1877 / 67 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Mar 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Die vereinigten Aus\chüsse des Bundesraths | Dr Justizwesen und für die Verfassung hielten gestern eine Sißung.

Jm weiteren Verlaufe der Sißung des Rei s-

tages am 17. d. M. wurde, nahdem noch die Abgg. Säpnee- gans, Gerber, Duncker, von Helldorf und Frhr. Schenk von Stauffenberg gesprochen, die Weiterberathung des Erf ep entwurfs, betr. die Landeage febge bung in Elsa

Lothringen, im Plenum beschlo i der Abgg. Winterer, Dollfuß und Genossen, den Reichs- Xanzler aufzufordern, dahin zu wirken, daß das Geseß vom Z0. Dezember 1871, betreffend die Einrichtung der Verwal- tung -in Elsaß-Lothringen, oaldmöglihst abgeändert werde, peziell in Bezug auf §8. 5, €, 8, 10, 13, 14, 15. Nach der Motivirung des Antrages durch den Abg. Winterer empfahlen der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Unter-Staatssekretär Herzog und der Abg. Duncker die einfahe Ablehnung des Antrages, während der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) Für denselben eintrat.

- c

en. Es folgte der Antrag

Der Unter-Staatssekretär Herzog

ertflärte :

Meine Herren! Der vorliegende Antrag scheint mir parlamen- tarish überhaupt uicht verwerthbar. Als ich ihn zuerst erhielt, glaubte ih, es liege ein Versehen vor, es seien die Motive des An- trages und der zweite Paragraph weggelassen worden. Ich konnte es mir nit wohl vorstellen, daß man eine Aenderung des Geiehes ber- lange, ohne zugleich auszudrücken, wohin diese Aenderung gehen solle, ohne zuglei die Beweggründe auszuführen, die einer umfassenden Aenderung, wie der Antrag sie wünscht, zu Grunde liegen. Als ih zmich aber überzeugt, daß ein Versehen niht vorhanden sei, bin ich auf die WVermuthurg gekommen, es handle sich für die Herren Antragsteller vielmehr darum, ihrerseits noch

erner als die Anwälte der elsaß - lothringischen Freiheiten im LUnde zu gelten, als die sie bisher sich gerirt haben, oder es handele ich fir sie darum, ein breites und bequemes Feld zu finden, auf dem Fie ihre Beshwerden dem Reichstag allerdings mit der Absicht, mehr nah Außen zu wirken, als auf den Reichstag selbst wieder- holen fönnten. Diese leßtere Vermuthung hat eher eau dur die Rede erfahren, die wir soeben vernommen haben. J würde es für ein unfruhtbares Unternehmen halten, in nähere Er- örterungen darüber an dieser Stelle einzugehen. Wenn die Herren Antragsteller ihrem Lande nüßen wollen, wenn sie Beschwerden, von deren Begründetheit sie sih überzeugt halten, beseitigen wollen, dann wird xs ihre Sache sein, uns anzugeben, was sie an die Stelle dessen FeBen wollen, was sie geändert zu schen wünschen. Ueber solche An-

träge wird \ich im Hause diskutiren und Beschluß fassen lassen; wie die Sache liegt, kann ich nur bitten, den Antrag einfach abzulehnen. Das Haus lehnte hierauf den Antrag ab. Schluß Uhr.

Jn der Sigzung des Reichstages am 17. d. M. leitete

er Bevollmächtigte zum Bundesrath, Unter-Staatssekretär

Herzog, die Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Landesgeseßgebung von Elsaß-Lothringen, wie folgt ein :

Meine Betreu] Der Ihnen vorliegende Geseßentwurf hat, Feitdem er in die Oeffentlichkeit getreten ist, eine sehr verschieden- artige Beurtheilung erfahren. Der _Landesaus\{chuß von Elsaß- Lothringen hat ihn einmüthig gut geheißen, aber nur als eine Ab- {{lagszahlung bezeichnet. S der rechten Seite dieses Hauses ist bei Gelegenheit der Etatsdebatte im vergangenen Jahre der Entwurf ein gewagter Schritt genannt worden, der besser noch vertagt bliebe. Andere Stimmen finden in ihm eine Rückkehr zur Diktatur, dur welche die legitime Mitwirkung des Reichstages beeinträchtigt wird. Auf der linken Seite endlich erregte er Anstoß, weil er die staats- rechtlihe Stellung von Elsaß-Lothringen niht ausreichend verbürge.

