Polizei- verwaltung zu sprechen.

Herr Abgeordneter Dr. von Dryander hat in gewissem Sinne den preußishen Minister des Fnnern eingeladen, wenn er künftig einmal mit der Entente Verhandlungen über die Polizei und andere Dinge zu führen hat, sh der Hilfe der Deutschnationalen zu ver- sichern, der „nationalen Opposition“. Wenn die nationale Oppo- sition so aus\ieht wie der Artikel des „Tags“ und die weiteren An- griffe der deutschnationalen Presse auf die Staatsregierung, dann erkläre ich Jhnen: Mit einer derartigen nationalen „Unter- stüßung“ weiß ih .nichts anzufangen. Sie reißen erst durch Fhre Artikel über die angeblihe mangelnde Disztplin der Schußpolizei ein und wollen dann aufbauen helfen! Nein! Wenn ich wüßte, daß die nationale Opposition nur das wäre, wenn ih niht die traurige Erfahrung mit den Reden deutschvölkisher und deutsch- nationaler Agitatoren gemacht hätte, die da vorgeben, sie leiften dem Lande Unterstüßung, wenn sie chauvinistishe Revanchereden halten, dann ließe sich über den Vorschlag reden. So aber bin ih der Meinung, daß ih allen Anlaß habe, diesem Angebot des Herrn Abgeordneten Dr. von Dryander gegenüber das zu sagen, was ich hon einmal ihm durch die Blume angedeutet habe: Der Herr behüte mich vor diesen Freunden! Mit den Feinden, mit denen wir uns auseinander zu seßen haben, wird die Staats- regierung, wenn es notwendig werden sollte, shon fertig werden. (Lebhafter Beifall links3.)

Cemamer oran rem O

151. Sißzung vom 20. Juni 1922, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Präsident Leinert eröffnet die Siyung um 1114 Uhr.

Das Haus seßt die Is der einzelnen Titel des Haushalts des Ministeriums des Fnnercn fort.

Abg. Dr. Dolezy ch (D. Nat.) wünscht, daß die. Handwerker- genossenshaften bei der Beschaffung von Bekleidungsgegenständen der Schußpolizei berücksihtigt werden.

Auf eine Anfrage des Abg. Barteld- Hannover (Dem.), der für den Ausshußantrag auf Errichtung einer Polizeihochschule eintritt, erklärt ein Regterungsvertreter, daß die Er- rihtung einer Polizeihochfe ule bereits in die Wege geleitet worden sei. Das Ministerium werde die Aus- und Fortbildung der Schuß- polizeibeamten nah jeder Richtung fördern. Das Handwerk werde bei pn Vergebung von Aufträgen sür die Shußpolizei auch bedacht werden.

__ Bei den Gamen Ausgaben für die Polizei begründet die Abg. Frau Wolfstein (Komm.) einen Antrag, die im Etat beantragte Summe zur Bekämpfung des Verbrechertums

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute Pibecaiiaa sind,

igeln diene. / U Abg. Menzel- Halle (Komm) spricht für einen fom- munistischen Antrag, der „Roten Hilfe“ aus Staatsmitteln 5 Mz. lionen Mork zur Verfügung zu stellen. Abg. Kilian (Komm.) wendet sich dagegen, daß zu Ehren- reisen für Schübengilden und Schüßenköuigen immer noch cin trag vom Staate ausgeworfen werde. Das sei ein Unfug ohne- gleichen. Die Schütengilden seien ein Hort der Reaktion, ste feierten mit schwarz-weiß-roten Fahnen ihre Fee (Gelächter rets.)

Auf eine Anregung des Abg. Barteld- Hannover (Dem.) antwortet cin Régierungsvertreter, daß die Interessen der Hinterbliebenen der Schußpolizeibeamten im Poligeibeamten- geseb geregelt werden würden. .

Auf eine Anfrage des Abg. Knoth (Komm.) erklärt ein Rogierungsvertreter, daß die alten blauen Uniformen der Polizei durch Umfärben wieder zur Verwendung gelangten.

