1877 / 61 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Mar 1877 18:00:01 GMT) scan diff

EreNene Debatte über den Eta t fortgeseßt. Es sprachen die bgg. Dr. Lucius (Erfurt), Dr. Nieper, Bezanson, von Kleist- Retßow und Rickert. Hierauf wurde eine Anzahl von Kapi- teln, welche Mehrforderungen enthalten auf den Antrag verschiedener Abgeordneten an die Budgetkommission verwiesen. Es folgte die erste Berathung des von den Abgg. Richter (Hagen) und Genossen vorgelegten Geseßentwurfes wegen Ab- änderung des Geseßes vom 23. Mai 1873, betreffend die Gründung und Verwaltung des Reichs - Jnvaliden- fonds, und des Gesetzes, betreffend den noach dem Ge- Jes vom 8. Juli 1872 einstweilen reservirten Theil der französishen Kriegskostenentshädigung vom 8. Juli 1873. Außer dem Antragsteller sprachen hierzu die Abgg. von Kleist: Reßow und Dr. Lasker. Darauf wurde die Vorlage an die Budgetkommission, und bei Schluß des Blattes die Rechnun- gen der Kasse der Ober-Rehnungskammer bezüglich desjenigen Theils, welcher die Reichsverwaltung betrifft, an die Rech- nungskommission überwiesen.

Bei der Berathung der Justizgeseße haite der Reichstag in seiner leßten Session folgende Resolutionen angenommen:

I. den Reichskanzler aufzufordern, mit thunlihster Be- s{leunigung dem Reichstag den Entwurf einer Militär- Strafprozeßordnung vorzulegen, in welcher das Militär- Strafverfahren mit den wesentlihen Formen des ordentlichen Strafprozesses umgeben wird; 2) den Reichskanzler aufzufor- dern, dem Reichstag mit thunlichster Beschleunigung einen Geseßentwurf vorzulegen, durch welchen unter Festhaltung der im Strafgeseßbuche über die Freiheitsstrafen enthaltenen Bestimmungen die Vollstreckung der Freiheitsstrafen in An- schung der Gefängnißeinrihtung, der Vervflegung, Beschäftigung und Behandlung der Sträflinge geseßlich gleich: mäßig für das Deutsche Reich geregelt wird.

1. Den Reichskanzler zu ersuchen, womöglich noch vor dem Jnkrasttreten der Konkursordnung die einheitliche Regelung des in §. 17 des Entwurfs des Einführungsgesebes behandelten Gegenstandes im Wege der Reichsgesezgebung herbeizuführen.

Hierauf ist dem Reichstag Seitens des Reichskanzlers folgende Benachrichtigung zugegangen:

Zu T. 1) Die erforderlihen Schritte behufs Fertigstellung des Entwurfs einer deutschen Militärstrafprozeßordnung sind eingeleitet.

Zu 2. Die vorläufige Aufstellung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend den Vollzug der Freiheitsstrafen, ist be- reits erfolgt. Eine alsbaldige Vorlegung desselben kann je- doh noch nicht in Aussicht genommen werden, da die Vorbe- rathung noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird.

Zu 11, Das Reichs-Justiz-Amt is zur Erörterung der Frage, ob die reihsgeseßlihe Regelung des Gegenstandes bei der gegenwärtigen Lage der Arbeiten der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Geseßbuchs in Angriff zu nehmen sei, mit den verbündeten Regierungen in Korrespondenz getreten.

Fn Sachen Greifswald wider Gristow hat das Bundesamt für das Heimathwesen durch Erkenntniß vom 20. Januar 1877 entschieden, daß der gewöhnliche Aufenthalt eines Arbeiters am Orte seiner Arbeitsthätigkeit begründet ist, wenn das Arbeitsverhältniß, ohne gerade ein festes, für lange Zeit eingegangenes zu sein, doch von längerer Daucr war, und das Verweilen am Arbeitsorte auch außer- halb der Arbeitstunden mit sich brachte.

Jn den deutschen Münzstätten sind bis zum 3. März 1877 geprägt worden an Goldmünzen : 1,097,700,280 Doppelkronen, 337,530,330 Á# Kronen; hiervon auf Privat- reGnung: 171,423,459 4; an Silbermünzen: 71,653,095 6 5-Markitücke, 82,229,776 4/6 2-Markstüde, 143,512,165 4 1-Mark: stüde, 55,523,260 50 S F ö0-Pfennigstücke, 35,717,922 89 „S 20-Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 23,502,530 #6 70 S 10-Pfennigstücke, 11,657,813 46 75 S 5-Pfennigstüe ; an Kupfermünzen: 6,106,867 46 34 -Z 2-Pfennigstücke, 5,377,119 M 13 4 Z 1-Pfennigstücke. Gesammtausprägung an Gold- münzen : 1,435,230,610 Mz an Silbermünzen : 388,636,219 30 _Z; an Nickelmünzen: 35,160,344 46 45 Z; an Kupfer- münzen: 9,483,986 M 47 S.

Nach einem Reskript des Finanz-Ministers vom 6. Fe- bruar d. F. sind nur sechs Vereinen der Gustav-Adolf-Stif- tung und zwar dem Schlesishen Hauptvereine, dem Preußischen Hauptvereine, dem Lokalvereine in Berlin, dem Lokalvereine in Danzig, dem Vereine in Frankfurt a. M. und dem Ost- friesishen Vereine die Rechte jurijäischer Personen verliehen worden und sind deshalb diesen Vereinen zufallende Legate und Erbschaften von der Steuer freigelassen.