Die Regierung hält diesem Widerstreit der Stimmungen gegen- über die Ueberzeugung fest, daß der Entwurf ein rihtiger Schritt zur reten Zeit sei. Sie hat in der leßten Sißung des Reichstags ihn nit vorgelegt, weil sie es nit für rihtig hielt, den Reichétag in der Lösung der großen ihm gestellten geseßgeberishen Arbeiten dur éine politis ‘bedeutsame, aber immerhin nicht dringliche Vor- Lage aufzuhalten. Sie stellt ihn jeßt zu Ihrer Beurtheilung in der Ueberzeugung, daß Sie die Ansicht der Regierung von der Nüßlich- keit des ‘Entwurfs theilen, und ihm Jhre Zustimmung geben werden.

Zur Begründung dieses Antrags bitte ih, die Bedeutung und Veranlaffung des Gesetzes etwas eingehender darlegen zu dürfen, als so etwas kuapp gehaltenen gedruckten Motive der Vorlage

un.

__ Geftatten Sie mir zunächst einen kurzen Rückblick auf die histo- ise Entwickelung.

Das Geseß vom 9. Juni 1871, durch welches die Vereinigung ‘von Elsaß-Lothringen mit dem Neich ausgesprochen wurde, hat be- züglich der Gese8gebung bestimmt, daß bei deren Ausübung der Kaiser bis zur Etnführung der Verfassung nur an die Zustimmung ‘des Bundesraths gebunden sein soll. Von Einführung der Verfas- Fung ab sollte die Geseßgébung dem Reiche zustehen, auch in den An- gelegenheiten, welche in anberen Bundesstaaten der Reichsgeseßgebung amit unterliegen.

Jene erfte Periode, welche man mit etwas gewaltsamer Anwen- Dung des Wortes als diejenige der Diktatur bezeichnet, währte bis zum 1. Januar 1874, dem Cinführungstermin für die Verfassung.

Das Einführungsgeseß zur Verfassung hat dem Kaiser die Be- fugniß gewährt, in der Zeit, in welher der MNReichs- tag nicht versammelt ist, Verordnungen mit Geseßzeskraft zu erlassen, vorbehaltlich der Genehmigung des Meichs- tags. Von dieser Oktroyirungsbefugniß hat die Regierung nur ia zwei dringenden Fällen Gebrauch gemacht, und in beiden Zällen die Zustimmung des Reichstags nachträglih e.rhalten. Im Uebrigen sind die Lande8geseße in Elsaß-Lothringen in g\eicher Weise wie die Reichsgeseße, d. h. unter Zusammenwirken der Regierung, des Reichstags und des Bundesraths, erlassen worden, mi.t der Maß-

abe, daß ihre Publikation niht im Reichs8geseßblatt, sondern in dem fonderen Geseßblatt für Elsaß-Lothringen erfolgte.

Schon bei Berathung des Einverleibungsgesetzes bestand bei allen Betheiligten darüber iten M daß die letßterwähnte F ‘orm der Ges-ßgebung nur vorübergehend sein könne. Es wurde ane rkaunt, Daß es mit den großen Aufgaben des Reichstags, welche die* Ver- Fassung ihm zuweist, für die Dauer nicht verträglich sein würde, auch Die LUndesgeseße für Elsaß-Lothringen zu berathen, zugleih aber. daß in anderer zweckmäßigerer Weg zunächst nicht zu finden sei, jc 'den- falls nicht vor weiterer Erfahrung über die politishe Entwickel ung Des Landes bestimmt werden könne und nit ohne theilnehme. 1de Dea IUT MUSYER Abgeordneten, welche das Reichsland nach Ma ß- gabe der Verfassung in den Reichstag zu entsenden haben würde.