Gegen die außerordentlichen Ausgaben für die Shußpolizei wenden sich bei fast allen Titeln, wie Bekleidung, Unterbringung, Nahkampsmittel, Kraftfahrgerät, in heftiger Weise unter Heiterkeit des Hauses Redner der

Kommunisten. ; Abg. Frau Wolfstein (Komm.) spricht bei den Ausgaben für die Zuchtanstalt für Polizeihunde bei Grünheide für die Be- seitigung des Staatskommissars für die öffentlihe Ordnung. (Als der Vrüfident die Rednerin zur Sache ruft, ertönt von links der Nuf: Der ist ja ein Polizeihund!) i :

Nach weitever unerheblicher Besprechung einzelner Titel wird die Einzelberatung geschlossen. A

Fn der Abstimmung wird der Haushalt für das 2 Me e Des Nunerxn für 1922 durchweg nach den Anträgen des Hauptausschusses festgestellt. Die An- träge des Hauptausschusses gelangen zur Annahme, der die Dienstaufwandsentschädigung der Beamten des Außendienstes der Verwaltungspolizei und die Erhöhung der Dienst: aufwandsentshädigungen allgemein betressende Antrag wird dem Ausschuß für Beamtensragen überwiesen. Der Antrag der Deutschnationalen, betveffend Vorkehrungen gegen die Ge- fährdung des Nachwuchses in der Verwaltungslaufbahn, wird angenommen, die Erlasse und Verordnungen, betreffend die Anstellungsbedingungen der Schußpolizei, werden dur Kenntnisnahme für erledigt erklärt. '

Die Anträge der Unabhängigen und der Kommunisten werden sämtlih abgelehnt, und {ließlich der Antrag des Zentrums wegen Erhöhung des Kleidergeldes der höheren Polizeibeamten auch dem Aus\huß für Beamtensragen überwiesen. E ,

Darauf tritt das Haus in die zweite Beratung des Haus3halts des Preußishen Staotsminti- steriums und des Minijsterprästdenten ein. Die allgemeine Besprehung, für welche jede Fraktion zwei Stunden Redezeit zur Verfügung hat, soll in zwei Abschniite zerfallen. Der erste Abschnitt wird die Ernährungsfragen be- handeln und in Verbindung damit auch die Anträge und Ausschußberichte über die Aufhebung der Zwangswirtschaft für Getreide, Milch, Butter und Zucker, über die Getretde- umlage, über die Versorgung von Kranken und Kindern mit Milch, über die Belieferung der Landwirte mit Kleie "und Mais, über die Deckung des Kartoffelbedarfs und Über die Wucherverordnungen umfassen. w | i 10 der Erörterung allgemeiner politischer Fragen, insbesondere auch der Frage der Schuld am Weltkriege gewidmet sein...

Jn derx allgemeinen Besprechung über Ernährungssvagen

erklärt der E

Abg. Peter s- Hochdonn (Soz.): Die Stellung der Soziäls demokraten zur Frage der Zwangswirtschaft ist ausreichend bekannt. Auch wir waren mit der Zwangsbewirtschaftung in derx alten Form nicht durhweg einverstanden, wir können uns andere Formen der öffentlihen Bewirtschaftung denken, und so haben wir auh dem Gedanken der Getreideumlage zugestimmt. Die Produzenten aber lehnen ohne jede Rüdficht darauf, wie es. mögli sein soll, einer Érnährungskatastrophe der Bevölkerung vorzubeugen, das Umlageverfahren ab, und die gestrigen Anträge der Deutsch- nationalen im Reichstage haben lediglich den Zweck, der fonsumierenden Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen und das. deutsche „Volk zu täushen. Jch kann mix eigentlich gar nicht denken, daß es Landwirte geben kann, verdreht genug, um derart de beubents egen das notleidende deutshe Volk vorzugehen. Die heutige freie Wirtschaft ist für das deutshe Volk niht mehr zu ertragen, sie führt es der Katastrophe unaufhaltsam entgegen, Kommunen, Staat und Reich brechen unter ihrer Last zusammen. Die Agrarier haben anscheinend eine hämishe Freude daran, daß der heutige demokratishe Staat sih derart quälen muß. Aber, das Bild kann sich ändern. Gegen Unruhe und Unordnung kann man die Machtmittel des Staates in Anspruch nehmen, aber diese Machtmittel versagen gegen Hunger und Verzweiflung, das soll sih auch die Landwirtschaft gesagt sein lassen. Auch wir haben an dem Umlageverfahren, wie es die Reichsregierung jeßt vor- shlägt, manches auszuseßen; wir wünschen, daß der Kleinbesiß bis zu 10 Hektar davon befreit bleibt. Wir stimmen ihr aber zu, um cine Katastrophe zu verhüten und die Bevölkerung vor dem Aeußersten zu bewahren. IH wende mi vor allem an die anderen bürgerlichen Parteien, die Deutshe Volkspartei, das Zentrum und die Demokräten. Nach der Verabschiedung des Landwirtschaft5- etats im April brate die „Zeit“, das Organ der Deutschen Volkls- partei, einen sachkundigen Rüdckblick auf die betreffenden Landtags- beratungen; in diesem Rückblick wurde das Verlangen der Agrarier nach Aufhebung der Getreideumlage als ein rein agitatorisches Manöver bezeihnet, ein Beweis, daß die Deutsche Volkspartet die Deutschnationalen in diefen Punkte durchschaut hatte. Jh hoffe, die Deutsche Volkspartei wird auch heute noch dieser Anf- fassung sein. Fch hoffe Nee daß die Artikel der „Germania“ und des „Berliner Tageblatts“ in den leßten Tagen, wo dem Zentrum und den Demokraten wegen der Getreideumlage ins

