1922 / 158 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Jul 1922 18:00:01 GMT) scan diff

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Abg. Dr. Beer (D. Vp.): Neue Anforderungen müssen sorgfältig naHgeprüft werden. Das iït besonders in diesem. Falle notwendig, da die Vorlage keine Begründung enthält. Wir er- warten, daß die Regierung in der Lage sein wird, dem Ausshuß eine Begründung zu geben. Wir behalten uns unsere Stellung- marhme vor. (Burn des Abg. Müller-Franken: Doch die der Arbeitsgemeinschaft!) Wenn Sie .(zur Linken) den Begriff der E cinlgalt dahin auslegen, daß dfejenigen, die eine solche Arbeitsgemeinshaft wünschen, alles das gutheißen müssen, was ein Teil vorschlägt, so haben wir eine andere Meinung. Jm übrigen halte ih es für unter der Würde des Baes, auf die Be- merfung des Abg. Müller über die Schande des alten Kaiserreichs, N ebeir

Auf Antrag des Abg. Dr. Petersen (Dem.) geht die Vor- lage an den Haushaltsauss{chuß.

Das Haus geht zur zweiten Beratung des Geseßent- wurfs über die Errichtung eines Reichs- polizeiamts und von Landeskriminal- polizetibehörden Über.

Abg. von Kardorff (D. Vp.): Der Rechtsausshuß hat die Vorlage vorberaten. Der bayerishe Vertreter hat gegen sie geltend gemacht, daß sie in die bayerische Landeshoheit eingreife und daß die - fortgesezte Verminderung der Hoheitsrechte für die bayerishe Regierung unerträglich sei. Dem wurde entgegen- gehalten, daß die Materie hon seit mehreren Jahren sich in Vor- bereitung befinde, daß ein Zweifel über ihre unbedingte Not- wendigkeit nicht bestehen könne, sowie daß das Reih dem Stand- punkt Bayerns stets das weitestgehende Entgegenkommen bewiesen habe. Der Ausshuß war einstimmig der Auffassung, daß das Ge- seß präventiven Charakter hat. Der § 1 ist in folgender Fassung angenommen worden: „Zur Bekämpfung des Verbrechertums, das sein Tätigkteitsfeld niht auf bestimmte Orte oder Landesgebiete beshränki, wird ein Neichskriminalamt errichtet. Es hat seinen Siß in Berlin und wird dem Reichsminister des Innern unterstellt.“ Ebenso ist die Ueberschrist „ReiYskriminalpolizei- geseß“ geändert. Abgelehnt wurde der Antrag, daß der Präsident dieses Amtes im Einvernehmen mit dem Reichsrat ernannt werden

joll. Bei § 6 wurde klargestellt, daß das Reich niht in der Lage

f. ist, in den Einzelstaaten eigene Polizeibeamte zu unterhalten. Zu [4 S 7 wurde bezüglih des Verkehrs mit den ausländischen Behörden *. FMargestellt, daß es sih hier nicht um ganze Sondergebiete poli-

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er Täâtigkeit, sondern lediglich um Einzelfälle handelt. Zur

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ogelung der Kostenfrage lagen im Entwurf Vorschläge der

“_- Menchsregierung und des Reichsrats vor; wir sind den Weg des

4 Reiw)srats gegangen, indem wir die Kosten teilen, aber die Teilung

soll niht im Verhältnis von 1 : 1, sondern von 2 : 1 dergestalt Een, daß die Länder zwei Drittel der Kosten tragen, das Reich ein Drittel übernimmt. Eine Gesamtabstimmung Über die Vor- lage hat im Ausschuß niht stattgefunden.

Bayerischer Gesandter von Preger: Der Standpunkt der bayerishen Regierung ist bereits im Reichsrat und im Nechtsaus\huß

zum Ansdruc gekommen. PVeeine damaligen Ausführungen haben in der Oefsfentlichteit wegen des Ausdrucks Reichsmüdigkeit einiges Aufsehen erregt. Aber es hieße doch Vogel-Strauß-Politik treiben und den Kopf in den Sand stedten, wollte man leugnen, daß in weiten Kreisen der bayerischen Bevölkerung sih ein starkes Gefühl G will nicht sagen, von Reichsmüdigkeit, der Ausdruck kann mißverstanden werden, denn wir Bayern sind reihstreu bis in die Knochen (anhaltendes Gelächter links), möge kommen, was da wolle, wir werden awHh denen, die uns aus dem Reiche hinaustreiben wollen, fie es heute vie „Freiheit“ und die „Welt am Montag“ darauf an- Legen, mcht den Gefallen tun des ÜUnmutes und der Mißstimmung gegen die Negterung des Reiches vorhanden ist darüber, daß troß der wiederholt verFündeten gegenteiligen Versicherungen immer und immer wieder das Reich in die Hoheitsrechte der Länder eingreift, allerdings mit der Begründung, daß die Lebensnotwendigkeiten des Reichs das unbedingt erfordern. Läge es wirklich so, dann würde au die bayerische Regierung nicht zögern, bayerishe Belange gegenüber dem Reich zurückzustellen. (Große Unruhe links.) Bayern hat davon Proben genug gegeben, es hat auf den größten Teil seiner Mechte zugunsten des Reichs verzichtet. Aber solche Lebensnotwendig- keiten vermag die bayerische Regierung weder in dem Geseße zum Schuße der Nepublik noch in diesem Polizeigeseß anzuerkennen. Not- wendig erscheinenden vershärften Strafbestimmungen hat die bayerische Regierung zugestimmt, nicht nötig aber ersheinen ihr Ein- ails in die Justizhoheit der Länder und ein eigenes ad hoc zu- sammengeseßtes Ausnahmegericht. Berechtigt erscheint das Verlangen des Reichs nach Handhaben zur Bekämpfung des Verbrechertumé, welches sich nicht auf einzelne Orte oder Landesgebiete beschränkt, aber einen inneren Zusammenhang zwischen dem Entwurf und den tiefbedauerlichen Ereignissen der edlen Zeit vermag die bayerische #regierung nit zu erkennen. (Großer Lärm links.) Sie hat darum gegen das Geseß Einspruch erhoben. Sie war geneigt, zu einer Ver- einbarung zwischen dem Reich und den Ländern die Hand zu bieten, aber diesen Weg zu beschreiten, hat die Reichsregierung leider ab- gelehnt (starkes hört! hört! rechts), und auf der \{leunigen Er- ledigung dieses Geseßes bestanden. Die bayerische Negterung kann auch bder gemilderten Fassung des Rectsausf usses nicht zustimmen (lebhafter Beifall rechts), weil eine unmittelbare Reichserekutive in die Landesjustizhoheit hineingreift. Die bayerische Regierung hält