Zu dem Beschluß, auch die Arbeiten der Landesgeseßgebung für

Ælsaß-Lothringen zu übernehmen, hat damals die Erwartung mit- /

«gewirkt, daß die Schwierigkciten, welhe die Berathung der Landes- geseße wegen der Cigenartigkeit der Verhältnisse dem Reichstage motlhwendig bietet, durh die Theilnahme der elsaß-lothringischen Ab- geordneten wesentlich werde gemindert werden. Man hegte die Hoff- nung, daß diese Abgeordneten, wenn sie ein Mandat annähmen, ihre genaue Keuntniß des Landes und seiner Bedürfnisse zu dessen Besten în intensiver Betheiligung an der Arbeit verwerthen würden. Diese

ffnung hat sich niht in dem gewünshten Umfange erfüllt. Zwei

rittel der gewählten Abgeordneten haben ihr Mandat dadurch zu erfüllen geglaubt, daß sie sih von den Sitzungen des Reichstags kon- jequent fern gehalten haben; die übrigen haben an den Plenar- verhandlungen zwar theilgenommen, an den . vorbereitenden Ar- beiten der Kommisfionen aber theilzunehmen, beharrlich abgelehnt. Dieser Zuftand war nit haltbar; er entsprah nit den Interessen des Landes und den Wänschen eines großen und ehrenwerthen Theils der Bevölkerung, wie sie in den Vezirkstagen zum Auédruck kamen.

Den Anregungen, die von dort geg:ben wurden, folgend, ents{lo ih die Regierung zu der Einrichtung des Landesaus\hufsse2. Ard

[lerhöhsten Erlaß vom Oktober 184 wurde er zur Vorberathung und Begutachtung der Geseße für Elsaß-Lothringen und von Ber- waltungsanordnungen von allgemeiner Bedeutung berufen, derart, daß jeder der 3 Bezirkstage aus seiner Mitte 10 Mitglieder in den Lande8aus\{uß entsenden sollte. Seit dieser Zeit sind alle Geseß- entwürfe, welhe an den Bundesrath und den Reichstag gelangt sind, mit einer einzigen an \ich unerheblichen Ausnahme, zuvor durch den Landesaus\huß begutachtet worden. :

Die Erfahrungen dieser zwei Jahre haben nun zwei Thatsachen herausgestellt, einmal die Bestätigung der Annahme, daß der Reichstag durch die Berathung sämmtlicher oem cher Landes- geseßze wesentlich beschwert werde, sodann, da der Lande eus seine Aufgabe im allgemeinen richtig erfaßt und im Lande Ginflu und Bedeutung gewonnen hat. Ich glaube, bei der Behauptung ersterer Thatsache kaum einem Widerspruch zu begegnen. Bei den verschiedensten Gelegenheiten hat fich von allen Seiten des Hauses die Empfindung Ausdruck verschafft, daß der Reichstag unter der Last leide, in Angelegenheiten beschließen zu müssen, bei deren Berathung die volle Sachkunde einem Theil der Beschließenden abgeht und deren Erörterung in den Plenarverhandlungen bisweilen eine Ausdehnung erhalten hat, die außer allem Verhältniß zur Bedeutung des Gegen- standes stand. Sicher hat weder die Vollständigkeit noch die Gründlichkeit der Berathung darunter gelitten; die Arbeiten Ihrer Kommisfionen, welche die verschiedenen Haushaltsetats vorberathen haben, geben davon Zeugniß, niht minder der Umfang der lenarverhandlungen, von denen i sagen muß, daß der Reichstag sie mit wahrhaft be- wundernswerthem Langmuth aus8gehalten hat. Aber au, wenn diese Schwierigkeiten niht bestanden hätten oder wenn es gelungen wäre oder noch gelänge, durch eine energishe und kräftige Betheiligung ämmtlicher elsaß-lothringisher Abgeordneten an der vorbereitenden Arbeit sie zu beseitigen, immerhin würde das Mißverhältniß unaus- geglichen bleiben, welches zwischen der Größe der ufgabe des Reichs- tages und der Bedeutung der elsaß-lothringischen Landesgeseße besteht, die ja in ihrer Mehrzahl nur örtliche und relativ untergeordnete In- teressen berühren.

