1877 / 2 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 Jan 1877 18:00:01 GMT) scan diff

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ariement Paderborn: eine der beiden Gerichts-Kommissionen L Wiedenbrück (Kreisgericht Bielefeld). E Der bisher in Westerhof (Amtsgericht Osterode, Obergericht Göttingen, Departement Celle) abgehalterie Sprechtag ist nach Echte ver- legt worden. 1X. Die Gerichtstage in Widminnen (Kreis- eriht Lößen, Departement Jnsterburg), in Ofen (Kreis eriht Prenß Stargardt , Departement Marienwerder), in Alten- berge (Kreisgericht Steinfurt, Departement Münster), in Fried- rihsdorf (Kreisgericht Bielefeld, Departement Paderborn), in Dobrau (Gerichtskommissionen in Ober-Glogau , Kreisgericht

Neustadt, Departement Ratibor) sind aufgehoben. X. Die Abhaltung von Gerichtstagen in Lassan (Kreisgericht Greifswald) ist angeordnet worden. Kl. a. Jm Departe-

ments des Kammergerihts und des Appellationsgerichts Magdeburg is} der Gutsbezirk Gränert abgezweigt vom Kreis- geriht Brandenburg (Departement des Kammergerichts) und auf das Kreisgericht Genthin (Departement Magdeburg) über- gegangen; b. im Departement Fnsterburg: die Ortschaften Feilenhof, Minge, Philippdautsch, Stankischken, Stepponatschen, Windenburg, Sansgalwen und Tattamischken vom Kreisgericht Heydekrug auf die Gerichtskommission Ruß_ (Kreisgericht Heydekrug); c. im Departement Paderborn : der Ort Friedrihs- dorf und die Bauerschaft Kattenstroth von der Gerichts- kommission Wiedenbrück (Kreisgericht Bielefeld) auf das Kreisgericht Bielefeld, resp. die Gerichtskommission Gütersloh (Kreisgericht Bielefeld).

Am 1. April d. J. wird das Stabêquartier des L Bataillons (Riesenburg) 7. Ostpreußischen Lan d- wehr-Regiments Nr. 44 von Riesenburg nah Dt. Eylau verlegt werden, und von gedachtem Zeitpunkte ab das genannte Bataillon die Bczeihnung 1. Bataillon (Dt. Eylau) 7. Ost- preußischen Landwehr-Regiments Nr. 44 annehmen.

Vor einiger Zeit hat der Strafsenat des Ober-Tribu- nals. in einer Untersuhung wegen Widerstandes gegen einen Erekutivbeamten prinzipiell ausgesprochen, daß der Exckutivbeamte bei der Ausführung eines Befehls, zu dessen Ertheilung der Vorgeseßte sachlih nicht zuständig war, in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes handle, und demzufolge der Widerstand gegen ihn auf Grund des §. 113 des Straf- geseßbuchs zu bestrafen sei. Von einer weiteren Ausführung dieses prinzipiellen Ausspruches in Beziehung auf seine prak: tishe Verwerthung hatte das Ober-Tribunal zur Zeit Abstand genommen, - da der damals vorliegende pol eine solche nicht erheishte. Vor Kurzem jedo hat ein analoger Untersuhungs- fall zu erneuter Erwägung des erwähnten Prinzips geführt, und zwar besonders unter Berücksichtigung der Frage, ob der Erekfutivbeamte in einem Falle, in welhem er das Bewußtsein von der Unrechtmäßigkeit der vom Vorgeseßten befohlenen Handlung hat, in der rechtmäßigen Ausübung feines Amtes handelt und den geseßlicen Beamtenshuß genießt. Diese Frage ift vom Ober-Tribunal in einem Erkenntniß vom 8. Dezember v. J. verneint worden.

Wenn eine unter §. 147 der Reihs3-Gewerbe- ordnung fallende Strafthat zugleich eine Zuwiderhandlung géféii VorsFrift im Mfg -entbältggo kommt, nah der et ständiges den allgemeinêi Vorschriften uit al s 5 f: kurrenz unterliegendes Delikt, sondern nur als Strafzumessungs- grund gegenüber dem allein zu bestrafenden Gewerbepolizei- vergehen in Betracht, und kann daher eine anderweite aus den Steuergeseßen zu entnehmende Bestrafung nicht stattfinden, wenn wegen Ablaufs der Verjährungsfrist eine Be- strafung wegen Gewerbepolizeivergehens ausges{lossen ist. (Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 8. Dezember 1876.)

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Das Handbuch über den Königlich preußischen Hof und Staat für das Jahr 1877 ift soeben (im Ver- lage der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei R. v. Decker) erschienen. Dafîselbe ist am 20. Dezember 1876 ab- geshlofen worden.

Der General-Lieutenant Stein- von Kaminski, Commandeur der 13. Division, ist nach beendigtem Urlaub wieder abgereist.

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ie zweite Post aus London vom 1. Januar

Abends is ausgeblieben. Grund: verfehlter Anschluß in Ostende. Vayern. München, 31. Dezember. Eine Königliche

Allerhöchste Entschließung vom 24. d. bestimmt, daß die nah der Allerhöhsten Verordnung vom 7. Juni 1862, die Beför- derung von Auswanderern nah überseeishen Ländern be- treffend, aufrecht zu machende Kaution des für Bayern auf- gestellten Hauptagenten für die Folge 10,000 Æ zu be- tragen habe. Die „Allg. Ztg.“ meldet: Was schon seit eini- ger Zeit vermuthet wurde, läßt fich jeßt mit Bestimmtheit mittheilen, daß nämlich die bayeri]hen Bischöfe aus Anlaß der diesmaligen Wahlen zum Reichstag Wahl-Hirten- briefe nit erlassen werden. L

