1877 / 8 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Jan 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Errungenschaft; man vergesse der hingebendsten und opfer- vollsten Arbeit, deren unermüdeten Anstrengung es ge- lungen, in einer kurzen Spanne Zeit ein wahres Riesen- werk zu bewältigen, und so stehe eine hochbedeutsame und ruhmvollste Thatsache unseres nationalen Lebens in Gefahr, mit Schmähungen bedeckt statt reich an Ehrenge Nen in den Tempel der Geschichte einzutreten. Die folgende Erör- terung weist na, daß das deutsche Volk Ursache habe, si über das Geschehene zu freuen. Speziell in Betreff der Straf- prozeßordnung heißt es: es erscheine kcin Bedenken weniger

erechtfertigt, als dasjenige, es sei hier der individuellen Frei- hei zu wenig Rechnung getragen. Viel cher wäre das

edenken gerechtfertigt, ob micht der Staatsgewalt das Schwert der Gerechtigkeit zu stumps geworden sei, um den Kampf mit der Verbrecherwelt erfolgreich durch- zuführen. Ein Vergleih mit den Strafprozeßordnungen der meisten Staaten würde den Nachweis liefern, daß dieselben im Schuß der individuellen Freiheit hinter der deutshen Straf- prozeßordnung, wie sie jeßt zum Geseß geworden, zurücfstehen. Mit Recht wird es als „nahezu peinlih“ erklärt, „am Abend eines langen, {weren Arbeitstages die Nation um et EO bittenzu sollen, daß man so viel und fo gut für sie gearbeitet habe, und zwar blos deshalb, weil die Frucht der Arbeit das Ergebniß des Entgegenkommens zwischen Regierung und Volksvertretung gewesen ist.“ Man wird aber auc die Schlußerwartung theilen Dürfen, daß, „wenn aus den shäumenden Wogen des Partei- treibens der jeßt festgestellte Nehtsbau des neuen Deutschen Reichs in aller Richtigkeit und Zweckmäßigkeit seiner Formen vor dem klargewordenen Auge des Volkes allmählih fich er- heben wird, dasselbe mit dankbarer Erinnerung die Namen derer festhalten wird, welche an seiner Vollendung betheiligt waren und nit gewollt haben, daß dieser stolze Bau, so nade am Ziel, in Trümmern dahinfinke“.

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, 7, Januar. (H. N.) Jn der gestrigen Sizung des Landtags beantwortete Staatsrath Heim eine auf den Neztbau eines Landtagsgebäudes bezügliche Jnterpellation Tathin, daß die Negierung die Nothwendigkeit eines solhen Baues vollständig anertenne, bis heute aber eine Vorlage dem Landtage nicht Habe unterbreiten können, weil die bei dem Neubau des ab- getrennten Stadttheils vollauf beschäftigten Herzóglihen Bau- beamten bis jeßt außer Stande gewesen, einen Bauplan für ein solches Standehaus auszuarbeiten, resp. ihn der Regierung vorzulegen.

Oesterreich - Ungarn. Wien, 8. Fanuar. Der „Presse“ zufolge wird im Laufe dieser Tage die endgültige Bestimmung darüber erfolgen, wann die Wiederaufnahme der Verhandlungen des Abgeordnetenhauses ein- treten soll. Die Ferien des letzteren auf längere Zeit, als ur- Tprünglich in Ausjiht genommen war, auszudehnen, ist von Feiner Seite beabsichtigt. Ein an maßgebender Stelle gestellter Vorschlag geht dahin, die Sißungen noch vor dem 20. d. zu eröffnen, doch dürften dieselben wahrscheinlih erst am 23. d. wieder beginnen.

Das „Fremdenbl.“ s{hreibt: Ueber den gestrigen un- garishen Ministerrath, von welhem man in der Bank- frage entscheidende Beschlüsse erwartete, erfährt man vorläufig nit mehr, als daß er von Mittag an mit einstündiger Un- terbrehung bis gegen 7 Uhr währte, somit volle sechs Stun- den in Anspruch nahm, und daß im Verlaufe desselben unter Anderem auch der umfangreiche Geseßentwurf über öffentliche Arbeiten durchberathen wurde. Dem gestrigen ungarischen Ministerrathe sollte heute ein zweiter folgen, angeb- lih ausschließlih zu dem Zwecke, um dem Zustande der Stagnation, in der sich die Bankfrage gegenwärtig befindet, ein Ende zu machen, und endlich die Mög- lichkeit einer Verständigung anzubahnen. Mehrere un- garische Organe begegnen sich in der Versicherung, daß in den maßgebenden Kreijen Ungarns an diese Möglichkeit geglaubt werde. Möglichkeit ist denn doch ein mattes Wort in einem Falle, in welchem von unabweisliher Nothwendigkeit Die Rede sein müßte.

Unmittelbar vor seiner Abreise nach Pest 4e der Minister des Aeußern die bulgarishen Delegirten, D. Zankoff und Marco D. Balabanoff, empfangen und aus deren Händen das die Wünsche und Beschwerden Der bulgarischen Bevölkerung enthaltende Memorandum entgegengenommen.

Prag, 8. Januar. Die Reichsrathswahlen in den czehischen Bezirken sind bereits ausgeschrieben. Am 9. Februar wählen die Landgemeinden, am 15. Februar die Städte. Erledigt sind 83 Mandate.

Zürch. Ztg.)

Schweiz. Bern, 8. Januar. (N. Der Regierung von Bern ist eine 17. Abshlagszahlung von 123,065 Fr. auf Rechnung des zu 4,340,000 Fr. festgestellten Bundesbeitrags für die auf dem Gebiete des Kan- tons zur Ausführung gelangende Furagewässerktor- reftion bewilligt, womit die bisherige Gesauumtleistung des Bundes für dieses Unternehmen auf 3,160,364 Fr. ansteigt. Der Regierungsrath von St. Gallen hat an den e das Ansuchen gestellt, er möchte auf den beförderlichhen Abschlu eines internationalen Vertrages über die Fischerei im Untersee und im Oberrhein Bedacht -nehmen. Ein höherer Offizier maht in den „Basl. Nachr.“ den Vorschlag, in der Skala der Offiziersbesoldungen eine Reduktion eintreten zu lassen. Man sei bei Erlaß der Militärorganisation in der Besoldungsskala etwas zu weit gegangen, namentlich was den Sold der jüngeren Offiziere anbelange. Dieses Thema sei jüngst in einem militärischen Kreise der Bundesstadt zur Sprache gebracht und dort bei- fällig aufgenommen worden.