diese Dinge für E Reih A E A A andererseits sur etnen Taum mehr erträglihen Gingriff in die verfassungsmäßigen Nechte der Länder. Die Justizhoheit und die Poli Dabei Ne aBigen den wenigen Nechten, welhe nach der Weimarer Verfassung auf dem Gebiete der Landeshoheit noch übri ‘ira sind. Die bayerische Regierung ist niht gewillt, sich diele Neste ohne Not \{mälern zu lassen. Jch bitte deshalb den Reichstag dringend, die Vorlage ab- aulehnen oder doch durch Streichung oder Umgestaltung der 88 3 und ( thr etne ¡assung zu geben, die auch der bayerishen Regierung die Zustimmung ermöglicht. (Lebhafter Beifall rechts und bei der e E parie) H ha. Gmminger (B. Vp.): Aus dem Aus\chußberiht ist schon ersichtlich geworden, daß nicht bloß i, sondern n fe bers Anzahl von ps Protest eingelegt haben gegen die Art und Weise, wie dieses Geseb durdlgzupeitshen versucht worden ist. In den Rechtsaus\huß kam der Entwurf zur zweiten Beratun , bevor er überhaupt an das Plenum hatte gelangen können. Das it allerding3 hon öfter passiert, Hier aber handelt es ih doch um eine immer- hin hochbedeutfsame Vorlage, und noch zehn Minuten vor Beginn der Ausshußverhandlungen hatten die Mitalieder nicht einmal den Entwurf, als er kam, war er Ohne jepliche Begründung, die erst am nächsten Tage nachgeholt wurde. Bei der Wichtigkeit der Vorlage ist auf das außerste zu bedauern, daß eine Sonntagslesung notwendig war, in der man absolut keine Möglichkeit besaß, die Reihe wichtiger und schwieriger Abänderungsanträge, die gestellt werden mußten, gründlich zu prüfen. Im Ausschuß hat die Regierung ausdrücklih augegeben, daß sie auf Grund dieses Geseßes natürli erst in einigen Monaten in Tätigkeit treten könne. Zugegeben wurde daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Einbringung der Vor- lage und dem NRathenaumord mcht vorlag. Es ist nachgewiesen und bon der anderen Seite au zugegeben worden, daß man versucht hat die mit Reht im Volk über den Rathenaumord entstehende Er- regung zu parteipolitishen Zweckden auszunüßen. Grete Unruhe links.) Von diesem geheimen Zweck ih nur sagen, daß man versucht S den E mit Recht entstandene Er- regung zu benuben, um eine e gar nit damit zusammen- hängt, {nell durhzupeitschen. (Sehr rit ! rets.) S e das um so mehr, weil von allen Seiten ugeben wurde, daß der Ent- wurf einen starken Aa! in eines der leßten Rechte der Einzel- staaten, nämlich die Polizeigewalt, darstellt. Die wenigen Zuständigs- reiten, die den Ländern noch geblieben sind, dürfen ihnen nicht ohne ganz dringende Not genommen werden. (Ruf link3: Die Not ist ja a!) A tann diese Not nicht anerkennen. Die Verbesserungen des Ausschusses an dem Entwurf sind leider mir agg 2 Natur. Die politische Seite ist ganz genen, Es wäre selbs ih wesen, daß t cht der Länder eine En E o gewisser- maßen A eriestan hätte, indem sie das Recht erhalten hätten, im Reichsrat bei der Ernennung des Leiters des Kriminalamtes

mitzubestimmen. Die fachmännishe Qualität dieses Leiters muß unter allen Umständen gewahrt werden. Wo immer es geht, soll man die Landeskriminalpolizeibehörden hen. Das zeigt auch das Miß- chick bei der Deetas der Rathenaumörder. Wir verkennen eineêawvegs die Notwen igkeit einer gemeinsamen Regelung ver- schiedener Fragen durch das Reich. Früher ist das dur praftisches usammenarbeiten erzielt worden. Wenn man das auch diesmal getan ätte, Bann wären die Rechte der Länder gewahrt geblieben. Jch. be- daure, daß der AUNG diesen Weg nicht gegangen ist, ih befürchte, daß wesentliche Teile des Entwurfs in der Praxis entweder undurch- D Ene sein werden oder nur zu heillosen Schwierigkeiten und ebeneinanderarbeiten führen wird, so daß man in wenigen Jahren {on Anträge auf Abänderung stellen wird. Ich bitte Sie daher, mit Rücksicht auf die Wahrung der Rechte der Einzelstaaten dem Enn nicht zuzustimmen oder mindestens unsere Abänderungen an- zunehmen. :

Abg. Lübbring (Soz.): Die Notwendigkeit einer Ver- besserung eines Aufbaus der Kriminalpolizei wird von den Kriminalisten hon jeit langem gefordert. Neben einem einheit- lihen Aufbau fehlt es auch an der notwendigen Ausrüstung. Hervorragende Fachleute haben immer betont, daß es im Fnîieresse der Bekämpfung des Verbrechertums notwendig ist, die Kriminal- polizei von jeder politishen Betätigung fernzuhalten. Es wäre besser gewesen, daß das Geseß den Namen „Reichspolizeigesetz“ erhalten hätte, um die Möglichkeit zu haben, daß die Verterter der Reichspolizei neben der politishen Seite ihrer Tätigkeit auch die Bekämpfung des Verbrechertums ausführen können. Auch der Erkennungsdienst muß durchgreifend umorganisiert und ausgebaut werden. Vor allem aber ist eine gründlihe Ausbildung dèr Kriminalbeamten im Erkennungsdienst notwendig. Durch die Uebertragung der Exekutive auf das Reih würden auch die Geheim- bünde zur Vorbereitung politisher Verbrehen wirksam bekämpft werden können. Wir wünschen daher, daß dem Reich die Er- mächtigung gegeben wird, in solhen Fällen, in denen das Reichs- initevesse berührt wird, dur seine eigenen Beamten Ermittelungen anstellen zu lassen. Bayern aber sperrt sih gegen eine solhe Er- weiterung der Neichsbefugnisse,. Jch bitte, den bayerischen Ein- wendungen kein Gehör zu geben, sondern dem Geseßentwurf unter Ablehnung der kommunistisGen Anträge und des Antrages Hamm und Emminger in der Ausschußfassung anzunehmen. Die Vorlage stellt cinen guten Schritt vorwärts dar, auf dem Gebiet der wirk- samen Bekämpfung des Verbrechertums. (Beifall bei den Sozial- demokraten.)