Oesterreich-Ungarn. Wien, 1. Januar. Aus Anlaß der zum größeren Theile bereits durchgeführten Ausrüstung der Feldartillerie mit dem neuenGeschüßmateriale hat der Kaiser an den General-Artillerie-Jnspektor, Feldzeug- meister Erzherzog Wilhelm ein Allerhöhstes Hand- schreiben gerichtet, in welhem er demselben für die enden Verdienste, welhe fich der Erzherzog um

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jene des Heeres erworben hat, den aufrihtigsien Dank | und die vollste Anerkennung ausspriht. , Aus gleichem Anlasse hat Se. Majestät in Anerkennung der besonderen, bei der Konitruktion, Erzcugung oder Beschaffung des neuen Feld-

Artkllerie-Materials erworbenen Verdienste eine Reihe von Auszei{chnungen verliehen. Darunter erhielt der Reichs- Kriegs-Minister FML. Graf Bylandt-Rheidt in Anerken- nung feiner diesbezüglichen Leistungen auf seinem früheren Posten als Präsident des technishen und administrativen Mi- litärkomités, den Orden der-eisernen Krone erster Klafÿe.

Der Kaiser hat am verflossenen Freitag den Statthalter von Dalmatien, Baron Rodich, in Audienz empfangen. Tags zuvor war Baron Rodich von dem Erzherzog Albrecht empfangen worden und hatte jpäter längere Unterredungen mit dem Minister-Präsidenten Fürsten Auersperg und dem Minister des Jnnern, Baron Laser,

Der Landwehr-Ober-Kommandant Erzherzog Rai- ner liegt seit einigen Tagen an einer Rippenfellentzündung erkranft darnieder und wurde gestern Morgens mit den Sterbesakramenten p Glüflicherweise hat sich heute das Befinden des hohen Patienten nicht unwesentlih gebessert, so daß neuerdings Hoffnung auf iedergenesung vor- handen ist. ' :

Das gestern ausgegebene „Reichsgeseßblatt“ publi- zirte das Finanzgesebß pro 1877, nach welchem die Ge- sammtausgaben mit 405,569,474 Fl., die Gesammteinnahmen mit 376,637,817 Fl. festgesest sind, daher sih ein Defizit von 28,931,657 Fl. ergiebt, dessen Bedeckung durch Hinausgabe von in Gold verzinsliher Rente , eventuell durch Aufnahme einer hwebenden Schuld zu erfolgen hat. Außerdem enthielt das gestrige „Reichsgeseßblatt“ die Erklärung der österreichisch- ungarischen Regierung und der französischen Regierung, be- treffend die Verlängerung der Wirksamkeit des andelsver- trages vom 11. Dezember 1866; den rag zwischen Oester- reih-Ungarn und dem Fürstenthume Liechtenstein über die Er- neuerung, beziehungsweise Fortseßung des zwischen Oesterreich- Ungarn und Liechtenstein bestehenden Zoll- und Steuervereins vom 23. Dezember 1863; den Handelsvertrag zwischen Oester- reih-Ungarn und Großbritannien vom 5. Dezember 1876 und das Gese, womit die Aushebung der zur Erhaltung des stehenden Heeres (Kriegsmarine) und der Ersaßreserve erfor- derlihen Rekruten-Kontingente im Jahre 1877 bewilligt wird.

Wie die „Montagsrevue“ vernimmt, wird der Han- dels-Minister dem Reichsrathe gleich bei dessen Wieder- zusammentritte den Entwurf eines Expropriationsge] eßes zur verfassungsmäßigen Behandlung vorlegen.

2, Januar. (W. T. B.) Fürst Milan von Serbien hat nach einer Mittheilung der „Presse“ ein eigenhändiges Glückwunschschreiben zum Neujahr an den Kaiser ge- rihtet und darin nochmals sein Bedauern und feine Entschul- digung wegen der Angelegenheit mit dem Donau-Monitor „Maros“ ausgedrückt.

Pest, 2. Januar. (W. T. B.) Wie gus Semlin hierher gemeldet wird, haben die beiden Donau-Monitors „Maros“ und „Leitha“, die vor Belgrad lagen, bereits Ordre erhalten, nah Ofen zurüczukehren, um in der dortigen Werft zu überwintern.

Großbritannien uud Jrland. London, 1. Januar. (E. C.) Heute Mittag findet eine Ministersißung statt. Am heutigen Tage geht der „Thunderer“, mit einem neuen Kessel versehen, auf eine dreitägige Probefahrt aus. Der Herzog von Marlborough wird sein Amt als Vizekönig von JFrland am 10. Fanuar antreten. Der Einzug wird mit großer Feierlichkeit vor sich gehen. Die Pocken-Epidemie greift in London in alarmirender Weise um sich. Die für die Aufnahme von Pockenkran- fen bestimmten Hospitäler reihen nicht mehr aus. Die Staats - Einnahmen während des vierten Quartals von 1876 waren 18,677,507 Pfd. Sterl., zeigten somit gegen dieselbe: Zeit im Vorjahre einen Rückgang von 85,060 Pfd. Sterl. Die Einnahmen des ganzen Fahres

alm 70S. Nth Sterl. und zeigten also eine reine ergab m ¿von 1103081 Bb: Bd. E :

. Frankreih. Paris, 31. Dezember. Heute empfing der Präsident des Conseils und Minister des Jnnern die Behörden und Körperschaften der Stadt Varis. Die katholische Universität in Lille wird am 18. Januar eröffnet werden. Dieselbe besißt gegenwärtig ein Kapital von 5,265,615 Frs.