Der Centralvorstand der Gustav-Adolf-Stiftung und die oben niht bezeihneten Vereine der Stiftung haben die staat- liche Anerkennung als milde Stiftung bisher niht nachge- wiesen. Sofern daher in leziwilligen Verfügungen einem Erben, Vermächtnißnehmer 2c. die Verwendung von Erbschasts- theilen zu Zwecken eines nicht mit dem Rechte juristischer Perfonen versehenen Gustav-Adolf-Vereins bezw. die Aushändigung von Erbschaftstheilen an die den betreffenden Vercin bildende Ge- sellschaft, auferlegt ist, muß in Gemäßheit des §. 8 des Erb- schaftssteuergeseßes vom 30. Mai 1873 die Entrichtung der Erbschaftssteuer gefordert werden, welhe mt Rücksicht auf die gemeinnützigen Zwecke des Vereins auf den Betrag von 4 pCt. beschränkt bleibt.

Reisende, welche zollpflihtige, niht zum Handel bestimmte Waaren mit sich führen, sind, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 4. Mai 1876, verpflichtet, entweder die Waaren bei der Zollstelle anzumelden oder sich bei derfelven zur Revision zu stellen. :

P. war am 26. Dezember 1875 Vormittags mit dem Eisenbahnzuge von seinem Wohnort B. über die niederländische Grenze in der Riitung noch V. gefahren und wurde, als er Nachmittags von dort zurückehrend, an der diesseitigen Grenz- station ausstieg und bereits das Zollrevisionszimmer unbehel- ligt passirt hatte, von einem Zollbeamten im Besiße eines ganz neuen Ueberrocks betroffen, den er am Vormittag nicht bei sich geführt hatte. Da er einen Zollausweis über den Rock nicht vorlegen konnte, wurde derselbe in Beschlag genommen und P. wegen Eins{wärzung verfolgt. Die I sprachen ihn frei, weil es sich um einen niht zum Handel be- stimmten zollpflihtigen Gegenstand eines Reisenden gehandelt und P. weder Anstalten zur Verheimlichung desselben ge:roffen, noh etwa auf eine bei der Abfertigungs- oder Revifionsstelle an ihn gerihtete Frage in Abrede gestellt habe, den Rod in V. angetaust zu haben. Das Ober-Tribunal hat dieses Er- kenntniß kassirt, die Sache aber in die zwekte Instanz zurück- verwiesen, damit zunächst nohch festgestellt werde, ob, die in dem

angegriffenen Urtheil nicht ausdrücklih erörterte Zollpflichtig- keit des fraglihen Rockes vorausgeseßt, in dem Verhalten des Beschuldigten im Uebrigen die Merkmale einer Hinterziehung der Eingangsabgabe im Sinne der §8. 135 und 136 des Vereinszollgeseßes zu erkennen sind.

Die unbefugte Führung des Titels „Pfarrer“ seitens eines amtsentjeßten Pfarrers der protestantischen Landes- kfirhe ist nach einem Erkenntnisse des Ober-Tribunals vom 14. Februar 1877 auf Grund des §. 360 Nr. 8 wegen unbefugter Annahme eines Titels zu bestrafen.

_— Der Bundesraths-Bevollmächtigte, Bürger- meister der Freien Hansestadt Bremen, Gildemeister, ist hier eingetroffen.

Der General-Lieutenant von Rauch I., Commandeur der 9. Division ist mit Urlaub von Glogau hier eingetroffen, ebenso der General-Lieutenant von Colomb, Kommandant von Cassel, von Cassel. i

Der Thierarzt 1. Klasse Arndt zu Morbach if zum Ren Kreisthierarzt des Kreises Berncastel ernannt worden.

_ Bayern. München, 8. März. Der König hat seinen General-Adjutanten, den Vorstand der Militär- fonds- Verwaltung, General -Lieutenant Karl Spruner von Mert, von dem ihm provisorisch übertragenen Präsidialgeshäft des General - Auditoriats enthoben, und den General - Lieutenant Max Grafen von Tattenbach, bisher à la suite der Armee, unter Enthebung von sciner Funktion im Kriegs-Ministerium (ad latus des Kriegs- Ministers) jedoch mit Belassung in der Stelle als Fnspecteur der Militärbildungsanstalt, zum Präsidenten des General- Auditoriats der Armee ernannt. Mit der Aufhebung der Funktion des dem Kriegs-Minister beigegebenen Generals tritt nunmehr die in der Allerhöhsten Entschließung vom 2. März 1876 * vorgesehene Wirksamkeit der Kriegsministerial- abtheilung vollständig ins Leben und wurde in dieser Be- ziehung vom Königlichen Kriegs-Ministerium die entsprechende Anordnung heut erlassen. Dur Fönigliche Entschließung wird für Feststellung der militärgerihtlihen Zuständigkeit auf allgemeiner Grundlage der nunmehrigen Landwehr-Bezirks- eintheilung des Königreichs eine neue! Eintheilung in Kommandanturbezirke genehmigt und dieselbe heute publizirt.

Baden. Karlsruhe, 9. März. Die „Karlsr. Ztg.“ bringt heute folgenden von Männern aus allen politischen Parteien unterzeichneten

Aufruf an das badische Volk!

Am 24. April d. I. werden es 25 Jahre, seit unser geliebter Großherzog die Regierung seines Landes angetreten hat. E3 muß der innige Wunsch jedes getreuen Badeners sein, daß das Gedächtniß dieses Tages au für künftige Zeiten und in einer Weise gewahrt bleibe, wie es dem edlen und hohen Sinne unseres Landesfürsten entspriht. Jn Vertretung der Mitglieder beider Kammern und der Mehrzahl der Gemeinden des Landes fordern die Unterzeichneten ihre Mitbürger zu Beiträgen auf,“ welché als Gabe des Landes am Tage der Festfeier Sr. Königlichen-Hoheit 2m Großherzog zur Berfügung gestellt würden, um daraus\ unter “sinèêm auf das Festereigniß hin- weifenden Namen eine dem -bfentli@en Wohle dienende Stiftung zu errihten. Wir wenden uüns-an die Vorstände sämmtlicher Ge- meinden des Landes mit der Bitte, alsbald zur Bildung von Orts- aus\{üssen zu schreiten, um die Sammlung zu bewerkstelligen und das Ergebniß derselben spätestens bis zun 10. April an den Orts- aus\cchuß ihrer Amts8f\tadt abzuliefern.

