1877 / 41 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Feb 1877 18:00:01 GMT) scan diff

—= Fn der heutigèiü (22) Sißüung des Hauscs

der Abgeordneten, welher die Staats - Minister Graf zu Eulenburg, Dr. Falk und Dr. Friedenthal, jowie mehrere Regierungskommißarien beiwohnten, theilte der Präsident von Bennigsen mit, da von dem Finanz- Minister und dem Handels - Minister ein Gesetzentwurf, be-- treffend die Verwendung von Beständen zu außerordentli® en Bedürfnissen der Bauverwaltung für das Etatsjahr 1877/78 und die Aufnahme einer Anleihe zur Deckung der Avzgaben Für Bauausführungen auf den Staatseisenbahnen, dem Hause zur verfassungsmäßigen Genehmigung vorgelegt worden sind. Der Abg. Löwenstein hat einen Antrag einge- braht, die Staatsregierung aufzufordern, dem Hause cine Úebersiht ihrer Entschließungen über die Beschlüsse des Hauses in der vorigen Session vorzulegen. Den ersten Gegen- and der Tagesordnung bildete die erste Berathung des Ge- Jebentwurfs, betreffend die Theilung der Provinz Preußen. Für die Vorlage trat der Abg. Wehr (Koniß), gegen dieselbe die Abgg. Kieschke und von Saucken-Tarput}schen ein. Der'Mi- nister des Jnnern Graf zu Eulenburg wies zunächst den von dem letzten Redner erhobenen Vorwurf, daß die Regierung si auss&licßlih dur die einseitigen Beschwerden der Westpreußen zur Vorlage des Entwurfs habe bestimmen lassen, als unbe- gründet zurü. Die Verhandlungen auf dem Provinzial- Landtage hätten die Frage der Theilung der Provinz so er- schöpfend na allen Richtungen hin behandelt, daß die Regie- rung über die Gründe beider Parteicn vollkommen orientirt sei. Gerade die Entwicklung der Verhältnisse jeit dem Jn- Érasttreten der Provinzialordnung babe die Regierung zu der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Trennung gebracht, und daher erkläre es sich, daß während fe noh vor zwei Jahren die Forderung mit einem non liquet zurügewiesen habe, dieser Grund gegen die Vorlage heute fortgefallen sei. Jedenfalls Jei die Frage vollkommen reif zur Entscheidung und müsse jeßt zu ciner solchen gebracht werden, ehe durch eine längere Fortdauer der einheitlichen Organisation die Auseinanderseßzung noch mehr ershwert werde. Der Abg. Dr. Miquel befürwortete eine Modifikation der Vorlage in dem Sinne, daß eine Ent- scheidung über die finanzielle Auseinanderseßung der beiden Landestheile in Ermangelung eines gütlichen Uebereinkommens nicht dur Königliche Verordnung, fondern durch Geseb herbeige- führt werde. Nachdem sich noch der Abg.Windthorst (Bielefeld), der in Uebereinstimmung mit dem Abg. von Sauckten-Tarputschen eine Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission beantragte, ih gegen den Gesetzentwurf ausgesprocen hatte, beschloß das Haus, die zweite Lesung ohne Kommissionsberathung direkt im Plenum zu erledigen. Es folgte hierauf die Fortseßung der zweiten Berathung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für 1877/78, und zwar zunächst einiger der Budgetkommission überwiesenen Titel des Etats der allgemeinen Finanzverwal- tung. Die Kommission beantragte zu Titel 1 und 4a des Kap. 57:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: 1) Die König- lihe Staatsregierung aufzufordern, in der nächsten Session dem Landtage die bereits bei der Vorlage der Provinzialordnung und des K. mpetenzgeseßzes in Aussicht gestellten Geseßentwürfe über die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung vorzulegen ; 2) im Kapitel 57, Titel 1 der dauernden Ausgaben 15 Stellen von Negierungs-Räthen als „künftig wegfallend“ zu bezeichnen und dementsprechend in der Rubrik „darunter künftig wegfallend“ die Summe von 81,671 M 58 5 auf 158,071 1. 58 -Z zu crhöhen; 3) Kapitel 57, Titel 4a. und 5 der dauernden Ausgaben unver- ändert zu bewilligen.

Der Regierungs-Kommissar, Geheime Regierungs-Rath Herrfurth, empfahl die Ablehnung des von dem Referenten Abg. Dr. Weber (Erfurt) begründeten Antrages. Eine Ver- minderung der Regierungs - Rätle würde bei der Fortdauer der Geschästslast zu den g:ößten Uebel- ständen der Verwaltung in der Provinz führen. Nachdem ih noch die Abgg. Wachler (Schweidniß), Dr. Lasker für und der Abg. von Meyer (Arnswalde) gegen den Antrag ausgesprochen hatten, wurde derselbe angenommen. Vei Schluß dcs Blattes dauerte die Etatsberathung fort.

Die Generalkonferenz der deutschen Eisen- bahnverwaltungen zur Feststellung des neuen Tarifsystems, welche am Montage im Saale des hiesigen Architeftenvereins eröffnet wurde, ist am Dienstag bereits beendet und geschlossen worden. Den Vorsiß führte der Ministerialdirektor Weishaupt. Außer demselben nahmen Seitens des Handels-Ministeriums noch Theil der Ministerial- direktor Duddenhaufen, der Geheime Ober-Regierungs-Nath d'Avis und der Regierungs-Assessor Fleck. Der Vorsißende begrüßte die Versammlung Namens des durch die Theilnahme an den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses verhinderten Handels-Ministers. Zur Generaldiskussion nahm der Geheime Regierungs-Rath Offermann (Cöln-Minden) das Wort, um den Standpunkt der preußishen Privatbahnverwaltungen darzulegen und, da es niht angängig sei, darüber in der Versammlung zu verhandeln, dem Vertreter des Handels - Ministers den Wunsch der* Privatbahnen nah einer besonderen Konferenz ans Herz zu legen. Der Ministerial-Direktor Duddenhausen behielt dem Minister die Entscheidung vor, glaubte aber seinerseits den Privatbahn- verwaltungen die schriftliche Formulirung ihrer Anträge empfehlen zu sollen, da hierdurh event. gleih eine Grundlage für die Spezial-Konferenz geboten werde. Die Versammlung ging alsdann zur Spezial-Diskussion über. Für dieselbe lagen namentlich Anträge der preußischen Staatsbahnverwaltungen vor, außerdem aber auch v:rschiedene Anträge von Sachsen, Bayern, Elsaß - Lothringen u. s. w. Diese Anträge standen so sehr mit einander in Verbin- dung, daß ihre Verschmelzung sich leiht bewerkstelligen ließ. Ueber sämmtliche Anträge erfolgte eine Einigung im Prinzip. Die Formulirung und Einreihung der Beschlüsse wurde einer Redaktionskommission übertragen. Das Resultat der Konferenz kann hiernach im Allgemeinen als befriedigend bezeichnet werden, Die Privatbahn-Verwaltungen gaben die