1. Januar. (K. Ztg.) Heute Mittag fand im Elysée der Neujahrsempfang statt. Zuerst wurde das diplo- matische Corps empfangen. An der Spitze desselben erschien der päpstliche Nuntius, der im Namen seiner Kollegen dem Präsidenten der französishen Republik dié Glückwünsche zum neuen Jahre ausdrüdte. “Um 2 Uhr fand im Elysée Empfang der Behörden und Offiziere der Armee statt; an der Spibve der Geistlichkeit erschien der Kardinal-Erzbischof von Paris. Die Gerichtsbarkeiten, der Staats- und der Gemeinderath waren von Pariser Stadtgarden und Cuirassieren begleitet. Um 3 Uhr war der Empfang zu Ende. Odian Effendi ist zur Ausführung der von der Pforte ihm ertheilten finan- ziellen Aufträge hier eingetroffen und reist morgen nah London. Der Minister des Jnuerñ hat det. „Fr. Korr.“ zu- folge, in der Deputirtenkammer ein Krediterforderniß von 150,000 Fr. behufs Vervollfommnu:1g der telegraphischen Verbindungen zwishen Frankreih und Deutschland, namentlich auch - behufs Anlegung eines besonderen Drahts zwischen den Börsengebäuden von Paris und Frankfurt ein- gebracht. Die 27 Deputirten, welche das Budget ver- weigert haben, sind nach der „Fr. Korr.“ die Herren Ba- rodet, Louis Blanc, Bouchet, Bousquet, Boysset, Clemenceau, Codet, Daumas, Graf Douville-Maillefeu, Duportal, Durand, Laisant, Lackroy, Madier de Montjeau, Maigné, Marcou, Nadaud, Naquet, Ordinaire, Perrin, Raspail Vater und Sohu, Sansas, Talandier, Turigny und Viette.

Spanien. Madrid, 30. Dezember. (Köln. Ztg.) Als vor einiger Zeit der Vize-Gouverneur von Mahon în dem Augenblick, wo in der protestantishen Schule Gottes- dienst gehalten wurde, daselbst eindrang und unter dem Vor- wande, daß der Gesang die Nachbarn |töre, denselben unter- sagte, gaben der fpanishen Regierung naheftehende Zeitungen hinterher Erklärungen ab, welche, zwischen Ableugnung und

Mißbilligung des Vorfalls in der Mitte stehend, die Hoffnun ne G s s s F J A E D # der Feldartillerie und damit auch um / 5

es daß die Oberbehörden den Wunsch hegten, die Ausbrüche geseßwidrigen Protestantenhasses in Zukunft auf das kleinste Maß beschränkt zu sehen. Diese Annahme scheint sich indessen nicht zu bewahrheiten, wie aus verschiedenen Zwischenfällen neuern Datums zu entnehmen ist. So ward z. B. dem englischen protestantischen Geistlichen in Cadix, wenn derselbe im dortigen Hospital kranke englishe Matrosen be- suchen wollte, regelmäßig der Zutritt verweigert, das leßte Mal mit dem Bemerken, daß es dabei sein Bewenden habe. An betreffender Stelle versucht man, das Auftreten des Hospitaldirektors dur die Erklärung zu begründen, daß das Hospital aus Provinzialfonds erhalten werde und deshalb die Staatsgeseße, welche einen gewissen Grad von religiöser Frei- gei versprechen (Artikel 11 der Verfassung), dort nit zur Anwendung kommen könnten. Die Stellung der englischen Regierung zur Sache ift kaum zweifelhaft, jedo hat bisher nihts darüber verlautet.

Portugal. Aus Lissabon wird der „Daily News emeldet, daß in Kurzem ein zwischen Portugal und den VOberlanden geshlossener Auslieferungsvertrag rati- fizirt werden wird.

Italien. Jn einem längeren Artikel : „Die Justizgeseße in Deutschland“ rühmt „Diritto“ die „weise Mäßigung der Mehrheit des Deutschen Reichstages“. „Deutschland genießt jeßt die ersehnte Rechtseinheit“ sagt „Diritto“ „welhe dazu beitragen wird, das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu Éräf= tigen und der Einheit den festesten Stüßpunkt zu geben.“ Am Schlusse seiner Ausführungen stellt „Diritto“ den Deutschen Reichstag seinen Landsleuten zum Vorbild auf, indem er jagt - „Wir hoffen, daß der weise Geist der Versöhnung, der Deutsch- land die Justizgeseße brahte, auch im italienischen Parlamente- bei der Berathung des Strafgeseßbuches vorwalten wird.

Türkei. Konstantinopel, 31. Dezember. Wie dem W. „Fremdenbl.“ von hier gemeldet wird erwartet man in hiesigen wohlunterrichteten Kreisen, der Bey von Tunis. werde, ermuthigt dur die türkische Verfassung, sein begonne- nes, später aber mit Rücksicht auf den Fanatismus seiner Unterthan fallengelassenes Reformwerk wieder aufnehmen, und die unterdrückte Verfassung seines Landes von Neuem herstellen.

1. Januar. (W. T. B.) (Verspätet eingetroffen.) Nachdem die Konferenzbevollmächtigten gestern, jeder für si, Mittheilung von den türkischen Gegenvorslä- gen erhalten hatten, traten dieselben Ls deren Prüfung bei dem russishen Botschafter Jgnatieff zusammen und einigten sh dahin, das Konferenzprogramm auf- reht zu erhalten. Hierauf fand heute. die vierte Sißung der Konferenz statt. Der Marquis. von Salisbury legte die Ansichten der Bevollmäch- tigten über die türkischen Vorschläge dar und im Laufe der Berathung zählten die türkischen Delegirten dann die einzelnen Punkte auf, über welche sie nit verhandeln zu können glaubten, insbesondere in Betreff der OrBa rang einer Lokal- Gensd'’armerie mit Hülfe von Ausländern, ferner in Betreff der der internationalen Kommission zu ertheilenden Befugnisse und der Vergrößerung Serbiens. Die Dele- girten der europäischen Mächte richteten die Anfrage an die türkishen Bevollmächtigten, ob ihre Erklärung einer absoluten Ablehnung gleichkomme, worauf leßtere erwiderten, sie hätten nothwendig hierüber der Pforte zu referiren. Die nächste und Sé&hlußsißung der Konferenz wurde darauf auf nähsten Don- nerstag anberaumt, um in derselben die definitive Antwort der Pforte entgegenzunehmen. Nach der Sißzung machte der Mar- quis v. Salisbury dem Großvezier einen Besuh. Der ¿is- perige Gouverneur von Kreta, Reouf Pascha ist zum

arine-Minister ernannt worden.

