1877 / 4 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Jan 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Bayern. München, 4. Januar. (W. T. B.) Jn einer

beute sialigehabten Ver jamml uEg non eBas liedern der liberalenPartei re&tfertigte der bisherige Reihstagtabgeord- nete Frhr. Schenk v. Stauffenberg seine Abstimmung über die Reihsjustizgeseße und {loß mit den Worten : „Nicht Jndemnität erbitte ih, fondern ih stehe vor Jhnen im Ge- fühle treuer Pflichterfüllung./ Die Rede wurde mit großem Beifall aufgenommen und \{ließlih ein dreifahes Hoh auf den Kandidaten ausgebraht. Unter einstimmiger Anerkennung seiner bisherigen Ausübung des ihm übertragenen Mandats trennte sich die Versammlung.

Baden. Karlsruhe, 3. Januar. Der Großherzog und der Erbgroßherzog find von der Reise nah Berlin zu- rückgekehrt und heute Vormittag in Karlsruhe eingetroffen.

Hessen. Darmstadt, 2. Januar. Der Abg. Con- radi hat Namens des Geseßgebungsausschusses der Zweiten Kammer über den Antrag der Abgg. Schröder, Weber und Freiherr von Wedeiind (Darmstadt) auf baldigste Vorlage, die Abänderung des Gesetzes vom 23. April 1875, die Besteuerüng der Kirchen- und Religionsgemein- den x. A. betr., Bericht erstattet. Der Aus\s{uß beantragt, „die Kammer wolle dem Antrage Schröder und Gen. in fol- gender Form zustimmen: an Großherzogliche Regierung das Ersuchen zu riten, den Ständen des Großherzogthums bal- digst eine Geseßesvorlage auf Abänderung des Geseßes vom 23. April 1875, die Besteuerung der Kirchen- und Religions- gemeinschaften betreffend, zugehen zu lassen, welche darauf ge- rihtet ist, daß der Steuerausshlag niht auf Grund der“ der- maligen Kommunalsteuerkapitalien, sondern unter größerer Berüsichtigung der Einkommen steuerkapitalien erfolge.“

Sachsen - Weimar - Eisenach. Die Berufung des Landtags ist, wie man den „H. N.“ mittheilt, auf Mitte Februar verschoben worden, weil durch Annahme der Reichs- Justizgeseze einige bezüglihe Vorlagen Aenderungen unter- worfen werden müjjen.

Bremen, 1. Januar. (Wes. Ztg.) Betreffs der See- shiffahrtsabgabe hat der Senat unterm 19. Dezember der Bürgerschaft folgende Mittheilung zugehey lassen:

„Die Bürgerschaft hat bes{lofen, die Erledigung des Senats- antrages wegen Aufhebung der Seeschiffahrtsabgabe „bis auf Weis- teres“ auszusetzen. Eine solhe Aussezung auf unbestimmte Zeit widerspriht aber den Verpflihtungen, welhe die Reichsverfassung dem bremischen Staate auferlegt. Die Seeschiffahrtsabgabe fortzu- erheben, ist nach Artikel 54 der Reichsverfassung nicht zulässig; Bre- men ist gehalten, seine Gesezgebung in dieser Beziehung mit der Vorschrift der Reichsverfassung in Einklang zu seßen. Wenn bis- ber die Reichsregierung \sich damit einverstanden gezeigt hat; daß die Abgabe vorläufig forterhoben werde, so ift dies nur deshalb geschehen, weil gegründete Aussicht vorhanden zu sein schien, daß durch den unter Einwirkung der Reichsregierung abges{lofsenen Vertrag der Weseruferstaatcn der erforderliche Einklang zwischen der Reichs- verfassung und der Bremischen Einrichtung werde hergestellt werden. Nacbdem diese Voraussezung in Folge des ablehnenden Beschlusses der Bürgerschaft si als irrig erwiesen hat, ist auch der ferneren Er- bebung der Abgabe der Boden entzogen worden. Demgemäß hat bereits im Sommer dieses Jahres die Reichsregierung eine bei ihr eingegangene Beschwerde eincs biesigen Rheders über Forterhebung der Abgabe dem Senate zur Erklärung zugestellt. Der Senat hat darauf der Reichéregierung geantwortet, daß er bereits die Aufhebung der See- {ifahrtsabgabe bei der Bürgerschaft beantragt habe, daß, um der Bürgersbaft Zeit zur Berathung zu gewähren, namentlich au im OHinblide auf einen etwaigen Ersaß für die weg- fallende Einnahme der Staatskaffe, der 1. Januar 1877 als Termin für die Aufhebung der Abgabe ins Auge gefaßt sei, daß mit der Annahme des Antrags die Beschwerde sich erledigen werde, und daß er daher ersuche, von weiterem reihsseitigem Vorgehen abzusehea, zumal erwartet werden dürfe, daß die Bürgerschaft nach Ablauf der Sommerferienzeit sich über den Senatsantrag erklären werde. Hierbei hat die Reichsregierung {sich vorerst beruhigt. Im Oktober hat sie jedoeh ein Mahn}\chreiben an den Senat gerichtet und sich nach dem Stande der Angelegenheit erfundigt. Der Senat theilte den Inhalt des Schreibens dem Bürgeramte mit und erwiderte auf Grund der von diesem er- haltenen Auskunft der Reich8regi-rung, daß in nächsier Zeit die Berichterstattung einer von der Bürgerschaft niedergeseßzten Kom- mission über die Seeschiffahrtsabgabe und fodann die Be- s{lußfafsung der Bürgerschaft selbst zu erwarten stehe, über deren Ausfall der Senat der Reichsregierung fofort Mittheilung zu machen si vorbehalte. Unter diesen Umständen würde die Reichsregierung in einer Ausseßzung des Beschluffes „bis auf Weiteres“ kaum etwas anderes als eine Ablehnung des Senats- antrages und eine Weigerung der reihsverfa\ungsmäßigen Verpflich- tung na&zukommen, erblickten. Der Senat ist überzeugt, daß die Bürgerschaft eine folhe Weigerung nicht beabsichtigt hat. Um aber diese Deutung und deren unerwünshte Folgen abzuwenden, ist es, im Hinblicke auf den nahen Jahres\{luß, nothwendig, “daß die Bürgerschaft fich ohne - Verzug zur Sache selbst erkläre. Indem der Senat dies beantragt, bezieht er ch im Uebrigen auf seine Mittheilungen vom 5. und 23. Mai d. I. Um jeden Zweifel abzuschneiden, als ob es nach Ablehnung des Ver- trages vom 6. März d. J. no% mögli sei, die Forterhebung der Seeschiffahrtsabgabe durch weitere Verhandlungen mit dem Reiche möglich zu machen, bemerkt der Senat, daß er hinsihtlih dieses Punktes den Inhalt seiner Mittheilungen vom 5. und 23. Mai d. I. in allen Stücken aufrecht erhält, ein Zurüdäfommen auf derartige Vors(läge mithin nublos lein 750 5

