1877 / 9 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Jan 1877 18:00:01 GMT) scan diff

A

T E S S S INIER

Behauptung (resp. Vermuthung?) in einer der „Const. Ztg.“ |

zugegangenen Berichtigung für unzutreffend erklärt.

Hessen. Darmstadt, 9. Januar. Der Fürst und die Fürstin zur Lippe sind heute zum Besuche des Groß- herzogs hier eingetroffen. Der Finanz-Ausschuß der Zweiten Kammer lehnte es nah dem vom Abg. Theobald erstatteten Bericht im Einverständnisse mit dem Be- \{lusse der Ersten Kammer ab, eine Erhöhung der Pensionen der vor dem Jahre 1872 in Ruhestand getretenen Volks- Schullehrer bei der Regierung zu befürworten. So gerne der Ausschuß bereit sei, auf die Verbesserung der Lage der älteren pensionirten Schullehrer hinzuwirken, so stünden doch die bereits in Erster Kammer geltend gemachten Bedenken zu gewichtig entgegen.

Meeklenburg. Neustreliß, 6. Januar. (Nstr. Ztg.) Die Großherzogin, welche seit etwa 14 Tagen täglich hier erwartet wurde und durch die ungewöhnliche Heftigkeit der Stürme an der englischen Küste bisher an der Ueberfahrt über das Meer verhindert worden war, is vorgestern Nachmittag na längerer Abwesenheit aus London in erwünshtem Wohl- sein hierher zurückgekehrt.

Hesterreich - Ungarn. Wien, 9. Janus Die Besserung in dem Befinden des Erzherzogs Rainer schreitet in so erfreulicher Weise vor, daß die Ausgabe weiterer

Bulletins eingestellt wurde. Jn Bezug auf die Bankfrage findet, wie dem „Prag. Abdbltt.“ berichtet wird, zwischen den beiderseitigen Regierungen neuerdings ein schriftlicher Ge- dankenaustausch statt, von welchem man fih sowohl diesseits wie jenseits der Leitha einen günstigen Erfolg verspricht. Man glaubt, daß die Nationalbank mit einem neuen Vor- schlage hervortreten werde, der als Grundlage für neue Ver- handlungen dienen wird. Der „Presse“ zufolge dürste die Session des dalmatinishen Landtags, der bekannt- lih am 15. d. M. zusammentritt, nur kurz sein und höchstens zwei bis drei Wochen dauern. Der Einberufung des Land- tages liegt, wie das genannte Blatt bemerkt, hauptsächlich der Zweck zu Grunde, die Uebelstände zu beseitigen, welche ! in Folge des Konfliktes zwischen dem Landesausschusse und dem bisherigen Landtagspräsidenten Ljubisa hinsichtlih der autonomen Verwaltung in Dalmatien entstanden sind.

Pest, 9. Januar. Bezüglih der A usgleichs-Ver- handlungen meldet der „Pest. Lld.“, daß ih der Kaiser schon im Besiße der Aeußerung der österreichischen Regierung ilber das Memorandum des ungarischen Kabinetes befindet, mithin sei die Bankfrage in jenes im römischen Rechte mit dem lapidaren Satze gekennzeichnete Stadium getreten : Sub judice lis est! Dasselbe Blatt veröffentlicht eine ihm von „österreichischer Seite“ aus Wien zukommende Zuschrift, in welcher der Majorität des Abgeordnetenhauses der Gedanke nahe gelegt wird, „in einer großen Parteikonferenz jenes posi- tive Votum gan# entschlossen auszusprechen, das die Ansprüche dieser Reichshälfte in der Bankfrage formulirt und damit das Schifsal dieser wie des Ausgleichs und des Kabinets ent- scheidet.“ Das Abgeordnetenhaus wird am 20. d. M. seine Sißungen wieder aufnehmen. Den ersten Gegenstand der Verhandlunven wird der Bericht der Schlußrehnungs- Kommission über die 1874er Schlußrechnungen bilden.

Großbritannien und Jrland. London, 9. Januar. (E. C.) Die Königin, welche Anstalten zur Uebersiedelung nah Osborne treffen läßt, hat gestern Gegenbefehle erlassen, vermuthlih wegen des anhaltenden Unmwetters, und ver- bleibt Jhre Majestät einstweilen auf Schloß Windsor. Bei dem gestrigen Ministerrathe waren wieder alle Minister anwesend. Graf Beust kehrt am nächsten Donnerstag wieder hierher zurück. Die Adresse des Unterhauses in Antwort auf die Thronrede wird von Lord Galway, einem irländishen Peer und (konserv.) Vertreter von North Nottinghamshire, beantragt und von Sir John Torr, dem (konserv.) Vertreter von Liverpool, unterstüßt werden.

Die „Engl. Korr.“ schreibt : Die Alabamafrage, welche durh das Schiedsgericht zu Genf erledigt wurde, erhält allem Anscheine nah ein Nachspiel :

Die Vollmacht des zur Prüfung der Schadenersaßzansprüche und dem entsprechender Vert eilung der Gelder in Amerika niedergesekten Aus\chusses is am Ende verflossenen Jahres abgelaufen, ohne daß der Kongreß dieselbe verlängert oder Vorkehrungen behufs Verthei- lung der noch übrigen Gelder getroffen hätte. Die Summe dieser Gelder ist nun ziemlich bedeutend. Die ursprünglich einge- zahlten 15,500,000 Doll., welche das Genfer Schiedsgericht als Ent- schädigung den Vereinigten Staaten zuerkannt hatte, waren, in 5prozentigen amerifanishen Staatspapieren angelegt, bis auf etwa 18,500,000 Doll. angewachsen. Der Ausschuß hatte nur über 9 Millionen verfügt, indem er „alle Ansprüche der Besitzer versicherter Schiffe, welche von den betreffenden konföderirten Kapern „Alabama“ und „Florida“ genommen worden waren, ebenso wie die der entspre- henden Versicherungêgesells{aften zurückwies und nur solchen Rhedern Schadenersaßz zuerkannte, diz dur irgend welche Versicherung nicht gegen folhe Verluste ges{ützt gewesen waren. Es bleibt des- alb ein Uebershuß von 79,003,000 Doll., über deren Verwendung der

. Regierung der Vereinigten Staaten das Recht zusteht. Was soll nun damit geschehen? Der Times- Korrespondent aus Washington \hreibt vom 26. Dezember, es mache sih im ganzen Lande starke Neigung geltend, daß der Kongreß nach Befriedigung aller unmittel- baren Forderungen fein Recht habe nach sonstigen Leuten, die An- \spruch auf das Geld haben könnten, umherzuspüren, son- dern verpflichtet sei, die Restsumme England zurückzuzahlen. Die „Times“, diese Mittheilung mit „unparteiishem aber bewunderndem Interesse“ verzeichnend, sucht \sch über die