(W. T. B.) (Meldung der „Agence Havas“.) Die türkishen Bevollmächtigten erklärten nicht blos, gewisse Punkte nicht diskutiren zu können, die von ihnen gemachten Gegenvorscchläge entfernen sich überdies auch vollständig von den Vorschlägen der Mächte, welche durchaus einig sind. General Jgnatieff soll in der heutigen Sibung “erklärt haben, daß er über die türkishen Vorschläge nicht diskutiren

nte. Von den übrigen Delegirten soll diese Ansicht getheilt werben. Die Donnerstags-Sißzung wird voraussihtlich die entscheidende fein.

Cöln, 2. Fe (W. T. B.) Der „Kölnischen Zei- tung“ wird aus Pera von gestern gemeldet: Die türkischen Gegenvorschläge vom’ Sonnabend enthalten die Dur(h- führung des Vilayetgeseßes vom 1. Februar 1867 für das ganze Reih unter völliger Jgnorirung der von der Konferenz gemachten Vorschläge und betonen, daß künftig alle Geseze der Genehmigung durch die Abgeord- netenversammlung bedürfen. Diese Ablehnung der Konferenzbeschlüsse ai in einer gestern bei dem Botschafter Jgnatieff stattgehabten Besprehung das Zusammen- halten der europäischen Delegirten bekräftigt und dazu ge- führt, die Verlegung der Konferenz nah Athen oder Spißa ins Auge zu faffen.

Brüssel, 2. Januar. (W. T. B.) Der „Nord“ will wissen, day die 6 Großmächte übereingekommen wären, ihre diplomatishen Vertreter in Konstantinopel zu gleicher Zeit abzuberufen, wenn die Pforte die Vor- shläge der Mächte zurückweis e. Das genannte Journal fügt hinzu, es sei Grund zu der Annahme, daß der Marquis v. Salisbury den Brofdiier Midhat Pascha nicht in Zweifel darüber gelassen habe, daß diese Entschließung der Mächte unwiderruflich sei.

London, 3. Januar. (W. T. B.) Das „Reutersche Bureau“ meldet aus Konstantinopel von gestern: Nach der am Montag stattgehabten Konferenz begab sich der Marquis von Salisbury zu Midhat Pascha. Der Großvezier erklärte dem Marquis, er sei bereit, seine Entlas- sung zu geben, denn er Tönne die von der Konferenz aufge- stellten, mit der Unabhängigkeit und Jntegrität der Türkei unverträglihen Vorschläge niht annehmen. Nach dieser Unter- redung fand eine Konseilsizung der türkischen Minister statt, heute machte Midhat Pascha sämmtlichen Konferenzbevollmäch- tigten einen Besuch. Graf Chaudordy, der französische Dele- girte, follte heute vom Sultan in Audienz empfangen werden. Zia Bey ist zum Gencralgouverneur von Syrien ernannt worden.

Ein weiteres Telegramm des „Reutershen Bureaus“ aus Konstantinopel von gestern meldet folgende Einzelnheiten über den Verlauf der am Montag stattgehabten Sißung der Kon- ferenz: Zunächst nahm Graf Chaudord y zu einem eingehen- den Vortrag über die Arbeiten der Konferenz das Wort. Pan wurde vom Sekretär das Protokoll über die vorige Sißung verlesen, daran {loß fich die von den Delegirten. eführte Diskussion. Die türkischen Delegirten erklärten, sie eien geneigt, die Vorschläge der Konferenz anzunehmen, aus- genommen die Bestimmung, daß- die Amtssprache jedesmal. diejenige sein solle, die von der Majori‘ät der Bevölkerung an den betreffenden Orten deprocyen werde, ferner ausge- nommen die Bestimmungen über die Garantien und die Munizipalpolizei. Nachdem der Marquis v. Salisbury sich sehr entschieden gegen die Hartnäcigkeit der Pforte ausgesprochen hatte, wurde die Sißung auf Donnerstag Dertäge, Die europäischen Delegirten haben, wie das „Reutershe Bureau“ weiter meldet, die Absicht ausge- sprochen, Konstantinopel zu verlassen. General Jgnatieff habe bei dem Minister des Auswärtigen, Safvet Pascha, um die

Erlaubniß nachgesucht, ein russishes Kriegsschiff zu seiner Disposition kommen lassen zu dürfen. Die Erlaubniß sei er- 1 worden. Von der griechischen Bevölkerung in

hilippopel sind die hier weilenden Delegirten derselben telegraphisch aufgefordert worden, gegen eine Gleichstellung der bulgarishen und der griehishen Bevölkerung von Philippopel formellen Protest einzulegen.

Moskau, 2. Januar. R T. B.) Die „Moskauer eitung“ führt in einem Artikel aus, daß England und esterreich nicht ohne Schuld seien, wenn die Pforte zu

den geforderten Zugeständnissen sich nicht herbeilafsen wolle. R und Oesterreich hätten durch ihr Verhalten der Pforte in die Hände gearbeitet. Beide Mächte würden indeß einer Täuschung sih ausfseßen, wenn sie etwa meinen sollten, daß Rußland nur en diesen Drohungen aber nicht auch den erforderlichen thatsählihen Nachdruck geben wolle. Zu bloßen Drohungen gegen die Türkei habe Rußland keine mobile Armee aufgestellt.