3. Januar. (Wes. Ztg.) Jn der heutigen Situng hat die Bürgerschaft folgenden Antrag der Minorität ihrer Kommisfion genehmigt:

„Die Bürgerschaft hat sich davon überzeugt, daß die fernere Er- Hebung der Schiffahrtsabgabe mit dem Art. 54 der Reichsverfafsung in Widerspruch steht. Sie hofft aber, daß es dem Senat gelingen wird, die Forterhebung der Abgabe zu ermöglichen, bis der Vertrag mit Preußen und Oldenburg, betreffend die Unterhal- tung der Schiffahrtszeichen auf der Unterweser, dem sie hierdurch nunmehr ihre Genehmigung ertheilt, in Vollzug gefeßt werden kann. Sie hat sich nämlich in Folge erneuter Berathung der Ansiht nicht versließen können, daß, so bedauerlich es ift, daß der Vertrag mit einem Opfer von fast 200,000 Æ erkauft wer- den muß, doch eine günstigere Regelung der, Angelegenheit in deren jesigem Stadium nicht mehr zu erreicben sein wird. Ihren Beschluß über die Aufhebung des Gesetzes, die Seeschiffahrtsabgabe betreffend, ge sie bis dahin ausseßen zu Tönnen, daß der Senat ihr weitere Mittheilungen über die Sachlage gemaht hat“

_ Zuglei wurde ein“ Amendement der juristischen Kom- mission angenommen, wonach die Ratifikation nur unter der Bedingung erfolgen soll, daß eine Verwahrung gegen Aus- legung des Vertrags zum Präjudiz gegen Bremen zu Proto- Toll gegeben werde.

Elsaß - Lotoringen. Der „Köln. Ztg.“ wird aus Straßburg, 2. Januar, geschrieben: Für die Beurtheilung der finanziellen Lage von Elsaß-Lothringen ift es von Jnteresse, die dermalige Steuerbelastung des Reichslandes mit derjenigen von Frankrei zu Oen. Jn Mes find nah dem Etat für 1877 mittels der direkten und indirekt:

ten Steuern und der Staatsmonopole, wenn man bei leß- teren die Kosten der Rohmaterialien ausscheidet, in runder Summe aufzubringen 1,900,000,000 #Æ# Nah Verhältniß der Vo hl würde Elsaß - Lothringen bei dem F Abgabesystem im Wege der Besteuerung; jährlih aufzubringen haben 78,194,000. Deutschen Rei beträgt nah dem Etat für 1876 die gemeinschaftliche Einnahme an Zöllen, Rübenzucker-, Salz- und Tabaksteuer so wie an Abgaben vom Branntwein 224,000,000. Hiervon kommen nah Verhältniß der Volkszahl auf Elsaß-Lothringen 8,530,000. Es treten weiter fi u der Betrag der in Elsaß-Lothringen er- hobenen Wech elsbinpelsteuer mit 295,000, die direkten und indirekten Landessteuern von Elsaß-Lothringen mit 22,232,000. Giebt zusammen eine Steuerbelastung von 31,057,000. Gegen- über obigen 78,194,000 za![t also Elsaß-Lothringen gegen- wärtig im Jahre weniger 47,137,000

Oesterreich -: Ungarn. Wien, 3. Januar. Die Kaiserin nimmt von heute ab mit der Erzherzogin Marie Valerie den Aufenthalt in Ofen. Der Gejund- heitszustand des Erzherzogs Josef hat sich wesentli

cbefsert und bietet zu keinerlei Besorgnissen Anlaß. Se.

aiferliche H ist wohl etwas geschwächt, do befindet er sich auf dem Wege entschiedener Besserung. Die Rükehr der Erzherzoglihen Familie aus Cannes dürfte übrigens nit fo bald erfolgen. Das Be-finden des Erzherzogs Rainer ist dem heute ausgegebenen ärztlihen Bulletin zufolge be- friedigend, der Krankheitsverlauf normal.

Wie der „Prag. tg.“ gemeldet wird, werden in die- sem Jahre die Delegationen, welche diesmal in Wien zu- jammentreten, im Monat Mai gleichzeitig mit dem Reichs- rathe tagen, da die Session des leßteren sich bis in den Juni erstrecken soll. Die Wiederaufnahme der Berathungen des Reichsrathes soll am 22. d. M. erfolgen.

Das „N. W. Tagbl.“ berichtet: i

Zum JIahres\{luß fanden auf dem SMMOdE bei Wiener Neu- stadt größere Shießversuche mit den Stahlbronzegeschüßen, sowie auch mit Wérndl-Gewehren statt. Die Uchatius- Kanonen, von denen im Augenblicke bereits das elfhundertste Ge- \chüß fertig gestellt ift, bewiesen au bei diesen Versuchen ihren hohen Grad von Leistungsfähigkeit und Präzision. Unter den Geschüßen be- fanden fich auch zwei Gebirgskanonen mit dem Kaliber 6,7 Centi- meter, gleichfalls System Uchatius, deren Leistungsfähigkeit, erhöhte Flugbabnrafanz, fowie Leichtigkeit des Transportes die gerechte Bewunderung der Fachmänner erregten. Im Ganzen wurden aus den diversen Rohren 35 Schüsse mit Ringhohlgeschofsen, 40 mit blind und scharf geladenen Granaten, \ch{ließlich 26 Shrapnel- und ebenso viele Kartätshenshüsse abgezeben; als Scheiben dienten 6 mit je 29 Meter Abstand hintereinander aufgestellte Bretterwände von je 36 Meter Länge und 2,7 Meter Hove, ein auf 1,8 Meter angegebener Horizontalstrich bezeichnete die Höhe einer Infanterie-Kolonne von 60 Rotten Frontbreite; die Distanz, in welcher si diese Scheiben befanden, war 2500 Meter. Die Treffer waren bei den Gra- naten 107, bei den Shrapnels 169, bei den Büchsenkar- tätshen 43 per Sch{uß. Die Ringhobhlgeshofse erzielten 24 direkte Treffer, während 1578 Treffer durh Sprengwirkung \ich er-