Abg. Dr. Bell (Zentr.): Die Bedenken Bayerns gegen das Geseß erscheinen nicht berechtigt, denn den Ländern verbleibt ja im wesentlihen das Kriminalpolizeiwesen, nur eine allerdings wihtige Gruppe wird herausgenommen. Wir hätten angesichts der großen herrshenden Grregung die Vorlage gern bis über die Ferien hinaus zurüdckgestellt, aber es hat sih die Notwendigkeit heraus- gestellt, im Interesse des Schußes der Republik das Geseh schleunigst zu verabschieden. Fch bitte Sie, die Vorlage nah den Aus\cußbesGlüsen anzunehmen, die eine wesentlihe Verbesserung bedeuten und auch den berechtigten Interessen der Länder in aus- reichender Weise Rechnung tragen.

Abg. von Kardorff (D. Vp.): Wir stimmen der Vorlage zu, die im Fnteresse der wirksamen Bekämpfung des internationalen Verbrechertums notwendig ist. Wir werden auch dem Antrag Emminger zustimmen, lehnen es aber ab, die Ernennung des Leiters des Reichskriminalpolizeiamts von der Zustimmung des Reich3rats abhängig zu machen. Bei der Beurteilung der bayeri- hen Stellungnahme muß man berücsitigen, daß die gegen- wärtige Regierung in Bayern eine verfassungsmäßige ist, und daß die Mehrheit des bayerishen Volkes hinter ihr steht. Es ist daher bedauerlih, daß der Reichskanzler gegenüber Bayern nicht die notivendige Rücksicht geübt hat. Der oberste Reichsbeamte muß, auch wenn er Shweres erlebt hat, auf jeden Fall die Nerven bewahren und jedes seiner Worte auf die Goldwage legen. Jh habe jeit dem Ls der Revolution es als die vornehmste Pflicht er- tannt, auf die Ueberbrückung der Gegensäße hinzuwirken. Aber die Linke hat angesichts der seit 50 Fahren betriebenen Agitation kein Recht über die Rechte zu klagen, auh- niht über den guten Ton zu reden, wenn einer ihrer Führer von der Schande des alten Kaiserveiches spricht und damit die Empfindung der anderen Seite bis ins Zentrum hinein, aufs tiefste verleßt. (Lebhafter Wider- spruch links, Zuruf des Abg. Müller-Franken.) Mir scheint, daß die sozialdemokratische Fraktion in der kurzen Zeit der sozialistischen Arbeitsgemeinshaft hon stark umgelernt hat. (Heiterkeit.) Die Politik der Drohungen ist unerträglich. (Sehr rihtig! rechts.) Es geht nit an, daß der Reichstag unter die Diktatur einer ein- zelnen Partei gestellt wird. Wollen Sie (zur Linken) es zur Auf- lôsung des Reichstags kommen lassen, wir fürhten uns nicht. Aber ih gebe zu bedenken, daß am Schluß der Wahlbewegung der Dollar auf tausend stehen würde. Wollten Sie die Mehrheit erhalten, was ich nicht glaube, so würde Deutschland um den leßten Rest seines Kredites gebracht sein. Einer rein sozialistishen Regierung würde das Ausland auch niht einen Heller borgen. (Lebhafter Widerspruch links.) Einen Wahlkampf würden wir ruhig und sahlich, aber mit aller Schärfe führen in der Ueber- zeugung, daß es von Fhnen dann heißen wird, gewogen und zu leiht befunden. (Lebhafter Beifall bei der Deutschen Volkspartet.) _ Abg. Ko ch - Weser (Dem.): Wenn ih heute zu entscheiden hätte, wer von den Vorrednern am meisten gegen die Gintgungsidee gesprochen hat, so würde ich im Zweifel sein, wem der Preis zu- zuerkennen wäre. (Heiterkeit.) Allerdings haften die Eterschalen einer fünfzigjährigen prinzipiellen Opposition der Sozialdemokratie noch heute an, aber ebenso verfehlt ist ‘die Politik des ancien régime gegen die Sozialdemokraten von jeher gewesen. Der Zu- sammenhang des Geseyentwurfes mit dem Rathenaumord ist hier heute bestritten worden; ich behaupte im Gegenteil, sowohl der Erzberger- als auch der Rathenaumord wären unmöglih gemacht worden, wenn der Reichsregierung ein solhes Reichskriminal- polizeigeseß {hon zur Verfügung gestanden hätte. Gegenüber der Notwendigkeit dieses Geseßes hat es wirklich keinen Sinn, sih über Zuständigkeitsfragen zu zanken. Das sollte auch Bayern bedenken.

Reich8minister des Jnnern Dr. Köster: Meine Damen und Herren! Jn der deutschen Geschichte soll es vorgekommen sein, daß die einzelnen deutschen Länder untereinander im Kriege lagen, während draußen an den Grenzen der Feind die schönsten Teile dieses Landes herausriß. Jh möchte nicht wünschen, daß wir uns hier über Zuständigkeiten streiten, während aus der Hefe des deutshen Volks heraus \sich Mord- banden bilden, die diesem Reiche die Gurgel abschneiden wollen. Das ist die politishe Lage, Das ift die Konsequenz, die wir aus dieser Lage zu ziehen haben.

Im übrigen möchte ih bitten, diesem Gesehe mit jener Ruhe gegenüberzutreten, die leider gegeüber dem gesamten Schuszgeseßgebungswerk, das wir Jhnen vorgelegt haben, nit immer von vornherein dagewesen ist. Jch halte es zum Beispiel nicht für zweckmäßig, daß der Herr Kollege Emminger hier Vor- würfe gegen uns in der Richtung erhebt, daß wir dieses Gesetz ohne gründlihe Vorbereitungen, ohne Vorlage von gedruckten Entwürfen durchgepeitscht hätten. Da is nicht richtig, denn Kollege Emminger weiß ganz genau, daß diese erste Beratung, für die noch feine gedruckte Vorlage vorlag, nihts weiter als eine auf der Vereinbarung der Parteien beruhende kursorische Durchsprehung war und daß die geschäftsmäßige erste und öweite Beratung gestern, mit allen nötigen Vorlagen versehen, vor sih gegangen ist.