10. März. Ueber das Befinden des O Wil- helm veröffentlicht die „Karlsr. Ztg.“ heute folgendes drittes Bulletin: Das Fieber ist noch Schwankungen unterworfen, die typhösen Symptome erhalten sich maßvoll, sind aber immer noch nicht bewältigt; immerhin ist der Verlauf der Krankheit ein verhältnißmäßig günstiger. Der Großherzog und die r a haben am 8. Abends Neapel verlassen, gedachten den 9. in Florenz zu übernachten und den Rückweg in die Heimath über Genf zu nehmen. Fhre Königlichen Ho- heiten hoffen Sonntag, den 11. März, Nachts in Karlsruhe einzutreffen. Der Großherzog beabsichtigte, sich nach Palermo an das Kranftenlager seines Bruders, des Prinzen Wilhelm, zu begeben, sah sich aber veranlaßt, darauf zu verzichten, da Medizinal-Rath Dr. Schenk wegen der für den hohen Kran- fen absolut gebotenen Ruhe von Palermo aus Sr. König- lichen Hoheit entschieden abgerathen hatte, dieses Vorhaben auszuführen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 10. März. Unter dem Vorsive des Kaisers hat gestern hier ein Ministerrath stattgefunden, in welchem der Text des neuen Bankstatuts entgültig festgestellt wurde. Die Kaiserin trifft heute von Gödöllö in Göding ein. j

(W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus beshloß in sei- ner heutigen Sißzung, in die Spezialdebatte über die Anträge auf Nevision des Preßgeseßes einzutreten, und nahm nach den Anträgen des Ausschusses die bezüglichen beiden Geseßent- würfe, betreffend die Abänderung der Strafprozeßord- nung und des Preßgeseßes an. Bei der Berathung der leßteren Vor"age wurden die §8. 5, 6 und 7, welche die Auf- hebung der Zeitungskautionen und die eventuelle Straflosig- keit des Verlegers, des Druckers und des Verbreiters einer Druckschrift betreffen, abgelehnt. Der „Politischen Korrespon- denz“ zufolge sind die Osterferien des Reichsrathes für die Zeit vom 25. d. bis zum 19. April in Aussicht genom- men. Die Landtage werden auf den 4. Aprl zu einer kurzen Session einberufen.

Die Führer der ultramontanen Partei veröffentlichen im „Vaterland“ einen Aufruf an die Katholiken Oesterreichs zur Betheiligung an dem allgemeinen österreichischen Ka- tholikentag, der hier vom 16. bis 19. April stattfinden ao T Schule, Presse, Kunst und foziales Leben verhan- eln soll.

_ Prag, 10. März. Das *®,Prager Abendblatt“ meldet, daß die böhmischen Landtagsersaßwahlen für den 7. und 9. April ausgeschrieben wurden.

__ Pest, 9. März. Die „Pester Korrespondenz“ ist ermäch- tigt, die Mittheilung eines ungarischen Blattes, wonach die bevorstehende Reise des Finanz-Ministers Szell nach Wien auch den Zweck haben werde, wegen einer größeren Finanz- operation mit Geldkräften zu konferiren und den auf die zweite 40 Millionen-Rentenanleihe empfangenen Vorschuß von 20 Millionen zu regeln, als vollkommen unwahr und jeder Begründung entbehrend zu bezeihnen. Der Finanz-

Minister hat weder von der Rothschild-Gruppe, noch von einem anderen Konsortium Vorshuß genommen.

10. Márz. (W. T. B.) Der Ministerrath hat gestern den Beschluß gefaßt, die Session ves Reichstags in nächster Woche zu s{hließen, unmittelbar darauf aber die neue Session zu eröffnen und noch vor den Osterferien die ständigen Kommissionen E zu lassen, damit sogleih nach den Ferien über die Ausgleihsvorlagen verhandelt wer- den kann. Der Geseßentwurf, betreffend die Friedensgerichte wird von der Tagesordnung abgeseßt.

Schweiz. Bern, 9. März. (N. Zürch. Ztg.) Die gan heutige Sißung des Nationalrathes wurde noch beanspru von den Berathungen über den Rest des Militärsteuer- geseßes und über eine Anzahl von Wiedererwägungs- anträgen. Fn der Shlußabstimmung wurde das ganze Gefeß unter Namensaufruf mit 57 gegen 35 Stimmen angenom=- men. Jm Ständerath wurden bei Berathung des Ge- feFr S, betreffend die politishen Nechte der Nieder- gelassenen und Aufenthalter, die Gründe des Aus- O vom Stimmrecht debattirt. Der Ständerath beschloß

urch ein gerihtlich motivirtes Urtheil wegen Konkurses eine

Aufhebung des Stimmrechts bis zu jen Fahren, ausnahms- weise für völlig Unvershuldete gar keine zuzulassen, wegen Almosengenießens aber während deren Dauer. Er stellte den Kantonen das Fallenlassen dieser beiden Beschränkungen frei. Jn der Schlußabstimmung wurde von den Ultramon- tanen und den radikalen Westschweizern mit 22 gegen 7 Stimmen das ganze Gefeß verworfen.

Großbritannien und Jrland. London, 10. Märzs (E. C.) Heute Mittag findet eine Ministerberathung

statt. Das britishe Kanalgeshwader wird in dex

nächsten Woche in Cadiz fein und zu Ehren des Königs Alfonso eine glänzende Revue veranstalt:n. Der König wird an einem Bankette theilnehmen, bei welchem der britishe Ge- sandte Mr. Layard den Vorsiß führt. Der neue Gouver- neur der Kapkolonie, Sir Bartle Frere, hat gestern mit dem Dampfer „Balmoral Castle“ England verlassen.