Erklärung ab, daß sie ihrerseits die gefaßten Beschlüsse als definitive acceptirten, in der Vorausseßung, daß über die Fra- gen, welche die Stellung der Privat-Eisenbahnen hinsichtlich des Tarifsystems betreffen, eine Verständigung erreicht werde; sie versprachen - auch, daß sie ihrerseits alles Mögliche zur Beschleunigung der Sache thun würden. Nachdem der Ministerialdirektor Weishaupt die Ver- S für geschlossen exklärt und der Ver- ammlung gedankt hatte, sprah der De der Berlin- Hamburger Eisenbahn, Geh. Regierungs-Rath Simon, Namens der versammelten Eisenbahnen der Regierung und speziell dem Ministerialdirektor Weishaupt für die energische Förderung, welche sie dem Werke der Tarifeinigung haben zu Theil wer- den lassen, den Dank der Eisenbahnverwaltungen aus, Zum

| ficht

| SHluß dvankte der Vorsißende und versprah, auch ferner die

Sache, nah Krästen zu fördern.

Die soeben erstienene, von dem Bureaudirektor des Reichstags, Geheime Kanzlei-Rath Happel, verfaßte Ueber- der Geschäftsthätigkeit des Reichstags in seiner 1V. Session der zweiten Legislaiur- periode vom 30. Oktober 1876 bis 22. Dezember ist in derselben zweckmöäßigen tabellarishen Weise verfaßt wie die früheren Uebersichten, die in ihrer alphabetishen Anordnung gleichzeitig als Jnhaltsregister zu den stenographischen Be- richten Lenußzt werden fönnen. Die vorliegende Zusammen- stellung hat dadurch einen besonderen Werth, daß / sie die Justizgeseßgebung umfaßt.{ :

Einem bei dem Betriebe einer Eisenbahn verlebten Menschen ist nach einem Erkenntniß des Reich s-Ober- Handelsgerichts, I. Senats, vom 15. Dezember 1876, der Betriebsunternehmer, niht aber der -Eigenthümer der Bahn entshädigungspflichtig. Jm Falle des Konkurrenzbetriebes mehrerer Eisenbahnverwaltungen auf denselben Geleisen hat der Beschädigte nicht nahzuweisen, welchem der Konkurrenten die shädigende Betriebshandlung zur Last fällt, vielmehr sind, falls dies nicht festzustellen ist, ‘die Betriebskonkurrenten ge- meinschastlih entschädigungspflichtig.

Die Strafe wegen wissentlich falsher Anschul- digung (8. 164 Strafgesebßb. :- „Wer bei einer Behörde ‘eine Anzeige macht, dur welche er Jemand wider besseres Wissen der Begehung einer strafbaren Handlung oder der Verleßung einer Amtspflicht beschuldigt“ 2c.) trifft, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 9. Januar 1877, auch den, welcher dur seine Anzeige ein Einschreiten der Behörde gegen den Beschuldigten herbeizuführen sucht, selbst wenn er die an- gezeigte Handlung des Beschuldigten für eine strafbare oder eine Amtspflicht verleßende nicht gehalten und nicht dafür aus- gegeben hat.

Die Bundesraths-Bevollmächtigten, Königlich bayerischer Ober-Zollrath Shmäidtkonz und Großherzoglich hessischer Geheimer Finanz-Rath Müller, sind hier einge- troffen.

Der Kaiserliche Konsul in Civitavecchia, de Filippi, ist gestorben.

S. M. S. „Augusta“ ist, telegraphisher Nachricht zufolge, am 14. Februar cr., in. Sidney eingetroffen. |

S. M. S. „Hertha“ befand sich zu derselben Zeit noch in Auckland. An Bord Alles wohl.

Bayern. München, 13. Februar. Die „Allg. Ztg.“ schreibt : Die dur das Ableben des Domkapitulars Henning erledigte Stelle im Domkapitel zu Bamberg ist dur den Erzbischof daselbst wieder zu besegen, da der Februar einer der Monate ist, in welchem nach dem Konkordat das bezügliche Ernennungsreht dem Erzbischof zusteht.

Württemberg. Stuttgart, 14. Februar. Der Kammer der Abgeordneten wurde heute ein Geseßent- wurf vorgelegt, welcher für den präsumtiven Thronfolger, Prinzen Wilhelm, von seinem morgigen E tage an eine jährlihe Apanage von 100,000 M aus]eßt.

Baden. Karlsruhe, 13. Februar. (Sch. M.) Die Mitglieder der Kammern sind von den Leiden Präsidenten Obkircher und Lamey : auf Donnerstag, 15. d. M., zu einer Besprechung wegen des Jubiläums der 25jährigen Regie- rung unseres Großherzogs hierher eingeladen. Der langjährige Gesandte Badens in Paris, Freiherr Alesina von Schweißer, ist am 12. d. Mts. in hohem Altex in Florenz gestorben.