Aus der ersten Sißung der Plenarkonferenz vom 23. v. M. hat ein Peraer Bericht der „Alg. Ztg.“ folgenden Zwischenfall gemeldet: Safvet Pascha eröffnete die Sißung mit Verlesung einer Denkschrift, worin die Pforte erklärte : der Hat-Humayum von 1856 sei niht zur Ausführung gekommen, das müsse sie selbst eingestehen, aber die Haupt- ursache liege in der unaufhörlihen Einmengung und in den en der auswärtigen Mächte, durch welche fortwährend im Reich Unordnungen hervorgerufen wurden, und so seien die Kräfte der Pforte gelähmt worden. Angesichts des großen Ereignisses aber, telhes gerade in diesem Augenblicke vor sih gehe es begann gerade die Salve von 101 Kanonen- shüssen würden hoffentli die Mächte nicht länger auf Bedingungen bestehen, welche die Ehre und Unabhängigkeit der Pforte schädigen. Hierauf erhob fich Marquis Salis- bury und sagte: „Quant au passé, neus savons ce que vous valez; mais quant à Pavenir, nous vous prions de ne pas nous empêcher d'accomplir notre oeuvre de paix,“

__— Paris. Jm „Homme Libre“ fällt Louis Blanc ein vernihtendes Urtheil über das neue ottomanische Verfassungswerk. Es heißt darin: „Warum müssen

nur gewisse lästige Erinnerungen die Freude über so viele plößlich gerweckte Hoffnungen trüben? Wenn es nur möglih wäre, den Hatti-Scheriff vom 3. No- vember 1839 und den Hatti-Humayum vom 13. Februar

1856 zu vergessen. Was enthielten nicht die- eben enannten Urkunden für {höne Verheißungen : Kultus- eiheit, Achtung der verschiedenen Bekenntnisse, Aner-

kennung des Rechtes jeder Genossenschaft, ihre eigenen Schulen zu haben, Zulaffung aller Unterthanen des Sultans zu allen Aemtern, gemischte Gerichtshöfe für Streithändel zwischen Muselmanen und Christen, Oeffentlichkeit der Gerichts- verhandlungen, Alles war darin gewährleistet. Man weiß, was daraus geworden ist. Die Versprehungen, wird man vielleicht sagen, waren eben erlogen. Das möchte ih nicht be- A, dagegen is es allerdings wahr, daß ihre Verwirk- ihung der Natur der Dinge widerstrebte. Man verwandelt ein Volk nicht, indem man seine Umwandlung auf ein Blatt Papier schreibt.

. . . . Midhat Pascha, der den Türken eine Verfassungs- charte giebt, um ihre Wiedergeburt zu bewirken, erinnert \o ziemlih an Mahmud, der den Türken ihr reihes Gewand auszog, statt des Turbans den Fez aufzuseßen gab und weil er sie einigermaßen in europäishe Tracht gesteckt hatte, sie au zivilisirt zu haben wähnte. Glaubt Midhat Pascha, der für einen fähigen Kopf gilt, an einen durchshlagenden Er- folg seines Werkes? Hält er seine Verfassung ernstlih für

vereinbar mit dem Koran, der, wie ein religiöses, gleichzeitig ein bürgerlihes, politishes und mili- tärischés Geseßbuch ist? Darf exr 6G Mm der

Hoffnung wiegen, den Türken konstitutionelle Jdeen beizu- bringen, noch ehe fie aufgehört haben, das „kostbare Buch“ dermaßen zu verehren, daß sie es nie terühren, ohne es zu küssen und an die Stirn zu halten? Js diese Verfassung etwas Anderes als eiae Kriegslist, ein Mittel, Schein- reformen weniger umfassenden, aber durchgreifenderen und gefürchteten Reformen entgegenzuscßen? Das könnte der Gegenstand einer Wette sein,“

_ Pest, 1. Januar. Berichte aus Konstantinopel wissen zu melden, daß der Großvezier die zwei Monate, für welche der Waffenstillstand ausgedehnt wurde, dazu be- nußen werde, um das begonnene Verfassungswerk \cleu- nigst zu vollenden und zugleih auch das türkishe Parla- ment einzuberufen. Leßteres würde daher noch vor Ab- lauf des Waffenstillstandes in voller Thätigkeit sein.

_ Der Vali von Bulgarien, Refaat Pascha, erhielt vom Großvezier, Mithad Pascha, folgendes Telegramm über die Proklamation der Verfassung:

„Konstantinopel, 23. Dezember. Wie der Ferman des Sul- tans bei dessen Thronbesteigung verkündete. ist es der Wunsch des Herrschers gewesen, die Verwaltung des Reiches unter neue Gesetze zu stellen. Zu diesem Behufe wurde eine Kommission auf der Hohen Pforte gebildet, die aus Ministern, Ulemas und anderen hervorra- genden Persönlichkeiten bestand. Nachdem diese ihre Arbeiten vollen- det hatte, wurde heute, Sonnabend, in Anwesenheit der Minister, Muscbire, Ulemas und einer großen Volksmenge feierli der Ferman verlesen, welcher die Wirksamkeit der Konstitution verkündet. An dem beutigen denlwürdigen Tage ist dem System des Absolutismus und der Willkür ein Ende gemacht worden. Das parlamentarische System, welches die Religion und der gesunde Menschenverstand Ie als zulässig deklariren, ist durch 101 Kanonenschüfse begrüßt

orden.

,_ Das neue Grundgeseß regelt die Grundrechte des Staates und seiner Völker, bestätigt die Unantastbarkeit der Ehre, des Lebens und des Vermögens aller Ottomanen, wie es {on der Tanzimat aus8ge- sprochen, und garantirt die perfönliche Freiheit, sowie die Vereinigung und Gleichheit aller ottomanishen Vélker. Da dadurch eine neue Epoche begründet wurde, herrscht überall Freude und sind dem Sultan Ovationen dargebraht worden.