Frankreih. Paris, 10. März. (Köln. Ztg.) Die Nechte der Deputirtenkammer hat in der leßten Sizung gelegentliGh der vom Grafen Chambord er- lassenen Ansprache folgende Resolution angenommen: „Die Rechte der Kammer in ihrer leßten Vereinigung bekräf- tigt von Neuem den Beschluß, ihre Energie zu verdoppeln in der Vertheidigung ihrer religiösen und politischen Grund- säße auf dem sozialen Gebiete.“ Das Manifest des Grafen Chambord war in vielen Gemeinden des südlichen Frankreichs durch Maueranschlag bekannt gemacht worden; die Po- lizei “ley die Maueranschläge abreißen. Der Minister der öffentlihen Arbeiten, Christophle, hat in der Eisenbahnkommission erklärt, daß er im Prinzip den von Hrn. Targé vorgelegten Geseßentwurf annehme. Dieser beantragt die Anwendung des Zurückkaufs der Eisenbahnen, die von den ersten Konzessionären nicht mehr in Betrieb geseßt worden, zum wirklichen Preise, nach Abzug der vom Staate bewilligten Zuschüsse; Konzentrirung aller Linien von großem Betriebe unter einer solh&@ Verwaltung, daß keine Konkurrenz zwischen den vom Staate unterstüßten Linien entsteht; Einführung von Reglements, die dem Staate die fortwährende Ausübung seiner Autorität in Tarif- und Verkehrsfragen gewährleisten und den Fnteressirten die Mittel eben, ihre Beschwerden offiziell der Regierung zugehen zu assen; unbedingten Vorbehalt für den Staat, zu jeder Zeit und ohne die durch Kontrakte gesicherte finanzielle Lage anzu- tasten, den Bau neuer Linien anzuordnen, um sie mit dem Eisenbahnney der Region zu vereinigen ; für den Fall die Eijenbahngejellshaft Orleans nicht auf dieser Grundlage unterhandeln wollte, ein siebentes großes west- und südwest- liches Eisenbahnneg mit Staatsbetrieb zu bilden.

10. März. (W. T. B.) Der rusfsishe Botschaster in London, Graf Schuwaloff, ist heute Morgen nah London zurückgereist.

Versailles, 10. März. (W. T. B.) Der Senat hat den Kandidaten der bonapartistishen Partei, Dupuy de Lôme, mit 142 Stimmen zu seinem ständigen Mitgliede ge- wählt. Der Gegenkandidat André von der ge1::äßigt-repu- blikanishen Partei erhielt 140 Stimmen.

Spanien. Nach einem Telegramm des „Standard“ vom 8. d. M. aus Madrid ist der König auf den balearischen JFnseln angekommen. Die britische Flotte wird am Sonntag nach Cadix gehen, der britishe Gefandte Layard ebenfalls.

Ftalien. Rom, 10. März. (W. T. B.) Jn der Depu- tirtenkammer, welhe die Berathung des Geseßentwurfs, betreffend den obligatorishen Elementarunter-=- rit, fortsezte, wurden vom Minister-Präsidenten Ge- sezvorlagen wegen Abänderung der Gesetze, betreffend die Besteuerung des LemeaiiEa Kapitalvermögens und die Mahlsteuer, sowie wegen Reorganisation der Grundsteuer eingebraht. Der Kardinal Ferriertï ist a1 Stelle des Kardinals Bonaparte zum Camerlengo des heiligen Kollegs ernannt worden, die Ernennung wird in E am nächsten Montag stattfindenden Konsistorium verkündet werden.

Das „Univers“ empfängt aus Rom den Tert eines päpstlichen Erlasses, in welhem die neueEidesformel vorgeschrieben wird, deren sich fortan die Erzbischöfe, Bischöfe, Kanoniker, Benefiziaten, die Oberen der Klöster, kurz alle die- jenigen Personen zu bedienen haben, welche bisher nah der Formel Pius’ VIl. vereidigt wurden. Veranlassung zur Auf- stellung der neuen Eidesformel hat dem Vatikan der Umstand geboten, daß seit der Berufung des vatikanischen Konzils und vor seiner Vertagung zwei dogmatische Grundsäße zur Ver- öffentlihung gelangt sind, auf welhe in dem Glaubens- befenntniß ausdrücklih Bezug genommen werden soll. Der Papst befiehlt daher nah Anhörung der Kardinals-Kongrega- tion, daß in der vorgenannten Kormel nach den Worten „Praecipue a sacrosancta Tridentina Synodo“ eingeschaltet werde : „et ab oecumenico Concilio Vaticano tradita, definita ac decla- rata, praesertim de Romani Pontificis Primatu et infallibili magisterio“, womit auf das Primats- und Unfehlbarkeilsdogma Bezug genommen wird. Aus Anlaß seines fünfzig-

\chofsjubiläums hat der Papst, - der

jährigen Bi : „Koln. Zin ulte einen allgemeinen Abl gewährt:

Griechenland. AFEN, 10. März. (W. T. B.) Das neue Kabinet hat sich Tonstituirt. Deligeorgis hat das Präsidium und das Portefeuille des Ministers des Auswär- tigen und provisorish auch dasjenige des Ministers des Jnnern übernommen. Levides 1|st Finanz-Minister, Antonopulos

Die Verkündigung des Finanz-Ministeriums war

Ep Mister, A. Mauromichalis Kriegs-Minister, Zochios Miniüer, Mimster , Kanwahis (Rangabis?) - Unterrichts- nister.

Türkei. Konstantinopel, 2. März. Der „Pol. Korr.“ wird von hier u. A. geschrieben : Gestern wurden die aus der Bevölkerung gewählten vierzig sogenannten Dele- girten (Wahlmänner) von dem Stadtpräfekten zur Wahl der zehn Deputirten einberufen, welche die Stadt Stambul und ihre Bannmeile in die Kammer zu entsenden hat. Der Wahlakt dauerte dem Vernehmen nag drei Stunden. Die gewählten fünf Mohammedaner sind der Scheih Osman Effendi, Superior eines Klosters tanzender Derwische; Jus}suf Pascha, Finanz-Minister ; Ahmed Wefyk Effendi, welcher jüngst vom Sultan zum Präsidenten der Deputirtenkammer ernannt wurde; Ahmed Hilmi Effendi, Mitglied ‘des Ueberseßungs- Bureau der Hohen Pforte; Hassan Fehmi Effendi, Advokat. Die gewählten fünf Nichtmohamedaner sind: Vasfilaki- Sarakioty Bey (Grieche); Abraham Agenan Effendi (JFsraelit); Ohannes Effendi Allah - Verdi (fatholisher Armenier); Servztschen Effendi, Doktor der Medizin (gregorianisher Ar- menier); Sebouh Effendi Maksud (gregoriani}her Armenier).