aben. Nab Beendigung der Schießübung wurde Offizieren und

annscaft das vôn dém Kaiser an den GeneralArtillecrie-Inspektor gerichtete Handschreiben verlesen, worin der Kaiferlihe Dank und die vollste Anerkennung für alle Jene ausgesprochen wird, welche an dem raschen Fortschreiten der Armirung der eld-Artillerie mit dem neuen Materiale Antheil gewommen haben. Der Stand der an die Truppen hinau8gegebenen fertig gestellten Batterien nebst Proßkasten und Munitionshinterwagen beläuft sich auf 79 vollständig au2ge- rüstete, die Zahl der Projektile, von welhen in der zweiten Hälfte des Dezember über 60,000 eingeliefert wurden, auf 80 Stück aller Sorten per Ges{üßz; im Monate Dezember wurden blos 3F°%/o der gelieferten Geschosse zurückgewiesen, während im Monat Juni die Zakl der untauglichen Projektile 71%/9 betrug. Rohre mit Vers{luß find 1109, Laffetten 789 bis jeßt fertig gestellt worden und ist. Hoff- nung vorhanden, daß, nachdem jeßt der Vollguß beliebt ist, welcher ein rascheres Arbeiten gestattet, mit 1. Juli 1877 der gesammte Kriegsstand von 1640 Geschüßen bereit sein wird; die A der eror dürfte jedoeh noch ein weiteres Jahr in Anspruch neymen.

Das „Fremdenbl.“ \{hreibt: „Der römische Korrespon: dent der Mailänder „Perseveranza“ erwähnt in einem seiner Berichte des Umstandes, daß der österreichish-unga- rishe Botschafterposten beim italienishen Hofe noch immer unbeseßt sei, und knüpft daran einen Angriff gegen das derzeitige italienishe Ministerium, indem er die Be- sorgniß ausfpriht, daß dasselbe die Erbschaft der be- neidenswerthen Beziehungen zu ODesterreih, die ihm das Ministerium Minghetti hinterließ, „vergeudet“ habe. Wir können uns über diese Attake der „Perjeveranza“ niht wun- dern, sie bleibt nur ihrem Charafter als Opposfitionsorgan treu, wenn sie jeden Anlaß benußt, der ihr Material zu An- gen gegen die derzeitige Regierung Ftaliens bieten kann.

lber wir können nicht zugeben, daß diesen Zwecken zuliebe die österreichish-ungarishe Politik in einem falschen Lichte dargestellt werde. Die Beziehungen zwischen den Ka- bineten von Wien und Rom waren zu keiner Zeit herzliher als jeßt, und diese Beziehungen haben sich erst in jüngster Zeit, als sie aus Anlaß einer ebenfalls durch ein Organ der italienischen konservativen Op- position hervorgerufenen Polemik Gegenstand öffentlicher Dis- kussion waren, als nicht zu ershüttern gezeigt. Wie wenig eine Verstimmung zwischen den beiden Regierungen Plaß greifen konnte, hat ja die Art und Weise, in der der italie- nische Minister-Präsident fi erst kürzlich in der Deputirten- kammer äußerte, wohl in authentischer Weise dargethan. Wir können der „Perseveranza“ auch mit aller Bestimmtheit E daß kompetenten Orts Niemand die Angelegenheit der Beseßung des römischen Botschafterpostens als politische Frage auffaßt, sondern daß man darin nur eine reine Perso- nalfrage erblickt. Es ist natürlich, daß dic Beseßung des so hohwichtigen Botschafterpostens in Rom eine Sache reiflicher Erwägung sein, übrigens auch ein ziemlich weitateiséndes Virement in den Reihen der österreihisch-ungarishen Diplo- matie der Natur der Sache nah bewirken muß; in diesem leßteren Umstande allein hat man den Grund zu fuchen, der bisher die Beseßung des erwähnten Botschafterpostens ver-

zögert hat.“ __— Bekanntlich bestand die Absicht, shreibt die „Presse“, die gesammten Ausgleihsvorlagen den - beiden Parla- menten {on im Januar zu untertreiten. Diese Absicht ist jedenfalls bereits als ansngebeit zu betrahten. Ganz ab- ankfrage, läßt o

seyen von den Schwierigkeiten der chon. der Verlauf der POnBelanc O Aktion ein

l er gesammten Ausgleichs - Ela- borate, die als ein Ganzes den Parlamenten vorgelegt

nahes Zustandekommen werden sollen, niht erwarten. Wie wir an anderer Stelle

melden, treffen die Delegirten der deutshen Reichsregierung zu den Verhandlungen über den neuen deutsh-österreichishen Ba A erst zu Ende dieses Monats hier ein. Jm gün- igsten Falle werden die Verhandlungen doch einige Wochen brauchen. Vor E O des neuen Vertrags mit Deutsch- land fann aber der neue öfterreibish-ungarishe Zolltarif, der eben der deutsch-österreichishe Vertragstarif sein wird, dem Reichsrathe nicht vorgelegt werden und der Zolltärif bildet wieder ein untrennbares Aggrediens des Zoll- und Handels- e C mithin der gesammten Ausgleihsvorlagen. Schon aus diejem Grunde kann also der Ausgleih kaum vor März an den Reichsrath kommen, wodurch andererseits für die Bei- legung der ierigkeiten in der ffrage Zeit gewonnen wird. Unter diesen Verhältnissen wird man es * begreiflich

finden, daß die Abgeordneten sich mit dem Gedanken vertraut:

machen müssen, ihre Thätigkeit bis in den Sommer hinein IOCRIGOIEE,

sofort nach Eingang der Meldungen von der in Rumänien stattgehabten Judenver folgung sei der der diesseitige Vertreter in Bukarest beauftragt worden, im 7Fntere}se der Humanität und auf Grund der die österreichischen uden in den Donaufürstenthümern s{hützenden Verträge nöthigen- falls energisch zu reklamiren. Die eingeleiteten Recherchen hätten indeß ergeben, daß die bezüglichen Meldungen theils übertrieben, theils ganz aus der Luft gegriffen ge-

wesen seien. :