Vergessen Sie nun nicht, meine Damen und Herren, daß der Drang, die Materie dieses Gesezes einheitlich zu ordnen,

schon längst vor dem Kriege aus derx s{chwierigen Konstruktion

unseres Bundesstaate3, aus dem industriellen Wachstum und

der Vermehrung des Verbrechertums heraus geboren ist! Jh darf Sie auch hier daran erinnern, daß es gerade jebige und chemalige Kollegen dieses Hohen Hauses sind, die die reihs= geseßlihe Regelung des Kriminalpolizeiwesens längst vor dem Kriege mit treffenden Argumenten verteidigt und gefordert haben. Der spätere bayerische Justizminister, unser ehemaliger Kollege Müller (Meiningen) hat in der „Deutschen Furisten= zeitung“ die Notwendigkeit einer solhen gentralen Regelung mit treffenden Worten gefordert. Er sagt:

E3 fehlt uns entsprehend dem einheitlihen Strafgeseß= buch und der Strafprozeßordnung ein einheitlihes deutsches Reichskriminalpolizeigeseß, das heißt die reichsgeseßlihe Er=

richtung einer Zentrale der deutshen Kriminalbehörden ähn= lich der französishen und s{hweizerischen. Erst wenn eine solche Reichskrinminalpolizei auf reihsgeseßliher Basis ge» schaffen ist, ist es möglich, mobile Polizeibrigaden einheitlich zu exrrihten und sie mit allen polizeitechnishen modernen Mitteln auszugestatten, um gegen das internationale Ver= brechertum ein einheitlihes Abwehrneß über ganz Deutschs land und über dasselbe hinaus auszudehnen.

Ein Jahr vor dem Kriege noch war es unser Koklege Bell, dessen Sachkenntnis uns auch in diesen Beratungen zu diesem Geseg zur Seite gestanden hat, der im preußischen Landtag ein Reichskriminalpolizeigesez, die Zentralisation polizeiliher Be- obachtung und Verfolgung gefordert hat. Und wenn Sie wissen und lesen wollen, wie auch aus dem Bedürfnis der einzelnen Lönder heraus die Zentralisation des Landeskriminalpolizeiwesens notwendig ist, dann lesen Sie einen Artikel aus den „Münchener Neuesten Nachrichten“, geschrieben von einem bayerishen Juristen, abgedruckt in der Juninummer der Zeitschrift für Kriminologie, in dem dieser bayrishe Jurist speziell für Bayern die Notwendig- keit ciner zentraleren Regelung als bisher fordert. Es ist selbst= verständlich, daß in den Verhältnissen nach dem Kriege, die uns eine gewaltige Vermehrung des Verbrechertums gebracht haben, sih das Bedürfnis nah einer solhen zentralen Regelung ge=- steigert hat (sehr rihtig!), in einer Zeit, wo gerade das vera brecherishe Bandenwesen sich zu einem Ausmaß ausgewachsemn hat, hier und da mit politishem Einschlag, der den Vergleih mit italienischen Verhältnissen, mit den Faszistenbanden niht immer als unangebraht erscheinen läßt. Gerade in dieser Zeit haben sich das ist die Ansicht jedes Fahmannes die Schwierig- keit unserer Länderkonstruktion, die Unmöglichkeit, Verbrecher von einem Land in das andere zu verfolgen, wie es im Jntevesse der Sache liegt, die unzweifelhaften Mißstände in unserer roihs= kriminalpolizeilihen Regelung verstärkt herausgestellt.

Der Herr Abgeordnete Koh (Weser) hat uns im Auss{huß von seinen Erfahrungen in Bremerhaven erzählt. Wer die Ver=« hältnisse zwischen Hamburg und Altona kennt, weiß, wie groß die Schwierigkeiten sind, in diesen Städien, die nihts anderes als eine organish zusammengewachsene Stadt sind, kriminalpolitish mit Erfolg tätig zu sein.

Es ist kein Zufall, daß der Gedanke, diese reihskriminal= polizeilichen Schwierigkeiten geseßlih zu regeln, gleih nach dem Kapp-Putsh aufgetauht ist und der erste geseßlihe Versuh aus dem Sommer mnach dem Kapp-Putsh stammt. Der Herr Ab- geordneter Koh (Weser) hat Fhnen shon klargemaht, wie wir vor und nach dem Kapp-Putsh absolut nicht in der Lage waren, von uns aus zentral solhe subversiven Bewegungen, wie es der Kapp-Putsh war, zu beobachten, geshweige denn zu bekämpfen, Jch erinnere die Damen und Herren des Ausschusses an den tiefen Eindruck, den es auf uns gemacht hat, als unser verehrter Ausschußvorsizender, Exzellenz Spahn, uns den Eindruck schilderte, den die Nachricht von der Ermordung Rathenaus auf ihn ausgeübt hätte, indem er sich nämlich an eine Stunde im Herbst des leßten Fahres erinnerte, als ihm erzählt worden sei, daß der nächste auf der Liste eben Rathenau war, und daß er sih heute sagen müsse, vielleiht wäre es möglih gewesen, mit einem folhen Fnstrument wie dieses Geseß den Mord an Rathenau zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Fs es Jhnen denn nit aufs gefallen, daß diese Organisation C, aus der doch anscheinend alle diese Morde der lehten Fahre hervorgegangen sind, mit ihren Mordlisten und weiteren Todeskandidaten sich gerade im Laufe dés’ lezten Halbjahrs immer mehr in die einzelnen Länder ver- krohen und verteilt hat, daß wir heute nicht mehr eine Ora ganisation in einem einzigen Lande haben, wie es früher war, sondern daß sie heute in Bayern, in Sachsen, Thüringen, Schwerin, Oldenburg, Hamburg ißt? Wir werden doch einfach zu dem Schluß gezwungen: darin liegt Absicht. Diese Lüden, die wir in unserer kriminalpolizeilihen Regelung haben, werden von diesen Verbrechern mit Absicht benußt, denn sie wissen, inm je mehr Länder sie sich verkriehen, desto shwieriger ist die zentrale Er=- mittelung, desto schwieriger ist für uns der Zugriff. Darum sage ih, daß gerade der Mord an Rathenau, daß gerade das, was wir jeßt übér die Organisation C wissen, für die Reichsregierung ein Anlaß gewesen ist, diese seit langen Fahrzehnten notwendige Regelung nun endlich energish und definitiv zu betreibem.