Sessen. Ztg.“ schreibt:

In verschiedenen öffentlichen Blättern ist über eine in jüngster Zeit von Großherzoglihem Kreisamt Worms hinsichtlih der Ver- Dältnisse der aus der evangelischen Landeskirche ausgetretenen „Freien Protestanten“ erlassene Bekanntmachung berichtet, und if insbefon- dere der in dieser Bekanntmachung aufgestellte Grundsatz daß die Kinder dieser „Freien Protestanten“ an dem evangelischen Neli- gionsunterricht in der Schule nicht Theil nehmen könnten einer vershicdenen Beurtheilung unterzogen worden. Hinsichtlich des Nes ligionsunterrihts in der Volfsshule bestimmt nun der Artikel 4 des Volks\culgeseßes, daß bei diesem Unterricht die Kinder stets kon- fessionell getrennt seien, und daß dieser Unterricht von dem Lehrer (Geistlichen) der betreffenden Konfession ertheilt werden solle. Hier- nah kann es feinem Zweifel unterliegen, daß die nicht mehr der evangelischen Landeskirche angehörigen Kinder der „Freien Prote- stanten“ kein Recht darauf haben, an dem nicht für ihre Konfession ertheilt werdenden evangelischen Religionsunterricht Theil zu nehmen und daß ihnen eintretenden Falls der fernere Besuch des evangelischen Religionsunterrichts in der Schule untersagt werden kann. Anderer- seits kann aber auch die fernere Theilnahme dieser Kinder an dem evangelischen Religionsunterriht gerade nicht als unzulässig erachtet werden und möchten unter den gegenwärtigen Verhältnissen erhebliche praktische Gründe dafür \prehen, von einem generellen Verbot der fer- neren Theilnahme der Kinder der aus der evangelischen Landeskirche aus- getretenen „Freien Protestanten“ an _ dem evangelischen Religion®- unterriht in der Schule abzusehen. Es dürfte hierbei auch in Be- tracht kommen, daß in dem in Aussicht stehenden Gesetze über den Austritt aus Kirchen und Religionsgemeinschaften hinsihtlich der ferneren Theilnahme der Kinder der Ausgetretenen an dem seit- herigen Religionsunterriht und“ der daraus sich ergebenden Kon- sequenzen wohl Bestimmungen zu treffen sein werden. Von solchen Erwägungen geleitet, hat nach uns gewordener Mittheilung das Großherzogliche Ministerium des Innern das Großherzogliche Kreis- amt Worms auf berichtliche Vorlage angewiesen, bis auf Weiteres die fernere Theilnahme der Kinder der „Freien Protestanten“ an dem evangelischen Religionsunterricht in der Schule nicht zu beanstanden.

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Meeklenburg. Schwerin, 14. Februar. Durch eine gestern erschienene Großherzogliche Verordnung werden, mit ständischer Zustimmung, rücksichtlih der Allodifikation von Lehngütern folgende Bestimmungen erlassen: „Die Descendenten von Agnaten mit Einschluß fuccesstonsberech- tigter Schildvettern sind ebenso s{lechthin und ohne alle Rük- sicht auf sonstige Beerbung durch die Zustimmung ihrer Ascendenten zu derx von einem Vasallen erwirkten Allodifikation eines Lehnguts gebunden, wie die Descendenten eines Vasallen durch die von diesem erwirkte Allodifikation eines Lehnguts gebunden werden. Zur Rechtsgültigkeit der von dem ersten Erwerber erwirkten Allodifikation eines neuen Lehns bedarf

es der Zustimmung der mitbelehnten Agnaten nicht.“

Sachfen-Weimar-Eisenach. Dem „Dresdener Four- nal“ wird unter dem 14. Februar aus Thüringen geschrieben : Die vertragschließenden Staaten, also Sachsen-Weimar, -Mei- ningen, -Altenburg, -Coburg-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt und beide Reuß, nd nach dem jeßt im Wortlaute vorliegen-

Darmstadt, 12. Februar. Die „Darmst.

den Vertrage über die Errihtung eines gemeinschaft: lihen Oberlandesgerihts in Jena übereingekommen, daß der Großherzoglichen Regierung die GesGut i eenns ob- liegt; die Aufsicht und das Ernennungsreczt bei der Beseßung des Gerichtshofes wird gemeinschaftlich ausgeübt, und zwar: stehen, wenn es zur Abstimmung kommt, dem Großherzogthum 3, jedem der drei Herzogthümer 2, jedem der drei Fürstenthümer, oder wenn Schwarzburg-Sondershausen, dem der Beitritt bis 6 Mo- nate vor dem Jnkrafsttreten der Gerichtsverfassung offen gane ist, hinzukomnit, vier Fürstenthümer, 1 Stimme zu. Die Ver- pflihtungsformel lautet auf sämmtliche bei dem Vertrag be- theiligte Fürsten. Bei der Beseßung der Stellen wird auf die Verwendung geeigneter, wissenschaftlih und sonst befähigter Per- sönlichkeiten aus den einzelnen Ländern je nah dem Verhältniß ihrer Bevölkerungsziffer zur Gesammtbevölkerung des Gerichts- bezirkes E Rücksicht genommen werden ; ebenso werden die Kosten nah dem Verhältniß der Bevölkerung vertheilt. Das Ober-Landesgericht wird beseßt mit 1 Präsidenten, 2 S Ip en, 14 nit akademishen Räthen und höch- stens 3 akademischen Räthen, d. h. Professoren des Rechtes an der Universität Jena, 1 Ober-Staatsanwalt und 1 Staats- anwalt. Der Gesammtetat beziffert sich auf 217,000—223,000 4; der Gehalt des Präsidenten be:rägt 9000, der der Senats- präsidenten und des Ober-Staatsanwalts de 7500, der nicht- akademischen Näthe 6000, der akademischen Näthe 3000 ( Für die Rechtsverhältnisse der Beamten gilt die sahsen-weimarische Geseßgebung üher den Civilstaatsdienst. Der Vertrag fann 95 Jahre nah dem Jnkrafttreten der Gerichtsverfassung nicht gekündigt werden. Auf den Gerichtshof, der als „das gemein- \chaftlihe Ober-Landesgericht der thüringischen Staaten“ ver- fügt und erkennt, gehen über die Zuständigkeiten der drei thüringishen Appellationsgerichte in Eisenach, Hildburghausen und Altenburg. Am Tage des Jnkrafttretens hört nah einem

weiteren, zwischen den an demselben betheiligten Staaten ver- einbarten Vertrage das Ober-Appellationsgericht zu Jena auf.