Bezüglich der Position, welche der Landesaus\{chuß gewonnen hat, darf ih auf die Verhandlungen Bezug nehmen, welhe Jhnen all- jährlich mitgetheilt worden sind. Nicht ohne Bedeutung in dieser Beziehung scheint mir die Thatsache zu sein, daß bei der im vorigen Jahre vorgenommenen Erneuerungswahl der Bezirkstage, von denen ein Drittel der Mitglieder in dreijährigem Turnus aus|cheidet, unter den 32 Ausgeschiedenen 27 wiedergewählt sind. Drei von den Nicht- wiedergewählten hatten aus persönlichen Gründen die Wiederwahl abgelehnt, einer konnte nicht wiedergewählt werden , weil er seinen Wohnfiß verlegt hatte; nur einer unterlag in der Wahl, aber auch hier nahweislich nur wegen lokaler Interessen. An der Wahl haben sih 55 % aller Wahlberechtigten betheiligt und auf die Wieder- gera lee go fast 16,000 Stimmen mehr gefallen, als bei ihrer ersten Wahl.

Unter den Wiedergewählten waren auch die 10 Mitglieder des Lan- desaus\chusses, welche, weil sie aus dem Bezirkstage ausgeschieden waren, auch aus dem Landes8ausf\ buß hatten ausscheiden müssen. Ich glaube, es läßt sih niht ohne Grund behaupten, daß in diesem Aft der Wieder- wahl ein Ausdruck der LERUARL auch zu dem Verhalten des Lan- desaus\cchusses lag, dem die Wiedergewählten angehören. E

In einer innern Verbindung hiermit is noch ein Drittes in die Erscheinung getreten. Jn und außer dem Landes8ausshuß wurde der Wunsch laut, daß dem Landesaus\{chuß nunmehr auch eine feiner wachsenden Bedeutung entsprehende Vermehrung seiner Besugntye

ewährt werden möge. Man fühlte es gewissermaßen als eine urückseßung des Reichslandes, daß feine setegenzeen im Reichstage von den Abgeordneten \ämmt- iher Staat-:n des Reiches beschlossen würden, während die E bei - der inneren Geseßgebebung der übrigen Bundes|taaten ni{hh mitsprechen sollten. Man wünschte die- ser Bevormundung enthoben zu sein, wenigstens insoweit, daß der Reichstag nicht eintreten solle, wenn Landesaus\{chuß und Regierung über die Ae der Gesetze einverstanden seien.

Diese Thatsache und diese Wahrnehmung sind es gewesen, welche die Regierung zu der Vorlegung des Geseßentwurfes veranlaßt haben, dessen ausgesprochener Zweck es ist, den Cs in seinen Arbeiten zu erleichtern und den Landesaus\{chuß in seiner Bedeutung zu stärken.

Ich glaube darauf rechnen zu dürfen, daß Sie diesen Zweck an sich billigen. Es fragt sich nur, ob die Vorlage der Regierung ihn durch die richtigen Mittel erreicht. ; /

Wird der Entwurf zum Geseß, fo wird fortan die Mit- wirkung des Reichstages nicht nothwendig, wenn Bundesrath und Landesaus\huß zustimmen. Gleichwohl wird es der Regierung frei- stehen, auch ohne Vernehmung des Landesaus\chusses, in einzelncn

ällen an den Reichstag zu gehen und wenn der Landesaus chuß eine Zustimmung gegeben hat, dennoch eine Geseßesvorlage noch an den Reichstag zu bringen. Die Stellung des Bundesraths wird durch diese Vorlage niht wesentlih verändert; dagegen wird das Verhältniß der Regierung und des Landesauss{chusses erheblih ver- schoben. Der Landébaubiehuß tritt, wenn er seine Zustimmung ge- eben hat, insoweit an die Stelle des Reichstages; ertheilt er seine Buitiinuna nicht, so ist die Negierung genöthigt, sich an den Reichs- tag zu wenden, wie an eine Art Appellinstanz.