Pest, 3. Januar. Wie der „Pester Lloyd“ meldet, hat Minister-Präsident Tisza in Betreff der Juden- verfolgungen in Rumänien gestern telegraphish an das Ministerium des Aeußern das Ansuchen gestellt, sofort auf amtlichhem Wege über die von dem Korrespondenten des „Pester Lloyd“ gemeldeten Vorfälle Erkundigungen einzuziehen und das Resultat derselben der ungarischen Regierung mitzutheilen.

Das Abgeordnetenhaus wird, einer dem „N. P. J.“ zugehenden Mittheilung zufolge, niht wie dies gelegentlih der Vertagung beabsichtigz war am 10. d. M. seine Sitzungen wieder eröffnen. Die ungarishe Regierung will nämlich vor der Wiedereröffnung der Sißungen mit allen auf den volkswirthschaftlichen Ausgleich bezüglichen Angelegen-- pem definitiv ins Reine kommen, es ist aber kaum Aussicht

azu vorhanden, daß die diesbezüglih zu eröffnenden neuer-

lien Verhandlungen noch vor dem 10. d. M. zu einem Resultate führen. Die Kommissionen des Abgeordneten- hauses werden indeß- jedenfalls {on am 10. d. M. ihre Arbeiten wieder aufnehmen.

Ueber den Bankvorschlag der Nationalbank sagt eine Wiener Korrespondenz des „Lloyd“, derselbe basire auf dem status quo mit dem Zugeständnisse des dreißigprozentigen Antheiles Ungarns an der Notenmenge, 1edoch sei dies ab- hängig gemacht von dem effektiven Bedürfnisse; ferner gestehe der Vorschlag Ungarn die direkte Vertretung in der Bank- direktion zu, aber ohne Parität. Alles jedoch nur provisorisch. bis zur Valuta-Regulirung. Die ungarische Regierung, er- klärt der „Lloyd“, bat bis zur Stunde keine Kenntniß vom Inhalte dieses Projcktes und habe nur die Zumuthung zurück-

ewiesen, von- den Mai-Stipulationen abzugehen. Feden- Falls werde Zie Entscheidung in der Bankfrage im Lause des Monats Januar erfolgen.

Die N A F IA T NNANBEN im leßten Quartal des vergangenen Jahres sind in befriedigendem Maße eingeflossen. Aus den Geldsendungen, welche von den verschiedenen Kassen als Uebershüse in die Centralkasse gelangt sind, war der Finanz-Minister im Stande, die bedeutenden Ausgaben für den Monat Januar rechtzeitig zu decken. Jm Ganzen weisen die ersten 11 Monate des Jahres 1876 eine Mehreinnahme von 13 Millionen gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres auf. Die Kassenresultate des ganzen Jahres können natürlih noch niht zusammengestellt sein, doch hat das 1876er Jahr gegen das Vorjahr eine Mehreinnahme von ungefähr 15 Millio= nen ergeben. Die beiden Donau-Monitors sind am Sonnabend Nachts kurz vor Mitternacht hier eingetroffen.

Schweiz. (N. Zürch. Ztg.) Am 28. v. Mts. ist in. Wien zwischen dem dortigen \chweizerishen Gesandten. und dem diplomatishen Agenten von Rumänien eine Erklärung nebst B unterzeihnet und ausge- wechselt worden, wonach die Erzeugnisse beider Länder oder solche, welhe vom einen in das andere ausgeführt wer- den, hinfihtlich der Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrzölle, sowie in Betreff der Wiederausfuhr, der Mäkler- und Lager- gebühren, der örtlihen Abgaben und der R der nämlichen Behandlung unterliegen, wie die Erzeugnisse der meistbegünstigten Nationen. Ausgenommen sind gewisse be- sondere Begünstigungen für den E ene Sehn gegenüber Oesterreih-Ungarn. Das Uebereinkommen soll fofort in Kraft. treten und wenn es nicht ausdrücklich erneuert wird, am 12. Mai /30. April erlöshen. Immerhin is verstanden, daß. die Zollabfertigungen, welche während des für die Bekannt- machung des Uebereinkommens durhaus nothwendigen Zeit- raums ausgeführt werden, zu feinen Ansprüchen der Kauf- leute der beiden Länder gegen die betreffenden Zollhehörden Veranlassung geben sollen. Der Bundesrath hat einen Gefeßentwurf, betreffend Vorkehrungen gegen die Einschleppung und Verbreitung der Phylloxera in der Schweiz in Folge eines von den eidgenössishen Räthen hon im Dezember 1875 beschlofssenen Antrags ausarbeiten lassen.

Großbritannien und Jrland. London, 3. Januar. (E. C.) Lord Beaconsfield und Lord George Hamilton, der Unter-Staatssekretär für Jndien, speisten gestern mit der Königlichen Familie in Windsor. Die „London Gazette“ vom 2. Januar enthält den Text des zwischen Großbritannien und Oesterreih-Ungarn abgeschlossenen neuen Handzelsvertrages. Der Vertrag wurde am 5. Dezember 1876 in Pest unterzeihnet und die Aus- wechselung der Ratifikation erfolgte in Wien am 29, De- zember 1876. Das britische Honduras wird einen anderen Gouverneur erhalten. Der bisherige Sekretär der Kolonie West-Australien , Mr. Frederick Barley, ist für den Posten erwählt worden und wird sich am 17. februar von Southampton ‘aus dorthin begeben. British- onduras, dessen Hauptstadt Belize is, hat, obwohl nur mit einer Bevölkerung von 24,710 Dérsotien (von denen 377 Weiße waren), im Jahre 1874 für 196,480 Pfd. St. Pro- duíte ausführen können, während die Einfuhr aus Groß- britannien 160,473 Pfd. St. betrug. Dem Kriegsamt liegt, der „Köln. Ztg.“ zufolge augenblicklih die öfter an- eregte Frage über Heranziehung armer, verlafsener Knaben für den Heerdienst zur Erwägung vor. Jn der Flotte hat fich eine solhe vortrefflich bewährt,