wissen geredet wird, thren Eindruck auf diese beiden Parteien nicht verfehlen werden, daß sie sich der Aufgabe voll bewußt werden, daß man sich auf diesem Gebiete den Agrariern nit gefangen geben darf, A man nicht das Volk den agrarischen Fnteressen opfern darf. außen im Lande wird in unglaubliher Weise gegen das Umlageverfahren agitiert. Die Reichsverfassung stellt die Bearbeitung des Bodens als. eine Pflicht des Grund- besißes gegenüber der Gemeinschaft hin. Aber von solchen Pflichten weiß man bei den Agrariern nihts. Die Richtlinien, welche die „Freiheit“ am 8. Funi veröffentlichte, stellen ein Dokument dar,

g streichen, da sie in Wirklichkeit zur Bezahlung vdy

(Fortseßung in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: J. V.: Weber in Berlin. Deraniwortlig, für den Fnzeicanteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle echnungsrat engering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeuts en Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32.

Günf Beilagen (eins{ließlich Börsenbeilage.)

und Ersté, Zweite, Dritte und Vierte Zentral -Handelsregister-Beilagt

Der zweite Abschnitt wird -

zum Deutschen Reichsa

Ir. 142,

Erste Veílage

Berlin, Mittwoch, den 21. Funi

nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

1922

(Fortfezung aus dem Hauptblatt.)

wie der Landbund es mit dieser verfassungsmäßigen Pflicht i

i 1! 1 / t im Sinne hat. Die Sabotierung des Hilageberfäbiena iw dort in der unverblümtesten Weise nicht nur empfohlen, sondern direkt vorgeschrieben. Diese Richtlinien sind tatsählich der Organisation der Agrarier in der nächsten Umgebung von Berlin entsprungen und werden zur Ausführung gebracht werden, wenn der Reichstag sich die Frehheit anmaßen jollte, auf dem Umlageverfahren zu bestehen. Wir lesen ja im Organ des Landbundes: „Wir haben die Macht, wir Haben den Roggen man mag verordnen was man will, der Brandenburgische Landbund liefert einfah niht mehr.“ gn einer Resolution des Pommerschen Landbundes heißt es, daß jeder Versuch, wieder eine Getreideumlage der Landwirtschaft aufzuzwingen, ihren erbitterten Widerstand hervorrufen wird. Der Abgeordnete Kräßig hat gestern im Reichstage unsere Stellung und unsere Forderung so ausgezeihnet und so gründlih vorgetragen, daß es weiterer Ausführungen nicht bedarf. Jch hebe nur noch hervor, daß auch der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund dieselbe Forderung erhoben hat. Wir haben keine Lust, der Prügelknabe für die Agrarier und ihre Villkürherrschaft zu sein. „Werden unsere berechtigten Forderungen abgelehnt, dann werden wir alle Mittel anwenden, sie durchzusetzen; wir suchen den Kampf nicht, wir weichen ihm aber auch nicht aus. Gegen Unruhen und Unordnung werden auch wir uns mit aller Entschiedenheit zur Wehr segen, will man aber die freie Wirtschaft auh bei der Brotversorgung einführen und damit die Bevölkerung zum Ruin treiben, so kann man es meinen Parteifreunden nit verdenken, wenn sie es ablehnen, die Mitverantwortung für das Gedeihen der deutshen Republik weiter zu tragen. Wir fordern von Jhnen, daß Sie in der gegenwärtigen Situation Jhre Pflicht tun. Wir sind bereit, den Produzenten zu geben, was ihnen zur Förderung und Fórtbildung der Produktion nôtig ist, aber wir werden es nicht ertragen, daß man der Landwirtschaft Gelegenheit gibt, in shrankenloser Willkür auch einen Brotpreis zu fordern, wie wir es in der leßten Zeit bei den Kartoffel- und Zuckerpreisen geschen haben. Das darf im Interesse der Zukunft unseres Volkes nit sein. Das Volk darf nidt durch die Agrarier in Hunger und Verzweiflung und fn den Abgrund getrieben werden. :