Rechtsfrage klar zu werden. Ausgehen? von dem Grundsaße, wenn ein angenemmenes Schiedsgericht bestimmt habe, daß eine be- sondere Summe zu einem þesonderen Zwecke verwandt werde, so sei es unthunlich, einen anderen Gebrauch davon zu machen, folgert das

leitende Blatt: Das Genfer Schiedsgericht seßte die Summe von

15,500,000 Doll. als Schadenersaß fest, nicht für « Verluste am Nationalvermögen, sondern am Privatbesiz und in der That würde der angenommene Betrag auch überaus gering im Verhältniß zum Gesammtverlust der VYêation agg Der Schaden der Versicherungsgefellshaften sei aber wie auch der Vertheilungsaus\{huß entschieden kein individueller und könne deshalb niht in Betracht kommen. Wenn ihnen Entschädigung ge-

währt würde, wo solle dann aufgehört werden ? Würden nicht mit gleichem Rechte auch mittelbar geschädigte Rheder und Kaufleute von

Neuem ihre Ansprüche geltend zu machen suchen? Was aber solle geschehen. da doch die Regierung als Vertreterin der Nation, deren Gesammtverlust ausdrücklih als nicht in Betracht kommend ange-

sehen werde, auch keinen Anspruch erheben könye? Ohne ich aus- drüctlih dahin zu äußern, giebt die „Times“ zu verstehen, daß sie die mit „bewunderndem Interesse" vernommene Idee einer Rüczahlung an

| Ansrruch der Versicherungégesellscaften als allein berechtigt an. Durch | Zahlung der versicherten Summe an die Rheder - und Verfrachter seien sie rechtlih an deren Stelle getreten, denen gebühre die Rest- summe. Die indirekten Schadenansprüche von anderen Kaufleuten und Rhedern seien gar nicht damit zu vergleih:n. Eine Entschädi- gung der Versicherungsgesellschaften würde für sie keinen Präzedenz- fall bilden. Wie eine neueste Depesche aus Am-rika zu berichten weiß, hätte nun der Präsident Grant wiederum andere An- \chauungen. In einer Unterredung mit dem Washingtoner Korrespon- denten der New-Yorker „Afsociated Preß“ hätte der Präsident die Meinung ausgedrückt, daß die Vereinigten Staaten den ganzen Be- trag der Zuerfennung behalten sollten, da derfelbe geringer sci, als der Werth der zerstörten amerikanishen Schiffe, und daß irgend ein Ueberschuß zur Wiederherstellung der durch die fonföderirten Kreuzer beschädigten amerikanischen Handelsmarine verwendet wer- | den sollte.

Frankreich. Paris, 9. Januar. Der „Moniteur - zeigt heute an, daß keine weitere Personalverände, rung unter den Präfekten zu erwarten sei, dagegen werde eine einheitliche Bewegung unter den Unterpräfet ten auf breiter Grundlage stattfinden. Die „Corr. Havas“ bringt * folgende Mittheilung: „Frrthümlih be- rihteten mehrere Zeitungen, der obere Handels-, Ackerbau- und Gewerberath werde in der zweiten Hälfte des Monats Januar zusammentreten, um den Generaltarif der Zölle, welcher der Regierung als Grundlage seiner Unterhandlungen mit den fremden Mächten, betreffs Erneuerung der Handelsverträge dienen soll, zu berathen. Die Säße dieses Generaltarifs wurden vom oberen Rath schon in seiner Session vom Monat Dezember 1876 vereinbart, und der Rath, der sich am 23. Januar wieder versammelt, wird bloß seine Verhandlung über die zeitweiligen Zulajsungen fortsegen. Jn feiner Session vom Monat Dezember fonnte der Rath diese Frage nur mit Bezug auf Eisen und Gußeifen erörtern, da eine gewisse Anzahl seiner Mitglieder dem Finanz- aus\shusse des Senates angehörte und unverzüglich das von der Deputirtenkammer angenommene Budget prüfen mußte. Die bevorstehende Berathung des oberen Handelsrathes wird sich auf die Frage der zeitweiligen Zulassungen eines der wichtigsten Zweige der französischen Jndustrie, die Jn- dustrie der Gewebe, beziehen.“ Das Rundschreiben des Justiz-Ministers Martel, worin derselbe die Bischöfe auffordert, am 14. Fanuar, wie dieses ein Artikel der Verfassung vorschreibe, öffentlihe Gebete an- zuordnen, um den Segen des Himmels auf die Arbei- ten der Kammer herabzurufen, hat bei den Klerikalen Anstoß erregt. Die „Köln. Ztg.“ schreibt: „Die Klerikalen sind ent- rüstet, daß der Minister nur das Gefeß anrust. Der größte Theil der Monseigneurs, namentlih der Erzbischof von Be- sançon und der Bischof von Coutances, rügten dieses auch ganz offen in ihren Hirtenbriefen, worin sie die Gebete an- oronen, und vedauern, daß der Minister nicht gesagt, „daß Frankreich nur durh die Kirche gerettet werden könne.“ Wie die „Défense sociale“ erfährt, beträgt die Summe aus den Staatsausgaben von 1870, für welche die Ober-Nechnungskammer die nöthigen Belege vermißt,

247,959,355 Francs 74 Centimes. D -„Aiglêè- das in Ajaccio erscheinende bonapartistische Blatt,

wird, der „Köln. Ztg.“ zufolge, wegen Veröffentlihung einer Adresse an die Kaiserliche Familie gerichtlih ver- folgt. Eine Flugschrift, deren Verfasser nicht genannt wird, aber ein ehemaliger Offizier sein soll, if eben unter dem Titel : „Die Wáhrheit über die Landwehr“ in Saint-ODmer erschienen. Dieselbe beschäftigt sich insbesondere mit den Cadres der Landwehr, die sie ganz unzureihend nennt. Fn der Jnfanterie z. B. wären nach dem Verfasser kaum. ein Drittel der Offizicrsstellen beseßt und 800 Compagnien ohne Hauptmann. Nach der Berechnung des Verfassers könnte mit 4 bis 5 Millionen den hervorgehobenen Mängeln abgeholfen werden.

Versailles, 9. Januar. Eine große Anzahl von Mit- gliedern des linken Centrums und der Linken hat fol- genden Antrag auf den Tisch der Deputirtenkammer nieder- gelegt :

Art. 1. Das Geseß vom 20. Mai 1874 über die Garnisons- geistlihkeit wird abgeswafft. Art. 2. Ein Verwaltungsreglement wird für die Bedürfnisse des Gottesdienstes in den Lagern und den detachirten Forts, wo Truppen versammelt sind, Sorge tragen.