Gegen diese Theilung der Gewalten läßt sih wohl das Beden- ken geltend. machen, daß sie dem Reichstag mehr nehme, als sie dem Landesaus\{uß gewähre, und daß ihr Haupterfolg eine Stärkung der Macht der Regierung sei, der bei der Theilung gewissermaßen der Löwenantheil zufalle. Wenn der Reichstag auch bereit wäre, seine Theilnahme an der Bundesgeseßgebung zu beschränken, so dürfe doch die Abgrenzung der Kompetenz nicht der Willkür der Regierung oder dem Zufall überlassen bleiben; wie es mehr oder minder nah der Vorlage geschehe. Der Landesaus\cuß sei ein ephemeres Wesen; er beruhe nicht auf einem Gesetz, sondern auf einer Verordnung, einseitig vom Träger der Staatsgewalt erlassen, die ebenso einseitig wieder aufgehoben werden könne. Ein solche gleichsam ad nutam der Regierung stehende Körperschaft biete niht die erforderlihe Sicherheit für die Unabhängigkeit derselben und gebe andererseits auch vermöge ihrer Zusammenseßung nicht die Garantie, daß sie Stimme und Willen der Bevölkerung sicher zum Ausdruck bringe.

Es ist daraus die Konsequenz abgeleitet auf der einen Seite, daß dem Landesausschusse zuvor im Wege der Geseßgebung eine Organi- sation gegeben werden müsse, die ihn zu einer Repräsentativkörper- haft ausgestalte, auf der anderen, daß es nothwendig sei, in dem Gesetze gewisse Kautelen zu schaffen, welche einer willkürlichen Hand- hakung Seitens der Regierung eincn Riegel vorschieben.

__ Meine Herren! Die Regierung untershäßt niht das Gewicht dieser Bedenken, sie hat sie auch niht_unerwogen gelassen, sie hat sich aber gleichwohl nicht abhalten lassen, Ihnen diese Vorlage zu machen in der Meinung, daß der Schritt immerhin in der Richtung geschehe, welche auch der Reichstag will, zugleich aber in der VebLer- gung, daß zur Zeit niht weiter gegangen werden dürfe, als sie

hnen empfiehlt.

inneren An-

( Dem ersterwälnten Bedenken gegenüber hat sie sich selbst die Prage gestellt, ob niht eine andere Abgrenzung der Kompetenz vor

r von ihr gewählten den Vorzug verdiene, insbesondere, ob nicht eine Trennung nah dem Siegenitkade zweckmäßiger sein würde, eine Tzennung in der Art, daß gewisse Gebiete dem Reichstag ausdrü- lih vorbehalten bleiben.

Wie gefälllg auchß dieser Vorshlag auf den ersten Anblck erscheinen mag so \Mwierig erweist er sich doch bei den Versuhe der Ausführung, wie mir alle die zugeben werden, die diefem Versuhe näher getreten sind. Was foll dem Reichstag verbleiben? Wünschen Sie alle Geseße von politischer Bodeutung einzushließen, oder alle Geseße, durch welche das Land finanziell beXastet wird? Bei den Etatberathungen des vorigen Jahres ist von dieser Seite des Hauses, (auf die linke Seite des Hauses wei-

send) die wohk am meisten geneigt sein möchte, der A Ang |

mit Konzessionen entgegen zu kommen, bemerkt worden, in Schu

und Kultusangelegenheiten dürften wir die Gesetzgebung noch lang nicht aus den panten geben. Es wäre jedoch angezeigt, Wegebauten und dene mehr substanzielle Angelegenheiten dem Landesausschusse uzuweisen.