Aba. Kl oft (Zentr.) wünscht, daß die Interessen des Staats- kommissars für Volksernährung nicht darunter ban mögen, daß dieses Amt dem Landwirtshaftsminister unterstellt L Die Forderungen und der Pressefeldzug des Landbundes gegen die Umlage gingen über das erlaubte Maß von Kritik weit hinaus. Das laufe cher darauf hinaus, Krisenstimmung zu erzeugen, als das Allgemeinwohl des Volkes im Auge zu behalten. (Sehr rihtig! im Zentrum.) Das agitatorishe Ausnuben solcher Gelegenheiten wurde nur das Gegenteil herbeiführen. Die Entwicklung der Preise der landivirtschaftlichen Erzeugnisse im vergangenen Fahre aing zu weit. Die Kommunalverbände müßten rehtzeitig auf den Abshluß von Lieferungsverträgen hinwirken. Die Produktionskosten müßten dem Landwirt selbstverständlih erstattet werden. Die Wagen-

tellung bei der Kartoffelversorgung müßte besser als im leßten „Fahre werden, ein Nachlaß der Gütertarife eintreten, und die Konsumvereine sollten rehtzeitig größere Kartoffelmengen ein- lagern. Skandalös seien die Zustände in der Zuckerversorgung. 95 vH aller Zuckerfabriken seien im Syndikat zusammen- geschlossen (hört, hört! im Zentrum), die Haltung der Regierung dem Zuckersyndikat gegenüber sei geradezu unverständliG. Nach Aufhebung der Zwangswirtschast mußte das Syndikat verpflichtet werden, in bedingter Weise den Zuckerbedarf der Bevölkerung zu sichern. An einer Steigerung der Milchproduktion habe das deutsche Volk ‘das größte nteresse. Besonders für Säuglinge, Kranke und Schwache müsse die Milchversorgqung zu ertväglichen Preisen ge- sichert werden. Durch Vorzugspreise oder Zuschüsse müsse man den Minderbemittelten den Kauf der Milch ermöglichen. Die 2ruttermittelnot sei groß. Der Minister möge mit der Landwirt- haft verhandeln, wie man der großen Schwierigkeiten in der Landwirtschaft im kommenden Herbst Herr werder könne. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Schlan ge - Schöningen (D. Nat.): Die Vereinigung der Deutschen Bauernvereine lehnt in ihrem Nachrichtenblatt mit allem Nachdruck die Fortseßung der Umlage ab. Sie will si der erneuten Zwangswirtschaft widerseßen. (Nufe rechts: Lauter Zentrumsleute!) Die Amtsvorsteher in Westfalen, auch Zentrumsleute, wollen die Vor- s der Umlage nicht durchführen, selbst wenn ihnen Disziplinar- maßregeln angedroht werden. Redner kommt auf die drei republikani- schen pommerschen Landräte zu sprechen, von denen der eine Amts- Seer ur seine Partei unterschlagen hat, und sagt dazu: Daß ein

taatsminister von heute wie Herr Severing, in einer geradezu leicht- fertigen Weise über diese Sache hinweggleitet, is ein Zeichen für das heutige System. (Lebhafter Beifall rechts.) Was gedenken Sie, Herr Ministerpräsident, in dieser Sache zu tun? Jch habe noch keinen höheren Beamten erlebt wie Herrn Oberpräsidenten Lippmann, dem so deutlih gesagt worden ist: Wir wollen Sie nicht, wir sind mit Ihnen nicht einverstanden. Ich habe es aufs tiefste bewundert, mit welch unbeugsamer Zähigkeit er an dem Oberpräsidentensessel der