Jn Abgeordnetenkreisen zirkulirt dersVorschlag, man solle den Präsidenten der Republik ersuchen, daß er eine Kongreßsißung zur Revision des Art. 8 des Geseßes über die Organisation des Senats einberufe. Der Artikel ist derjenige, welcher auf die Kompetenz des Senats in Budget- fragen Bezug hat. „Der Gedanke geht, bemerkt die „Köln. 3tg.“, nicht von Radikalen, sondern von Leuten aus, welche den Art. 8 etwa so auslegen, wie er bei der jüngsten Gelegen- heit praftish gedeutet worden ist. Sie sagen, man würde jeßt in Ruhe und ohne durch fonkrete Streitsragen gereizt zu sein, die formelle Kompetenzfrage erledigen und damit den jeßt nur vertagten Konflikt zu Ende bringen.“

10. Januar. (W. T. B) Dér Senat Yat den bis? herigen Präsidenten, Herzog Audiffret-Pasquier wiedergewählt. Zu Vize-Präsidenten wurden die Sena- toren Ladmirault, de Kerdrel, Duclerc und Graf Rampon gewählt. Die bisherigen Sekretäre und Quästoren wurden sämmtlih wiedergewählt.

Spanien. Vitoria, 9. Januar. (Ag. Hav.) Briefe aus Pampeluna versichern, daß zwischen der Regierung und Na- varra ein Vergleich zu Stande gekommen sei. Heute findet eine Versammlung statt, der der General Quesada und die provisorischen Civil-Gouverneure der baskischen Provinzen beiwohnen werden.

Türkei. Konstantinovel, 10. Januar. (W. T. B.) Die „Turquie“ meldet, daß die Pforte, nachdem die rumä- nische Regierung Einsprache gegen die Artikel 1, 7 und 8 der türkischen Verfassung erhoben hatte, sih beeilte offiziell zu erklären, daß die türkische Verfassung lediglich innere An- gelegenheiten betreffe und durhaus niht gegen die durch internationale Verträge garantirten Rechte der Fürstenthümer gerichtet sei.

(W. T. B.) Der Ministerrath hat sich heute über die Seitens der türkischen Delegirten in der morgenden Sizung der Konferenz abzugebende Erklärung schlüssig ge- macht. Voraussihtlich wird demnach in derselben die Dis- fussion fortgeseßt werden. Der englishe Botschafter Lord Elliot hatte heute beim Sultan Audienz. :

Wien, 10. Januar. (W. T. B.) Der „Politischen Korrespon- denz“ wird aus Konstantinopel gemeldct, daß der türkische

England für gerechtfertigt hält. Anders die „Pall Mall Gazette“ : Gegen die Beweisführung der „Times“ auftretend, erkennt sie den

Ministerrath gegenüber dem Proteste der rumänischen Regierung gegen die Artikel 1, 7 und 8 der türkischen Ver-

| fassung beschlossen habe, der rumänischen Regierung eine offizielle Jnterpretation dieser Artikel zuzustellen, welche alle ihre Bedenken über das fünstige staatsrechtlihe Verhältniß Rumäniens zur Türkei zu beseitigen geeignet sei. ; Der „Moniteur“ sagt über die Haltung der türki- schen Diplomatie. Die Vforte beschränke sih nicht darauf den so gerechten und gemäßigten Forderungen Europas eine Verfassung, die niemals in Wirksamkeit treten werde, ent- gegenzustellen; sie biete jogar Alles auf, um den Sinn der ihr unterbreiteten Vorschläge zu entstellen, und bemühe si die äußerst vorsichtig abgefaßten Reformen in Forderungen, wel é ihrer politishen und geographischen Fntegrität zu nahe treten sollen, umzugestalten. So suche die offizióse Presse von Kon- stantinopel den türkishen Fanatismus aufzuheßen, indem sie ihm den Glauben beibringe, die Konferenz schlage dem Sultan eine ausländische, Beseßung Bulgariens und, als bleibende Institution, eine internationale Kontrols-Kommission vor. Das sei, meint der „Moniteur“, vergeblihe Mühe. Wenn Bul- garien beseßt werden solle, so werde es durch eine türkische nicht aber eine fremde Spezialtruppe sein. Und wenn cine internationale Kontrols-Kommission eingeseßt würde , so wäre dies höchstens auf die Dauer eines Jahres. Die Pforte gebe sich zwar eine unendlihe Mühe, um die öffentlihe Meinung irre zu führen, allein es werde allmählih Licht und in nicht langer Zeit werde es s{wierig sein, zu behaupten, daß die Mächte bei Aufstellung ihres Programmes von den Vorschristen der Klugheit und der Mäßigung abgewichen seien.

Das Gegenprogramm der Pforte den Forde- rungen der Konferenz gegenüber lautet nah dem „N. W. Tgbl.“: 1) Die Pforte ist bereit, anzuerkennen, daß Bulga- rien cine vorwiegend cristlihe Provinz ist, und demgemäß erbötig, für diese Provinz das vorgeschlagene Arrangement einxr christlihen Verwaltung zu acceptiren. 2) Was Bosnien und die Herzegowina betrifft, so ist es der Pforte unmöglich, von der Thatsache zu abstrahiren, daß sich in diesen beiden Ländern das ristlihe und das muselmanische Element vollständig die Wagschale halten und sie muß es daher ablehnen, die Verpflihtung auf sich zu nehmen, sich zur Verwaltung dieser Provinzen für immer und ausscließlich nur ristliher Gouverneure zu bedienen, und dies um so mehr, als die Verfassung, welche {hon bis jebt die sreudige und dankbare Zustimmung der Bevölkerung aller Rafsen und Kulte gefunden, in ausreihender Weise vor- reibt, daß dieBeamtenstellen „den fähigsten und den ehrenhaf- testen Männern“, ohne Unterschied, ob sie Muselmanen oder Chrisien find, verliehen werden sollen. 3) Die FJdee ciner mil itärishen Ofkkupation irgend einer Pro- ving des türkischen Reiches, möge sie sich unter welcher Form immer verhüllen, wird positiv und nachdrüdck- lich zurückgewiesen. Die beste Garantie, die Europa für die Durchführung der Reformen geboten werden kann, sind die Rechte, welche den Christen ebenso wie den Muselmanen in der Verfassung cingeräumt wurden. 4) Eine Entwaffnung der Muselmanen erscheint überflüssig, nachdem fortan auch die Christen werden Waffen tragen dürfen, und dieses Recht voil - den. Einen, Wie dil Ada U M dél

vom Gesetze vorgeschriebenen Grenzen ausgeübt mwer- den wird. 5) Die Pforte ::acht keine Schwierigkeiten,

die Drina als Grenze zwischen Serbien und der Türkei fest- zustellen. Aber im Jnteresse der Sicherheit des türkischen Reiches und des Wohles der serbischen Bevölkerung selbst fordert sie die Schleifung aller auf serbishem Gebiete befindlichen Festung en. Gleichzeitig appellirt sie an den Gerechtigkeits- sinn de: Mächte, indem sie die Ansicht ausspricht, daß sie cin Recht hat, von einem treubrüchigen Vasallen, wie dies Fürst Milan ist, eine Kriegsentschädigung zu verlangen. 6) Jn Ansehung Montenegros anerkenne die Pforte die Legiti- mität einer Grenzberichtigung und selbst einer Cedirung des Hafens von Spizza, doch macht die Pforte dies von der Be- dingung abhängig, daß der Fürst von Montenegro im Aus- S für diese Begünstigungen sich als Vasallen des Sultans erkläre.