E Meine Herren, alle derartige Beze¿huungen sind flüssig und dehnbar, wenn fie allgemein gehalten werden; sie sind nicht er- \{öpfend, wenn man an das Detaillirez geht. Ich räume die Mög- lichkeit ein, daß wir na einiger Zeit dazu gelangen, in gewissen Zweigen der Finanzverwaltung dem Landesauss{huß die On Verfügung über die dafür zu bewilligenden Mittel zu überweisen. Eine solche Ausscheidung wäre möglich und in ihren Folgen kaum bedenklich. Anders aber liegt es mit der Geseßgebung. Fehlt hier ein objektives, ficher erkennbares Kriterium für die Kompetenz, so ist eine Rechts- unsicherheit die Folge, die ganz unerträglihe Zustände schaft. Bei jedem Late ge tene für Elsaß-Lothringen würde die Frage ber-chtigt scin, ob es dem Gegenstande nach zu jenen gehört, die dem Reichstage vorbehalten find oder nit, eine Frage, die fo lange in suspenso bliebe, bis ein Judikat GgEIiE entschied. Man wird mir ent- gegen halten können, daß die Verfassung im Art. 4 eine ähn- lie Scheidung durchgeführt habe, indem dort die Materien bestimmt sind, bei denen die Reich8geseßgebung eintritt. Dás ift voll- kommen richtig; allein die Verfassung enthält auch eine Bestimmung, wonach das Reichsgeseß dem Landesgeseße vorgeht, und allein {on die Publikation im Reichsgeseßblatt unzweifelhaft Gültigkeit erhält. Damit ift ein Streit von vornherein ausgeschlossen.

Ich zweifle, daß Sie geneigt sein würden, eine ähnliche deroga- torishe Klausel für die Landesgeseße in Elsaß-Lothringen gegenüber den Reichsgesetzen eintreten zu lassen. L :

Demgegenüber bietet Ihnen die Vorlage der Regierung ein un- zweifelhastes- und sicheres Kriterium. Daß Bundesrath und Landes- aus\chuß zugestimmt haben, ift zu konstatiren und im Gesetzesblatt selbst einfah zu bekunden.

Allerdings wird hiermit das Bedenken nicht gehoben, welches gegen die Zweckmäßigkeit des Geseßesvorschlages dem Gegenstande nach gerichtet ist. Eine nur einigermaßen geshickte Regierung, kann man sagen, und ein einigermaßen gefälliger Ra werden fich oha- Mühe mit einander verständigen ; sie werden Geseße nah ihrem Wohlgefallen machen und der Reichstag hat das Nachsehen. Wird der Reichstag ‘angegangen , so wird es geshehen, wenn man dem Lande politische Maßnahmen auflegen will, die es widerwillig trägt und denen es widerspriht. Der Reichstag wird dadurch in die Lage E bei Auflegung dieser Maßnahmen mitzuhelfen und das Gehässige und Mißliebige, was darin liegt, der Regierung, die er nicht im Stiche lassen kann, abzunehmen. Ich würde diese leßtere Besorgniß nicht erwähnen, meine Herren, wenn ich nicht glaubte versichern zu können, daß sie wirklih ausgesprohen worden ist. Ich fann mi gleihwohl nicht dazu verstehen, fie ernsthaft zu nehmen, denn es hieße zulassen, daß der Reichstag sich der Freiheit seines Urtheiles und seiner Entschließung begebe und daß er einfach der Regierung zu Liebe unbesehen deren Vorschläge annehmen werde, obwohl er selbst damit nicht einverstanden ist. Das ist eine Ver- muthung, die ih nicht zulassen kann. Im Uebrigen räume ich ein, daß Sie dur die Annahme des Geseßentwurfes sowohl dem Landes- aus\{usse als auch der Regierung ein Vertrauensvotum geben. Ih möchte auch aus manchen Zeichen \chließen , vi die Neigung dazu nicht besonders scharf ausgesprochen ist; ich will es auch denen, die diese Neigung nicht hegen, nicht verargen. Jch entnehme daraus die Nothwendigkeit, für beide zu plaidiren: zunächst was den Lan- desaus\chuß anbelangt. :

Unter den Gründen einer geringshäßenden Auffassung von sei- ner Bedeutung und seinem Werthe steht eine vielfach verbreitete, irrige Ansicht über seine Zusammenseßung voran. Man ift geneigt, den Landesausschuß si vorzustellen als'eine Versammlung von mehr oder minder notablen Einwohnern von A Tegen, welche die Regierung nah Belieben auswähle, und zu akademischen Besprechungen ein- lade; bei der Wahl werde sie nit gerade die Se glen ih aus-

esuht haben. Diejenigen, die etwas näher mit der Sache vertraut ind, wissen zwar, daß die Wahl aus der Mitte der Bezirkstage er- folgt. Aber man bezeichnet diese Wahl als eine komplizirte erd arbeit, bei der die Regierung ebenfalls ihre Hände im Spiel habe.