Aus Konstantinopel, 2. März, wird der „Köin. Ztg.“ u. A. geschrieben: Jn den Kreisen der türkischen Be- amtenwelt griff vor einigen Tagen die freudigste Erregung Plat, als der Entschluß des Finanz-Ministeriums offiziell be- fannt wurde, die rückständigen e für den Monat Ja- nuar auszuzahlen, weil man dabei von der Vorausseßung ausging, daß bei dieser Gelegenheit auch die noch im RNük- stande befindlichen Bezüge für die Monate Sêptember bis einshließlich Dezember zur Anweisung gelangen E jedo im strengsten - Sinne buhstäblich aufzufassen ; die Gehälter für Januar wurden zwar bezahlt, die Rückstände indessen in Anbe- tracht der shlehten Zeiten noch weiter ad calendas graâecas ver- wiesen. Es wurde jedoch das feierliche Versprehen hinzu- gefügt, daß die Ee von jeßt ab mana pünftlih erfolgen sollen. Jn der vorigen Woche sind fün junge Ungarn angeblich Studenten hier eingetroffen, um in türkishe Dienste zu treten. Jm Gegenjaßze zu dem während der leßten Jahre befolgten Brauch, wonach die Pforte ähnlihe Gesuhe von Europäern stets abgeschlagen hat, ist dem Wunsche der stammverwandten Magyaren sofort und in entgegenkommendster Weise entsprohen worden, indem alle als Mühlasims (Lieutenants) in die Armee eingestellt worden sind.

Aus Konstantinopel erhält der „Golos“ vom 6. d, M. über die Friedensverhandlungen mit Montenegro eine telegraphische Korrespondenz folgenden FJnhaltes: „Mit den montenegrinischen Delegirten will die Sache einstweilen noch nicht ins Reine kommen. Bozo Petrowits und Stanko Ra- donits haben laut ihrer Jnstruktionen auf der ersten Privat- konferenz mit Savfet Pascha, welche am Sonntag, den 5. d., stattfand, alle Vorschläge zurückgewiesen, welche nicht mit dem auf der Konstantinopler Konferenz ausgearbeiteten Pro- gramme übereinstimmen. Wir wünschen den Frieden, jagte Radonits, und find bereit, ihn zu s{hließen, aber nur unter Bedingungen, welche von den Bevollmächtigten der euro- päischen Mächte für Montenegro als nothwendig erkannt sind. In Folge dessen stellen die montenegrinishen Delegirten zwei Punkte als unumgängliche Bedingung des Friedensvertrages auf : die Erwerbung eines Seehafens und eine Grenzverbesse- rung. Sih auf die Erfolge ihrer Waffen berufend, ertlären die Montenegriner, daß sie nicht deswegen nah Konstantinopel gekommen seien, um einen für das siegreiche Heer erniedri- genden Frieden zu unterzeichnen. Da die montenegrinischen Delegirten unnachgiebig sind, so wird Savfet Pascha wahr- sheinlih seine ursprünglihen Vorschläge abändern müssen. Jedenfalls ist man hier überzeugt, daß die Sacte in Ordnung fommen wird und daß die Friedensbedingungen gegen Mitte März unterzeichnet sein werden. Die Pforte wünscht mit Montenegro Frieden in kürzester Zeit zu s{ließen, was es auch kosten möge. Aus dem Libanon und von der Jnsel Kreta sind sehr unerfreuliche Nachrichten für diePforte ein getroffen. Die Libanon-Bewohner und die Kretenser haben sich geweigert, ihre Deputirten ins Parlament zu schicken; die Weigerung ist durch den Wunsch motivirt worden, sich dem Sinne der Kon- stitution gemäß niht mit allen übrigen Dsmanen auf einen Fuß zu stellen und dadurch der Privilegien verlustig zu gehen, deren der Libanon und Kreta theilhastig sind. Auf Kreta hat der neuernannte Moukhtar Pascha befohlen, Zwangswahlen auszuführen, welhe Unordnungen hervor- gerufen haben, da die Einwohner Widerstand leisteten und damit fortfahren.

Jn dem zu Konstantinopel erscheinenden „Bassiret“ finden sich Angaben über den gegenwärtigen Stand der Donau-Armee. Diesen zufolge wären die Garnifonen und die Bewaffnung der Forts von Silistria, Shumla und Varna kfomplet. Außerdem steht Ahmed Ejub Pascha in täg- licher Verbindung mit den Kommandanten der verschiedenen festen Pläße an der Donau, um alle noch vorhandenen Lücken auszufüllen. Es wurde beschlossen, ein vershanztes Lager in der Umgebung von Widdin mit einem Bestande von 40,000 Mann zu bilden. Jm Falle eines Krieges gegen Rußland glaubt man, daß Widdin von der russische Armee als einer der Uebergangspunkte über die Donau ausersehen werden wird; darum legt auch der türkishe Gene- ralstab einen großen Werth auf die Verstärkung dieses Plaßes. Aus demselben Grunde werden auch die strategishen Punkte in der Dobrudscha-Ebene befestigt, denn man seht voraus, daß auch dort die russishe Armee einen Uebergang in der Gegend von Tultscha versuchen könnte. Die kürzlich von Konstantinopel nah Varna geschickten Kruppkanonen sind in den verschiedenen Festungen längs der Donau yertheilt wor- den. Kalafat gegenüber wurde eine Sternbatterie aufgeführt, da die russishe Armee, wenn sie über den Bs in Rumänien einrückt, bei Kalafat über die onau seßen könnte. Zu diesem Zwecke wurde durch den

Generalstab von Widdin eine große Anzahl von Schaluppen zum

Transport der türkischen Soldaten vereinigt. Die gegenwärtig in Widdin zusammengezogenen Truppen haben einen Effektiv- bestand von 71 Linien-Bataillonen, 12 Schwadronen Kavallerie und 12 Batterien. Dieses Armeecorps bildet zwei starke Divisionen, um gleichzeitig gegen den von Außen kommenden

eind und nah dem Jnnern operiren zu können. Außerdem tehen Abtheilungen von je fünf Bataillonen zwischen Rust- uf, Palanka und Lom, um die Verbindungen zwischen den

verschiedenen Armeecorps an der Donau und dem von Widdin, dessen Stärke gegenwärtig über 60,000 Mann beträgt, offen zu erhalten.