Hesterreich-Ungarn. Wien, 14. Februar. Ueber Gang und Ergebniß der gestrigen Minister-Konferenz erhält der „Pest. Ll.“ von hier folgendes Telegramm: Die von öster- reihisher Seite in Aussicht gestellte und, wie es hieß, dem prinzipiellen Standpunkte Ungarns vollkommen entsprechende Erklärung in der Paritätsfrage ist von österreichischer Seite nicht erfolgt. Die ungarischen Herren erklärten neuerdings auf das Bestimmteste, in dieser Frage an dem von ihnen auf- gestellten Prinzip nicht das Mindeste nachgeben zu können. Es gelangten dann die beiden anderen noch ungelösten Differenzpunkte (Dotation Ungarns und Kompetenz der Direktion) zur vorläufigen Besprehung. Man will nun versuhen, ob man sich vorerst über diese beiden Fragen verständigen könne, so daß, wenn dies gelänge, die Paritäts\rage als die einzige noch ungelöste Frage bestehen bliebe. Nachdem jedoch jene beiden anderen Differenzen vorwie- gend banktechnisher Natur sind, wurde bezüglich derselben heute nur ein vorläufiger Jdeenaustausch gepflogen, welcher in einer zweiten Begegnung beim Fürsten Auersperg unter Zuziehung der Vertreter der Nationalbank fortgeseßt werden joll. (Dieselbe E heute stattgefunden.) Erst nah der Er- ledigung dieser beiden Pod in einem oder dem anderen Sinne wird über die Paritätsfrage entschieden werden. Heute Nachmittag haben Pourparlers zwischen den bcider- seitigen Ministern und den Leitern der Nationalbank stattge- funden, welche morgen Mittags beim Fürsten Auersperg fortge- jeßt werden.

15. T: Der vorgestern hier eingetroffene bis- herige türkische Botschafter in Paris, Sadyk Pascha, hatte gestern Vormittags eine mehrstündige Unterredung mit dem hiesigen türkishen Botschafter Aleco Pascha in dessen Palais, auf dem Schwarzenbergplaße. Sadyk Pascha dürfte, dem „Fremdenbl.“ zufolge, heute die Reise nah Konstantinopel

antreten.

Schweiz. Bern, 14. Februar. (N. Zürch. Ztg.) tahdem im Kanton Tessin normale Verhältnisse wieder hergestellt sind, namentlich die Ueberleitung aus dem früher konstitutionellen Zustand in den neueren bewerkstelligt ist, hat der Bundesrath es für thunlich und zeitgemäß erachtet, das durch Beschluß vom 24. Oktober 1876 aufgestellte eidg. Kommissariat aufzuheben, was auch von dem Konm- es selbst bereits beantragt worden ist. Hr. Bavier er- hält demnah die gewünschte Enthebung“ von der ihm über- tragenen Sendung mit dem Ausdrucke warmer Anerkennung und besten Dankes für die vortrefflichen Dienste, die er in | schwierigen Umständen dem Vaterlande geleistet hat.

Niederlande. Haag, 15. Februar. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat den Geseßentwurf genehmigt, wonach vom 1. April 1877 ab die Eingangszölle aus etwa 20 Artikel, namentlich auf Getreide, Hölzer, Kalk, Ma- chinen, Nohmetalle, Steine, Hausgeräthschaften, sowie die Aus- gangszölle auf Lumpen aufgehoben werden.

Belgien. Brüssel, 12. Februar. Die Kammer der Abgeordneten hat ihre Sißungen bis zum 24. unterbrochen. An die Stelle des verstorbenen Barons von Mévius ist der Graf von Beaufort zum Gouverneur der Provinz Namur ernannt worden.

Großbritannien und Jrland. London, 14. _F& bruar. (E. C.) Jm Oberhause erklärte sih gestern infolge einer Anfrage Lord Granville's der Minister des Aeußeren über den Stand der Frage wegen der Auslieferungsverträge mit den Vereinigten Staaten. Die Regierung, erklärte er, stehe noh auf demselben Standpunkte der Vertragsauslegung wie früher, nämlich, daß eine Person die eines im Vertrage aufgeführten Verbrechens wegen ausgeliefcrt wurde, niht eines zweiten Vergehens wegen vor Gericht gezogen werden könne. Und da die Vereinigten Staaten den streitigen Punkt nicht auf dem Wege der Thatsachen in ihrer Weise zur Anwendung zu brin- gen suchten, jo hätte sih kein weiteres Bedürfniß zur Suspen- dirung des Vertrages geltend gemacht. So sei dann die Auslieferung erfolgt. Die Sache stehe wie vor Auf- werfung der Streitfrage, und die Verhandlungen zur Aenderung des Vertrages nähmen ihren Fortgang- Jm Unterhause stellte Professor Fawcett den An- trag, es möge eine Kommission zur Untersuhung der Fl nanzen und der Finanzverwaltung Fndiens ernannt werden. Als Hauptbeweggrund für seinen Antrag führte Fawcett an, daß in den leßten Jahren zwei gewaltige HQUIF gersnöthe eine durch Anleihen von 10—12 Mill. Pfd. Sterl

zu deckende Ausgabe erfordert hätten und daß nie in die Fi- nanzen Fndiens Ordnung zu bringen wäre, wenn nicht der Unterschied zwischen außerordentlichen und ordentlichen Aus- aben aufhöre. Eir G. Campbell unterstüßte den ntrag. Derselbe wurde indeß nach einer Gegen- rede Lord Hamiltons, Unter - Staatssekretärs für FJn- dien, mit 173 gegen 123 Stimmen verworfen. Wie „Daily News“ vernimmt, beschäftigt die Er- neuerung des französischen Handelsvertrages die Aufmerksamkeit des Auswärtigen Amtes. Eine Reihe von Besprechungen über diesen Gegenstand haben zwischen einem Vertreter der französishen Regierung, M. Gavard, und den Abgesandtschaften verschiedener Handelskammern stattgefunden. Da der (konservative) Vertreter der Universität Dublin im Unterhause, Mr. Edward Gibson zum so- genannten Attorney-General für Jrland (an Stelle des zum Ober- richter beförderten May) ernannt worden is, fo mußte eine IPs stattfinden. Mr. Gibson ist jedoch gestern wiedergewählt Worden.