Meine Herren, mir liegt daran, vor allem auch. der öffentlichen Meinung gegenüber, diese Ansicht zu berihtigen. Die Bezirks- tage wählen die Mitglieder des Ausschusses einfah nah Stimmenmehrheit ohne alle Komplizirtheit und ohne jegliche Einwirkung der Regierung; die Mitglieder des Bezirks- tages gehen aber aus allgemeinen Wahlen hervor, die im Großen und Ganzen genau nach den Prinzipien geschehen, welhe auch für die Wablen der Mitglieder dieses Hauses maßgebend sind. Die ein- zige Beschränkung in der Wählbarkeit besteht darin, daß der zu Wüählende mindestens 25 Jahre alt sein und innerhalb des Bezirkes seinen Wohnsiß haben oder wenigstens eine direkte Steuer bezahlen muß. Mir {eint dana, daß die Mitglieder des Landesaus\hu|ses, von dem jeder Einzelne aus allgemeinen direkten Wahlen hervor- gegangen ist, allen Ansprüchen bezüglih der Breite der Grundlage ibrer Wahl genügen, welche berebtigter Weise zu erheben sind. Einen weiteren Anstoß erregt die Unsicherheit des ganzen Justitutes. Die Regierung foll befugt sein, an den Landesausshuß zu gehen oder nicht, fie hat fogar die Möglichkeit, ihn völlig zu beseitigen, ohne daß der Bundesrath oder der Reichstag fie daran hindern könnte ; es genügt dazu eben eine einfache Verordnung. E :

Meine Herren, ich kann nicht in Abrede stellen, daß die Regie- rung formell diese Befugniß hat, ih kann aber die daraus abgeleitete Folgerung nicht zugeben. Dadurch, daß die Mittel für den Landesaus\c{uß in den Landeshaushaltsetat aufgenommen sind, und daß er durch dieses Gesey als ein Faktor der Gesch-

ebung, wenn auch niht als ein absoluter, eingeführt werden U, hat er eine vollständig andere Signatur erhalten als er im Oktober 1874 hatte. Ich halte es nicht wohl für möglich, daß die Regierung jemals dazu kommen könnte, den Landesaus\chuß einfa zu beseitigen, es sei denn, daß de politische Gründe der aller- geringsten Art hâtte, we e das deutsche Interesse, das Reichsinteresse ihr dikftirt und von denen sie sicher sein könnte, daß sie dafür auch die Bewilligung des Reichstages findet. Aber, meine Herren, wenn auch wider alles Erwarten dieser Fall eintritt, was ist dann die Folge? Mit dem Augenblick, wo der Landesaus\chuß aufhört zu existiren, tritt die Regel wieder ein, daß Landesgeseße nur durch Zu- \sammenwirken der Regierung, des Bundesraths und des Reichstags zu Stande kommen können; mit diesem Augen- blick also tritt der Reichstag wiederum unbeschränkt in seine Funktionen als Faktor der Geseßgebung. Hierin liegt, wie ih glaube, eine so starke thatsählihe Bürgschaft für das Fortbestehen des Landesaus|[chusses, daß Sie nicht zu fürchten brauchen, die Be- sorgniß, sein Lebensfaden werde ihm einmal plöblich abgeschnitten werden, könne irgend eine Einwirkung auf Gesinnung oder Hal- tung seiner Mitglieder üben. Jedenfalls \spriht die Erfahrung nicht für eine solche Besorgniß. Die Verhandlungen des Landesaus\chufses erweisen, dn er keineswegs eine Versammlung is, die auf den Wunsch der Regierung einfah „ja“ sagt. Sie werden sich daraus überzeugt haben, daß eine kräftige und gesunde Opposition [id dort entwickelt, die es ganz gut versteht, den Vertretern der Regierung unverblümt den Text zu lesen. Jch muß auf der anderen Seite aber ebenso anerkennen, daß die Majorität des Landes- ausschusses dessen Aufgabe mit großer Einsicht, mit Besonnenheit und mit Takt erfaßt und gelöst hat, . derart, daß in der Regel die Regierung seinen Anträgen Folge zu geben im Stande war. Auch der Reichstag hat dies anerkannt. In den Kommissionsberathungen des Etats sind die Verhandlungen des Landesausshusses mit größter Sorgfalt geprüft worden, und seine Anträge sind in der Regel Ausschlag gebend gewesen. Er hat sich nicht minder Anerkennung verschafft in den lenarverhandlungen. Eine ganze Reihe nicht unwichtiger Geseße hat ohne jede Dis- kussion im Hause drei sungen passirt, nachdem ihnen das Zeugniß mit auf den Weg hatte gegeben werden können, daß der Landesaus\{chUüß ihnen seine Zustimmung gegeben habe. Der Reichstag hat damit ausgesprochen, daß wenigstens nah seinem bis-