Der Zusammentritt des türkishen „Parlaments“ erfolgt bekanntlich am 13. d. M. Das W. „Fremdenbl.“ glaubt „nah ganz verläßlichen Mittheilungen“, die demselben aus der türkischen Hauptstadt zugehen, annehmen zu dürfen, daß kurz nah Zusammentritt des Parlaments eine Fnter- pellation an die Kaiserliche Regierung in dem Sinne ge- rihtet werden wird, ob und inwieweit ihr eine Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes des bewaffneten Friedens zulässig oder wünschenswerth erscheine, und ob und inwieweit es ihr zulässig erschienen sei, etwas für die Beseitigung dieses ‘anl standes zu thun. Mit anderen Worten, der Kaiserlichen Regierung wird nahegelegt, fich über die Entwaffnungs- frage und damit über die Frage von Krieg oder Frieden zu äußern. Wie man demselben Blatte ferner mittheilt, hat die Pforte den bisherigen Leiter ihres Preßbureaus, Blaque Bey, seines hohen Postens enthoben und ihn (derselbe ist Katholik) dafür zum Mitgliede des Staatsrathes ernannt. An seine Stelle wurde nun Madschid Bey, ein Neffe Fuad Paschas, der einmal Leiter des Preßbureaus schon war und bis jeßt den Posten eines Vize-Gouverneurs (Mutessarif) von Tultscha bekleidete, zum zweiten Male mii der Leitung dieses Bureaus betraut.

Die „Ag. gén. russe“ vom 8. ist in der Lage, die Nahhricht, die Pforte solle die Demobilisirung der russishen Süd-Armee verlangt haben, für voll- kommen unrichtig (inexacte) zu erklären. Nicht nur habe dieselbe einen solchen Schritt nicht gethan, sondern sie pro- testire au gegen die Absicht, die man ihr zugeschrieben, ihn zu thun. Die „Ag. gén. russe“ vom 6. d. M. versendet fol-

endes Telegramm: „Die Montenegriner bestehen auf dem

Veparccinine der Konferenz und glauben sich durch dasselbe gebunden. Die Pforte weigert sich, so viel zuzugestehen. Nichtsdestoweniger kann man Angesichts der ganzen Sahlage und bei dem vorhandenen Wunsch# nah einer Lösung auf eine Ausgleihung dieser Schwierigkeiten hoffen.“ Die „Agence“ warnt das Publikum vor Ge- rüchten, die ohne Zweifel durh die Spekulation in Umlauf geseßt seien. Sie wiederholt nochmals, daß sich nichts in der Haltung Rußlands verändert hat, welches fest und gemäßigt bleibt, gestüßt auf eine Armee von 500,000 Mann, welche in den südlichen Provinzen konzentrit sind, und nur ein einziges Ziel verfolgt: dasjenige der entschiedenen, thatsählihen und garantirten Verbesserung des Loses der ristlihen Bevölke- rungen. Aber dieses Ziel muß erreiht werden. „Die russische Regierung wird mit Ruhe und gutem Willen alle Kombinationen diskutiren, welche ihr dazu angethan scheinen, dieses Ziel sicherzustellen. Dieser Wunsch steht niht im Wider- \spruche mit den Anschauungen Europas, und da der Wunsch für Aufrehthaltung des Friedens allgemein ist, so steht zu hoffen, daß man auch zu einem friedlihen und befriedigenden Nejultate kommen wird.“

Die Führer der Begs in Bosnien haben, wie man der „Pol. Korr.“ aus Brod vom 6. d. schreibt, ein Mani- fest erlassen, aus welchem der Berichterstatter folgende Probe hervorhebt : ;

„Alles verläuft gut und ordnungëmäßig. Die Herrschaft der Türken über die Rajah ist neuerdings befestigt worden. Der Sultan, der Bruder der Sonne, der Vetter des Mondes und Kaiser aller Kaiser, hat allen Königen des Abendlandes erklärt, daß er den Rect- gläubigen das Herrscher-Privilegium über die mit dem Schwerte unterworfene Rajah nicht nehmen werde. Also wisset, in Bosnien bat Niemand als wir zu befehlen und die Rajah muß uns gehorchen. A ihren seit Monaten bethätigten Ungehorsam muß sie bestraft werden.“

Die FJnsurgenten sammeln sich im Kozara- und Vutsjaët-Gebirge ; sie sollen mit modernen Waffen ausgerüstet und von einem militärish befähigten Anführer geleitet sein.

Paris, 9. März. Die „France“ bringt folgende Mittheilung: „Der Sekretär des Generals Jgnaties f er- sucht uns, zu erklären, er habe in Berlin blos den Nedacteur der Bürger-Zeitung gesprochen, der b aber Aeußerungen zuschreibe, die er nie gemacht habe; folglih seien die Berichte der „Neuen Freien Presse“, des „Standard“ und der all Mall Gazette“ reine Erfindung.“ Der „Temps“ schreibt, Jgnatieff habe bei seiner Mission durchaus kein festes Pro- gramm erhalten, sondern solle blos die Unterzeichnung eines Protokolls betreiben, welches die Pforte an alle diejenigen Reformen mahne, die von der Konferenz verlangt wurden; dieses Vrotokoll jolle blos die Bestätigung der von den Be- vollmächtigten ausgesprohenen Wünsche enthalten, aber Éci- nerlei Drohung gegen die Türkei; von der Vernichtung des Friedens von 1856 sei durchaus nicht die Rede.