Ueber den Verlauf der Hungexsnoth in Fndien enthält eine vom 11. d. datirte Depesche des Vize-Königs von Jndien an das Indische Amt neue Mittheilungen. Danach Ee s die Zustände in den nothleidenden Distrikten nicht geändert.

Jn Madras hat sich die Zahl der Personen, die Unter- stüßungen ohne Gegenleistung genießen, um weitere 40,000, und die der bei den Hülfsarbeiten Verwendeten um ca. 25,000 vermindert. Die Getreidepreise sind ein wenig gestiegen. Fn Salam, Madura und Tinnevelly sind die Zustände etwas günstiger als die in den abgetretenen Distrikten und Kurnul; der Mißwachs ist ernstlih, werde aber durch die Auswanderung nah Ceylon und ein lebhaftes Privatgeschäft gemildert. Die Zukunft hänge indeß von dem erwarteten Aprilregen ab. Unterm 7, d. telegraphirt Sir Richard Temple, daß in der ganzen Präsidentschaft Madras die Hungersnoth erfolgreich be- Éämpst und dem Hungertode vorgebeugt sci.

Frankrei, Paris, 14. Februar. (Köln. Ztg.) Der Appellhof hat die Suspendirung des Blattes „Droits de l'Homme“ bestätigt, Dasselbe hört folglih zu erscheinen auf. Der radikale Deputirte Le Pomellec ist heute ge- storben. Der „Temps“ hebt hervor, daß auch in den Jüngsten Hirtenbriefen zur Fastenzeit der französische Episcopat sih nicht scheue Fragen zu behandeln, welche blos zur Verbreitung von Aufregung dienen, während die Religion mit dieser Polemik nichts gemein habe.

_ Versailles, 15. Februar. - (W.-T. B.) Jm Senate zeigte Minister-Präsident Simon heute an, daß die Regierung dem verstorbenen General Changarnier ein feierliches Leichenbegängniß zu bereiten beabsichtige ; General de Cissey zog in Folge dessen seinen Antrag, das Leichenbegängniß auf O im Jnvalidendom stattfinden zu lassen, wieder zurü.

Spanien. Madrid, 13. Februar. (J. d. Deb.) Die „Epoca“ dementirt das Gerücht, wonach der Graf Coello, Peer Gesandter in Jtalien, seine Entlassung gegeben

ätte.

Bilbao, 13. Februar. Der General Quesada hat die am 6. d. M. auf 1 Monat ausgesprochene Suspension des Journals „L'Jrurac Bat“ wieder aufgehoben.

_ Ftalien. Nom, 13. Februar. (F. d. Deb.) Sobald das Geseß über die Mißbräuche der Geistlichkeit veröffent- licht sein wird, wird der Papst an die italienischen Bischöfe cin Breve erlassen, welches das Geseßt mißbilligt und Fnstruktionen über die ihrer Geistlichteit zu gebenden Antworten enthalten soll. Man versichert, daß die Kardinäle auf Verlangen des Papstes eine Denkschrift vorbereitet haben, welche die den Ka- tholiken Jtaliens zu ertheilenden Jnstruktionen bezeihnen wird, für den Fall, daß sie an den politishen Wahlen theilnehmen.

Türkei. Konstantinopel, 15. Februar. (W. T. B.) Der Großvezier hatte neuerdings das Ersuchen an den Fürsten von Montenegro gerichte, daß die Frieden s- verhandlungen an irgend einem anderen Orte, aber nicht in Wien geführt werden möchten. Der Fürst hat heute dar- auf geantwortet, er halte zwar Wien für den geeignetsten Ort, wolle jedoch, um sein Entgegenkommen zu beweisen, hier- mit Cattaro als Ort für die Friedensverhandlungen in Vor- schlag bringen.

16. Fehxuar. . (W. T. B) Die Pforte hak den Vorschlag des Fürsten von Montenegro, die Friedens- verhandlungen in Cattaro zu führen, abgelehnt und den A ersucht, einen in der Herzegowina gelegenen Ort oder Skutari hierfür zu bezeichnen.

London, 15. Februar. (W. T. B.) Jm Oberhause zeigte der Herzog von Argyle an, er werde nächsten Dienstag die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Lord Salisbury er- theilten Jnstruktionen rihten und daran die Frage knüpfen, ob die Negierung irgend welche Maßregeln vorzuschlagen be- absihtige, die geeignet seien, die Verwirklihung der in den Jnstruktionen ins Auge gefaßten Ziele herbeizuführen.

Jm Unterhause erflärte auf eine Anfrage Montagu's der Kanzler der Schaßkammer, der Besuch Elliots und Salisbury's in Athen habe einen rein privaten, keinen offiziellen Cha- rakter gehabt. Lord Salisbury habe ihm, als seinem persön- lichen Freunde, privatim mitgetheilt, daß die Meldung der „Times“, wonach er sih in sympathischer Weise zu Gunsten der Griechen ausgesprochen baber solle, unwahr sei. Auf eine Anfrage Harcourts erwiderte der Schaßkanzler, im Blaubuche seien alle die Abberufung der Botschafter betreffenden Schrist- stücke veröffentliht worden. Eine Absicht, zwischen der Ab- berufung Lord Elliots und derjenigen der übrigen Botschafter einen Unterschied zu machen, habe nicht vorgelegen; England habe auch der Türkei mit der Abberufung Elliots nicht ein Zeichen des Mißfallens geben wollen, denn die Umstände, un- ter denen die Abberufung Elliots erfolgte, seien von denjeni-

en, die vor dem Abschlusse des Waffenstilistandes im Okto- er v. J, bestanden hätten, vollständig verschieden gewesen. Jm Fortgang der Sizung erklärte auf eine Anfrage Camp- bells der Staatssekretär des Kriegs, Hardy, kein aktiver Offi- zier dürfe ohne Erlaubniß der Regierung in fremde Kriegs- dienste treten.