rovinz Pommern klebt. Daß der leßte pommershe Demokrat der

ahwelt so auf Staatskosten erhalten wird, das ist niht die Aus- wirkung des freien Volkswillens, den wir in der Republik haben wollen. Es ist geradezu unerhört, wenn uns heute untershoben wird, wir irgendwie die Notlage der Gegenwart verkennen. (Lachen links.) Wenn auch zuweilen auf dem Lande Wohlftand angetroffen wird, so ist in den Städten ein Luxus, ein Betrieb und ein Wohl- leben, das gar niht mehr anzusehen ist. hi rechts.) Manche landwirtschaftlihen Betriebe bedürfen au einer Notstandsaktion. Sie werden es dann nicht verantworten können, wenn die Landwirtschaft für alle Kreise eintreten soll. Wir fordern au die Brotverbilligung, ie muß aber die Stände treffen, die sie tragen können. Jch kann mir eine Reichsregierung vorstellen, die einen Willen hat und dem Aus- land \agt, daß sie das niht mehr durhführen könne, weil unsere Produktion sonst zu sehr sinkt. Die wesentlihste Frage ist die, wie kommen wir in der Zukunft dur? Im leßten Jahre ist die Kohle um das Fünffache aestiegen, künstliher Dünger und lanwirtschaftliche Maschinen ebenfalls um das Fünffahe. Das Brotgetreide müßte \ih also auf einer Höhe von 500 M bewegen. Bei niedrigeren Preisen wird die (olge sein, daß viele Betriebe einfa nit mehr eristensfähig bleiben. Zu der Teuerung kommt dann noch die Arbeitslosigkeit hinzu. wir die Erfüllungspolitik treiben oder eine andere, die wirtscaftlibe Krisis kommt unter allen Umständen. Ist es niht das Schlimmste, wenn zur Markentwertung, zur sinkenden Kaufkraft und wachsenden Arbeitslosigkeit zugleih die Produktion so sinkt, daß nihts mehr zu retten ist? Bei dieser Art Wirtschaft wird man das Brot nicht nur nicht verbilligen können, sondern die deutsche Zukunft damit ruinieren. Wenn hier behauptet werden sollte, daß die Erregung in die Land- wirts{aft hineingetragen worden ift durch die Organisationen (Ruf links: Durch Sie! und Unruhe), so ist das die größte Unwahrheit, die jemals ausgesprohen worden ist. Diese Bewegung auf dem Lande, mag sie auch in vielen Fällen über das zulässige Maß hinaus- en, von unten gekommen. Der cinfahe Bauer will es stch ein- ah niht mehr gefallen lassen, im Zeichen der Freiheit als einziger Stand den Zwang zu dulden. Die andern Herren mögen die Ver- antwortung r das Sinken der Produktion übernehmen. Wir können es aber den Konsumenten in den Städten gegenüber nit verantworten, daß wir einmal tatsählih vor dem Zusammenbruch stehen. (Unruhe