Der Herr Kollege Emminger hat den Artikel des „Vorwärts“ herangezogen, in dem über die Schwierigkeiten berichtet wird, die der Verfolgung der Mörder Rathenaus entgegengestanden haben. Fh ziehe aus diesem Artikel nicht die Folgen wie er, sondern ganz andere: wenn die Behörde, die dort verfolgt hat, nicht eine preußische, sondern eine Reichsbehörde gewesen wäre, dann wären solhe Schwierigkeiten für die Verfolgung, wie sie hier unglaub- licherweise bei der Reichseisenbahn und bei der Reichspost entstanden sind, unmöglich gewesen. Gerade diese Schwierigkeiten fordern also eine reihsgeseßlihe Regelung heraus, die dafür zu sorgen hat, daß alle Reichsbehörden ihren gesamten Einfluß, ihre gesamte Macht und alls ihre Wege, Bahnen und Jnstrumente in den Dienst diesex Verfolgung zu stellen haben.

Meine Damen und Herren! Malen Sie sich die kriminalpoli« tische Situation bei der Ermordung Rathenaus aus, Zunächst war Verdacht nah irgend einer Richtung überhaupt niht da, weil nirgends das Material zentral gesammelt wurde. (Hört! Hört! links.) Es gab bei dem Untersuchungsrihter in Offenburg Mate- rial gegen die Organisation C. Es gab welches beim Berlineu

(Fortsehung in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beílage

zum Deutschen RNeichSanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Ir. 158.

Berlin, Donnerstag, den 20. Fulí

1922

(Fortsehung aus der Ersten Beilage.)

Polizeipräsidium; es gab welches in Hamburg; es gab einiges beim Staatssekretär für die öffentlihe Ordnung in Preußen, es gab einiges beim Reichskommissar für die öffentliche Ordnung im Reichsministerium des Fnnern. Nirgends eine zentrale Stelle, an der das Material gesammelt wurde, nirgends ein Kopf, der die Fäden nun sofort überblicken konnte. (Hört! Hört! links.) Wenn die Schwierigkeiten, unter denen die Verfolgung der Mörder Rathenaus und der Organisation C gelitten hat ich will niemand einen Vorwurf machen erst einmal ganz klar erkannt werden, dann werden alle cinsehen, daß ein solches Gese not- wendig ist.

Meine Damen und Herren! Diese Situation erkennend und die Konsequenzen aus der heutigen Lage ziehend, hat die Reichs- vegierung Fhnen dieses Geseß vorgelegt. Aus der Rücksicht heraus, die die Reichsregierung auf die Länder immer genommen hat und auch heute besonders nimmt, ist die Vorlage, die wir Jhnen unter- breitet haben, von der alten Vorlage des Jahres 1920 sehr ver- schieden. Wer die alte Vorlage kennt, der weiß, in welchen Punkten wir uns gerade mit Rücksicht auf die Länder Einschränkungen auf- erlegt haben. Jh bitte, bei der Betrachtung der politishen Seite der Sache, dies nicht außer Acht zu lassen. Und wenn Sie schon sagen, daß es sih hier um einen Eingriff in die Justiz- und Polizei= hoheit der Länder handele, so bitte ih dabei niht zu vergessen, daß prinzipiell nah dem Gerichtsverfassungsgeseß ein solcher Eingriff in die Justiz- und Polizeihoheit der Länder hon heute theoretish vorhanden ist und jeden Tag praktish werden kann, nämli dann, wenn es fih um Vergehen wie Landesverrat, Hochverrat, Spionage usw. handelt.

Meine Damen und Herren! Wir haben aus diesen Gründen den § 7, der die Exekutive des Reiches behandelt, eng umgrenzt, wir haben diese Exekutive des Reiches in den Ländern auf so be- shränkte Fälle reduziert, daß wir von dem, was wir jeßt festge- seßt haben, niht zurüdckgehen können. Jch bitte Sie, darauf zu achten, daß wir gesagt haben: nur ausnahmsweise und in be- stimmten Fällen, in Fällen, die das Fnteresse des Reiches bz- rühren, ja die das JFnteresse des Reiches unmittelbar berühren, kann eine Exekutive des Reiches eintreten. Ja, um die not- wendigen Rücksichten auf die Länder zu nehmen und um jede Ver- lezung der Länder vermeiden, sind wir weiter gegangen und haben uns im Reichsrat dem badischen Antrag angeschlossen, daß bei einer solhen Exekutive die Landeszentralen sofort benach- rihtigt werden. Es ist hier auch heute wieder viel von Bayern die Rede gewesen. Meine Damen und Herren, ih verrate Fhnen kein Geheimnis, wenn ih Fhnen sage, daß niht nur bei diesem Geseß, sondern daß bei allen drei oder vier Gesegzen, die wir in diesen vierzehn Tagen in den Ausschüssen und im Kabinett be- éatèn haben, Bayern im Mittelpunkte gestanden hat. Wenn Sie sich die Geseße und die Form, die sie s{chließlich angenommen haben, ansehen, dann werden Sie erkennen, daß bayerische Wünsche auf die Gestaltung dieser Geseße einen starken Einfluß genommen - haben. (Hört! Hört! links.) Dieser Einfluß ist so stark, daß die Regierung zuweilen rein sachlich sehr im Zweifel darüber war, ob sie diese Rücksichten nehmen könnte. (Hört! Hört! links.) Sie hat diese Rücksichten genommen (hört! hört! link3), fie hat jene politishen Rüdtsihten genommen, die die Re- gierung immer auf Bayern genommen hat (Zuruf von den Un- abhängigen Sozialdemokraten: Leider!), jene Rücfsichten, die nicht genommen zu haben der Herr Kollege v. Kardorff uns zum Vor- wurf gemacht hat.