London, 16. Februar. (W.. T. BJ Der „Standard“ äußert sih in Betreff der von dem Herzog von Argyle für Dienstag angekündigten Jn ter pellation über die dem Marquis Sal isbury ertheilten Fnstruktionen dahin, daß der Herzog die Regierung nur zu einer Erklärung darüber bestimmen wolle, in wie weit dieselbe bereit sei, im Einver- nehmen mit Rußland zwingende Maßregeln gegen die Türkei

zu ergreifen. Eine der Regierung feindlißhe Motion werde nicht eingebraht werden.

Aus Konstantinopel, 8. Februar, s{reibt dem W. „Fremdenbl.“ ein Korrespondent: „Tie Situation hier präsen- tirt sih dem unbefangenen Beobachter nicht allzu rosig, und ich glaube, man sollte die Schwierigkeiten, die fih einer nor- malen Entwicklung entgegenstellen, nicht u@tershäßgen. Vor A”em wird die Herstellung des Friedens mit den Fürsten- thümern keine leihte Aufgabe sein; die Aufgabe der inneren Umgestaltung des Reiches bictet noch größere Probleme dar. Edhem Pascha hat sich zwar unter dem Dru der Verhält- nisse zuerst der Person und dann dem System Midhats an- geschlossen, aber aufrichtig ist diese Bekehrung niht. Der neue Vezier ist im Jnnersten seines Herzens Alttürke. Er wird in nächster Zeit eine ganze Reihe vonfChristen in höhere Staatsämtec berufen, aber in der Sache felbst hat er kaum den Willen oder die Krast, etwas zu ändern.“

A E Papiergeld-Kalamität dauert fort. Der Cours in Konstanttinopel 5/2 ist 171 Piaster per 1 Lira Gold, den Zwangscours von 130 Piaster Kupfer für 100 Piaster Papier hinzugerechnet, erhält man den Zwangswerth von 221 Piaster. Dafür kann man Alles kaufen, doch wird der Waaren- und Viktualienpreis doppelt angeseßt. Der Verkaufende fragt seine Kunden oder Kaujslustige, mit welchem Gelde sie bezahlen wollen, mit Silber, Kupfergeld oder Kaime, und giebt dann die entsprehenden Preise an, mit dem Bedeuten, daß er beim Papiergeld auf die kleinste Note von 5 Piaster (Zwangscours 6!/, Piaster Kupfer) nicht herausgeben könne. Armenische, griechische und andere Kirchenpfarreien hatten in ihren Kirchengemeinden Papierkleingeld = 10, 20, 40 Para (/,, 1/s, 1/7 Piaster) anfertigen lassen, auch einzelne Bakale, Caffedschi, Restaurants und dergleichen hatten Geldzeichen eigenen Druckes in verschiedenen Sprachen lithographifsch herstellen lassen und in Umlauf geseßt. Doch wurde dies von der Regierung vcrboten, welche jeßt ihrerseits Kleingeldzettel zu 1 Viaster in derartiger Form ausgegeben hat, daß man vier einzelne Theile, wie bei Briefmarken, mit 10 Para ab- reißen und so das Papiergeld theilen kann.

London, 13. Februar. Die Depesche Lord Derby's an Sir Henry Elliot, auf welche Gladstone am nächsten Freitag die Aufmerksamkeit des Hauses lenken wird, ist im Blaubuche 1. Band unter Nr. 159 aufgeführt, vom 5. Sep- tember datirt und lautet folgendermaßen :

Sir! Zur Richtschnur für die in der gegenwärtigen Sachlage gegenüber den türkischen Ministern Ihrerseits zu führenden Sprache 1st cs nöthig, daß Sie mit dem Stande der öffeutlichen Meinung in England mit Bezug auf die Türkei genau vertraut seien. Ich bin verpflihtet, Sie davon in Kenntniß zu seßen, daß irgend welche frü- her gegen jenes Land gehegte Theilnahme durh die jüngsten bekla- genswerth:n Ereignisse in der Bulgarei vollständig ausgerottet wor- den ist. Die Berichte über die von den türkischen Truppen gegen die un- glückliche und größtentheils widerstandslose Bevölkerung begangenen Ge- waltthätigkeiten und Ausschreitungen haben in sämmtlichen Schichten der englischen Gesellschaft ein allgemeines Gefühl der Entrüstung hervorgerufen, und dies ist zu einer solhen Höhe gediehen, daß in dem äußersten Falle einer Kriegserklärung Rußlands gegen die Türkei JIhrer Majestät Regierung sih thatsählih außer Stande sehen würde, behufs Vertheidigung des ottomanischen Reiches einzuschreiten. Solch ein Ereigniß, welches Sympathien des Volkes in unmittel- baren Widerstreit gegen seine vertragsmäßigen Verbindlichkeiten brächte, würde England in eine schr unbesriedigende und sogar demüthigende Stellung verseßen; und doch ist es unmöglich zu be- haupten, daß, wenn der gegenwärtige Konflikt fortdauert, dieser Fall niht eintreten werde. Der unter jeden Umständen höchst wün-

chenêwerthe s{leunige Abschluß eines Friedens wird unter diesen Erwägungen ein Gegenstand dringender Nothwendigkeit. Jhrer Majestät Regierung stellt es Ew. Erzellenz Ermessen anheim, die Gründe zu wählen, welche Sie geltend machen werden, aber Sie werden aus dem von mir Mitgetheilten ersehen, wie wesentlich es ift, die türkishen Minister über die Lage aufzuklären, in welche das Ver- halten ihrer eigenen Behörden sie verseßt hat, und Sie werden er- kennen, daß Sie ermächtigt sind, wenn die Gelegenheit e? erfordert, die nahdrüctlihste Sprache zu führen, um der Pforte die Räthlich- keit einer friedlichen Politik und der Mäßigung in den vorzuschlagen- den Bedingungen einzuschärfen (to enferce upon the Porte), Ich bin 2c. Derbv.