links.) Wenn wir an die Wahl dächten, dann würden wir etnen sehr einfahen Ausweg finden. Wir wollen mit allen verständigen E N zusammenarbeiten. Angesihts der Vorgänge in Ostpreußen is Eine starke Warnung an uns ausgesprochen worden Bei uns gibt S remen Menschen, der auh nur daran denkt, Hindenburg oder die Srregung der Landwirtschaft oder die Offiziers- und Soldatenfetern zu benußen, um Unruhe in das Volk hineinzutragen. (Lebhafte Zu- rufe links: Vas n Sie!) Unter dem Zeichen der Zeit sind wir noch viel weniger Republikaner als früher. Es würde cine Torbeit lin: etwas stürzen zu wollen, das sih durch seine cigene Torheit selbst aa gs (Lebhafter Beifall rechts.) j ._ Abg. Shiftan (D. Vp.): Der Versailler Vertrag b Wirtschaftssouveränität aufgehoben, der ect ge E cat Wirtschaft ist niht mehr das deutsche, sondern das aus- Ce Zahlungsmittel, das empfindet jeder täglih am eigenen M e, und die Ueberfremdung mit ausländischem Kapital hat vielen Internechmungen nur noch den deutshen Namen gelassen. Der Ver- sailler Vertrag, das muß auch mit Bezug auf die Preisgestaltung auf dem Lebensmittelmarkte ausgesprohen werden, bedeutet das Herabsinken_ Deutschlands zu einer Kolonie, an der si der valuta- ne Ausländer auf unsere Kosten mästet. Die Entente nennt das die friedlihe Durchdringung Deutschlands. Möchte doch der Deutsche endlih einsehen, daß er seiner Heimat am besten dient, ivenn er alles, was niht aus\{ließlich zum täglichen Leben gehört, nur in deutshen Waren, niht aus den Händen des Auslandes be- ziehen ivürde! Die Ertragsverhältnisse der Ernte von 1921 sind im Lande sehr verschieden gewesen, in Ostelbien gehörte die Feld- fruchternte zu den shlechtesten der leßten 20 Fahre. Fn Hackfrucht hat si troßdem die Anbaufläche östlih der Elbe bedeutend ver- mehrt. Die Hackfrucht ist die Grundlage der Volksernährung, nit das Brotgetreide. Die Kartoffel ist die Frucht des leihten Bodens. Die Bedarfszentralen in den Großstädten und in der Fndustrie werden gut tun, sich rechtzeitig mit den landwirtschaftlihen Organi- sationen in Verbindung zu seßen, um si die nötigen Versorgungs- mengen rechtzeitig zu sichern. Leider sind der Landwirtschafts- minister Dr. Wendorff und der Staatssekretär nicht anwesend (hört! hört!); namens meiner Freunde bitte ich den Minister, dafür zu sorgen, daß das Reichsverkehrsministeriuum rechtzeitig genügend Transportmittel zur Verfügung stellt. Dieses Reichs3verkehrs3- ministerium hat zu einer solchen eigentli selbstverständlihen Maß- nahme jede Veranlassung, denn seine Tarifpolitik ift wahrhaftig nit volkstümlich. Sie ist ein Hemmnis der tFreizügigkeit deutscher Ware im deutschen Lande und gleichbedeutend mit der Finanzierung des Reiches auf Kosten der Lebensmittelversorgung. Die lebten Regenfälle lassen die Hoffnung auf eine bessere Futterernte in diesem ahre zu. Mit cinem Sinken der Preise ist nicht zu rechnen, so= lange wir vom Ausland abhängen und die fremden Valuten als Kampfmittel gegen uns ausgenußt werden. Das Ausland kauft wchllos unsere Erzeugnisse ieg, nachdem es vorher die deutsche Mark für 1 Pfennig eingekauft hat. Nach jeder großen deutschen Messe ist eine neue Teuerungswelle eingetreten, und das soll eine zivangsläufige Erscheinung sein. Das Ausland verdient an unseren Produkten doppelt, und daran erkennt man sofort die große Lüge von der deutschen wirtschaftlihen Blüte, in Wirklichkeit ergibt sich daraus die ungeheure Teuerung, unter der Deutschland leidet. F diese Zwangsläufigkeit ist die Landwirtschaft mitten hineingestellt. Auch sie ist abhängig von dem Wertmesser der Urprodukte, Kohle, Eisen. Deutschland muß andauernd englische Kohle kaufen. Den Preisgegenüberstellungen des Vorredners füge i einige Ergänzungen hinzu. Ein Damxpfpflug kostete vor einem Fahr 650 000 Mark, am 1. Fanuar eine Million, am 1. Juni 1,6 Millionen (Hört! hört!) 100 Kilogramm Benzol, eines der notwendigsten Produktionsmittel, kosteten in Frieden 8 Mark, zu Neujahr 1922 aber 1300 und heute 3000 Mark. Andere Preise sind noch phantastisher. Troß alledem blüht bei uns der offene und der verkappte Wucher. Die Landwirtschaft muß auch in diesen anormalen Verhältnissen ihren Anspruch auf gerechte Beur- teilung erheben; ‘das Schimpfen allein über die hohen Preise der [ländlichen Produkte bessert gar nichts. Die allgemeine Teuerung durch eine künstliche Niederhaltung der Getreidepreise abzudämmen, wird nicht gelingen. Der Reichslandbund muß wirtschaftsfriedlih sein, denn kein Beruf als der seinige hat ruhige stabile Verhältnisse nôtiger. Er darf auch nur eine rein beruflihe Vereinigung sein, Politik hat ihm fernzubleiben. Der Lieferstreik ist bereits früher von meiner Partei als ein Märchen bezeihnet worden, so hat neulich unser Kollege Dr. v. Kries sih geäußert. Hoffentlich steht hinter der Autorität des Herrn v. Kries auch der Reichslandbund und die Deutschnationale Partei. (Bewegung.) Meine Partei lehnt den Lieferstreik ab. Um so mehr aber vertraut sie dem Gerechtigkeits- gefühl der Reichstagskollegen. Jh komme damit auf die Frage der Getreideumlage. Meine persönliche Stellung dazu ist bekannt. Vie Landwirtschaft unter ein Ausnahmegeseß zu stellen und ibr eine Vorausbesteuerung aufzuerlegen, ist ungerecht. Der Widerstand gegen das Umlageverfahren reiht bis tief in die Kreise der Demokraten in der Landwirtschaft hinein. Wir hoffen noch immer, daß das Angebot der Landwirtschaft, betr. die freiwillige Getreidereserve, angenommen wird, daß man erst dann zu einer Umlage schreiten wird, wenn die Landwirtschaft das im Reichslandwirtshaftsrat gegebene Versprehen nicht hält. Wenn das geschähe, so wäre das nicht nur infam, sondern Betrug. Man hat aber anscheinend diese Zusage beiseite geshoben und damit erkennen lassen, daß daraus eine politishe Frage gemacht wird. Das Reichsumlagegeseß wurde gemacht gegen diejenigen, die sih die Milderung des Gegensates zwishen Verbrauchern und Er- eugern zur Aufgabe machen; es wurde gemacht gegen den Willen rer, die die Produktion steigern wollew. Besserung bringen kann uns nur die freiwillige Zusammenarbeit aller, nie aber eine Zwangsbesteuerung irgendeines einzelnen Produktionszweiges. Auf die Dauer läßt sih gegen den Willen des Nährstandes nicht regieren. Nach reiflicher Ueberlegung wird meine Fraktion die Umlage ablehnen. Dem Ministerpräsidenten möchte ih sagen, daß es sehr zu bedauern ist, daß der künstlihe Dünger dauernd. teurer wird, obwohl doch dcks Reich die Preise klontrolliert. Meinen Be- rufsgenossern im Lande möchte ih sagen, daß die gesamte Produk- tion bei dem Hilfswerk mithelfen muß. Die Zuckerknappheit ist einm Skandal, die Preise sind troß der gestiegenen Produktion un- erhöôrt hoh und doch Zucker kaum zu erhalten. Dr. Wendorff meinte im Hauptaus\s{uß, Zucker würde durch das Loh im Westen ins Ausland gebracht und käme als Auslandszucker wieder herein. Bei der Verarmung des Volkes wären diese vermuteten Ver- schiebungen ein Verbrechen am ganzen deutshen Volke und die Verbrecher müßten die ganze Schwere des Geseßes empfinden. (Zustimmung.) Der wilde Handel muß von der Bildfläche ver- shwinden. Auch die sittlihe Reinigung, die unserem Volke so sehr nottut, muß vorgenommen werden; es fehlt uns noch ein Fihhte mit seinen Reden an die deutshe Nation. Dem Siedlungswerk darf sih niemand entgegenstellen. Es ist aber ein Unrecht, blühende Großwirtschaften ohne weiteres zu zershlagen. Der {were und \hwerste Boden kann überhaupt niht im Kleinbetrieb bewirtshaftet werden. Gerade von seiten der Unabhängigen sind die Verdtenste des Großgrundbesibßes in dieser Beziehung anerkannt worden. Von dem Landivirtschaftsminister erwarten wir, daß er Siedler nur an- seßen wird, wenn er die feste Ueberzeugung hat, daß damit der Produktion gedient wird. Gegen die jeßige Regelung der Stellung