Aus Belgrad, 6. März, meldet die „Pol. Korr.“

Heute erschien das erwartete, auch formell die Kriegsepoche ab- \chliekende fürstlihe Manifest und noch beute beginnt die beidersei- tige Räumung der gegenseitig befebt gehaltenen Positionen. Die serbischen Bataillone haben Befehl erhalten, das türkische Gebiet bis zum 8. März vollständig zu räumen; die türkishen Kommandanten hingegen haben die Obersten Horvatovics und Leschjanin avisirt, daß fie am 8. März die Städte Alerinaßz und Saitschar verlassen werden. Bis Sonntag, den 11. März, wird Alles zum alten status quo ante zurückgekehrt sein leider nur nicht die ökonomischen Zustände. Die Kreise Alerinaß, Saitschar und Knjazevaß haben unter den Kriegsêer- cignissen furchtbar gelitten. Alexinaß ist nahebei ganz vom Erdboden ver- \{wunden, während Saitschar und Kniazevaß größtentheils abgebrannt sind. Es find bei 100,000 Menschen obdah- und brodkbs geworden. Die erste Sorge der Regierung muß sein, die erwähnten Städte und über 200 zerstörte Dörfer wieder aufbauen zu helfen. Wie verlautet, dürfte eine Spezialkommission, aus Staatsräthen und Administra- tionsbeamten gebildet, an Ort und Stelle abgehen, um die Total- höhe der dur die kriegerischen Ereignisse verursachten Schäden fest- zustellen und gleihzeittg den Impuls zu den unumgänglih nothwen- digen Vorarbeiten zu geben. Die Fürstliche Regierung trägt sih mit dem Plane, Mitte August die Skupschtina zu einer ordentlichen Session einzuberufen. Derjelben sollen fehr wichtige Vorlagen unter- breitet werden. Vor Allem würde das Parlament eine Anleihe in der Höhe von 24 Millionen Fres. zu votiren haben, die zur Hebung der ökonomischen Verhältnisse des Landes verwendet werden sollen. Zur Bedeckung dieser Schuld wird die Staats-Hypothekar- bank alle jene Hypotheken geben, auf welchen dieselbe intabulirt ift. Diese Deckung würde eine Höhe von ungefähr 80 Millionen Francs repräsentiren, die Anleihe würde alfo mehr als genügend gesicbert sein. Sodann würde die Skupschtina die Aufgabe haben, weitgehende Reformen auf dem Gebicte der Verwaltung zu sanktioniren, die zum

wecke der Entlastung des Budgets vorgenommen werden mühen. Schon aus diesem Sietineben der eiern geht hervor, daß eine Vergrößerung des stehenden Heeres nicht bea sihtigt werden könne. Das Milizsystem wird beibehalten werden, nur soll die Organisation der Miliz eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Vorläufig dürfte aber dieser Gegenstand kaum auf die Tagesordnung geseßzt werden. Dagegen wird eine Reduktion des stehenden Heeres auf die Hälfte seines jeßigen Standes unmittelbar erfolgen. Von den bis jeßt zur Grhaltnng der Truppen benöthigten 12 Millionen Piastern würden 50/9 er part werden. Man wird eben ganz und voll die finanzielle Regeneriru g des Landes anstceben. Mit der Bildung eines neuen Kabinets dürfte

es kaum fo [eit gehen, namentliß nit vor dem Zusammentritte der Skupschtina. Die meisten regierungsfähigen Mitglieder der jung- konservativen Partei sind bekanntlih unter der Anklage, als hätten sie verfassung8widrig regiert. Die Skups{tina wird nun diefe An- Flage zu prüfen und ein Endurtheil abzugeben haben. Erff nah der erfolgten Freisprechung der Herren Zumié, F. Christié, Mijatovié und der anderen Mitglieder der Kabinette Marinovié, Zumié und Stefanovié dürfte die fonservative Partei ans NRNuver gelangen. Daß aber eine Freisprechung erfolgeæx werde, ift mehr als wahricbeinlih, da die tendenziösen Anklagen, innerlich haltlos, vor jedem Tribunale zusammenfallen müßen. Die Regierung wird nächste Woche den ständigen Kapukehaija (Vertreter) für Konfstantinovel ernennen. Da der leßte Vertreter Serbiens bei der Pforte, Ma- gazinovié, sich weigert, diesen Posten wieder zu übernehmen, fo dürfte der Frieden8unterhändler Philipp Chriftié wohl bleibend mit der Vertretung Serbiens in Konstantinopel betraut werden. Die regie» rende liberale Partei verfügt über wenige für diplomatische Funktionen qualifizirte Perjönlichkeiten. Die Konjervativen verweigern aber vor- läufig ihre Dienste.

_ Briefe aus Mekka, welche in Konstantinopolklitani- {hen Blättern mitgetheilt werden, melden, daß eine erste Sammlung zur Bestreitung der Kriegsfkosten, die in den heiligen Städten veranstaltet wurde, 126,930 Piaster eintrug. Diese Summe stieg bis zu den Kurban-Beiramfesten auf 445,660 Piaster, worunter 25,000 Piaster als Erlös der Felle der an dem großen Opfertage geschlahteten Hammel, 22,500 Piaster als Beitrag der von der Jnsel Java gekommenen Fier und 63,083 Piaster von der dortigen Garnison. Die Gesammtzahl dec Mekkapilger belief fih dieses Fahr auf etwa 200,000 ; meistens waren es Gläubige aus der Halbinfel Arabien selbst. Ungefähr 41,000 landeten in Yanbo und Djeddah, die aus Java, Jndien, Tunesien und Aegypten famen. Sehr wenige Pilger waren aus Europa und den islamitishen Staaten Central-Asiens gekommen.