Die „Times“ sagen über das cine dem englischen Parlamente vorgelegte Blaubuch: „Die weniger einsich- tigen Vertheidiger wie die hefstigeren Gegner der Regierung werden durch das Blaubuch über die Konferenz in Verlegen- heit gerathen. Dasselbe ist vom Anfange bis zum Ende eine Anklageschrift wider die Türkei. Gladstone selbst hätte keine strengere Verurtheilung ihres Verhaltens niederschreiben fönnen, als wir in den Jnstruktionen Lord Derby's an Lord Salisbury finden. Die Unlust, solche Verbrecher wie Schefket Pascha und Achmed Aga zu bestrafen, die Thatsache, daß das der christlichen Bevölkerung geschehene Unrecht nicht gesühnt wurde und die allgemeine Mißregierung der Pforte sind mit einem Freimuthe dargestellt , welchen sich Diplomaten selten gestaiten. Lord Derbys Beschwerden sind in einem Saße zusammengefaßt, welher an Strenge nichts zu wünschèn übrig läßt: „Die ganze Geschichte des 08- manishen Reihcs sagt er seit dasselbe unter den Verpflichtungen des Pariser Vertrages in die euro- pä. sche Staatengemeinschast aufgenommen wurde, hat be- wiesen, daß die Pforte nicht im Stande ist, in den Provinzen die Ausführung von Reformen durch türkische Beamte zu verbürgen, welche dieselben widerwillig aufnehmen und straflos vernatlässigen.“ Eben so unumw::nden ist die Sprache, welche Lord Salisbury bezüglih der türkischen Beamten gebraucht. „Manchmal wird ein tüchtiger Mann angestellt, sagt er, aber in der Negel bestimmen Gönnerschaft und Bestehung die An- stellungen.“ Nicht weniger werden beide extreme Parteien über die unceremoniöse Weise erstaunt sein, mit welcher die Negierung die „Unabhängigkeit“ des türkischen Reiches behan- delt. Lord Salisbury kommt bei Erörterung dieses Ausdruckes in ciner Depesche an Lord Derby zu einem Schlusse, den selbst Gladstone acceptiren könnte. „Wenn die Pforte sagt Lord Salisbury in dem Sinne unabhängig wäre, wie es die Garantiemädchte find, so hätte sie gar keine Garantie gebraucht.“

Nußland und Volen. St. Petersburg, 13. Fe- bruar. Der „Regierungs-Anzeiger“ vom 11. Februar veröffentlicht die bei der Eröffnung des finnländischen Landtages am 27. Januar von dem Sprecher des Priesterstandes Erzbischof Bergenheim und von dem Adels-Marschall Frhrn. von Born gehaltenen Reden.

Jn der ersteren heißt es:

„Froh und glücklich in seiner Allergnädigst zugesicherten und für die Zukunft geseßlih geshütten, sozialen und internationalen Lebens8- stellung und in dieser kostbaren Sicherheit sich frei den unabweis- lichen Sorgen für die Bewahrung und Entwicelung seiner sittlichen Kraft, seiner geistigen Entroickelung unterwerfend, und diese zweck- mäßig zur Besiegung der Schwicrigkeiten anwendend, welche in einem rauhen Klima unzertrennlih von den Pflichten sind, bei angestrengter

| Besiß von Land kamen.

und ankbaltender Arbeit einem kargen Boden die unentbchrlichsten Lebensmittel abzugewinnen, hat das finnis{e Volk nicht anders als \{merzlich von den grausamen Leiden und den barbarischen Behand- lungen, welchen unsere Christenbrüder im Orient und besonders auf der Balkanhalbinsel unterworfen sind, berührt werden können.

Die edelmüthigen Worte, welhe in der alten Hauptstadt des großen russischen Neiches von dem Kaiser-Befreier gesprochen worden sind und der allg: meine Enthusiasmus, womit das edle und tapfere ruf- n1\{che Volk darauf geantwortet hat, geben uns die zuversichtliche Hoffnung, daß diesem Elend bald ein Ende gemacht und daß der Barbarei, welche dasselbe hervorgerufen, in fester und daucrhafter Weise Einhalt gethan werden wird; und wir find gewiß, daß, wenn dieses hohe und Gott gefällige Ziel nit ohne Verwickelungen erreicht wer- den kann, die aub von dem unbedeutenden finnishen Volke Opfer verlangen, dieses Volk auf seinem Posten nicht saumfelig befunden werden wird, seine Pflichten zu erfüllen, welche sein hoher, ehren- werther und innigstgeliebter Monarch demselben zuweisen wird.“

Aus der von dem amtlichen Blatte mitgetheilten Rede des Adels marschalls theilen wir folgende Stelle mit :

„Finnlands Ritterschaft und Adel hat mit der lebhaftesten Theil- nahme die hochherzigen Maßregeln Sr Kaiserlihen Majestät Dessen Gnade Millionen Menschen ihre Freiheit verdanken ver- folgt, auf friedlihem Wege den bedrücten Christen in einem Nachbarlande eine erträgliche Stellung zu gewähren.

_ Se. Majestät der Kaiser hat den Ständen des finn- ländischen Landtages für die Seitens des Landmarschalls der Ritterschaft und des Adels, sowie der Sprecher des geistlichen, des Bürger- und des Bauernstandes in ihren Neden bei Er- öffnung des Landtages ausgesprochenen Gefühle zu danken befohlen. i

Ueber die Loskauf-ODperation bringt der „Neg. Anz.“ eine Neihe von Daten, denen zu entnehmen ift, daß im Jahre 1876 nur 110,810 Seelen dadurch in selbständigen ) Der Gang der Operation in den leßten sechs Jahren ergiebt sich aus folgenden Zahlen : 1871 wurden losgekauft 334,448 Seelen, 1872 205,974, 1873 186,169, 1874 136,807, 1875 133,270 und 1876 110,810 Seelen. Ein großer Theil der landbesißenden Bevölkerung hat sich ihr Land ohne Unterstüßung der Regie- rung gekauft, und zwar umfaßt dieser Theil 639,636 Seelen.