Großbritannien und Jrland. London, 8. Fanuar. (A. A. C.) Die Königin wird, begleitet von der Prinzessin Beatrice und ihrem Hofstaate am Donnerstag Windsor ver- lassen, um auf kurze Zeit nach Osborne auf der Fnsel Wight überzusiedeln. Wie die „Morning Post“ erfährt, vird die Adresse in Erwiderung auf die Thronrede anläßlich der Eröffnung des Parlaments im Oberhause von Lord Grey de Wilton beantragt und von dem Earl von Had- Dington unterstüßt werdeu. Mr. Gerald Fibgerald, der Vize-General-Controleur der indishen Regierung in Cal- cutta, hat die Ernennung zum Vize-General-Controleur Der ägyptischen Staatseinkünfte angenommen.

(E. C.) Der Herzog von Connaught wird als Nachfolger des Obersten Thesiger: Kommandanten der Besaßung

in Shornes eichnet. Der „Thunderer“ hat auh seine zweite Probefahrt in befriedigender Weise bestanden.

Die „Times“ bringt einen Nückblick auf die bri- tishe Flotte im Jahre 1876. Danach sind im Jahre 1876 50 Schiffe im Bau angefangen, fortgeseßt oder vom Stapel gelassen worden. Von diesen sind 20 auf der See. Unter diesen sind 4 Panzerschiffe: „ZJnflexible“, „Téméraire“, „Nelson“ und „Northampton“. 2 Stahlschiffe „Jris“ und „Mercury“ nähern fi Ly Vollendung, 6 andere sind be- stellt. Das Torpedoschiff hat die bedeutendsten Fortschritte ge- macht. Es ist Mr Whitehead geglückt, ein solches zu bauen, das unter dem Wasser mit einer Schnelligkeit von 20 engli- schen Meilen per Stunde fahren wird und das zum Schuß der Kriegsschiffe übergespannte Drahtney dur{bohren kann.

Aus Delhi wird unterm 6. ds. gemeldet :

„Gestern wurde hier eine große Revue abgehalten, bei welcher der Fed ee Ns die Spitzen der Civil- und Militärbehörden und eine Anzahl eingeborener Fürsten mit ihren Gefolgen zugegen waren. Sämmtliche in Delhi versammelten Truppen, 20,000 Mann an Zahl, betheiligten sih an der Revue, die ein glänzendes Schauspiel bildete und sehr erfolgreih verlief. Gezen Sonnenuntergang wurde eine Artilleriesalve abgefeuert. Damit endeten die Festlichkeiten. Um 10 Uhr reiste der Vize-König nab Putliala ab.“

Die „Times“ bringt ein drei Spalten langes Tele- gramm aus Calcutta vom 7., welches viele En Über Standeserhöhungen und Gnadenertheilungen meldet :

10% aller gerichtlich Bestraften sind amnestirt, vorausgeseßt, daß sie nit gewohnheitsmäßige Verbrecher sind und daß sie sich im Gefängniß gut betragen haben. Alle Civilgefangene, deren Schulden nicht über 100 Rupien betragen, sind frei und der Staat bezahlt ihre Schulden. Mit Einschluß der Gefangenen auf den Andamanen kommen auf diese Weise fast 16,000 Gefangene frei. Auch die am 1859er Aufstand Betheiligten sind amnestirt, wenn sie heimfkehren, sich den Behörden anzeigen und sih gut betragen. Mörder jedoch find ausgeschlossen, auch Feroze Shah, der Sohn des vor- maligen Königs von Delhi. Das Kollegium von Punjab is zum Range einer Universität erhoben und zur Ertheilung von Graden berechtigt. Auf die Münzen wird „Victoria, Empress“, nicht mehr « Yictoria, Queen“ geprägt werden. Gouverneur von Bengalen ist Mr. Eden geworden; Sir R. Temple wird nicht nach Calcutta zurückehren.

Frankreich. Paris, 8. Januar. Der heutige Minister- rath zeigte sich, der „Köln. Ztg.“ zufolge, der Vertagung der Kammern bis Ende Januar wenig günstig; das Budget für 1878 soll bereits am 15. Januar vorgelegt werden. Die „Republique Francaise“ erklärt heute Morgen, die ftonservative Partei sei im Jrrthum, wenn sie von einer Spaltung unter den Republikanern spreche. Der Liberalismus sei einiger als je und man werde sehen, wie die drei Fraktionen der Linken fest zusammenhalten. Der „Köln. Ztg.“ schreibt man: „Die Schwierigkeiten in der nächsten Session werden für die Regierung Simons nit gering werden, denn die Republikaner sind keineswegs mit seinem leßten Präfektenshub zufrieden und auch die Amnestiefrage soll wieder vorkommen. Der betreffende Antrag wird verworfen werden; da aber zu gleicher Zeit der Antrag auf „Einstellung der Verfolgungen gegen die Auf- ständishen von 1871“ wieder vorgebracht werden wird, so steht ein Konflikt zwishen Jules Simon, der für diesen stimmte, und dem Senat, der ihn zur Zeit verwarf und so den Sturz Dufaure's herbeiführte, in nächster Aussicht.“

Der Unterrihts-Minister Waddington ver- folgt, wie män der „Allg. Ztg.“ schreibt, mit ernstem Eifer das begonnene Werk der Fortbildung des öffentlichen Unter- rihts. Gleih nach dem Zusammentritt des französischen Par- laments beabsichtigt der Unterrihts-Minister seinen großen Gesetzentwurf über die Universitäten vorzulegen. „Wahrscheinlih wird diesmal der Senat zuerst damit befaßt werden. „Schon einmal hat dieser ein Lieblingsprojekt Wad- dingtons, das bekannte Gesetz über die Ertheilung akademischer Grade, welches als Korrektiv des Gescßes über die Freiheit des höheren Unterrichts dienen sollte, verworfen. Um eine solche Ablehnung auch des neuen organischen Geseßes über die Universitäten zu verhindern, foll dem Senat das leßtere zuerst selbst auf die Gefahr einer weitgehenden Amendi- rung hin vorgelegt werden. Jn der Kammer ist Hr. Wad- dington der Mehrheit sicher; diese würde die Regierungs- vorlage wiederherstellen, und dann der Senat, zu einem neuen Votum berufen, nicht mehr in der Lage sih befinden, ein L an dem er zuerst mitgearbeitet hat, ohne Weiteres ab- zulehnen.“