Der „Pol. Korr.“ wird aus Konstantinopel, 5. Ja- nuar geschrieben: - __ Allgemein war die Ansicht vorherrschend, daß die gestrige Kon- ferenzsißzung die letzte sein würde und daß die Pforte die Vorschläge Europas unter Aufrechthaltung ihres eigenen Gegenprogrammes zurück- zuweisen fortfahren werde. Die accreditirtesten türkischen Blätter, wie „Vakit“ und „Bafsiret“, drüctten sich in dieser Beziehung in einer Weise ans, daß über den Beschluß der Pforte kein Zweifel mehr gestattet war. Die genannten Blätter erklärten, daß die Kon- ferenz nichts Besseres zu thun hätte, als si aufzulösen und in ihrer Hocbherzigkeit stellten sie es den De!egirten der Mächte anheim, entweder heimzukchren oder, wenn sie wollten, in Konstantinopel zu bleiben. Glücklicherweise stand der gestrige Verlauf der Konferenz mit dieser Sprache der offiziösen türkishen Presse nicht im Einklange. Anstatt die ablehnende Antwort der Pforte zu wiederholen, eréffnete Savfet Pascha die gestrige Sißung mit der Verlesung eines Motiven- erposés über die Ablehnung. Dieses Schriftstüci, fehr gescickt abgefaßt, hat einen gewissen Eindruck auf die Delegirten hervor- gebracht und gleichzeitig den Berathung:n die Bahn geöffnet, von welchen man besorgte, daß sie durch eine entscheidende Ablebnung in brüsfer Weise würden unterbrochen werden. Von diesem Momente an war von dem in der früheren Konferenzsißzung vorgebrachten türkishen Gegenprogamme nicht mehr die Rede. Die türki- {hen Bevollmächtigten, ohne endgültig die Diskussion der vor- her von ihnen als unzulässig erklärten curopäischen Vor- {läge anzunchmen, gingen thatsächlih in die Berathung derselben Vorschläge ein. Es wurde dies als ein brdeutender Schritt vorwärts zu Gunsten des Pacifikationswerkes betrahtet. Die Berathung hat bis 47 Uhr Nachmittags gedauert, ohne zu einem Resultate zu führen, und wurde die Sißung neuerlih bis zum nächsten Montag vertagt. Die Dinge sind nit weit gediehen; aber man ist andererfeits noch nicht auf dem Punkte, um einen Abbruch der Verlandlungen befürch- ten zu müssen. Es ist möglich, daß die neue Phase, in welche das türki) che Motiven-Exposé die Konferenz gebracht hat, nichts als ein geschictes Auskunftsmittel ist, um Zeit zu gewinnen, und daß die Türken {ließlich doch wieder auf ihr „non possumus“ zurücktkommen werden. Trotdem darf man die gestrige Konferenzsitung nicht allzu mißtrauish beurtheilen und noch immer der Hoffnung Raum lassen, daß man dur gegenseitige Konzessionen schließlich zu einer Verständigung ge- langen werde. Abgesehen von dieser Hoffnung, bleibt die Situation immer sehrernst und außerordentlich gespannt. Der Eifer der mohammedanischen Bewohner von Konstantinopel in Betreff der Bildung der National- garde hat in den leßten Tagen etwas nachgelassen. Die Regierung hat es für ersprießlicher gehalten, vor Dekretirung der Errichtung einer Nationalmiliz in Konstantinopel das Militär-Konskriptionsgese bei der hauptstädtisden Bevölkerung durbzuführen. Die Hauptstad des ottomanischen Reiches genießt von Alters her gewisse Privilegien und Immunitäten, darunter auch die Befreiung ihrer Bevölkerung von der Militärkonskription. Selbst die christlihe Bevöl- ferung der Hauptstadt war von der Militärsteuer (Bedel- Askerié) - befreit. Die Veröffentlichung der Verfassung hat allen diesen Privilegien der Reihsmetropole ein Ende gemaht und muß

Konstantinopel jeßt ebenso wie die anderen Städte des Reiches sein

Kontingent zur Armee stellen. Midhat Pascha legt Gewicht darauf, daß das Militärgeseß in Konstantinopel früher zur Anwendung komme, bevor zur Organi}irung der Nationalmiliz daselbst geschritten werde. Die hiesigen Türken find davon nicht sehr erbaut, indem sie beiihrer Enro- lirung indie Nationalgarde ihre Rechnung besser als bei der Durchführung des Militärgesetes fanden. Der Ernst, welchen die Regierung bei Rege- lung dieser Frage zeigt, bringt au eine andere, die christliche Be- völkerung der Hauptstadt sehr nahe berührende Frage aufs Tapet. Nach dem Artikel XVII der Verfassung sollte man metnen, daß die ristlihen Unterthanen der Pforte in Hinkunft gehalten sein würden, ibrer Militärpfliht effektiv Genüge zu leisten, anstatt wie bisher eine Militärbefreiungstaxe zahlen zu müssen. Man ist auf die Entschei- dung der Pforte in dieser # ehr ernsten Frage schr gespannt. Die griechischen und armenischen Patriarchen wollen von der Pforte verlangen, daß aus den Christen eigene Regimenter gebildet werden. Die Kriegs- veréereitungen und Truppenbewegungen nehmen unaufhörlich ihren Fortgang. Da die türkischen Dampfer dazu nicht mehr ausreichen, wurden drei österreihische Lloyddampfer zu diesem Zwette gemiethet. Die finanzielle Lage des Reiches ist trostloser denn je. Die Gründe find bekannt. Die ununterbrochen im großen Maßstabe fortdauern- den Kriegsvorbereitungen haben der finanziellen Situation den Gnadenstoß gegeben. Das neulich emittirte Papiergeld im Betrage von drei Millionen türk. Livres is ras aufgebraucht worden und gerade iu diesem Momente, wo man am dringendsten Geld nöthig hat, ist feines vorhanden. Kein Bankhaus mehr will Geld vorstre@en und die Banque ottomane, deren Kontokorrent mit dem Staatsschaße sih auf mehr _ als drei Millionen beläuft, ver- weigert nunmehr auc die geringste Zahlung für Rechnung der Re- gierung. Angesichts dieser die Aktion der Regierung lähmenden Ver- legenhe.ten beschloß man eine neue Papiergeldemission. Nach dem er- schienenen Dekrete werden ( Millionen türkische Livres in Papier emittirt. Demnach werden alsbald im Ganzen 10 Millionen Papiergeld cirku- liren. Von der neuerlich ausgegebenen Summe werden 24 Millionen sofort für die Staatsbedürfnisse zur Verwendung gelangen. Zwei Millionen verbleiben beim Finanz-Ministerium in Reserve zur weiteren Bestreitung etwa nothwendiger außerordentlicher Ausgaben. 2,400,900 Livres werden zur Rückzahlung eines Theiles der _\chwebenden Schuld und jener noch nicht zurüä@bezahlten Vorschüsse verwendet werden, welche die Bankiers von Galata vergangenes Jahr zu Wucherzinsen dem Staatsschaße gewährt hatten. Der Rest von 100,000 Livres wird zur Einziehung der Vierzig- und Zwanzig-Kupfer-