des Staatskommissars Be Volksernährung haben wix erhebliche Bedenken, nah unterer ! ung hâtte die Neuregelung dem Laud=

tag vorgelegt werden müssen. Unse ä Ï

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zu unterbrehen. Mit Demonstrationen hilft man dem Vaterland

nicht. (Unrube.) Fn der Landwirtschaft und in der Fndustrie soll

sid E Se C E wenn es sein muß, einer Welt vow On rob fortsezen! (Beifall bei der Deutschen

Ministerpräsident Br a u n: Meine Damen und rren, Abgeordnete Schiftau hat wie. seine Parteifreunde RLLES darauf hingewiesen, daß die Aenderung, die in der Personal- beseßung des preußischen Staatskommissars für die Volksernährung eingetreten ist, eigentli eine Maßnahme des Staatsministeriums sei, die nah Art. 47 der Verfaffung dem Landtag zur Genehmigung unterbreitet werden müsse. Jh habe bereits im Hauptausschuß bestritten, und mötte das auch hier wieder. holen, daß eine derartige Maßnahme vorliegt. Ebenso wie früher an Stelle der früheren Staatskommissare, die Reichsernährungsminister waren, die neuen Neichsernährungsminister stets vom preußischen Staatsministerium zu Staatskommissaren für Preußen bestellt wurden, so ist, als der Herr Reichsernährungsminister Hermes das Finanz- ministerium annahm und bat, ihn von den Geschäften des Staats- kommissars für Volksernährung zu entbinden, an seine Stelle der preußifche Landwirtschaftsminister Dr. Wendorff zum Staats=- fommissar für Preußen ernannt worden. Es handelt fich hier nit darum, daß Zuständigkeiten einzelner Ressortminister geändert wurden: daran hat sih nichts geändert. Die Veränderung berührt die SZu- ständigkeit des Landwirtschaftsministers als Ressortminister gar nicht. Es ift lediglich anstelle des Dr. Hermes Dr. Wendorff getreten. Wenn man sich nit auf den Standpunkt stellt, daß wohl ein Reichs- minister preußisher Staatskommissar sein kann, nicht aber cin preußischer Ressortminister, dann kann man von einer Aenderung der Ressortzuständigkeit in diesem Falle niht reden. Jh gebe zu, daß der erste Beschluß des Staatsministeriums vielleiht Auslegungen in dem Sinne, wie sie von den Parteifreunden des Herrn Abgeordneten Schiflan im Hauptausschuß beliebt wurden, zuläßt. Es hieß in dem ersten Beschluß, daß die Geschäfte des Staaiskommissars dem Herrn Landwirtschaftsminister übertragen würden. Dieser Beschluß ist dahin geändert worden, nachdem \ih herausgestellt hatte, daß irrige Auffassungen Plaß gegriffen hatten, daß lediglih an Stelle des Dr. Hermes Herr Dr. Wendorff zum Staatskommissar ernannt worden ist. (Zuruf.) Es handelt sich um den Staatskommissar für Volksernährung; der hieß niht Hagedorn, sondern Dr. Hermes, und heißt jeßt Dr. Wendorff. Die Frage ist also vollkommen klar. Ich glaube au, daß, selbst wenn das hohe Haus den Beschluß des Hauptaus\husses in dieser Angelegenheit annähme, der Prüfung. durch den Justizminister wünscht, diese Prüfung kein anderes Er- gebnis zeitigen würde.