Der „Siècle“ beschäftigt ih angelegentlich mit den Schwierigkeiten, die zwishen Frankreih und Deutschland bezüglich der titres d’acquit à caution entstehen können. „Die Haltung Deutschlands“, schreibt „Siècle“, „muß be- achtet werden, obgleich unsere Reglementirung der zeitweiligen Zula}sungen weniger als früher der Entwicklung unseres Han- delsverkehrs mit dem Auslande günstig ist, so sehen wir doc, daß sie troß ihres wenig liberalen Charakters politishe Schwie- rigkeiten mit den Nachbarstaaten hervorrufen kann. Mit Recht wird eine Vereinfachung derselben angerathen, dié für unsere

Zrodufktion vortheilhafter wäre und die Ursachen des zwischen *Frankreih und Deutschland drohenden Streites beseitigen würde. Es wäre dies die Aufhebung der Zollgebühren auf Eisen, wodurch die zeitweiligen Zulassungen für diesen Artikel von selbst fortfallen müßten. Das is} freilich nicht die Lö- sung, die der obere Handelsrath wünscht, vielleicht aber wird die Kammer die Nothwendigkeit anerkennen, sie anzunehmen.“

Versailles, 9. Januar. (W. T. B.) Die Deputirten- kammer, wélche heute die neue Session eröffnete, hat zu- nächst die Bildung ihres Bureaus vorgenommen. Zum Prä- sidenten wurde Grévy mit 326 von 340 Stimmen wieder- gewählt. Die früheren Vize- Präsidenten und Sekretäre wur- den ebenfalls wiedergewählt. Jm Senate wird die Kon- stituirung des Bureaus morgen stattfinden.

Ftalien. Rom, 3. Januar. (Allg. Ztg.) Am 31. De- zember hat im Quirinal der offizielle Neujahr sempfan g des diplomatishen Corps mit dem Doyen Herrn v. Keudell an der Spitze stattgefunden. Am Neujahrsmorgen selbst über- brachten die Ritter der Annunziata dann die Deputationen des Senats und der Abgeordnetenkammer, endlih die Minister und nach ihnen noch viele andere Deputationen dem König ihre Glückwünsche. Unter den von dem König zum Neujahrs- feste verliehenen Ehrenbezeugungen wird die Ernennung des General-Adjutanten des Königs, Generals Medici, zum Marchese del Vascello vielfah besprohen. Jm Fahre 1849 war Giacomo Medici Befehlshaber des „Vascello“ und vertheidigte mit wenigen Soldaten diesen Posten auf das hart- näcigste gegen die belagernden Franzosen. Es heißt gleich- zeitig: das Municipium von Rom beabsichtige die Ruine des

„Vascello“ anzukaufen und als Nationaldenkmal zu konservirett. Unter den Geseßzen, deren Berathung demnächst ange- treten werden soll, befindet sich, wie man der „Köln. Ztg.“ schreibt, auch eine Vorlage des Justiz-Min:*sters mit außer- ordentlihen Strafbestimmungen für Mißbrauch des geistlihen Amts. Uebrigens hat sih derselben Korre- spondenz zufolge „der italienishe Klerus im Ganzen faum je duldsamer und liberaler gezeigt als jeßt, und die Kurie nie die Saiten minder straf s 2B Ein interessantes Phänomen diefes von der leßteren Seite vielleiht nicht E Berechnung aufrechterhaltenen Verhältnisses liegt in der großen Anzahl von Bischöfen, die sich um das Exequatur der Regierung beworben haben. Jhre Zahl beläuft sich bereits auf 18. Der Bischof von Brindisi ist sogar um die Bestäti- gung bei seinem Königlichen Patronatsherrn eingekommen.“ Jm Laufe der nächsten Tage werden im Vatikan mehrere amerikfanische Bischöfe erwartet, und zwar unter Anderen Monsignor Roosevelt Bayley, der Erz- bishof von Baltimore und Primas der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika in Begleitung Monsignor Carrigans, des Bischofs von Newark, und Mon- signor Mac-Closkey, des Bischofs von Louisville.

5. Januar. Der König is nah San Rossore abgereist. Der Papst hat den Staats-Sekretär Simeoni zum Palastpräfekten und Verwalter der päpstlichen Besitzungen ernannt, welche Stellung er auch während der Vakanz des heiligen Stuhles beibehalten soll.

Jn Betreff der Arbeiten, mit welchen sich die Deputirtenkammer zunächst nach ihrem Wieder- zusammentritte zu befassen haben wird, theilt „Zl Diritt o“ Folgendes mit: „Die Gesetze, welhe nah der Wiedereröffnung der Session von der Kammer zu berathen sein werden, be- treffen die wesentlihen Punkte des Programmes der liberalen Partei. Das Geseyß über die Reformen in der Ver- waltung der Gemeinden und Provinzen wird diesen ein freieres und fruchtbareres Leben und eine sicherere und mwirksamere Thätigkeit einflößen, und es wird uns in derselben Zeit den Weg zur Anwendung der Jdeen einer breiten Decentiralisation ebnen, mit welcher der Staat sich der Attribute, für welche er nicht kompetent ist, entkleidend, das eigene Prestige und die eigene Autorität, anstatt zu ver- mindern, wieder erheben wird; und das Geseß über die Ver- antwortlihkeit der öffentlihen Beamten wird den öffent- lichen Freiheiten neue Garantien sichern. Das Geseß über die Mißbräuche der Kultusbeamten wird das A ZUC direkten Vertheidigung seiner religiösen Jnteressen berufend, das Terrain für die Durhsührung der mit Art. 18 des Garantien-

eseßes versprochenen Reformen vorbereiten. Auch wird die Rannmer nicht zögern dürfen, sich mit den Steuerreformen zu befassen, welche so sechnsüchhtig vom Lande verlangt werden, als Diejenigen, welche die Härte des Fiskus vermindern und viele Ungerechtigkeiten aufhören machen werden, ohne daß sih darum die Ordnung in den Finanzen verminderte, ja dieselben vielmehr zu einem wirklichen und sicheren Gleihgewichte führen. Neben diesen Reformen findet jene für die Unifikation der Strafgeseßgebung und für die Verbesserung der kommerziellen Geseßgebung ihren Plaß. Eine nicht mindere Sorgfalt wer- den die ernsten ötonomikcen Probleme, die Eisenbahnfrage, der maritime Postdienst und die Handelsverträge erheischen und so wird die Kammer würdig die Durhführung des Pro- gramms von Stradella eingeleitet haben.“