._ Auch Sie haben die Konstitution öffentli im Vilajet zu ver- künden und werden gestatten, daß Freudenfeuer ob dieses Ereignisses angezündet werden sollen. Die etwaigen Dankadressen werden Sie per Post hierher \{hicken. gez. Mitha d.“

, Aus Bulgarien wird der „Pol. Korr.“ gemeldet, daß die Verkündigung der Verfassung in Rustschuk eine sehr be- scheidene Wirkung gemacht habe. Durch die Verkündigung der Verfassung sind die Kriegsvorbereitungen au nicht einen Moment gestört worden. Das „Rustshuker Amtsblatt“ ver-

öffentlicht über die Stärke der türkishen Armee Daten, die offenbar den Stempel der krassesten Uebertreibung an der Stirne tragen. Achmed Ejub Pascha hat sfih aach Schumla begeben, um sich auch über den Vertheidigungs-

P dieses vershanzten Lagers zu vergewissern. Jn seiner egleitung befinden sich Rifat Pascha und 6 Genie-Dffiziere. Osman Pascha, von seinem Erfolge bei Saitschar her be- kannt, ist zum Muschir ernannt worden.

__ Rust\chuk, 25. Dezember. Der W. „Presse“ wird von ihrem Korrespondenten geschrieben :

_ Vorgestern gingen zwei Bataillone, welche direkt von Alerinatz über den Balkan hierher marschirt waren, mittels Dampfer nach Silistria. Von ¿wei aus Montenegro eingetroffenen Bataillonen ging Abends eines -nach Widdin und eines nach Nikopolis ab. Gestern Abends kamen wieder zwei Bataillone an, deren weitere Bestimmung noch ungewiß ist. In meinem leßten Berichte habe ih bereits den traurigen Zustand geschildert, in dem sich die wenigstens hier garnisonirenden und durchmarschirenden Truppen befinden. Sie leiden eben Mangel an Allem und Jedem. Die gestern eingetroffene Mannschaft jammert in ihren schadhaften Schuhen uud zerlumpten Mänteln, daß sie troß Banknoten {hon seit neun Monaten keinen Sold er- halten habe. Die Nahrung der Soldaten besteht aus halbver- \himmeltem Zwiebak und faum die Hälfte der Mannschaft findet Liegestätten in den Kasernen.

Nach alledem kann begreiflicherweise von einer Kriegsbegeisterung der Truppen nicht die Rede sein. Was darüker von hier aus berichtet wird, beruht lediglih auf Erfindung und entspringt gewiß nicht aus Meittheilung:n, welche die Berichterstatterer von den armen, halb- verhungerten Askers erhalten baben fönnen. Die Kriegswuth in Rustschuk herrscht nur unter dem hiesigen Pöbel, der bisher von jeder Kriegs8leistung vershont blieb. Bet anderen, einer künftigen Operation weniger ausgeseßten und mit Truppen besser bedachten Garnisonen mag die Stimmung der Mannschaft cine bessere fein, aber hinter den halbverfallenen, alten Wällen Rusts{huks denkt man weder an Sieg, noch an Donau-Ucbergang, sondern nur an die Erlösung von dem jeßigen Elend.

Gestern wurde der Hat über die bevorstehende Konstitution hier verlesen, ohne irgend welchen bemerkenswerthen Cindruck hinter- lassen zu haben. Kein Mensch hier weiß, was eine Konstitution ist und die Bevölkerung fragt si, wer eigentlih danach verlangt habe. Die Mobamedaner vermuthen wohl ein arges, von den „Franken“ herrührendes Ding hinter der Verfaßung, aber am Ende {stellte sich bei allen Zweifein wieder die Apathie ein und: „Komme was da wolle, Allah wird doch wieder helfen“, ist die Hoffnung aller Recht- gläubigen.

Scutari, 16. Dezember. Man schreibt der „Pol. Korr.“ :

„Derwish Pasa verfügt für den immerhin möglichen Fall eines Wiederausbruches der Feindseligkeiten kaum über mehr als 12,000 Mann. Mit diesen Truppen ift Derwisch Pascha noch weniger als vor dem Waffenstillstand zu einer Offensive gegen die beute nume- risch mindestens gleich starken Montenegriner befähigt. In Folge dessen wurde Podzorizza, welches unsere Stadt dedt, ziemli stark befestigt und verproviantirt. P

Die Mirditen-Frage steht für die Türken in diesem Augen- blide noch immer nit bejser als vor Monatsfrist. Wenn au die Mirditen den Werbungen der Montenegriner und den Ein- flüscerungen der slavischen Comités bislang widerftanden und nicht offen gegen die Türken Partei ergriffen haben, fo stchen sie deßhalb doch mit den Türken auch nicht entfernt auf einem leidlihen Fuße, woran zumeist das taftlose Vorgehen des türki- schen Gouvernements Schuld ist. Den größten Fehler beging die Pforte, als sie im verflossenen Monate, um den Mirditen-Hauptling Prenk wegen seiner Weigerung, den Türken Heeresfolge zu leisten, zu bestrafen, an seine Stelle einen jungen Türken aus Prizrend zum

Kaimakam des Mirditenlandes ernannte und diese Er- nennung dort bekanntgeben ließ. Dieser Vorgang brachte den Mirditenstamm in eine solche Bewegung, daß man

von Stunde zu Stunde den Ausbruch der offenen Revolte ge- wärtigen durfte. Dieser Moment war es, in welchem sich die Ge- rühte über eine bewaffnete Erhebung der Mirditen weiter verbreite- ten, ohne daß ihnen jedoch die Bestätigung nuchgefolgt wäre. Die Gefahr eines Mirditenaufstandes brachte den Vali von Scutari zur Besinnung und er ließ es blos bei der Ernennung des mahomedani- \{en Kakmalams für das Mirditenland bewenden, ohne es zu wagen, thu in seine neue Würde und Stellung zu inftalliren.“