Nun noch wenige Worte zu den Ausführungen des Herrn Aba geordneten Schlange. Ich habe niht Neigung, mich in eine Nahlese zu den Beratungen des Haushalts des Herrn Jnnenministers einzu- lassen, aber soweit er von mir eine Auskunft gewünscht hat, will ih sie ihm geben. Die Fälle der drei Landräte aus Pomnrern, die si betrunkten haben sollen oder was sie sonst getan haben mögen, sind mir richt bekannt. Jh habe ressortmäßig damit nichts zu tun. Das sind Gegenstände der Erörterung beim Etat des zuständigen Ressort- ministers, des Inaenministers gewesen, und ih gedenke daher vorerst in der Angelegenheit nihts zu tun, bevor festgestellt worden ist, ob sih die genannten Landräte disziplinarish vergangen haben, so daß nah den bestchenden Grundsäßen der zuständige Minister disziplinarish gegen sie vorgehen müßte. So weit is die Sache offenbar noch nicht. Es muß abgewartet werden, was an den Be- hauptungen des Herrn Abgeordneten Schlange richtig ist, und des- halb besteht für mich als Ministerpräsident keine Veranlassung, ein- zugreifen.

Ih möchte bei diesem Punkte sogleih die irrige Aufassung, die draußen und hier im Parlament vielfa besteht, zerstreuen, daß ih als Ministerpräsident der Vorgeseßte der Ressortminister biu. Das steht mit den Bestimmungen der Verfassung nit im Einklang. Die Ressortminister sind nah der Verfassung in ihren Ressort- angelegenheiten selbständig und niht dem Ministerpräsidenten, sondern dem Parlament verantwortlih. Es werden vielfach Beschwerden über einzelne Ressortminister an mich als Ministerpräsident geri®Gtet .in der Annahme, ih könnte als Vorgeseßter, als Beschwerdeinstanz ein- greifen. Gewiß, soweit die Tätigkeit des einzelnen Ressortministers gegen die Nichtlinien der Regierungspolitik, die ih im Einverständnis mit der Mehrheit des Hauses festgeseßt habe, verstößt, insofern ist ein Grund zum Eingreifen gegeben. Das liegt, soweit ih die Dinge übersehen kann, die der Abgeordnete Schlange vorgetragen hat, nit vor. (uruf rechts.) Sie können doch nicht annehmen, daß ih als Ministerpräsident lediglih nach der Mitteilung des Abgeordneten Schlange zu der Frage Stellung nehme und feststelle, ob das Be- nehmen der erwähnten Landräte im Einklang mit den Richtlinien der Negierungspokitik \teht. :

Wenn der Abgeordnete Schlange \sich weiter in wenig \{öner Weise das scheint mîr der mildeste Ausdruck über das Ver- halten des Oberpräsidenten Lippmann von Pommern geäußert hat, übrigens sehr viel eingehender über die Qualität des vermeintlichen Klebestoffs, der ihn angeblih an sein Amt bindet, als über seine Tätigkeit als erster Beamter der Provinz, so muß ih erklären, daß ih bis jeßt keine Veranlassung sehe, auf den Ressortminister irgend- wie einzuwirken, daß er eine Veränderung in der Besetzung des' Postens eintreten läßt. Wenn Sie, Herr Wgeordneter SSlange, von der Respektierung des Volkswillens reden, so ist das eine erfreuliche Wandlung bei ihnen und ihren Parteifreunden. Aber ih habs oft das Gefühl: wenn Sie von Demokratie reden, daß sie da mit dem Eifer des Bekehrten weit über das hinausgehen, was wahre Demokratie erheischt. Jn diesem Fall ist der Ober präsident als erster Beamter der Provinz nicht der Vertreter irgends einer Berufsgruppe der Provinz und sei sie noch so groß, sondern er ist Vertreter der preußischen Staatsregierung in der Provinz, und

so lange er dort seine Tätigkeit in Einklang hält mit den Richtlinien

der Politik der jeweiligen Staatsregierung, so lange liegt keine

L E E Ba I E

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