Griechenland. Athen. Welchen Eindruck, schreibt das W. „Fremdenbl.“ vom 9. d. Mts., die neue tür- fishe Konstitution in Athen hervorgebracht hat, geht aus dem unmittelbar nach deren Bekanntwerden von der Mee Ven Regierung gefaßten Beschlusse hervor, die

üstungen von jeßt an um so energischer zu betreiben. Außer dem Gesetze, welches der Regierung gestattet, aus den etwa 200,000 Mann betragendeu Altersklassen von 20 bis 30 Jahren Aushebungen bis zur Höhe von 120,000 Mann vorzunehmen, ist noch die Bewilligung des Kre- dites von 10,000,000 Drachmen zu erwähnen, der be- reits im Regierungsblatte veröffentliht wurde. Darauf erhält die Regierung die Erlaubniß, ein Anlehen von 10,000,000 Frcs. zu fkontrahiren, welches, nebenbei bemerkt, von den Banken so gut wie gedeckt ist. Zur Amortisirung und Sicherstellung dienen die Zolleinkünfte von Zante. Der Betrag dieser Anleihe soll zur Vervollständigung der Bewasff- nung der Armee, zur Verstärkung der Flotte und Anschaffung von Torpedos verwendet werden. Gleichzeitig wird eine Tor-

pedoschule in Athen errihtet und werden Versuche im Pyräus

angestellt. Zur Verwaltung der zahlreichen Privatbeiträge zu patriotischen, militärishen Zwecken wurde eine Kommission aus angesehenen Bürgern eingeseßt, welche den Namen eines Comités der Nationalvertheidigung führt.

Türkei. Konstantinopel, 9. Januar. (W. T. B.) Telegramm der „Agence Havas“: Nachdem die Bevoll- mächtigten der Mächte in der gestrigen Sibßung der Kon- ferenz die Erklärung abgegeben hatten, daß sie auf ihren Vorschlägen bestehen müßten, da mehrere Punkte derselben bereits in dem Reformprojekte des Grafen Andrassy enthalten seien, hätten die Delegirten der Pforte zu verstehen ge- eben, daß sie eine Diskussion auf der Basis des Pro{ektes des Grafen Andrassy annehmen könnten. (W. T. B.) Die rumänische Regierung hat der Pforte die Erklärung zugehen lassen, daß ihre Rechte durch den Artikel 7 der türkishen Verfassung verleßt seien und daß sie sich in Folge dessen von jeder Lehnspflicht der Pforte gegenüber für entbunden halte und der Leßteren - die Verantwortung für die etwaigen Folgen überlassen müsse. Der „Phare du Bosphore“ führt aus, daß ein einziger Punkt des in der Präliminar-Konferenz aufgestellten dpa enügen würde, um alle übrigen bisher aufgestellten Vor- {läge zu erseßen, denn diese liefen alle nur auf eine Grenz-

regulirung oder Schaffung einer privilegirten Provinz hinaus. Daher würde die Pforte, selbst wenn die Mächte einen Theil ihrer Vorschläge zurückziehen wollten, die anderen doch stets ablehnen. :

10. Januar. (W. T. B.) Die nächste Sißzung der Konferenz ist auf Verlangen der türkishen Delegirten auf

Donnerstag vertagt worden. Heute findet ein türkischer

Ministerrath statt.

(W. T. B.) (Telegramm der „Agence Havas“.) Wie verlautet, bereitet die Pforte für die Konferenz cinen Entwurf auf Grund der Note des Grafen An- drassy vor. :

Wien, 9. Januar. (W. T. B.) Ueber die gestrige Konferenzsizung enthält die „Politishe Korrespon - denz“ ein Telegramm vom heutigen Tage aus Konjran

. megro liegen die Dinge ganz anders.

tinopel, welches, abweichend von anderen Mittheilungen, den Verlauf der Sißung als „aller Voraussicht entgegen nicht un- günstig“ bezeichnet und folgendes Nähere meldet : Der italie- nische Bevollmächtigte, Corti, ging zunächst auf die in der vorleßten Sißung der Konferenz vorgebrachten Argumente Savfets ein und hob hierbei das Unlogische in den türkischen Gegenvorschlägen hervor; auch erinnerte derselbe die türkischen Bevollmächtigten daran, daß sie die in dem Reformprojekt Des Grafen Andrafsy vorgeschlagene Kommission angenommen

ätten, während sie die jeßt blos für ein Jahr projektirte internationale Kommission zurücckwiesen. Der Marquis von Salisbury unterstüßte niht nur die Ausführungen des italienishen Bevollmächtigten, sondern wies auch nach, daß die Vorschläge der Konferenz die prinzipiellen Grundlagen des englishen Konferenzprogramms nicht überschritten. Dieser Uebergang auf ein beiden Theilen gemeinsames Gebiet, heißt es in dem Telegramm der „Politischen Korrespondenz“ weiter, veranlaßte eine fonziliante Verhandlung, in welcher „mancher Punkt prinzipiell erledigt wurde“.

Die Spitzen der Armee Mouhfktar Paschas sind, wie der „Pol. Korr.“ mitgetheilt wird, in Rustshuk eingetroffen, nah einem Marsche von 27 Tagen über Novibezar, Mitro- viga, Nish, Sophia, Urhanié und Plewna. Eine Division des herzegowinischen Corps hält bereits Tirnova und seine rein bulgarischen Distrikte, also Grabova und Elena, beseßt. Der Rest foll in Tultscha und Umgegend aufgestellt werden, wo bereits andere starke Abtheilungen aus Nisch, Konstan- tinopel und Asien angelangt sind. Die Stärke des dort kon- zentrirten Operationsheeres foll auf 100,000 Mann gebracht und eine Reserve von 80,000 Mann in Schumla zusammen- gezogen werden. Vor Juni dürfte man jedoch \{werlich die oben genannte Kombattantenzabl auch nur annähernd zu ver- vollständigen in der Lage sein.