Meine Damen und Herren! Auch der Herr Reichskanzler hat es vor kurzem erklärt, daß der jeßigen Reichsregierung, die zu einem guten Teile aus Süddeutschen besteht, in keiner Weise der Vorwurf gemacht werden kann, bayerishe Wünsche verleßt und niht genügende Rücksichten auf Bayern genommen zu haben. Jch möchte Sie aber doch einmal ganz ernstlih darauf hinweisen, Und zwar gerade die Herren Kollegen von der Bayrischen Volkspartei, daß die Aufgabe dieser Regierung die ist, für die 60 Millionen Deutschen zu sorgen (sehr richtig! bei den Deutshen Demokraten) und ihre Richtlinien aus den wirtschaftlihen und politischen Be- dürfnissen dieser 60 Millionen, aus dem staatlihen Bedürfnis des ganzen Volkes zu entnehmen, und daß für eine Regierung, die verantwortlih sein will und ist, auch die Rücksichten auf die 6 oder 7 Millionen Bayern doch notwendig da enden müssen, wo diese Rücksichten kollidieren mit den Rückfsihten auf das Ganze, auf das Gesamtreih. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.)

Meine Damen und Herren! Fch habe mich gefreut, daß heute der Herr Gesandte v. Preger seine Aeußerungen in politish anders gestimmten Tönen hier vorgebracht hat, und daß er uns heute versichert hat, daß Bayern, komme, was da fomme! treu zum Reiche steht. Jch bin auch der Meinung, wie es der Herr Kollege von Kardorff ist, daß wir aus dieser Periode der Ultimaten heraus müssen, niht nur außenpolitish, sondern au innenpolitish (sehx gut! bei der Deutschen Volkspartei und den Deutschen Demo- kraten und links), aus der Zeit der Drohungen; aber niht nur aus der Zeit der Drohungen mit dem Generalstreik, sondern auch aus der Zeit der Drohungen mit dem Abfall vom Reich (sehr gut! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten), und daß wir alle kein anderes Ziel haben als dieses: der eine in Rüdsicht auf den andern alles zu tun für alle! JFch bin auc fest überzeugt, daß das bayerische Volk in seiner großen Masse diesen Standpunkt ver- stehen wird. Fh kann mir vorstellen, daß in Bayern Elemente sind vielleicht sind es gar keine Bayern! (Zuruf links: Ludendorff!), die ein Jnteresse daran haben, die Absichten der Reichsregierung falsch darzustellen. Fh kann mir denken, daß es in Bayern vielleicht niht bayerische Elemente gibt, die etn Fnter- esse daran haben, den Riß zwischen Bayern und Reich zu erweitern. Aber ich kann mir nicht denken, daß das wirkliche Bayern, das bayerische Volk, unter dem ih doch auch ein paar Fahre gewohnt

habe, nir versteht, daß in einer Zeit wirtshaftliher und politischer Hochspannung, in einer Zeit, wo das Reich von Verbreherbanden bedroht ist, die Reichsregierung dieses Minimum von Exekutive braucht, um nit nur für das Reich, sondern zugleich doch auch für Bayern zu sorgen. Fch kann den Glauben nicht aufgeben, daß es dzr bayerishen Regierung und unsern bayerishen Kollegen, die hier mit uns arbeiten, an den gemeinsamen Zielen, eine ge- meinsame Linie zu finden, gelingen wird und gelingen muß, das bayershe Volk davon zu überzeugen, daß in solhen außerordent- lichen Situationen außerordentlihe Maßnahmen notwendig sind.

Im übrigen, meine Damen und Herren, darf ih \{ließen mit der Heffnung, daß die Wohltaten dieses Gesehes, das ein wihtiger Anfang einer wihtigen Sache ist, von allen Ländern bald gefühlt werden. Wenn dieses Geseß erst einmal aus der politi- schen Sphäre herausgehoben wird, wenn seine Instrumente, das Reichspolizeiamt und die Landeskriminalpolizeiämter, erft ein- mal wirklich anfangen, sachlich zu funktionieren und zu arbeiten, dann wird für das Minimum von Exekutive, das noch im § 7 enthalten ist, nur sehr wenig Gelegenheit mehr sein. Jch hoffe, daß die Zeit des sachlihen Funktionierens dieses Apparates, den wir heute begründen, bald komme. (Bravo! bei den Deutschen

Demokraten.)

Abg. G e ck - Offenburg (U. Sogz.): Beim Sogialistengeseß hat sich Bismarck um die Hoheit der Länder niht gekümmert. Da wurde auch von den Ländern kein Einspruch erhoben. Wir gönnen den Bayern gern einige Rechte, wie das Hofbräuhaus, den König Gambrinus und das Rupp-reht (sehr wahr! und Lachen links.). Das vorliegnde Geseyz ist jedoch hon lange notwendig gewesen. Von Bayern aus werden die Mordbuben geschüßt. Wir ver- langen die Durchführung des Geseves, weil es die Republik ver- langt und wir uns nicht um alte längst verstaubte Rechte der Länder kümmern können (Beifall links). i

Abg. Koenen (Komm.) antwortet zunächst auf einen Zuruf des Abg. Dr. Helfferich am Beginn seinex Ausführungen: Es ist eine Unvershämtheit von Fhnen, daß Sie es wagen, hier zu prechen. Er fährt dann fort: Die Reichskriminalpolizei muß zu- ammengeseßt sein nicht aus Freunden des Hercn Helfferich, ondern aus zuverlässigen Republikanern. Die Forderungen der Arbeitermassen werden durch dieses Gesey nicht erfüllt. Alle Kompromisse müssen wir ablehnen. Sogar Bayern, der Hort der Reaktion, scheint sich mit dem Gesey abfinden zu wollen. Von der Wendung der Monarchisten ist in diesem Geseß kein Shimmer übrig geblieben. Bayern wird kritisiert von uns, weil dort Kliquen siven, die die Mörder begünstigen. Dort sind bis auf die Knochen monarchistishe Beamte. Der mit der Untersuhung be- auftragte Kommissar Naßlack ist der Arbeitershaft gut bekannt, da er mit den s{hlimmsten Provokateuren in Verbindung steht. Wenn solche reaktionären Beamte Untersuchungen leiten, dann ist es kein Wunder, wenn nihts herauskommt. enn unser Antrag niht angenommen wird, daß nur zuverlässige Republikaner in die Reichskriminalpolizei hineinkommen, und das Geseß dann ange- nommen wird, dann werden die monarchistishen Kommissare auf