aras verwendet werden, wodurch man Störungen des Geldcourses fintanmußalien und den Cours des Papiergeldes vor einem Sinken zu bewahren hofft Für dieses Papiergeld ift eine 5proz. Amortisirung festgesetzt. Das bei der ersten Notenemission fundgemabte Geseß be- hält auch für die neue Emission seine Geltung. Die Amortisirungsgaran- tien werden entsprechend erhöht. Nebst den der ersten Emission zu- ewendeten Garantien werden auch die Zehent-Eingänge der Distrikte NMidin, Magnesia und Smyrna so wie die Hammelsteuer des Vi- lajcts Konia zur Sicherung der Amortisirung herangezogen. Die Amortisirung beginnt mit 1. lnt d I. Allmonatlich wird ein der eingehob-nen Steuersumme genau entsprechender Papiergeldbetrag eingezogen, so daß die Kommission nach Verlauf von zwölf Mona- ten 500,000 Livres Papiergeld aus dem Verkehre gezogen haben muß.

Jn Betreff der in Kon stantinopel in der Bildung begriffenen Nationalgarde schreibt man der „Alg. Ztg. von dort: S

„Um die Institution der Nationalgarde in Konstantinopel unter der Bevölkerung beliebt zu machen, hat die Regierung ein Bataillon der bereits in Salonichi bestehenden Nationalgarde hierher kommen lassen, um es als Cortege bei den Feierlihzfkeiten des Bairamfestes, die am Mittwoch, den 27. Dezember, begonnen haben, zu ver- wenden. An diesem ersten Bairamtage machte dasseibe d lier bei der Moschee des Sultans Ahmed, wohin fich troß Regen- und Schneewetter, der Sultan begeben hatte, um das übliche Opfer des Abschlachtens eines Lamme zu verrichten. Diese Ceremonie besteht darin, daß der Sultan nah beendetem Gottes- dienste eine weiße Schürze anleat, ein Messer in die Hand nimmt, es an die Kehle des gebundenen Lammes legt und somit symbolisch das Abschlachten vornimmt, welches dann “dur die Ulemas vollführt wird. Das obenerwähnte Salonicher Bataillon besteht aus jungen und älteren Leuten, der be- sikenden Klasse angehörend, d:nen es, besonders den jüngeren, etne Freude macht, in ihren kleidsamen kurzen Jacken, türkischen Sachosen, beides grün passepoilirt, und mit Fez als Kopfbedeckung, in den Gassen von Stambul, Galata und Pera zu paradiren. Ihre Bewaffnung bilden Henry - Martini - Hinterlader. Dasselbe will man hier einführen und der Scheich - ül - Islam soll eine Aufforderung an die hiesigen toslims gerihtet haben, ein Bataillon aus denselben zu errichten, welches die Bekleidung und Verpflegung aus eigenen Mitteln bestreiten, die Bewaffnung von der Regierung bekommen und nur am türkischen und fatholiscen Sonntag (Freitag und Sonntag) exerziren soll. Laut der türki- schen Zeitung „Bassiret“ haben ih bereits 40 Studenten, der Schule der Moschee Bavazet (Korangelehrte), 20 Studenten der Ali-Paschaschule (Softagelehrte), 20 Kialibs (Schrei- ber oder Beamte) des Seraskierats, 100 Beamte der Douane (des Zoll- und Mauthamtes) eingeschrieben und werden, sobald die Zahl 1000 (ein Bataillon) erreicht wird, ihre Uebungen vornchmen. Die Ein- schreibung geschieht im Büreau des Scheich-ül-Islamats bei Hilan Effendi, Souêchef der Correspondenz dieses Ministeriums, welches vor allen anderen gleich nach dem Großvezierat rangirt. Es sollen auch christ- lie Bewohner aller Racen der Refidenz aufgenommen werden. Der Einschreib-Kommis sion präsidirt Zia Bey, Mitglieder derselben sind Mahmud Pascha vom Kriegs-Ministerium, Ex-Großvezier M. Nuschdi Pascha, Abedin Bey, Kommissär der Börse, und Selim Yovanki Effendi.“

In Bulgarien herrscht, wie die „Pol. Korr.“ berichtet, immer noch dieselbe lebhafte militärische Bewegung. Bis vor etwa acht Tagen zogen, Nachrichten aus Adrian» pel zufolge, Truppen aus Serbien und aus Nisch durch diese Stadt, um nicht nach der Donau, sondern nach Konstantinopel dirigirt zu werden. Seitdem hat die Truppenbewegung von Konstantinopel herwärts xach Adrianopel be- gonnen. Ein Theil der aus der Hauptstadt einlangenden Truppen ist nah Sofia abgegangen, der andere Theil geht auf der Eisenbahn nach Yamb und von dort nach Schumla. Die Behörden von Adrianopel entwickeln bei der Bildung der Nationalmiliz eine große Thätigkeit. Der Name „Nationalmiliz“ ist eine ‘Parodie; denn in den drei Compagnien, die bisher gebildet wurden, befinden sih nur fnnf Griechen, zwei Bulgaren und ein Jude. Der Rest sind lauter Mohamedaner und nur Söhre von Begs oder öffentliche B'amte, welche durch ihre Stellung vom Militärdienste befreit sind. Alle anderen waffenfähigen Mohamedaner befinden si bereits in der Armee oder werden als Reservisten demnächst zu der- selben abgehen. Die Nationalgarde von Adrianopel wird demnach nit viel heißen, ausgenommen, daß die Griechen in Folge der pro- flamirten Verfassung der türkischen Regierung sich zur Verfügung stellen werden. Auf die Bulgaren, die übrigens im Sandschakate von Adrianopel nicht zahlreich sind, darf sie nicht rechnen.