(W. Fremdenbl.) Unter dem Titel „Die Türkei und Guropa“ veröffentlicht die „Turquie" eine Art Apologie der bis jeßt von der Pforte der Konferenz gegenüber eingehaltenen Po- litik. Das offizisse Organ des jeweiligen Großveziers leitet aus den seitherigen Unterhandlungen vier Thatsachen ab. Einmal, daß die Konferenz in der offen ausgesprochenen Absicht zusammengetreten ift, das Loos der orientalischen Christen zu verbessern, ohne die Integrität und die Unabhängigkeit der Pforte zu beeinträch- tigen. Dann, daß, allem diplomatishen Brauche zuwider, die Vertreter der Mächte in Konstantinopel sich ver- fammelt haben, um, mit Außs{luß der ottomanischen Vertreter selbst, Über ein der Türkei aufzulegendes Programm zu verhandeln. ODrit- tens, daß die Pforte, nab reiflicher Prüfung der großmächtlichen Vorschläge, dieselben zum Theil unter gewissen Modifikationen an- nehmbar, zum Theil, wenn sie, auf ihre nationale Würde und Un- abhängigkeit nicht verzichten will, unannehmbar gefunden hat. Viertens, “daß die Vertreter der Pforte, da sie niht ermächtigt waren, das Maß der in das großmächtlihe Programm einzuführenden Modifikationen zu bestimmen, die Sißung aufgehoben haben, und daß die Konferenz auf Donnerstag, 4. d., vertagt wurde. Nun trete aber eine Kon- ferenz unter zwei Umständen zusammen, entweder vor oder nach einem Kriege. Nehme man den ersten Fall an, so müsse man, um den Frieden zu erhalten, die Interessen der Gegner zu versöhnen und deshalb die ottomanischen Vorschläge anzuhören, zu diskutiren und mit den Vorschlägen Europas in Einklang zu bringen suchen. Im zweiten Falle handle es sich um die Bedingungen, welche dem Be- fiegten aufzulegen seien. Wo sei aber der Besiegte? Die Türkei habe den Aufstand bewältigt, der „von gewissen Nachbar- mächten“ ofen genährt worden, und sei in dem Kriege, den Serbien und Montenegro angefangen, auf der ganzen Linie Sieger geblieben. { Von einem Siege der Türken über Montenegro hat Europa bis jeßt noch keine Kunde gehabt, bemerkt das „Fremdenbl.“ hierzu.) Wie könne unter solchen Verhältnissen Europa dem ottomanischen Reiche demüthigende Bedingungen auferlegen wollen? Dies sei eine geradezu unbegreiflihe und für die " Erhaltung des europäischen Friedens höchst unpraktishe Sache. Die „Turquie“ {chließt hierauf mit einigen, höchst selbstbewußten Worten, die mit der ganzen seitherigen moslemitishen Wirthschaft und den in der Bulgarei rerübten Thaten in \chreiendem Gegensfaße stehen. Sie sagt nämlich: „Indem man die Geduld eines Bolfkes ermüdet, das, wie jedes andere Volk seine Empfindlichkeiten hat, indem man es durch Demüthigung aufreizt, die man ihm ohne Noth auferlegen will, geht Europa sicherlich einem jammervollen Blutvergießen entgegen. Das ottomanishe Volk wird niemals mit eigener

and sein ihm vorgel-gtes Todesurtheil unterschreiben. Es will ebenz es fordert Niemanden heraus, es is ungemein fried- Fertiger Natur, aber es wird niemals den Frieden um den Preis einer Abdikation erkaufen. Was wird Europa unter folhen Umständen thun? Wird es das ottomanische Reih feincm eigenen Schicksal überlassen, oder wird es ihm den Krieg erklären, um es zur Hinnahme seiner eigenen Zerstückelung zu zwingen? Eine nahe Zukunft wird uns sagen, welchen Beschluß die Mächte fassen werden.“ Wir sind niht ohne Aussicht, daß entweder heute oder innerhalb der nächsten Tage die Mächte endlih eine Entscheidung treffen werden, welche der Pforte als Antwort auf ihre von der eZTurquie“ formulirten Fragen dienen kann.

Aus Cettinje wird der „Pol. Korr.“ geschrieben: Für den Fall eines russish-türkishen Krieges wird Montenegro nicht unthätig bleiben. Dagegen dürfte Serbien kaum mehr eine Rolle zu spielen berufen sein. In militärischer Beziehung ctwas zu Leisten, ift es absolut unfähig, wie denn das ganze Land völlig er- \chöpft ist. Der aus Serbien hierher zurücgekehrte montenegrinische Senator Mascha Vrbißa entwirft eine sehr düstere Schilderung von der dortigen militärishen Situation. Das ferbishe Volk will auch von einem Kriege nichts mehr wissen. Die serbischen Milizen find sich sowohl ihrer militärischen Unzulänglichkeit als auch der Ueberlegenheit der feindlihen Waffen bewußt. In Monte- 1 Sein Volksheer ist ungebrochen und durch feine militärishen Erfolge sogar für neue Unternehmungen g &ürst Nikolaus verfügt noch immer über ein Wehraufge- ot von nahebei 18,000 Mann und ift bereit, bei sonstigem Bor- handensein der nöthigen Mittel, den Kampf um fo eher fort- zusetzen, als er und seine Montenegriner ohne eine entsprehende Ent- {chädigung nit geneigt sind, das Schwert in . die Scheide zu stecken. Bari Nikolaus fährt daher fort, troy des Waffenstillstandes, zu rüsten. ine Vergrößerung seiner Subsidien hat er auch erlangt, und so Tann man daran gehen, neue Bataillone zu formiren. Sowohl in Montenegro als in der Herzegowina finden sich noch waffenfähige Elemente genug, die bis jeßt dem Krieg:\hauplate ferne geblieben find. Auch find noch über 1200 Montenegriner in Serbien, die demnächst nach Hause berufen werden follen. Am 30. De- zember feierte Cettinie den Namenstag des Thronfolgers Danilo. Bei dieser Gelegenheit wurde derselbe zum ersten Male mit „Fürstliche Hoheit“ angesprocen. Es ift dies eine Neuerung, welcher das montenegrinishe Amtsblatt bereits die Weihe giebt, in- dem es von „Seiner Hoheit dem Fürsten-Thronfolger" \priht. Der russise General-Konsul Jon in hat es vermittelt, daß das St. Peters- burger Slaven-Comité die Erhaltung der hier weilenden herzegowi- nishen Flüchtlinge ganz übernehmen soll. Damit ist der Fürst- lichen Negierung eine bedeutende Erleichterung verschafft. Die chweren türkischen Geschüße, welhe in Medun den Montenegrinern n die Hände fielen, sind nah Ostrog gebracht worden, um eventuell gegen Niksic verwendet zu werden.