Reichswegen im Lande herumreisen. Unser Antrag ist ja voll- kommen demokratish und informistisch (hört! bei den Unab- hängigen nnd den Sozialdemokraten). Beamte der Shußpolizei dürfen nach Ansiht des sozialdemokratishen Polizeipräsidenten in Magdeburg nicht Kommunisten sein und auch keine fommus- nistishen Blätter lesen. Der aufgelöste Stahlhelmbund in Magde- burg ershien nach zwei Tagen im Handelsregister als Firma Stahlhelm Verlag m. b. H. (Hört! Hört! links). So geht man gegen die Reaktionäre vor. Das Gese zum Schuße der Republik wird durch die Wei3mann und Konsorten gegen die Kommunisten angewendet. Wir können dem vorliegenden Geses nicht zu- stimmen, da man hier eine neue Polizeihebße gegen die Proletarier einleiten will. i i

Vizepräsident Dietrich ruft den Abg. Koenen für seine Aeußerungen gegen den Abg. Dr. Helfferich zur Ordnung.

Abg. U nterleitner (U. Soz.): Der Widerstand Bayerns gegen das Reich geht in der Hauptsache von reaktionären Nicht- bayern aus. Das bayerishe Volk in seiner großen Mehrheit hält dem Reiche die Treue. Bisher ist das Reich zu rücksichtsvoll gegen Bayern gewesen, jeyt muß das energish daran gehen, endlich die Nuhe und Ordnung wieder inm Bayern herzustellen. Dem Offenburger Staatsanwalt, der in der Mordsache Erzberger in Bayern tätig war, hat man die größten Schwierigkeiten bereitet. Der Münchener Polizeipräsident Pöhner hat die Mörder Erzbergers gewarnt. Ludendorff, der von München aus gegen das Reich hebt, hätte längst aus Bayern ausgewiesen und verhaftet sein müssen. Auf die bayerische Polizei kann man sich also nicht ver- lassen, die reihsgeseßlihe Regelung, die die Regelung bringt, ist daher notwendig.

Der Geseßentwurf wird unter Ablehnung aller Ab- änderungsanträge nah den Ausschußbeschlüssen angenommen. Damit ist die Tagesordnung erledigt. :

Nächste Sitzung Dienstag, 10 Uhr (dritte Lesung der Schußzgeseße, Amnestiegeset, Gesezentwurf gegen die Notlage der Presse, zahlreiche kleinere Vorlagen).

Schluß nach 91/2 Uhr.

254. Sißung vom 18. Zuli 1922, Vormittags 10 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst ein s{hleuniger Antrag der Abgg. Dr. Petersen (Dem.), Müller- Franken (Soz.) und Marx (Zentr) auf Ein-

eßung eines Untersuhungsaus\chusses zur prüfung der Vorwürses, ‘C gegn dre Reihswehr erhoben worden sind, sowie gegen die Art und Weise, in der die Vorwürfe von dem Reichswehr- minister erledigt wurden. Eine Debatte entspinnt sich über den Antvrag nicht, die Abstimmung wird reen

Dann wird in allen dvei Lesungen ohne Erôrte er- ledigt ein von sämtlichen Parteien mit Ausnahme der Kom- munisten eingebrahter Entwurf eines Geseßzes, das die Reichsregierung ermächtigt, im Einver- nehmen mit dem Reichsrat während der Parlamentsferien die an und nah dem 31. Oktober 1922 ablaufenden Fristen des Geseyes über Ermächtigung zur Verlängerungder Geltungsdauer von Demobilma ungsver- ordnungen zu verlängern, und zwar bis spätestens einen Monat nach Zusammentritt des Reichs- tages.

Jn allen drei Beratungen werden ferner ohne Aus- sprache erledigt die Gesezyentwürfse über die Gebührenfreiheit bei ÜUeberführungen von Kriegexrleichen, Üübex Aenderungen dev See-