_ NMumánien. Bukarest, 10. Januar. (W. T. B.) Wie dem „Telegraphen-Korrespondenz-Bureau“ in Wien von hier gemeldet wird, hat die Pforte die Berechtigung der rumänischen Regierung zu dem Proteste gegen die Artikel 1, 7 und 8 der türkischen Verfassung anerkannt und sich zur Genugthuung bereit erklärt.

Nusland und Polen. St. Petersburg, 9. Ja- nuar. Nach dem Bulletin über den Gesundheitszustand des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch des Aeltern vom 7. Januar war der allgemeine Zustand des Erlauchten Kranken ein relativ befriedigender.

Der „Now. Wr.“ zufolge ist der italienis{che Mi- litäragent bei Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Ober-Komman- direnden der aktiven Armee in Kischinew verstorben. Am 5. d. Mts. fand die Beerdigung statt. Der Stab der Armee erwies beim Begräbniß die militärishen Honneurs. Der Stabschef folgte dem Sarge zu Fuß, nah ihm die übrigen Chargen des Stabes. Zum Kommandanten von Sebasto- pol is}, der „Pol. Korr.“ zufolge, der Vize-Admiral Nik o- noff ernannt worden. :

Ueber die Südarmee zwishen dem Dniepr und Pruth sind Versionen in der europäischen Presse verbreitet, welche ihren p als trostlos erscheinen lassen. Ein Be- riht der „Pol. Korr.“ aus St. Petersburg vom 4. Ja- nuar giebt zu, daß behaglich und bequem der Aufenthalt in den bessarabischen Ekenen weder für Offiziere noch Soldaten, ja nicht einmal gesund is. Die genannte Korrespondenz schreibt dann weiter:

„Der Kraukenstand ist unzweifelhaft ein sehr bedeutender, lange aber fein so empfindlicher wie beim Beginne früherer Feldzüge oder während einer Wintercampagne. Man ist jeßt in der Lage, mittels der Cisenbahnen die Aufnahms-Lazarethe evacuiren und die Kranken nach den großen, jeut fast leer stehenden Garnisons-Lazarethen im In- nern transportiren zu fönnen. Eine Masse von 200,000 Menschen, die Nichtkombattanten mit hinzugerechnet, wie fie si gegenwärtig in jenem unwirthlichen Erdenwinkel zusammengedrängt befindet und was das Schlimmste ist müßig geht, die Erregung des ersten Augenblicks cingebüßt hat und ungeduldig ist, in Thätigkeit zu kommen, muß Zustände und Verhältnisse unter sich entstehen sehen, die allerdings einer Parade unserer Gardetruppen auf dem hiesigen Marsfelde, und dem gleihmäßigen Kasernenleben der Mannschaften in einer Haupt- stadt nit entsprewen. Will man sich erinnern, was belgische, holländische, dänische und besonders englische Zeitungen von dem Zu- stande und dem Aussehen der doch als Muster geltenden preußischen Garden vor Paris erzählt und was diese Truppen troß dieses Aus- schens und dieser Zustände geleistet, so wird man den richtigen Standpunkt für Beurtheilung der Uebertreibungen gewinnen, in welchen man sich wieder einmal außerhalb Rußlands in Be- zug auf unsere Armee gefällt. Was man über mangelhafte Aus- rüstung, ungenügendes Material und unzureichende Vorräthe dem Krankenberihte hinzufügt, ist eben erfunden, um den Reporterbrief etwas interessanter zu gestalten. Im Gegentheil haben sch gerade diese Dinge meist bewährt. Unzufriedenheit über das lange Still- liegen, Ünmuth über erzwungene Unthätigkeit, Klagen über trostlose Bauernquartiere sind aber nit erfunden, sondern wiederholen sih allerdings in allen Briefen, die von der Südarmee hierher gelangen. Der russische Soldat versteht Kälte zu ertragen, der türkische, besonders der aus Kleinasien, Syrien und Aegypten stammende nicht. Die Dobrudscha ist womöglich noch unwirthlicher und menschenleerer als Bessarabien. An Geld für die Zwecke der Armee fehlt es bei uns auch nicht; darum drängt auch ein Lieferant den andern, und die Zufuhr von Lebensmitteln in der Richtung auf Kischenew und darüber hinaus ist fo regelmäßig und so reichlich, daß darüber wenigstens noch keine Klage laut geworden ift. Bei den Türken ist aber gerade die Verpflegung der wundeste Fle, weil die Armeecommandos und die Armee-Verwaltungen kein Geld haben. Die im Auslande mit Absicht verbreiteten ungün- stigen Schilderungen über die russische Armee werden aber zuverlässig nit das Geringste an dem Faktum ändern, daß eine mobile, patrio- tisch und religiós erregte, kampflustige russische Armee näher am Balkan steht, als irgend eine andere europäische, und daß sie aller S na zu rechter Zeit auch das rechte Wort sprechen wird. :

Kishinew, 4. Januar. (Pol. Korr.) Wiewohl der Großfürst-Ober-Kommandant noch das Zimmer hütet, beschäftigt er sich doch {hon mit militärischen Angelegenheiten. Der direkte telegraphische Verkehr zwischen dem Großfürsten und dem Kriegs - Minister Miljutin ist wieder aufgenommen. Die Zahl der Verstärkungen, welche die Süd-Armee in nächster

Zeit erhalten soll, wird auf 110,000 Mann veranschlagt.

Amerika. New-Orleans, 10. Januar. (W. T. B.) Der Oberbefehlshaber der hier stationirten Bundestruppen hat eine Depesche des Kriegs-Ministers erhalten, in welcher ihm der Befehl ertheilt wird, die Volksmenge um den Staats- palast, in welchem sich die republikanische Legislatur befindet, zu zerstreuen. Die Ruhe is noch nicht gestört, da die Milizen der demokratischen Partei die Straßen gesäubert haben. Beide Legislaturen haben Mitglieder für den Senat in Washington gewählt.

Afrika. (A. A. C.) Bis zum 3. ds. reichende Berichte aus Gibraltar melden die Ankunft der französischen Schaluppe „Cassard“, mit dem neuen französishen Gesandten an Bord, in Tangier. Derselbe landete am 30. unter Salut- \hüssen und wurde von den Spiven der maurishen Behörden und den Mitgliedern des diplomatishen Corps empfangen. Aus Zanzibar melden bis zum 11. v. M. reichende Briefe :

Hier wie auf dem Festland herrscht völlige Ruhe. Der legitime Handel ist im Aufschwunge begriffen und verspricht weitere Ausdeh- nung. Der Sultan, in Kenntniß geseßt von dem afrika nischen Projekt unter den Auspizien des Königs der Belgier, und dem vor zwei Monaten in Glasgow abgehaltenen Meeting zur Förderung der Handelsunternehmungen und Civilisation auf dem afrikanischen Festlande, hat einen Brief nah England geschrieben, worin er seine herzliche Billigung des Projekts ausdrückt und den zur Ausführung desselben ermächtig- ten Agenten jeden in seiner Macht stehenden Beistand verspricht. Er läßt au untersuchen, welches der beste Punkt an der Küste des Fest- landes seiner Territorien ist, von dem aus eine Hochstraße nach dem

Binnenseedistrikt angelegt werden könne.