Numäánien. Bukarest, 9. März. Im Senate ent- wicelte Apostoleanu eine JFnterpellation, worin er ver- langt, doß die Regierung die Akten über die Mission Foan Ghifka's nah London und Rosetti's nah Paris, welche sih auf die Handelskonventionen beziehen, sowie die Akten über die Mission Demeter Bratiano's nah Konstanti- nopel, welche sich auf das rumänische Memorandum und den Protest bei der Pforte beziehen, vorlege. Der Miz, nister des Aeußern antwortete, daß ihm die Zeit noch nicht passend scheine, um diese Akten zu veröffentlichen. Der Senat beschloß, die Frage später zu verhandeln und zu be- urtheilen, jedoch wird die Diskussion heute sortgeseßt. Der österreichish-ungarische General-Konsul von Zwiedinek fol heute hier eintreffen.

Dánemark. Kopenhagen, 8. März. (H. N.) Jm Landsthing ist das vom Folkething zurückgelangte militä= rishe Strafgeseß mit 45 gegen 2 Stimmen an einen Ausschuß verwiesen worden. Die militärischen Sachkundigen des Things stimmten mit denen des Folkethinas in Betreff der Nothwendigkeit einiger strenger, {nell wirkender Straf- mittel zur Aufrechthaltung der Disziplin im Heere und in der Flotte überein und wollten dem Kriegs-Minister in seinen vermeintlich unbedenklichen humaneren Ansichten nicht folgen. General Haffner hielt indessen auch seinen Standpunkt fest, und erklärte u. A.: Die Aufrechthaltung der Disziplin set niht \o sehr abhängig vori den Bestimmungen des Straf- geseßes, als von der Haltung und dem ganzen Betragen, die die Befehlshaber ihren Untergebenen gegenüber zeigten. Den Einwendungen, daß es unmöglich sei, Heer und Flotte unter einem Strafgeseß zu vereinigen, trat der Minister mit dem Ausspruche entgegen, daß das doch in Deutschland der Fall sei ; auf deutschen Kriegsschiffen sei die Disziplin musterhast bei mildem Strafgesce). Es wurde ihm dagegen von dem Abg. Brock erwidert, daß die lange Dienstzeit in der deutschen Marine dabei in Betracht komme, während hier im Lande bei kürzerer Dienstzeit die Aufrechthaltung_ der Disziplin bei dem gegenivärtigen Zeitgeiste nicht geringe Schwierigkeiten habe.

Amerika. Washington, 10. März. (W. T. B.) Die Kommission des Senats hat beantragt, der Ernennung von Schurz, zum Sekretär des Jnnern, von Devens, zum General-Staatsanwalt, von Macrary, zum Sekretär des Krieges und von Thompson, zum Sekretär der Marine, die Bestätigung zu ertheilen. Der Präsident Hayes hat eine aus Farbigen bestehende Deputation vo n_Bür- gern Südcarolinas, die zum Theil der dortigen Staats- repräsentanz angehören, empfangen und dabei erklärt, er wünsche den Unterschied der Racen vollständig verschwinden zu machen und die Anwendung von Waffengewalt würde un- vermeidlih sein, wenn die Demokraten im Süden die Nechte ihrer politischen Gegner nicht achten sollten. Zum Schluß {lug der Präsident vor, daß vorläufig der status quo in Carolina aufrecht erhalten werde, er wolle die Verhältnisse erst eingehend erwägen, ehe er sih zu einem aktiven Handeln entschließe. : O

(W. T. B.) Der Senat hat fast einstimmig der Ernennung der vom Präsidenten vorgeschlagenen Kabinets- mitglieder die Bestätigung ertheilt. Der Schaßtz- Sekretär Morrill hat weitere 10 Millionen Bonds zur Ein- lösung einberufen. :

Asien. Aus Teheran wird der „Wiener Abendpoft“ u. A. Folgendes geschrieben : K

„Am 6. Januar d. I. begannen die zur Feier des 30jähri- gen Regierungs-Jubiläums Sr. Majestät des Schahs von Persien angesagten dreitägigea Festlichkeiten bei Hofe mit einem Diner, welches den Mudschtehid und Mollahs, das ift dem hohen sc{titiscen Klerus, der Hauptstadt Teheran gegeben wurde. Am nächsten Tage, dem 7. Januar, brachte das diplomatische Corps in einer Kollektiv - Audienz dem Schah in den neu restaurirten Appartements der Burg feine Glückwünsche dar, wobei Mr. Thomfon das Wort führte. Denselben Abend fand in dem Königlichen Palais dem diplomatischen Corps zu Chren ein großes Diner auf BefehC des Schah statt. Dieses Festmahl war dadurch denkwürdig, daß der Schah zum ersten Male nah Tische sich den _ver- rieg a Gästen zeigte und eine Art Cercle abhielt. Der Schah etonte im Gespräche, daß es das erste nach europäischer Sitte ab- gehaltene sei. Er bedauerte dessen Mangelhaftigkeit, die jedoch, weik es eben der erste Versuch sei, nachgesehen werden möge. Schließlich drüte er den Wunsch und die Hoffnung aus, von nun an das di plomatishe Corps öfter in ähnlicher Weise um sich versammelt zu schen. Hierauf ließ er sid mit jedem der Herren Diplomaten in ein kurzes Gesvräh ein. Das persönliche Grscheinen des Schah bei dem Feste erregte bei den Persera sowohl als auch den Curotäern nicht geringes Aufsehen urd Befriedigung; der nächstfolgende Tag, : der dritte des Festes, galt den noch nicht eingeladen gewesenen, Civil- und Militärkörpern der Hauptstadt und endete mit einer aligemeinen Sllumination der zur Burg führenden Hauptstraßen v.nd Bazars, sowie mit einem großen Feuerwerke, Das dreißigste Anniverfarium der Thronbesteigung des Sthah wurde gleichzeitig in, allen Theilen

des Reiches gefeiert.