Die Gefahr eines Krieges mit Rußland, heißt es in einer demselben Blatte zugegangenen Korrespondenz, hat die türkische Regierung bestimmt, nunmehr auch in ganz Thessalien die soge- nannte Muhafeza (Nationalgarde oder Landsturm), d. i. alle bisher nicht der Armee angehörenden waffenfähigen Männer zum Waffendienste einzuberufen. Die Lokalbehörden vertheilen überall Waffen im groß- artigsten Maßstabe. In drei Distrikten allein und zwar in jenen von Elafson, von Larissa und von Fersla (Pharsala) wurden unter den mohamedanischen Familien 6651 Henry-Martini-Gewehre nebst dem entsprechenden Patronenvorrathe vertheilt. Ebenso wurde in den anderen ferner gelegenen Distrikten vorgegangen. Diese Waffen wurden größten- theils an die seßhaften älteren Muselmanen, welche niht zum Aus- marsche qualifizirt sind, und gewissermaßen die sedentäre Landes- bewahung bilden sollen, ausgetheilt. Die regulären Truppen in Thessalien wurden erft kürzlih wegen der Besorgnisse, die Griechen- lands Haltung einzuflößen begann, durch mehrere Regimenter aus Bosnien und der Herzegowina verstärkt. Plötlich kamen Befehle aus Konstantinopel, den größten Theil der in Thefalien garnifoni- renden regulären Truppen hierher zu dirigiren, um sie nach Konstantinopel einzuschiffen, Dieser Befehl wird he- reits ausgeführt, und Thessalien wird bald von keiner anderen bewaffneten Macht, als von den Basci-Bozuks und den an- deren eben erst mit Waffen versehenen Zivil-Moëlims besekt scin. Dies beunruhigt die griecis{-christli®de Bevölkerung, weil zunächst das Räuberunwesen, zu welchem die eben erfi frisch angesiedelten Tscherkessen unzweifelhaft das Meiste beitragen werden, cinen neuen Aufschwung nehmen wird. Diebstähle und Mordthaten, sowie an- dere Verbrechen aller Art, find schon jest auf dem flachen Lande in ershrecklicher Zunahme.

Semlin, 30. Dezember. Drei der auf dem Monitor „Maros“ verwundeten Matrosen sind bereits gestorben. Linienschiffsfähnrih Pfustershmied wie die übrigen Ver- wundeten befinden fih auf dem Wege der Besserung.

Nußland und Polen. St. Petersbura, 1. Ja- nuar. (St. Pet. Herold.) Nach dem Bulletin vom 30. De- zember nimmt der Zustand des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch des Aelteren augenscheinlih eine Wendung zuin Besseren. Der „Pol. Korr.“ wird geschrieben: „Die Kun d- gebungen vor der Kasaner Kirche in St. Petersburg am 18. Dezember waren von einigen eifrigen Anhängern der Zeitschriften „Wperod“ (Vorwärts) und „Nabal“ (Sturm- läuten) veranstaltet. Dieje im Auslande crscheinenden Blätter, welche die Erbschaft dgs weiland Herzenschen „Kolokol“ (Glocke) angetreten haben, werden im sozial-kfommunistishen regierungs- feindlihen Sinne redigirt und nah Rußland eingeshmuggelt. Zum Beweise, daß den Tumultuanten vor der Kasankirche, größtentheils Studenten, Studentinnen und Arbeitern, keine

- politischen, sondern nur soziale und kommunistishe Jdeen

vorschwebten, kann die intere}jsante Thatsache verbürgt werden, daß in der Rede, welche ein Student an die versammelte Menge richtete, vorzüglih eines Mannes gedacht wurde, der in ganz Rußland als einer der geistigen Führer 2er Nihilisten gilt, nämlich des Schriststellers Nikolaus Tschernyszewski. Derselbe besißt ein großes publizistishes Talent, ist der Ver- fasser einiger in nihilistishem Sinne geshriebener Romane und wurde vor einigen Jahren für das Buch „Czto Djelatj?“

Was i} zu thun?) nach Sibirien geshickt. Durch den Lärm hoffte die R ERERSE Jugend die Freilassung des Verbannten zu ertrozén.“—Die bu S r t An Ep L LLMAGF a zen Ian und Balabanow, welche, nah der „Köln. Ztg.“, am 25. De- zember eine Audienz bei dem Kaiser hatten, haben am 27. Dezember St. Petersburg wieder verlassen. Jn Moskau ist am 27. Dezember der Jaroslawshe Erzbischof Leonid verstorben.

Schweden und Norwegen. Stocckholm, 30. De- zember. (H. N.) Der Generalstab war seit geraumer Zeit mit Ausarbeitung eines „Uebergangsvorshlages“ für die Heeresorganisation beschäftigt; wie „Stocfh. Dagbl.“ erfährt, ist derselbe jeßt vollendet und befindet si im Dru. Wie in wohlunterrichteten militärishen Kreisen verlautet, bezweckt derselbe für die ersten 2 Jahre nur eine Regulirung des Fntendantur- und Aushebungswesens, sowie eine erweiterte Dienstzeit der Bewehrungsmannschaften von 30 auf 62 Tage, wogegen ein Zehntel der Grundsteuern als Aequivalent eboten wird. Ferner sollen dem nähsten Reichstage Vor- chläge wegen Beschaffung von Dienstpferden für die Armee in Kriegszeiten, sowie wegen Reorganisation des Armee-Pen- stonswesens unterbreitet werden. Der Generalstab hat in diesen Tagen sein neues Dienstlokal, das vom Staate ange- kaufte Gebäude des Freimaurerordens, welches zu diesem Zwecke ciner weitumfassenden Reparatur unterworfen worden, bezogen. Der eine Flügel des Gebändes steht zur Zeit un- benußt und noch in demselben Zustande, wie ihn der Orden verlassen, man beabsichtigt, denselben später zu einer Kriegs- Hochschule umzubauen.

Amerika. Washington, 2. Januar. (W. T. B.) Die Staatsschuld der Vereinigten Staaten hat si im Monat Dezember um 3,585,000 Dollars vermehrt. Jm Staatsschaße befanden sich Ende Dezember 96,517,000 Dollars in Gold und 9,484,000 Dollars in Papiergeld.