Statistische Nachrichten.

Das Kaiserliche statistishe Amt veröffentliht im Heft 1V., Abth. 1 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs für 1876 u. a. Uebersihten über Produktion und Besteuerung des inländischen Rübenzuckers, sowie über Ein- und Ausfuhr von Zucker im deutschen Zollgebiete für die Zeit vom 1. September 1875 bis 31. August 186. Danach sind im Kampagnejahre 1875/76 332 Rübenzukerfabriken im Betriebe gewesen, in welchen 2297 Dampfmaschinen mit zusammen 23,312 Pferdeträften vorhanden waren. Von diesen Fabriken haben aus den zerkfleinerten Rüben den Saft gewonnen: mittelst Preßverfahrens 134, mittelst Maceration 29, mittelst Ausscleuderns 9, mittelst Diffussion 157. Die Gesammtmenge der verarbeiteten Rüben belief sih auf 83,225,633 Ctr. (1874/75 auf 55,134,902 Ctr.) und find davon mehr als # (56,726,135 Ctr.) von den Fabriken selbst auf eigenen oder gepachteten Ländereien angebaut, die übrigen 26,499,548 Ctr. aber von anderen Anbauern gekauft worden. Die selbstgebauten Rüben wurden auf 96,723,67 Hektaren, durchs{uittlich also auf 1 Hektar 586,48 Ctr. (1874/75 nur 411,87 Gr _geerntet. Der Gesammtbetrag der entrichteten Rübenzuckersteuer belief ih auf 66,580,546 A6 und hat sich ‘in Folge des günstigen Au: falles der Rübenernte von 1875, welche den Fabriken einen stärkeren Vetrieb gestattete, gegen die NVorkampagne 1874/9 um 28,090,781 A. ery3Vt. Aus den im Jahre 1875/76 versteuerten Nunkelrüben find im

tion des leßteren auf 7,160,964 Ttr. (1874/75 nur 5,128,247 Ctr.). Hiernach haben sich die Betriebsrefultate in folgender Weise gestaltet: aus 100 Pfund verarbeiteten Rüben wurden ge- wonnen 12s Pfund Füllmasse und aus dieser wieder 8,ç0 Pfd. Rohzucker aller Produkte und 3,22 Pfd. Melasse, zusammen also 11,82 Pfd. verkäuflihe Produkte. Aus 100 Pfd. Füllmafse sind durbschnittlih 71,21 Pfd. Rohzucker und 26,64 Pfd. Melasse erzielt worden. Im Ganzen waren aber zur Darstellung von 1 Ctr. Rübenzueer 11,62 Ctr. Runkelrüben (1874/75 dagegen nur 10,75 Ctr.) erforderli. Was die Ein- und Ausfuhr von Zucer und Syrubv betrifft, so gestaltete sich dieselbe im Jahre 1875/76 folgen- dermaßen: Es gingen ein 290,545 Ctr. raffinirter Zucker gegen 989 019 Ctr. in 1874/75, u. a. aus Oesterreih 7049 (1874/75: 12,842 Ctr.), aus der Schweiz 8192 Ctr. (1874/75: 5063 Ctr.), aus Frankrei 224,781 Ctr. (1874/75: 217,315 Ctr.), aus Belgien 5543 Ctr. (1874/75: 9228 Ctr.) aus den Niederlanden 22,460 Ctr. (1874 T5: 16,797 Ctr.), aus Bremen 4728Ctr. (1874/75: 4659 Ctr.), aus Hamburg 10/743 Ctr. (1874/75: 10,712 Ctr.); ferner 49,052 Ctr. ohzucker gegen 178,266 Ctr. in 1874/75, u. a. aus Oesterreih 14,321 Ctr. (1874/75: 141,520 Ctr.), aus den Niederlanden 14,079 Ctr. (1874/75: 10,827 Ctr.), aus Hamburg 11,179 Ctr. (1874/75: 13,520 Ctx.); endlich 96,793 Ctr. Syrup gégen 113,174 Ctr. in 1874/75, 1. a. ostseewärts 22,267 Ctr. (1874/75: 23,362 Ctr.), aus Bremen 6466 Ctr. (1874/75: 10,273 Ctr.), aus Hamburg 56,854 Ctr. (1874/75: 68,928 Ctr.). Der von dieser Einfuhr erhobene Zollbetrag belief sich im Ganzen auf 5,672,131 A gegen 7217593 M. in 1874/75, hat ih also um 1,545,462 F. vermindert, weil in Folge der stärkeren einheimis{en Produktion der Verbrauch ausländischer Zucker zurückgegangen is. Die Ausfuhr umfaßte folgende Mengen: gegen Ausfuhrvergütung 94,250 Ctr. Kandis- 2c. Zucker (1874/75: 78,903 Ctr.), 50,657 Ctr. anderer harter Zucker (1874/75: 30,718 Ctr.), 917,883 Ctr. Rohzucker (1874/05: 57,676 E); ohne Ausfuhrvergütung 39,175 Ctr. (1874/75: 33,061 Ctr.). Nach welchen Ländern die ausgeführten Mengen hauptsächlich bestimmt gewesen, läßt sich aus der amtlichen Uebersicht mit Genauigkeit nicht ersehen; der größere Theil derselben ging zunächst nah unsern See- pläßen, von wo die weitere Versendung_ derselben erfolgte. _Ostsee- wärts gingen u. A. 117,467 Ctr. (1874/75: 60,219 Ctr.), nah Bremen 287,353 Ctr. (1874/75: 38,106 Ctr.), nach Hamburg 525,411 Ctr. (1874/75: 49,116 Ctr.), na Geestemünde und Altona 96,126 Ctr. (1874/75: 10,484 Ctr.). Der Betrag der Ausfuhr- vergütung, welcher für den in das Ausland geführten Zucker in 1875/76 gezahlt worden ist, belief sich auf 8 888 608 6. gegen nur 1,641,786 in 1874/75. Nah Abzug desselben von dem Betrag: der im Jahre 1874/75 erhobenen Rübenzuckersteuer und des Ein- gangszolls für Zucker und Syrup, ergiebt sich als Gesammtertraz der Abgaben vom Zukerverbrauch eine Summe von 63,364,069 M oder im Durebschnitt 1,51 M. für den Kopf der Bevölkerung gegen 122 A6 it 1874/75. Kunst, Wissenschast und Literatur.