___— Ein Telegramm des „Golos“ aus Taschkent meldet die am 9. Februar erfolgte Ankunft der bucharishen Ge- sandtschaft in dieser Stadt.

Die „Turk. Ztg.“ veröffentliht folgenden Befehl des Militärgouverneurs des Ssemiretschinski- shen Gebiets:

„Jun der letzten Zeit hat man eine starke Einwanderung von Bewohuern Kaschgars in unser Gebiet bemerkt. Dieselben wollen ih auf diese Weise der Wehrpflicht entziehen. Indem ih die Auf- merksamkeit der Herren Kreis- und Bezirks- und Militärchefs von Narynsk auf diesen Umstand lenke, ersuche ih dieselben, streng dar- auf zu achten, daß sih unter den Emigranten nicht auch durch ihren Fanatismus \chädlihe Personen, wie Chodjas, Mullahs u. A. ein- leihen. Dieselben dürften nicht {wer von den einfachen Arbeitern zu unterscheiden sein, welche nur der Wehrpflicht entgehen wollen. Verdächtige Personen sind an der Grenze sofort zu verhaften, unter strenger Bewachung in die nächste Stadt zu befördern und ist dann der Verwaltung darüber unverzüglich zu berichten.“

Dänemark. Kopenhagen, 13. Februar. Den „Hamb. Nachr.“ wird geschrieben: Von unterrichteter Seite verlautet aus dem Finanzausshuß des Landsthings, daß eine Furcht vor einem Konflikt, der die Ruhe des Landes aufs Spiel segen könnte, nicht vorhanden is, und daß man also au ferner mit größter Ruhe abwarten kann, wie die Dinge sich entwieln. Einen Beweis dafür, daß die Linke gegenwärtig sehr wohl die Shwäche ihrer Stellung empfindet, sicht man auch in einer Notiz in „Veile Amts Folkebl.“, worin ausge- rehnet wird, daß der kommende gemeinsame Ausschuß aus 30 Mitgliedern bestehen wird, von denen, da das Landsthing die Hälfte zu wählen hat, nur 14 Anhänger der Linken sein werden. Daß somit der Ausschuß und dessen voraussichtlich zur Rechten gehörige Majorität bei kluger Moderation umso- mehr den Ausschlag geben wird, da sie, wie mehrfach erwähnt, sih auf das Bestehende stüßgt, liegt auf der Hand. Fedenfalls ist es klar, daß die Linke im Folkething den Vorschlägen der Majorität des gemeinsamen Ausshusses gegenüber eine sehr {were Stellung haben wird und daß nicht abzusehen ist, wie die Führer eine Abweisung derselben und ein Festhalten ihrer eigenen Vorschläge, namentlih in Betreff der Theater- frage und der Beamten- und Schullehrerfrage rechtfertigen und motiviren können.

Afrika, Aegypten. Kairo, 15. Februar. (W. T. B.) Alle Gouverneure der zu Sudan gehörigen Provinzen sind der Kontrole des Oberst Gordon unterstellt worden, die wirksame Unterdrückung des Sklavenhandels wird als Hauptaufgabe Gordons angesehen.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

St. Petersburg, Freitag, 16. Februar. Der „Regie- rungs-Anzeiger“ veröffentlicht den Bericht über die Aushebung im Jahre 1876. Nach demselben sind im Ganzen 196,000 Mann ausgehoben worden, 2758 Mann waren aus besonderen Grün- den von der Einstellung befreit. Die für unbrauchbar erklärten Personen machten ein Drittel der Besichtigten aus, während dieselben im Jahre 1875 nur ein Sechstel betrugen.

Landtags- Angelegenheiten.

Dem Hause der Abgeordneten is ein Geseßentwurf, betreffend die Verwendung von Beständen für außer- ordentlihe Bedürfnisse der Bauverwaltung imEtats- jahr 1877/78 und dieAufnahme einer Anleihezur Deckun der Ausgaben für Bauausführungen auf den Staats- Eisenbahnen, vorgelegt worden. Derselbe lautet:

8 1. Die durch den Staatshaushalts-Etat für 1874 unter Kapitel 9, Titel 12 und 17 des Extraordinariums des Etats der Bauverwaltung als erste Rate zur Anlage eines Kanals vom Mauersee nach Allenburg und zur Kanalisirung der oberen Neße von Nakel bis zum Goplosee ausgebrachten Beträge von 1,500,000 und 600,000 ( sind, soweit fie bisher nicht verausgabt, zur Ausführung folgender Bauten neben den durch den Etat für das Jahr vom 1. April 1877 bis 1. April 1878 * dafür bereit gestellten Mitteln zu verwenden: Zum Durchstich der Swine bei Caseburg zum Haff. Zum Neubau der Harbur- ger Hafenschleuse. Für den Hafen von Memel. Für den Hafen von Pillau. Für den Hafen von Neufahrwasser. Zu Bauten an den Häfen Colbergermünde, Rügenwaldermünde und Stolpmünde. Zur Beschaffung eines Lootsendampfschiffffes für Neufahrwasser. Zur Herstellung einer Dampffähre über die Eider bei Tönning. Für die Errichtung von Nebelsignalstationen an der Mündung der Ems, der Mündung der Eider und bei Rixhöft, fowie für Beschaffung cines Reserveapparates für die Station bei Bülk.

& 2, Es ist eine Anleihe aufzunehmen, welche die Mittel für die nachbstehenden Bauausführungen gewährt: 1) auf der Nieder- {{lesisch-Märkischen Eisenbahn: a. für die Erweiterung der Werk-