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unfallversiherung und der Entwurf etnes Lustverkehrsgeseßes. Die Abstimmung über den leßteren Gegenstand, zu der die verfassungsmäßige Mehrheit erforderlich ist, wird zurückgestellt. __ Jn dritter Lesung wird ohne Erörterung der Entwu Yf eines Geseyes über Maßnahmen gegen die wirtshaftlihe Notlage der Presse ange- nommen. \ __ Dann folgt die dritte Beratung des Entwurfs eines Gesehes zum Schuyze der Republik. Abg. Bazille (D. Nat.): Dieses Gesey zum Schutze der Republik gibt Grundsätze, die seit Fahrzehnten unangefohtener geistiger und sittliher Besiß der deutshen Monarchie gewesen sind, der Parteileidenshaft preis und bringt uns zu dem schmerzlichen Bewußtsein, daß Kulturgüter des deutshen Volkes durch den Umsturz der Monarchie bedroht sind. (Präsident Loebe bittet um Ruhe.) Diese Grundsätze sind: 1. die Gesehe dürfen eine politische Richtung niht unter Ausnahmereht stellen, die nit durh gewaltsame Bestrebungen sich selbst unter Ausnahmerecht stellt; 2. außergewöhnlihe Zeiten erfordern allerdings außer- gewöhnliche Maßregeln, aber diese außergewöhnlihen Maß- nahmen dürfen allgemeine staatsbürgerliche Rechte und die stän=- digen verfassungsmäßigen Grundlagen des Staates nicht weitec einshränken, als es zur Abwehr nötig ist, und sich niht gegen eingebildete Gefahren richtet; 3. müssen die Strafen im Ver- hältnis zur Straftat stehen. Aber aus dem Munde des Mannes, der der oberste Hüter der Gerechtigkeit sein soll, des Justizministers, kam das erstaunlihe Wort, daß diese Geseßs nur gegen rechts angewendet werden sollen und daß man nicht daran denke, sie auch nah links anzuwenden. Am Tage der Er- mordung des Ministers Rathenau sagte der Reichskanzler, wie bisher gehe es nicht weiter, es müsse endlih in Deutschland die Atmosphäre gereinigt werden, der Feinde stehe rechts. Da hat der Reichskanzler in einex Minute mehr gesagt, als ex in seinem anzen Lebên verantworten kann. Alles Unheil, das aus diesen orten entspringt, fällt auf sein Haupt. (Große Unruhe links. Präsident Loebe bittet wiederholt um Ruhe. Ruf links: Das war eine Drohung gegen den Reichskanzler!) Diese Gesehe treffen nicht nux die Geheimorganisationen, sondern weiter dar- über hinaus die Alldeutschen, deren Herz an der alten stolzen Zeit der deutshen Monarchie hängt. Der Reichskanzler sagte in seiner Sonntagsrede nach dem Rathenau-Mord: Jn jeder Stunde Demokratie, aber nicht Demokratie, die auf den Tisch {hlägt und sagt: Wir sind sakrosankt, sondern jene Demo- fratie, die in jeder Stunde die Freiheit fördern will. Seit Fahr- zehntn aber haben wir zwei Deutschland, ein monarchistisch- nationales und ein republikanish-internationales. Der Riß, der das deutsche Volk in zwei Lager gespalten hat, zerstört die sitt- lihen Grundlagen des deutshen Volkes. Ohne Ueberwindung dieser Gegensäße ist ein Wiederaufbau Deutshlands unmöglich. Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten, sagte, daß die Volker erst fühlen müssen, ehe sie sehen lernen. ls Partei des Rechts und der Ordnung, die wir immer waren, werden wir jedem Gesey zustimmen, daß die Rehtsordnung gegen verbrecherishe Gewalt s{chüßt; aber diejes Geseß hier müssen wir ablehnen aus folgenden Gründen. Das Geseß ist ein Ausnahme- geseßh. Es ist ein parteipolitish abgestempeltes Geseß gegen die monarchisch gesinnten Volksteile. Es verstößt gegen die, Reichs- verfassung, gegen die Staatshoheit der Länder, gegen die Preß=- freiheit, es gibt die Rehtsprehung Personen preis, die weder die nötige Vorbildung noch die nötige Objektivität besißen, es ver- stößt gegen die Rechtsgleichheit; es läßt völlige Vermögens- lonfiskation zu. Das is dieses sogenannte Schußgeseß zum Schuß der sogenannten Republik. (Stürmishe Unterbrehungen links. Der Präsident ersucht den Redner dringend, die Stim- mung im Hause nicht durch solche Ausführungen zu vershärzen. Die Unterbrehungen und Zurufe von der Linken dauern fort. Der Prâäsident erklärt, daß die Verhandlungen nicht weitergeführt werden fönnen, wenn der Redner fortgeseßt in dieser Weise unterbrochen wird. Gleichwohl hört der Lärm auf der Linken niht auf, man vernimmt Zurufe wie Mörderzuhelfer! Da steht auch ein Mörder der deutshen Republik!) Gegenüber dem Rathenau-Morde haben wir ein reines Gewissen. Gerade die Gegner haben die Wahrheit zu fürhten. Auch den Attentäter auf Bismarck hat man an die Rockshöße des Zentrums gehängt. Nicht die Spur eines Zusammenhanges unserer Partei mit dew Mordtaten is nachgewiesen. Troÿdem aber erklärt der Reichs= fanzler vor dem Reichstag und dem deutshen Volk: Der Feind A rechts! Jn jedem anderen Staate hätte eine solche Nieder=- age einen solhen Reichskanzler unmöglich gemacht. Nur auf beshränkte Köpfe kann es Eindruck machen, wenn er die Feinde der Republik mit Feinden des Vaterlandes gleichstellt. Zwischen uns und jenen ist keine Gemeinschaft. (Zuruf links: Heuchler! Rüge des Präsidenten.) Die Deutshe Volkspartei hat hier er- flären lassen, daß ihrer Ansicht nah die Gesundung Deutschlands nur auf dem Boden der Republik erfolgen kann. Wir sind der Auffassung, daß ver Wiederaufbau erst vor sih gehen kann, wenn nach langem verderblihen Sfreit die kaijerloje, die s{chreckliche Zeit vorbei sein wird. Die heutigen Frrtümer wird das Volk erst überwinden, wenn die Enttäushung Uber die Ziele der Republik und des Sozialismus das Volk aufgeklärt hat. Es gibt nun einige Richtungen, wo ein gewisser Doktrinarismus Uberwiegt, wie ex im öffentlihen Leben Bat vom Parteibegriff niht zu trennen ist. Fch denke da in erster Linie an die deutsh= völkishe Bewegung. Für diese sind wir nur insoweit verant- wortlich, als sie sich innerhalb der Grenzen unseres Parteis programms bewegt. Feder Mann weiß, daß von der deutsh- völktshen Bewegung sih ein extremer Flügel egel iert hat. Für dessen Tun sind wir niht verantwortlih. (Lebhafte Zustim=- mung rechts.) Der deutsch-völkishe Gedanke ist die notwendige Reaktion auf die Verirrungen des FJnternationalismus; an diesem Gifte ist das Volk krank geworden, und es sehnt sich nah Genesung. (Lärmender Widerspruch links, Zurufe: Urgermane! Urteutone!) An diesem großen Gedanken halten wir fest; führt er zu Verirrungen, so bedauern wix das, wir können aber das niht verhindern und sind dafür niht verantwortlich. Auswüchse wird es überall geben, solange die Welt fteht; überall hat es radikale Ultras, Exaltados und Desperados gegeben. W int land müssen bei dem deutschen Volkscharakter die Verhältnisse hon ganz außergewöhnlih geartet sein, wenn sih etwas Aehn- lihes zeigt. ber die deutshnationale Volkspartei verabscheut nicht nur die Mittel, die jene anwenden, sie ist auch der Ueber=- zeugung, daß mit diesen Mitteln das deutshnationale Ziel nit erreiht wird. Auch wir leben in der s{hwersten Sorge, daß die Attentate dem Lande nicht zum Segen gereichen. Aber wir haben - kein Mittel, solche Es zu verhindern. (Erneute lärmende Zurúfe links.) ie, lieber Freund, aus dem alten Testament . . . (lärmende Zurufe links, die sich zu einem der- artigen allgemeinen Lärm steigern, daß die rgänge int einzelnen niht verständlih werden; man vernimmt nur, daß det Abgeordnete Dr. Löwenstein von den E Sozialisten gemeint war. Da der Lärm andauert, muß der Redner minutenlang unterbrehen. Der Präsid | Parteien auf allen Seiten, ihre

um den Fortgang der Verhandlungen