Merico, 28. November. Die Revolution ist, trotz der Abreise des Präsidenten Lerdo und des Einrückens von Porfirio -Diaz in die Landeshauptstadt, noch zu keinem Ab- {luß gekommen. Denn der Gouverneur von Guanajuato, Don Fosé Jglesias, dem fi bereits mehrere Staaten an- geschlossen haben, hat sih gegen Diaz erklärt. Die Pro- gramme der beiden Nebenbuhler gehen so weit auseinander, daß eine Einigung kaum zu erwarten ist. Junzwischen hat Diaz bei den Geschästsleuten der Stadt Mexico eine Zwangs- anleihe von mehreren Millionen Francs gemacht.

Der Dampfer „Lorne? bringt aus Westindien die Nachricht, daß der Aufstand auf San Domingo fort- dauert und zum Sturze des Präsidenten Espivent geführt habe. General Baiz hat die Herrschaft an sich gerissen. Am 23. November wurde ein zweiter Mordversuch gegen den Prä- sidenten von Hayti, Boisrond Canal, gemacht; die auf ihn abgefeuerten Schüsse verfehlten indeß ihr Ziel.

Afien. Persien. (A. A. C.) Aus Teheran wird unterm 28. Dezember gemeldet: „Das jährlihe Uebungs- lager in Kirwanshah an der westlichen Grenze ist wesent- lih verstärkt worden, indem sieben Regimenter und nahezu 30 Kanonen von hier dahin abgesandt worden sind.“

Aus dem Wolffsc@en Telegraphen-Bureau.

New-York, Mittwoch, 3. Januar. Die republikanische Legislatur von Louisiana hat den republikanischen Kandidaten Packard als zum Staatsgouverneur gewählt erflärt, von der demokratischen Legislatur ist der demokratische Kandidat Nichols als Gouverneur proklamirt worden.

Statistische Nachrichten.

München, 2. Januar. Bei der Königlichen Brandversiche- rungskammer, welcher die Leitung der Gebäudeversiberung in den 7 Regierungsbezirken rechts des Rheines obliegt, sind im ab- gelaufenen Versicwerungsjahre folgende Gebäudewerthe gegen Brand- \caden versichert worden: in München allein 19,3 Mill. Mark, im übrigen Oberbayern 19,2, in Mittelfranken 18,3, Schwaben und Neuburg 18,1, Unterfranken und Aschaffenburg 14, Oberfranken 9,3, Niederbayern 8,9, Oberpfalz und Regensburg 7,9, im Ganzen 115 Mill. Mark. Auf jeden Arbeitstag trifft sonach ein Versicherungs- zugang von mehr als 370,000

London, 1. Januar. Nah dem amtlichen Ausweise zählte man während des Jahres 1876 7759 Fahnenflüchtige, etwa eben so viele wie seit einigen Jahren. Ein nicht unbedeutender Theil dersciben scheut die Verschiffung nah Indien.

(A. A. C.) Nach dem soeben veröffentlihten „Catholic Directory“ für 1877 umfaßt der unter dem Kardinal Manning stehende römisch-katholishe Klerus gegenwärtig 1828 Mit- glieder, d. iî. seit 1867 ein Zuwachs von 413. Es giebt gegenwärtig 18 Erzbischöfe und Bischöfe in England Und Wales gegen 16 in 1867, nämlich einen Kardinal-Erzbhishof und 12 Suffragan- bishöfe, ferner zwei Hülfsbischöfe, sowie einen Erzbischbof und zwei Bischöfe, die in den Rubestand verseßt sind. Die Zalbl der verschiedenen öffentlihen Kirchen, Kapellen und Missions- stationen beträgt jeßt 1076, d. i. 62 mehr als in 1867. land hat sich während der letzten zehn Jahre die Zah lischen Kirchen "und Kapellen von 193 auf 239, und die Zahl der Priester von 193 auf 250 vermehrt. In der Diözese Westminster eristiren 17 Mönch® klöster und 40 Nonnenklöfster. Die Zahl der ersteren hat sich seit 1867 nit verändert, die der -leiteren um 13 vermehrt. Die Insassen der Nonnenklöster widmen sih entweder dem Uaterricht der Jugend oder der Krankenpflege. Der katho - lishe Adel Großbritanniens zählt 36 Pairs und 48 Baronets. Sieben Katholiken sind Mitglieder des geheimen Staatsraths. Die rômisch-katholiswen Mitglieder des Hauses der Gemeinen

zählen 50, die alle irishe Wahlflecken vertreten. Kunst, Wissenschaft und Literatur.

London, 1. Januar. Am heutigen Tage wird die Winter - Aus stellung der Königlichen Akademie dem Publikum ge öffnet werden. Unter den 390 ausgestellten Bildern find manche Sct äße aus dem Bucingham- und dem Windfor-Palaste. Vertreten überhaupt find van Dyck, Poussin, del Sarto, Tintoretto, Ghir- landajo, Salvator Rosa, Correggio u. a., dann Ruysdael, Teniers, Hobbema, Ostade.

Paris, 31. Dezember. Die Akademie der moralischen und politishen Wissenschaften hat in ihrer gestrigen Sißung den Ritter vou Arneth in Wien zu ihrem korrespondirenden Mitgliede ernannt.

Die Schätze von Mykenä sind, ‘wie der „Nat.-Ztg.“ aus Athen geschrieben wird, vor wenigen Tagen daselbft angekommen. Sje füllen dreizehn Kisten, die einstweilen in einem unterirdischen GŒmach der Nationalbank aufgestellt wurden, 32n1 dem der Kultus- Minister, wie er der Kammer mittheilte, den Schlüssel hat. Die aufgefundene Leiche (nach Hrn. Schliemann die des Agamemnon) fonnte niht na Athen geschaft werden. Sie wurde einstweilen in cinem Dorfe in der Nähe der Ausgrabungen untergebracht.