Januar. (W. T. B.) Das „Fremdenblatt“ schreibt,

(A. A. C.) - Aus - dem -Kaiserlihen Lager in Delhi wird unterm 2. ds. telegraphirt: , nah der Rede des Vizekönigs, sandten der Maharadshah Scindia und die vornehmsten Fürsten der Königin eine telegraphis De- pesche, worin sie Jhre Majestät zu der Annahme des Kaiser- titels beglücwünshten. Dié „Gazette of Jndia“ veröffentlicht eine Menge von Verleihungen des Ordens vom Stern von Indien und zghlreicher anderer Héogeiisecungen, Zu Ehren des Tages wurden 15,988 Sträflinge, deren Aufführung eine musterhaste gewesen, auf freien Fuß geseßt. Den heute ab-

ehaltenen Pferderennen wohnte eine reiche und glänzende

ammlung bei, worunter sich die meisten der zu den Kai- erfestlihkeiten nah Delhi gekommenen eingeborenen Fürsten en Der Vizekönig wohnte dem Rennen- in Gala an.“

Frankreih. Paris, 3. Januar. Heute wurde im Elysée ein Ministerrath gehalten und, dem Vernehmen der „Köln. Ztg.“ nach, beschlossen, bei der Eröffnung der ordent- lichen Session für 1877 am 9. Januar keine Botschaft an die Kammern zu erlassen, um die Regierungspolitik nicht zu verpflichten, da diefelbe durh ein Ereigniß Abänderungen er- fahren könnte. Der Conseils-Präsident Jules Simon er- klärte, die Vorarbeiten für die Bewegung in den Prä- fekturen seien noch nit beendigt, doch würden mindestens neun Unter-Präfekten und zehn Präfekten beseitigt oder ver- Jeßt werden.

Spanien. Madrid, 2. Januar. (Ag. Hav.) Die Deputirtenkammer seßte die Berathung des Geseßvorschla- ges fort, welcher die konstitutionellen Garantien wiederher- stellen soll. Castelar griff die Regierungspolitik, namentlih vom Standpunkte der Religion und des Unterrichts aus, an. Der Conseils-Präfident antwortete. Er erinnerte an die Akte des früheren republikanisheri Justiz-Ministers Montero Rios, der alle Reden, Proklamationen und Journalartikel, welche auf eine Aenderung der Regierungsform abzielten, un- tersagt habe. Er suchte zu beweisen , daß die Religions- und Unterrichtsfreiheit in Spanien mit Garantien jeder Art aus- gestattet sei. Seine Rede fand vielen Beifal. An den Marquis de Serdoal - sich wendend, erklärte Herr Canovas, daß alle Parteien das Wählervereinigungsrecht ausüben dürf- ten, vorausgeseßt, daß in solchen Versammlungen nicht die Auflehnung gegen die bestehenden Fnstitutionen gepredigt würde.

Der neue Senat besteht, wie man der „Köln. Ztg.“ schreibt, aus 360 Mitgliedern, worunter 20 Granden von Spanien, 10 General-Kapitäne, 10 Erzbischöfe, 32 Akademiker und hohe Beamte, 138 von der Krone auf Lebenszeit ernannte und 150 von den Provinzialräthen gewählte Perjonen.

Türkei. Konstantinopel, 2. Januar. Zur Situa- tion wird der „Pol. Korr.“ von hier geschrieben : Seit der am Neujahrstage stattgefundenen vierten Konferenzsißung, deren Endergebniß die Konstatirung der erhebli{chsten Differenz zwischen dem Konferenzprogramme und den Contre-Propositionen der Pforte war, isst die Situation eine andauernd gespannte. Gestern und heute herrscht ein permanenter persönlicher Ver- fehr zwischen dem Großvezier und den Konferenzbevollmäch- tigten, welcher aber bis zur Stunde die Sachlage in nichts ge- mildert hat. Midhat Pascha besteht darauf, alle sogenannten Ga- rantiepunfte des Konferenzprogrammes eliminirt zu sehen, welche nah seiner Ueberzeugung die Souveränetät des Sultans ünd die Würde des Reiches tangiren. Es ift positiv, daß in Folge der äußersten Spannung im türkishen Ministerrathe die Einig- keit gestört ist. Den zur Nachgiebigkeit geneigten Ministern droht Midhat Pascha mit seinem Rücktritte. Dieselbe Drohung soll er auch gegenüber einzelnen Konferenzbevollmächtigten

aben laut werden lassen. Es is mögli, daß gegenüber den ortgeseßten demonstrativen Anstalten des Generals Jgnatieff zur Abreise und der Haltung der anderen Bevollmächtigten eine türkfishe Ministerkrisis eintritt, welche den Rütritt Midhat Paschas zur Folge hat. An eine Nachgiebigkeit des- selben ist kaum mehr zu glauben.

3.. Januar. (W. T. B.) Die russishe Yacht „Erikli“ ist hier eingetroffen, um sich dem russishen Bot- jhafster Jgnatieff für den Fall seiner Abreise zur Ver- fügung zu stellen.

4. Januar. (W. T. B.) Hobart Pascha und Oberst Baker haben sich nah Burgas (Rumelien) be- geben, um die dortige Stellung, die die leßte Wehrlinie bil- den soll, wenn die Russen die Balkanpäßsse forcirt haben, zu inspiziren.

Wien, 4. Januar. (W. T. B.) Die beiden hie- sigen Bevollmä tigten zur Konferenz in Konstan- tinopel haben, siherem Vernehmen nach, die Anweisung er- halten, für den Fall, daß die Pforte die Vorschläge der Kon- jeren nicht annehmen sollte, Konstantinopel zu ver-

assen.