æXn- St. Vith bei Aachen fanden, wic die „Wartb.rg Nr. Z berichtet, die Arbeiter des Brauereibesizers Schenk beim A ê- graben eines Kellers, etwa 5 Fuß tief, einen bauschigen, asgrauen irdenen Topf mit über 2000 Silbermünzen. Die meisten haben die Größe eines Einpfennig-, und wenige die cines Fünfzigpfennigstückes. Die Mehrzahl ist vom Erzbischofe Arnold 11. von Trier (7 1259) und vom Grafen Heinrich II. von Luremburg (f 1274) gep rägt; dann stnden sich Stadt-Aachener, Sierkener und andere Lothringer Münzen, sowie einige Kupfermünzen.

St. Petersburg, 9. Januar. (St. Pet. Herold.) Der Reisende Oberst N. N. Prshewalskij ist wohlbehalten in der Nähe von Kashgar angelangt, wo ihm Seitens der Bevölkerung ein sehr guter Empfang zu Theil geworden. Von hier hat er ti zum Lob-Noor begeben, den er bekanntli zum Ziel seiner For- hungen erwählt. Von Hrn. Miklucha-Mafklai hat die Geo- graphische Gesellschaft dieser Tage einen Brief erhalten, in welchem derselbe über seine nah Neuguinea unternommene Reise Bericht erstattet und unter Anderem namentlich des ihm von den dortigen Bewohnern zu Theil gewordenen Empfanges Erwäh- nung thut.

“U

Gewerbe und Sandel.

Der Rechenschaftsberiht der O esterreichischen Natio- nalbank enthält folgende Daten: In 1876 wurden an Erträgnissen eingenommen: dur das ECsfomptegeschäft 5,319,512 Fl., dur das Darlehnsgeschäft 1,713,779 Fl., durch das Hvpothekar-Kreditgeschäft nach Abzug der Pfandbriefzinsen 913,364 FL., durch Zinsen der börsemäßig angekauften Pfandbriefe 290,404 Fl., durch bas Bank- anweisungengeschäf: 46,716 Fl., durch Devisen- und verschiedene an- dere Geschäfte 545,393 Fl., dur die Erträgnisse des Reservefonds 857,930 Fl., durch Gewinn bei Verkauf von Pfandbriefen und durch Verloosung von, der Nationalbank gehörigen Pfandbriefen 2c- 64,150 Fl., zusammen 9,751,161 Fl. Dagegen wurden im Jahre 1876 an Ausgaben bestritten: an Einkommensteuer, Gebühren- Pauschale für das Darlehnsgeschäft und Stempelgebühr für die Bankaktien-Coupons 985,946 Fl, an Regieauslagen 1491156 SE., Banbuolen- SFabrikationskosten 276,739 F, nad Abzug dieser Gesammtauslagen mit 2,753,841 FSL., verbleibt als reines Jahreserträgniß 6,997,319 Fl. Auf 150,000 Aktien der Nationalbank entfallen sonach als fünfprozentige Zinsen 4,500,000 F[., als Superdividende 2,260,177 Fl., zusammen &,760,177 Fl. oder 45 Fl. für jede Aktie. Aus dem_1m erjten Se- mester 1876 erzielten Erträgnisse wurden im Juli 1876 bereits ver- theilt 21 Fl. für jede einzelne Aftie, daher auf 150,000 Aktien 3,150,000 Fl. Im Januar 1877 nach der Generalversammlung fommen zur Vertheilung 24 Fl. für jede Aktie, daher 3,600,000 Fl, :ufammen 6,750,000 Fl. Die Dividende beträgt somit per Aktie 45 F[. cder 7,5% (gegen 50 Fl. oder 8,333/9 im Jahre 1875, 60 Fl. 50 &r. oder 10,083"/9 im Jahre 1874, 67 Fl. oder 11,16% im Jahre 1873). Das Erträgniß des Jahres 1876 hat somit um 5 Fl. pro Aktie im Vergleiche mit dem Vorjahre abgenommen, während der Rückgang des Erträgniffes im Jahre 1875 im Vergleiche mit dem Vorjahre sich mit 10 Fl. 50 Kr. beziffert. i ;

Paris, 10. Januar. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Aktionäre der Suezkanal-Gesellschaft hat fast einstimmig die Konvention mit den Scemächten angenommen, wona die Gesellschaft sih verpflichtet, während 30 Jahren jährlich etne Million für Arbeiten zur Verbesserung des Kanals zu verwenden. Die diesjährigen Ueberschüsse gestatten die Vertheilung einer Divi- dende von 2,80 Fres. pr. Aktie. Jm vorigen Jahre betrug die Divi- dende 1,8 Frcs. Dazu tritt der jährliche Zinsfaß von 29 Frs. Die Ausgaben haben sich_ etwas vermindert. Der Geschäftsbericht bezeichnet die Lage der Gesellschaft als sehr zufriedenstellend.

Rom, 5. Januar. Die gestern zur Ausgabe gelangte „Gazzetta Ufficiale“ veröffentliht ein vom 21. v. M. datirtes, Königliches Dekret, welches die Form und die Ausstattung, fowie die besonderen Kennzeichen der neuen Zwanzig- und _Hundert-Francs- Noten der zum Konsortium konstituirten sechs Emissionsbanken

it. E Der Wochenbericht der „New-Yorker Hd -Ztg.“ rom 30. Dezember äußert sich über die Geschäftslage folgendermaßen : Es unterliegt keinem Zweifel, daß viele Vorbedingungen zur Besse- rung der kommerziellen Lage vorhanden sind. Unser Handelsstand ift wäbrend der leßten drei Jayre durch eine harte Schule gegangen, welche mindestens das Gute zur Folge hatte, dem Geschäft im All- gemeinen eine weit gesundere Basis als vor der Krifis zu verleihen. Aber dennoch wäre es voreilig, an eine sofortige uad durchgreifende Besserung glauben zu wollen. Gegen einen baldigen allgemeinen Aufschwung der Geschäfte spricht in erster Reibe die Ungewißheit unserér

Ganzen 10,056,365 Ctr. Füllmafsse (eingekochter krystallifirbarer Saft) gewonnen und aus leßterer sodann 6,446,223 Ctr. Rohzuter aller Produkte, 571,792 Ctr. Saftmelis und 2,679,048 Ctr. Melasse er-

_ —(W. Pr.) Die Schlußverhandlung gegen die Nihilisten ist auf den 18. Februar festgeseßt.

zielt worden. Reduzirt man den Saftmelis nach dem Nerhältniß von 100 zu 125 auf Rohzucker, fo berechnet sich die Gesammtproduk-

politischen Lage. Im dieswöchentlichen Geldstande machte sich starke | Nachfrage geltend, da die Vorbereitungen zu den nah dem 1. Januar | fällig werdenden Zins- und Dividendenzahlungen die Kündigung | vieler Darlehen veranlaßte. Die Abundanz an Geld, welches tem- i porâre Anlage fut, war jedoch groß genug, um eie Knappheit nit