Schweden und Norwegen. Stoe 3. Januar. Der Generalstab ist, wie gemeldet, mit Ausarbeitung der æUebergangsvorshläge“ zur neuen Heeresordnung

zu Ende gekommen und zwar soll, gegen Abschreibung cines Zehntels der Grunds:euern, die Dienstzeit der Bewehrungs-

mannschaften von 30 Tagen auf 62 Tage verlängert werden. |

Den „Hamb. Nachr.“ wird darüber weiter geschrieben :

__ „Die Annahme, daß die Regierung in nächster Session mit der 1875 verworfenen Heere8ordnung8vorlage nochmals ibr Heil ver- suchen werde, gewinnt somit an Wahrscheinlichkeit, denn kaum werden wohl Vorscbläge für ein Uebergangs\tadium zur Diskussion gestellt werden können, wenn nit zu gleicher Zeit ganz genau angegeben wird, wie man die Heeresorganisation definitiv zu gestalten gedenke. Es bedarf durchaus feiner prophetishen Be- gabung, um son heute das Schidsal dieser Vorlagen mit Bestimmt- heit vorhersagen zu können, weder das Provisorium noch das Defini- torium wird in den Augen unserer Bauernpartei Gnade finden und selbst im Schooße der Regierung werden in dieser Beziehung wohl kaum Zweifel obwalten. Die herrschende Partei huldigt eben zu auêgeprägt nihiliftishen Tendenzen, als daß sie eine Landesvertheidi- gung, in dem Umfange, wie sie von der Regierung angestrebt wird, je genehmigen sollte, mit Bewilligung einer 90tägigen Dienstzeit, felbst- redend gegen Abschreibung der gesammten Grundsteuern, glaubt sie des Guten {on mehr denn zu viel gethan zu haben. Eine 62tägige Dienstzeit würde ohne Zweifel den Äbsichten dieser Partei entsprechen, keinesfalls aber wird fch dieselbe mit dem von der Regierung ge- botenen Aequivalent, der Abschreibung von nur einem Zehntel der Grundfteuern, abspeisen laïen und hat deshalb auch diefer Vor- {lag feine Aussicht, den Beifall der Kammern zu finden. Dem Ministerium steht ein harter Kampf bevor, und die bevorstehende Session wird der interessanten Debatten mehr bieten, als je cine ihrer Vorgänger. Außer diesen brennenden Tageëfragen harren übrigens noch andere Vorlagen hervorragender Bedeutung ihrer Er- ledigung. Auch soll der neue Zolltarif bis zur näcbsten Session fertig ausgearbeitet sein und der Reich3tag wird si somit auch über Adopti- rung des Freihandelssystems zu entschließen haben.

Dänemark. Kopenhagen, 6. Januar. (H. N.) Der neue französische Gesandte am dänishen Hofe, Graf Napoleon Duchâtel, welcher den Vicomte de Saint-Ferriol ablösen soll, ist hier angekommen. Der zur Aus- arbeitung eines Gutachtens über den von der Regie- rung vorge!egten Geseßvorschlag, betreffend die Einfüh- rung des metrishen Systems für Maß und Gewicht niedergeseßte Landsthingsausschuß hat jeßt sein Gut- achten abgegeben. Die Mitglieder des Ausschusses, mit Aus- nahme Andrä's, einigen si darin, den Uebergang zum metri- shen System für Maß und Gewicht zu befürworten. An der Spitze eines Artikels über die inneren Verhältnisse des Landes im Jahre 1876 heißt es im heutigen „Fädre- landet“: „Die innere Geschichte des verflossenen Jahres ist sehr wenig inhaltsreich; sie läßt sich in wenigen Worten erzählen : ein öfonomischer Dru, verstärkt durch eine s{lechte Ernte, und ein politischer Dru, verstärkt durch den Ausfall der am 25. April abgehaltenen Folkethingswahlen, haben auf alle Ver- hältnisse s{chwer gelastet und während die Geseßgebungsarbeit fast ganz stille stand, haben wir uns dur unsere öffentlichen Verhandlungen augenscheinlih einer Krise, welche noch unklar ist, aber welche auf jeden Fall gelöst werden muß, näher und näher herangearbeitet.“

9. Januar. (H. N.) Der Reichstag trat wieder zusammen. Krabbe, welcher selbst fungirte, wurde im Folke- thing zum Präsidenten, F. A. Hansen und Högsbro zu Vize- Prästdenten wiedergewählt.

Amerika. Dem „Bureau Neuter“ wird aus Washington

unterm 7. d. telegraphirt: Der Senat hat cine Reso- [lution votirt, in welcher die gehörige Autorität aufgefordert wird, die Citation bei Strafe in Anwendung zu bringen, um die Telegraphengesellschaft zu zwingen, die auf die Präsi dentenwahl Bezug habenden Depeschen dem Untersuchungs- comité zu unterbreiten. e Orleans I Januar (W. L: B.) Heute früh hat sih eine von dem demokratischen Gouverneur befehligte starke Abtheilung demokratischer Miliz des Justiz- gebäudes bemächtigt , demokratishe Richter eingeseßt und auch alle Polizeibüreaus in seine Gewalt gebracht. Der republikanische Gouverneur befindet sich nur noch im Besiße des Staatsgebäudes. Zu Blutvergießen ist es bei dem Vorgange nicht gekommen, die Lage ist aber eine sehr ge- spannte und kritische.