London, 5. Januar. (W. T. B.) Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Konstantinopel über die gestrige Sizung der Konferenz Folgendes gemeldet: „Jn derselben habe Savfet Pascha ein Exposé vorgelesen, welches die Motive der von der Pforte gestellten Gegenanträge cnthält, und in welchem die Einsprüche im Einzelnen begründet werden, welche die Delegirten der Pforte in der leßten Konferenzsibung gegen die Vorschläge der Mächte erhoben haben. Wie das genannte Bureau weiter wissen will, würde in diesen Motiven ausge- führt, daß die von den europäischen Bevollmächtigten aufge- stellten Forderungen die Jntegrität und Unabhängigkeit der Türkei verleten, insbesondere geschehe dies dur die von den Mä@hten verlangte Einseßung christliher Gouverneure in den aufständischen Provinzen. Die nächste Sißung der Kon- ferenz 1stt auf Montag angeseßt. Wie das „Neutersche Bureau“ erfährt, würde die Pforte,“ im Falle die Mächte ihr gn Ultimatum überreichen würden, einen großen Ministerrath

erufen.“

(W. T. B.) Ueber die gestrige Sißung der Konferenz in Konstantinopel werden von Seiten des „Reutershen Bureaus“ noch einige Einzelnheiten verbreitet. Danach hätten die Vertreter der Mächte auf den Einwand der türkischen Delegirten, die Pforte könne -die Vor- schläge der Bildung einer Gensd'armerie und der Einseßung einer internationalen Kommission nicht annehmen, weil fie die Unabhängigkeit der Türkei verleßten, erwidert, daß die Pforte gegen das in der Note des Grafen Andrafsy vom 30. Dezember 1875 verkörperte Prinzip (Einsezung einer inter- nationalen Kommission) ihrerseits prinzipiell Bedenken nicht erhoben habe. Savfet Pascha habe hiergegen hervor- Lit ub daß diese Note einen }peziellen Bezug auf Bulgarien

abe.

Das W. „Fremdenbl.“ vom 3. Januar schreibt: „Es ist unleugbar, daß die Pforte cine Haltung einnimmt, die ihre

“drängte,

Freunde mit den ernstesten Besorgnissen erfüllen muß. “R E RE weihen in den entshecidendsten und wesfent- lihsten Punkten von den Forderungen der ab, und wenn die türkischen Staatsmänner auf di Standpunkt be- harrten, wäre ein Bruchunvermeidlih. Wir dürfen aber vielleicht noch hoffen, daß im entscheidenden gens mildere Beschlüse im Divan prävaliren werden. Der Umstand, daß die türkischen Bevollmächtigten, als man sie kategorisch in den Winkel ein - definitives Nein aussprachen, sondern fi erft informiren zu müssen erklärten, läßt uns annehmen, daß die türkishen Staatsmänner noch nicht das leßte Wort gesprochen haben, sondern im legten Augenblick vor einer Entschei- dung zurückweichen dürften, die ihr Reih einer Katastrophe entgegenführen könnte. Die Einigkeit der Großmächte, die in der übereinstimmenden Haltung hrer Bevollmächtigten Aus- druck findet, erscheint uns als der Lichtblick in der enugsam steren Situation; in dieser Einigkeit liegt eine Bürgschaft gegen den allgemeinen Krieg, vor dem Europa bangt. ¡Feden- falls wird der morgige Tag, an dem die Konferenz sh zu einer entscheidenden, möglicherweise zu einer Schluß sißung versammelt, auss{laggebend sein für die Zukunft des otto- manischen Reiches.“

Wien, 3. Januar. Wie das „Tagblatt“ erfährt, uni- faßt das türfkishe Gegenprogramm folgende Punkte: Die Pforte is erbötig, für Bulgarien die christliche Ver- waltung zu acceptiren, lehnt die Verpflichtung ab, Bosnien und die Herzegowina immer und ausschließlih durch christ- lihe Gouverneure verwalten zu- lassen, weist nachdrüdlih die militärishe Ofkfupation irgend welher Provinz und unter welher Form immer, zurück und bezeichnet die Ent- waffnung der Mohamedaner als überflüssig, nachdem die Christen fortan Waffen tragen dürfen. Die Pforte ist bereit, die Drina als Grenze zwishen Serbien und der Türkei festzustellen, fordert jedoch die Schleifung sämmtlicher serbisher Festungen und eine Kriegsentshädigung. Die Pforte anerkennt die Legitimität der Forderung Montenegros nah einer Grenz- berihtigung, selbst der Cedirung des Hafens von Spizza unter der Bedingung, daß der Fürst von Montenegro fih als Vasall des Sultans erklärt.

Brüssel, 2. Januar. Gelegentlich] des Neujahrs- empfanges im Königlichen Palais begrüßte der Bürger- meister den König mit einer Rede, in welcher, wie der „N. Fr. Pr.“ gemeldet wird, oe Stelle beahtenswerth ist: „Das Land hat es, Dank seiner Neutralität, nicht nöthig, seine nationalen Kräfte jenseits der Grenze zu disponiren ; es fann dieselben unter Jhrer Aegide zu fruchtbringender Arbeit konzentriren.“

Die „Times“ vom 1. d. M. sagt: „Es ist die Pflicht der britishen Regierung, der Pforte ganz offen die verhängniß- vollen Agen, welche sich fast mit Gewißheit aus einem neuen orientalischen Kriege ergeben werden, vorzuhalten. Dieselben sind von der Art, daß, wenn es wirklih die Politik Englands ist, große Veränderungen im Orient zu verhüten, Fhrer Ma- jestät Regierung beinahe berechtigt wäre, die Türken zu deren eigener Rettung zu zwingen. Ein Krieg würde es klar zu Tage bringen, day Europa an ihrem Lande, aber niht an ihnen selber ein Jnteresse hat. Die europäishe Türkei würde von fremder JFnvasion überzogen oder vom Aufstande ergrif- fen werden, und wenn die Wirrniß zu Ende wäre, wie viel würde dann noch von der Osmanenherrschaft übrig bleiben ?“