__ Asien. Jn der „Bombay Gazette“ vom 18. v. Mts. liest man :

Die Nachrichten von der Punjab-Grenze lauten nicht be- ruhigend. Die Asridies bereiten grot;e Verlegenheiten und erheischen eine beständige Ueberwachung Seitens unserer Truppen. Sie nahmen neulich eine Demonstration vor dem Fort Madcesfon vor, feuerten aus großer Entfernung auf dasselbe, und sind stets bereit einen Ein- fall zu machen und wegzus{leppen, was ihnen in die Hände kommt. Telegramme aus Lahore schildern die Lage der Angelegenheiten in Cabul (Afghaniftan) und in Mittelasien als fehr unruhig. Es ist wenig Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß daselbst Friede und Ordnung lange erhalten werden, und die Folgen davon dürften {ließlich die indishe Regierung zum Einschreiten zwingen.

Afrika. (A. A. C.) Aus der Transvaalschen Re- publik liegen folgende Meldungen vor:

Ein Feldcornet, Namens Erasmus, mit einer Abtheilung Fr“i- williger griff einen freundlichen Eingeborenenstamm an und tödtete etwa 40 Mitglieder desselben. Andere Freiwillige, die dieser Abthei- lung nit angehören, protestirten gegen dieses Verfahren. Sir Theophilus Shepstone, der britishe Delegirte, befindet sih auf der Reise nah Transvaalien. Die Ernennung des Obersten Eustace zum diplomatischen Agenten bei Kreli hat bei den Eingeborenen- Häuptlingen und Unterthanen Anklang gefunden, Kreli hat indeß die Erwägung der Grenzregulirungsfrage hinausgeschoben.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

New-York, Mittwoch, 10. Fanuar. Jn Folge der Vor- gänge in New-Orleans hat gestern ein Ministerrath stattge- funden, welcher dem Dberbesehlshaber der in New-Orleans stehenden Bundestruppen den Befehl zugehen ließ, die Ruhe und Ordnung in New-Orleans aufrecht zu erhalten, ohne einen der beiden Gouverneure anzuerkennen. Das Staatsgebäude, in welchem si der republikanishe Gouverneur und die Mit- glieder der republikanischen Legislatur befinden, wird durch die Milizen der demokratischen Partei blockirt. Bis jeßt ist es noch nicht zu Blutvergie5en gekommen.

Nr. 2 des „Amtsblatts der Deutschen Reih8-Poft- und De Eg ap Ie a nag hat folgenden Inhalt: Ver- fügungen: Vom 6. Januar 1877. Telegraphen-Uebercinkommen mit Dänemark. Vom 4. Januar 1877. Verschieben von Briefen in Drucksachen. Vom 3. Januar 1877. Abrechnung mit den Eisen- bahn-Telegraphenstationen. Vom 5. Januar 187. Beobachtung der längs Landstraßen angelegten LTelegraphenlinien. Vom 6. Januar 1877. Weiterbeförderung von Lelegrammen mittelst der Post als gewöhnliche, nicht BARU een Briefe. Bescheidungeni: Vom 31. Dezember 1876. erechnung des Portos für das über 10 Kilogramm hinausgehende Gewicht bei mehreren, zu einer Packet- adresse gehörigen Dienstpatcketen.

Statistisché Nachricbtei.

Das Kaiserlihe statistishe Amt veröffentliht in dem jet beraußgegebez1en Heft TV. Abth. 1 der Vierteljahrehefte zur Statistik des Deutschen Reichs für das Jahr 1876 u. A. eine Zusammen- stellung des Werthes der Waarenausfuhr aus Deutsch- land nach den Vereinigten Staaten von Amerika in den Jahren 1874/75 und 1875/76. Dieselbe ist den Aufstellungen der im Deutschen Reiche beglaubigten Konsulate der Vereinigten Staaten entnommen und da nach der Zollgeseßzgebung der leßteren jeder Waarenversender den Werth der Sendung zu deklariren und die Richtigkeit des angegebenen Preises eidesstattlich zu versichern hat, auch die Werth8deklaration mit dem Attest des nächst gelegenen amerifanishen Konsulats versehen sein muß, weil sonst die Waare bei ihrer Ankunft im amerikanischen Eingangshafen in der Regel nit zolamtlih behandelt wird, fo ist anzunehmen, daß die von den

| betreffenden Konsulaten aufgestellten Werthsangaben durchaus zuver-

lässig und vollständig sind. Danach betrug der deklarirte Werth der

in der Jahresperiode 30. September 1875/76 aus Deutschland nah

den Vereinigten Staaten von Amerika ervortirten Waaren (1 Dollar = 4,20 Æ angenommen) 103,441,871 Æ, wogegen in derselben Pe-

riode des Vorjahrs der Werth- diefer Ausfuhr fi auf 126,734,450 4

belaufen hatte. Derselbe hat somit von 1874/75 auf 1875/76 um

23,292,579 oder 18,4%/9 abgenommen. In den einzelnen Konsu-

latébezirken ergaben sich folgende Zahlen :

1875/76. 1874-75.

23,806,335 9,921,093 2,746,115 2,372,215

14,658,576 3,174,259

9,832,259

1) Barmen .

2) Berlin.

3) Bremen

4) Braunschweig 5) Chemnis . 6) Dresden

7) Hamburg s 8) Leipzig . 6,599,191 9)Sktettin . . 1,633,846

10) Franffurt a.M. 7,517,143

11) Mannheim 5,249,147

12) München . 2,061,272

13) Nürnberg . 6,328,720

14) Sonneberg 3,733,766 5158304 1,424,598

15) Stuttgart . 3807934. 4646090 838,156 Zusammen . . 103,441,871 M 126734450 Æ 23,292,579 M

Paris, 8. Januar. (Fr. Corr.) Die Bevölkerung der Stadt Marseille ist nah der so eben vollendeten Zählung seit dem Jahre 1872 nur um 5878, nämlich von 312,864 auf 318,742 Einwohner gestiegen.