Aus Pâris, 3. Januar, wird der „Köln. Z.“ ge meldet: Jm heutigen Ministerrathe theilte der Herzog Decazes die neuesten Nachrichten aus Konstantinopel mit, wonach die Türkei folgenden fünf Punkten ihre Zustim- mung versagt: 1) ausscließlihe Ernennung christliher Gou- verneure, 2) Errichtung einer gemischten Miliz, 3) inter- nationale Ueberwahungskommission, 4) Revision der türkischen Grenzen, 5) Umwandlung des Zehntens in Grundsteuer. Der Herzog Decazes legte zugleich die Weisungen vor, die er den französishen Bevollmächtigten nach Komziantinopel zugehen ließ. Dieselben sind nah wie vor auf Erhaltung der Eintracht unter den Mächten und des Friedens gerichtet und sprechen die Hoffnung aus, daß die Türkei nachgeben werde. Auf der hiesigen ottomanischen Botschaft ist, wie behauptet wird, heute keine Nachricht aus Konstantinopel eingetroffen, aber man hôrt versichern, die Pforte werde nicht nachgeben, und es stehe daher zu fürchten, daß die morgige Konferenz die leßte sein werde. Auch der „Temps“ ist der Ansicht, daß die mor- gige Sißung der Konferenz wahrscheinlich die leßte sein und der offizielle Bruch mit der Pforte erfolgen werde. Der „Moniteur“ bringt folgende Berichtigung feiner gestrigen Bemerkungen über die Konferenz: „Nach näheren Erkun- digungen, deren Zuverlässigkeit wir niht in Zweifel ziehen, wurde erst am 29. und nicht am 28. DezembLer der Beschluß über den Waffenstillstand gefaßt; unter diesen Verhandlungen fann es allerdings nicht auffallen, daß die Nachriht davon erst am Sonnabend im übrigen Europa bekannt wurde.“

Die Abgrenzung der Bulgarei, wie sie von den Konferenz-Bevollmäÿhtigten, wie das W. „Fremdenbl.“ hört, geplant wird, ist ungefähr folgende: Die Grenze des zukünftigen Bulgarien joll im Westen von der oberen Morawa nah Branja und dem Kara-Dagh, dann längs des Shah-Dagh und seinen Verzweigungen zu der Westküste des Sees von Ochrida und den Bergketten entlang mit Ein- {luß von Monastir im Süden zum Vardar und quer über nah Seres laufen. Dann geht fie längs der Aus- läufer des Rhodope - Gebirges zu der Marißza ober Adrianopel und zum Norden desselben, längs der südlichen Ausläufer des Balkan zum Schwarzen Meere, welches es bei Wasiliko füdlich von Burgas berühren foll. Man wird sehen, daß dies mehr als die Hälfte des Ostens der Balkan-Halb- injel umfaßt und nur einen {malen Landstrich längs des Aegeishen Meeres und den Theil östlich von Adrianopel ausläßt. Die Basis, welche für diese Abgrenzung von Bul- garien angenommen worden zu sein scheint, war eine kolo- rirte ethnographische Karte , die nebst einer ethnagraphischen Studie in den „Geographischen Mittheilungen“ von B eter: mann erschienen ist. Der in derselben als Bulgarien licht- grün folorirte Theil entspricht fast genau dem Bulgarien, wie es von der Vorkonferenz angenommen ist.

Adrianopel, 20. Dezember. (Pol. Korr.) Die leßten Ueber- \d&wemmungen haben in unserem Vilajet große Verheerungen ange- rihtet. In mehreren Sandschakaten ist die Bevölkerung arg mit- genommen, in einigen Orten fogar völlig an den Bettelstab gebracht worden. Die Regierung sucht nun na Möglichkeit den Verunglückten Hülfe zu leisten. Der Vali Assim Pascha hat eine Kommission er- nannt, die fich mit Vertheilung von Brot, Kleidern, Heizmaterial und anderen Gegenständen dringenditer Nothwendigkeit in den übers{wemm- ten Bezirken beschäftigt. Leider reien die Mittel, über welche die Lokalregierung verfügt, nicht aus und vermögen kaum viel zur Lin-

derung der allgemeinen Nothlage beizutragen. Der Schaden, welcher der Regi wie den Privaten durch die Ueberschwemmungen zuge- ügt wurde, ift unbereenbar. Der gewesene Mutefsariff des Saud- hakats CLyvern Raif Effendi ift vom Großvezier zum Spezial-

mmifsär für unser Vilajet ernannt worden, um die Höbe der Schäden an ärarishem Gute festzustellen und die dringendsten Ar- beiten zu veranlassen. Es ift ihm zu diesem Zwecke eine Million Piaster zur Verfügung gestellt worden, was allerdings kaum aus- reichen wird, die zerstörten Brücken wieder herzustellen. Die Organi- sirung der t\cerkessischen irregulären Reiterei als reguläre Kavallerie schreitet rüstig vor. Es find bereits vier Tabors ausgerüstet und mit Offizieren versehen. An sehr viele Tscherkefsen, die an den leßten Kämpfen in Serbien Theil nahmen, sind eigens vom Sultan zu diesem Zwecke gegründete Verdienstzeichen vertheilt worden. Die be- treffende Medaille ist aus Bronze und zeigt auf einer Seite die Kaiserlihe Tura (Namenszug) und auf der anderen die Worte „Nischan Iftihar.“ Die rumelisGße Cisenbabngesellshaft bat die unentgeltlize Beförderung der für die Armee durch Prirat- spenden angescafften Winterkleider angeordnet. Unter dem Präsi- dium Midhat Paschas hat ic eine vatriotishe Gesellschaft konsti- tuirt, welde sehr bedeutende Sammlungen in den türkishen und christliben Kreisen Konstantinopels erzielte, und Winterklei- der für die im Felde ftehende Armee angeschafft hat. Jeßt werden aroße Kolli dieter Effekten auf der Bahn nach Sophia befördert. Hier wird der bekannte englishe General Senthser erwartet, welcher früher in der angle-britishen Armee diente, und nun in die türkische Armee eingetreten ist. Derselbe soll die Mission haken, die Städte Sophia und Philippopel zu befestigen. Auch Adrianopel foll durch gröyere Erdwerfke gedeckät werden.

Numáänien. Buftarest, 4. Fanuar. (W. T. B.) Jn der gestri- gen Sißung der Deputirtenkammer erflärte der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten Fonesco, in Beantwortung der FJnterpellation über die Aus- legung der Artikel 1, 7 und 8 der türkishen Ver- fassung, die Prorte habe auf eine bezügliche Anfrage geantwortet, daß fich die Artikel 1 und 7 auf Rumä- nien mitbezögen. Die Kammer nahm hierauf einstim- mig eine Nesolution an, in welcher die Haltung der Re- gierung gebilligt und zuglei an dieselbe das Verlangen ge- stellt wird, Protest gegen die Auffassung der Pforte bezüg- lih der staatlichen Stellung Rumäniens zu erheben. Der Minister-Präsident Brati ano versicherte, die Regierung werde in jedem Falle ihre Pflicht thun und fih nit eher zu- frieden geben, als bis die Pforte dur einen ebenso feierlichen Akt wie die Proklamirung der Verfassung erklären werde, VAE ARENTEN feinen Theil des türkischen Reiches

ilde.

Nufßland und Polen.

i 1 (Köln. Ztg.) Nach - offi- ziellen Berichten des

Korz2mandos der Südarmee verlautet, daß die in Kishenew und in der Um- gegend ftonzentrirten Truppen nur 182 Kranke zählen. Die Erkrankten gehören zumeist der regulären Kavallerie an, die sich auf den Mobilisirungsmärschen Erkältungen zu- gezogen haben. Jn der leßten Zeit sind zwet Millionen Kilo- gramm Torf und Kohle als Heizmaterial bei der rusfischen Südarmee angelangt. Das Forst - Ministerium hat einen Ukas dahin erlassen, die ohnehin holzarme Gegend Südruß- lands zu schonen.

Aus Tiflis meldet der „Ruß. Jnv.“: Se. Kaiser- iche Hoheit der Ober-Kommandirende der kaukasischen

rmee hat dem General-Major Zytowits{h, dem Comman- deur des 4. Bataillons des 161. Alexandrowschen Jnfanterie- Regiments, Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürstei Alexej Michailowitsh, Seconde-Lieutenant Fürsten Tschawtschawadse und dem Chef der Miliz in Swanetien, Stabs-Rittmeister Fürsten Tengisu-Dadeschkiliani, wie auch dem ganzen Stabe und den Ober-Offizieren der besonderen Abtheilung, die zur Unterdrückung der Unruhen in Swanetien formirt worden war, seine Dankbarkeit für die Schnelligkeit der Operation ausgedrückt und den unteren Chargen der Abtheilung gedankt.

Aus Baku wird gemeldet :

Von der Nothwendigkeit überzeugt, einen mögli kurzen Weg zu den russishen mittelasiatishen Besißungen ¡u \c{affen, wurde in diesem Herbst, wie man der „Now. Wr.“ reibt, aus Krasnosawodsk eine aus etwa 1000 Mann bestehende Erpedition ausgerüstet, um in der Richtung nah Chiwa hin, in be- stimmten Entfernungen von einander, in der Steppe Brunnen anzu- legen. Diese Expedition ist nun am 20, November (a. St.) zurück- gekehrt, ohne jedoch besondere Resultate erreicht zu haben. Es sind nur drei Brunnen gegraben worden, und zwar auch nicht mit befon- deretn Erfolg, da in feinem derselben sich Wafser gezeigt hat. Diese Arbeiten in der Steppe sind übrigens nit gefahrlos und mit vielen Beschwerlichkeiten vcrbunden. Die Erpedition mußte jeden Augenblick auf cinen räuberiscen Ueberfall der Teke-Turkmenen gefaßt sein, daber sie denn auch eine so zahlreihe Bedeckung er- balten hatte. So überfielen die Tekes im August angesihts einer russishen Truppenabtheilung einen Aul der friedlichen Jomuden und plünderten denselben total aus. Es wird daher nah der Meinung des Kcorrefspondenten der „Now. Wr.“ noch nicht genügend sein, auf der neu projeëtirten Straße Brunnen anzulegen, sondern man wird au für die Sicherheit auf derfelben zu sorgen haben. Um daë An- schen Rußlands in dem füdöstliben Theile der tranékautasiscen Steppen zu befestigen, beabsichtigt man am Atrek ein Fort zu er- richten, dem die spezielle Aufgabe zufallen würde, die dortigen Turk- menen zu überwachen. Dieje ziehen sich nämlich nach jedem Raub- zuge auf persishes Gebiet zurück und entgehen fo jeglicher Verfol- gung. Das neue Fort soll das Hervorbrechen dieser Banden ver- hindern.

Amerika. (A. A. C.) Den neuesten Nachrichten aus San Francisco zufolge waren neulich zwölf franzöfische Kom- munisten von der Strafkfolonie Noumea in Neu-Ka le- donien an Bord eines Schleppdampfers entkommen. Ein Kriegsschiff holte indeß das Fahrzeug ein und nahm zehn Flüchtlinge gefangen ; die übrigen zwei sprangen über Bord und ertranken.

Asien. Bombay, 5. Januar. (W. T. B.) Aus Shanghai wird hierher gemeldet, daß der dortige spanische Gesandte seine Beziehungen zu der chinesischen Regie- rung abgebrochen habe. Die spanische Flotte habe Befehl erhalten, fich nach China zu begeben. Die Ursache des Bruczes mit der chinesishen Regierung sei noch nit bekannt. Man glaube, daß die Nichterfüllung spanischer Forderungen Seitens der cinesishen Regierung die Veranlaffung zu dem Bruche

gegeben habe. Persien.

Anus Teheran wird dem „Journal de St. Pétersbourg“ mitgetheilt, daß in den obersten Stellen der persishen Provinzialverwaltung einige wichtige Perfonen-

wechsel eingetreten sind. Ein Vetter des Schah, Mirza Nusret, wurde Gouverneur der Provinz rak, ein anderer Vetter des Schah, Murad Mirza Hissam, General-Gouverneur von Kurdistian. -— Am 23. Dezember wollte der Scha h mit großer Feierlihkeit den 30. Fahrestag seiner Thron- besteigung. und zugleich ‘den 100. Fahrestag der Herrichaft scines Hauses begehen,