Ueber die Cisenbahnen der Türkei entnimmt die „Magd. Ztg.“ einem Bericht, welcher kürzlih dem Verein der Parifer Civil- Ingenieure abgestattet wurde, folgende Angaben: In der europäischen Türkei befinden sih gegenwärtig folgende Bahnlinien im Betriebe-

1) Konstantinopel-Adrianopel-Belowa 670 Kilometer,

A n. f

Saa 224 L

4) G E 6 63 z

9) Oeritanly. CLirnova)-Sawolt .. . . « 105 L

6) Bourgas (Adrianopel)-Dedeagutsch-Kuleli . 111 H

7) Banjalula-Iovi- Node 102 z Zufammen: 1533 Kilometer.

Unter normalen Verhältnissen erbringen die Linien zu 1, 3 und 6 eine Einnahme von ca. 7000 Fr. pro Kilometer und Jahr, dagegen die Linien zu 2 und 4 nur 4000 Fr., endlich die Linie zu 7 nur 500 Fr. :

Da Ny a. K

11,681,628 10,838,868 1,614,770 9,570,536 4,994,149 2033,527 7,852,622

2 053,393 254,998 27,745 1,523,902

m. Q +4 E Q Q D. U D. 0M G‘ T. D

I

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

__ Freiherr v. Richthofen, der bekannte Geolog, hat dea ersten Band seines Werkes über China, zu dessen Fertigstellung ihm die Königliche Akademie der Wissenschaften eine namhafte Unterstüßung gewährte, erscheinen lassen.

Der Archidiakonus Oskar Sc{bwebel in Cüstrin, dessen Name durch geschichtlide Beiträge in hiesigen Zeitungen bekannt, hat vor Kurzem im Verlage von Alfr. Weile hierselbst „Kultur- historishe Bilder aus der alten Mark Brandenburg“ (373 S.) herausgegeben. Diese „Kulturhistorish:n Bilder“ für einen weiteren Les.rkreis bestimmt halten fi, obwohl streng nah den Quellen bearbeitet, doch von Tritisher und gelehrter Art fern und geben in anmuthiger und lebendiger Darstellung in 20, meist von einander unabhängigen Aufsäten Skizzen aus der älteren Ge- \chichte der Mark Brandenburg, von den Wenden, den alten Be- wohnern der Mark, und den Kämpfen der in dies Land eindringenden Deutschen an bis auf das Reitergefebt, mit dem die Schlacht bei Fehrbellin am 18. Juni 1675 begonnen. Die meisten Schilderungen aus dem Leben der märkiswben Vorzeit sind an weniger bekannte Ereig- nisse angeschlossen und wie sie selbst die Liehe des Verfassers zu seiner Heimath allenthalben deutlich zeigen, wobl geeignet, auch in den Herzen Anderer die Anhänglichkeit an die Mark Brandenburg zu erweckden. Auch die äußere Ausstattung des Buches läßt nichts zu wünschen übrig.

London, 6. Januar. (E. C.) Am 9. Januar begiebt si Lieutenant Kitchener mit vier Ingenieuren nach Palästina zur Scchlußvermessung des westlichen Theiles, Nivellirung des Sees von Galilea und Revision der Landkarten. (Dagegen verbleibt Lieutenant Conder hier zur Ausarbeitung seiner Notizen.) - Selbst der Jakobs8- brunnen soll, wo möglich, ausgegraben und wiederhergestellt werden. Eine Summe von 50 £ ift von einem Gelehrten, eine andere von 100 £ von einer Dame zu dem Zwecke geschenkt worden.

Paris, 7. Januar. Zum Unter-Direktor der s{chönen Künste ist Hr. de Beauplan, Chef des Theaterbureaus, ernannt worden. Durch Verfügung des Präsidenten ist an der Sule für die lebenden orientalischen Sprachen ein Lehrstuhl für die russische Sprache errichtet worden.

Gewerbe und Sandel.

Leipzig, 6. Januar. (D. Allg. Z.) Das Hauptgeschäft in dieser Messe hat sib um Mustersachen gedreht; Spremberg, Kottbus, Peiß, Forst, Crimmitschau und Werdau machten gut, aber immer nur zu ¡ehr gedrüdcktten Preisen ; die billigsten Sachen wurden vor der Meffe zu Hause, wo überhaupt das Absatgeschäft seit Ostern ununterbrochen gut gegangen ist, verkauft, indeß gleichfalls nur zu gedrücten Preisen. Glatte Tuche, {warz mit Glanz und matt, waren ziemlich viel am Plate und wurden in großen Quantitäten zu ge- drückten Preisen verkauft. Hauptfkäufer waren Niederländer, viele Süddeutshe und Hamburger. Die diesmalige Messe wurde vorzugsweise von kleinern und mittelgroßen Tuchfabrikanten besucht, größere Etablissements waren nicht vertreten. Der Hauptabsaßz be- stand zu drei Theilen in Burxkins und zu einem Theile in glattem [chwarzem Tuch mit Glanz und matt. Matte shwarze Tuche führen k auf allen Märkten immer besser und mehr ein und verdrängen die schwarzen Tuche mit Glanz, leßtere besonders in billiger Waare von 16—25 Gr. per Berliner Elle. Von 25—40 Gr. per Berliner Elle wurden in großen Quantitäten matte Tuche umgeseßt, unter diesen Preisen wurden Waaren nicht gehandelt. Die Zufuhren in Tuch und Burkins waren diesmal beträchtlicher, namentlich in Tuch, als in anderen Neujahrsmeffen.

Nach den soeben veröffentlibten Ausweisen des Briti- \chen Handelsamtes für den Monat Dezember belief sih der Gesammtwerth der Ausfuhr auf 15,269,520 Pfd. Sterl. gegen 17,297,543 Pfd. Sterl. im Dezember 1875, d. i. eine Verminderung von ca. 12%, während gegen Dezember 1874 eine Abnahme von 141 9% zu verzeichnen ist. Von den hauptsächlihsten Erportartikeln figurirt Baumwollengarn mit einer Zunahme von 132 %% in der Quantität, aber der Werth der Ausfuhr hat si um 1 % verringert. Leinen- und Jutegarn nahmen 91% in der Quantität zu und 32% im Werthe ab. Leinwand nahm 204 % in der Quantität und 245 “/o im Werthe ab, Wollen- und Kammgarn, Wollen- und Kammgarne