Herigen Verhalten der Lande8aus\{uß vollen Anspru auf Vertrauen fich erworben hat. ;

Meine Herr:n! Etwas mehr zurückhaltend bin ih natürli, wenn ih den Anspruch vertrete, daß auch der Regierung in der vor- Tiegenden Frage ein weiteres Maß von Vertrauen egeben werden müßte. Ih wünsche hierbei zunächst einem Bedenken entgegenzu- treten, welches sich an die Faffung des Gelees knüpft. Es gebt da- bin, S die Regierung von der ihr gewährten Befugniß, entweder an den Landesauss{chuß oder an den Reichstag mit Geseßesvorlagen zu gehen, einen willfürlihen Gebrauch machen werde, dadurch werde ein Zustand geschaffen, der jeglicher Klarheit und Bestimmtheit ent- behre und der weder den FaudebansiGuy noch dem Reichstag Hun sein könne. Es knüpft sih dies Bedenken an die Worte des Gesetzes,

„Landesgesete können erlassen werden“. Zu dieser Fassung hat die Regierung einen doppelten Grund gehabt. Sie wünscht sich die Möglichkeit vorzubehalten, unter Umständen an den Reichskag zu

ehen, ohne den Landesauss{uß vernommen zu haben, und die Frei-

eit, Ihnen auch folhe Gesetze vorzulegen, bei denen der Landesaus-

chuß seine Zustimmung bereits ausgesprcchen hat. Sie wird von

ersteren .Befu R wie in der Natur der Sache liegt,

nur sehr selten Ge rauch machen, das heißt nur, wenn în der Zwischenzeit zwischen der Sißung des Land:saus-

\chuses und des Reichstags das- Bedürfniß zu einem Gese hervortritt, welhes nit wichtig genug ist um den Landes- aus\chuß ad hoc einzuberufen und nicht dringend genug, um von der Befugniß zur Oktroyirung Gebrau zu machen. Die andere Freiheit wünscht sie sich vorwiegend aus Rücksichtnahme für den Reichstag vorbehalten zu sehen. Die Regierung nimmt an, daß die Verhält« nisse noch nicht reif genug seien, um dem Landesaus\chuß cine Stel- lung als mitwirkender Faktor der Geseßgebung zu geben; sie will aber andererseits den Reichstag nicht in die Lage bringen, daß er nur ab und zu, wenn Noth an den Mann kommt, ihr beistehe, sie wüns{cht vielmehr mit allen Geseßen von wirklich politischer Bedeu- tung ihn zu befassen und sich seiner Theilnahme zu erfreuen. Das ift der Grund für diese Bestimmung. Ich glaube, daß der Reichstag eigentlich Fein Interesse hat, der Regierung die von ihr übernommene und, wi: ih anerkenne, nit leihte Aufgabe abzunehmen. Schneiden Sie ihr diese Befugniß ab, dann kann sie den Reichstag nicht in der Weise betheiligen, wie sie es wünscht; es entsteht außerdem die Wirkung, des der Landesaus\huß eine Institution wird, deren Fortbestehen os gge N tanten ist, bis er im Wege der Gesetzgebung aufgeho-

a wird.

Meine Herren! Ich verstehe vollkommen die Motive derjenigen unter Ihnen, welche eine \{ärfere Fassung des reo fen wün- sen, welche dahin streben, daß in dem Gesetze selbft die Grenze gezogen werde, welche nach der Vorlage ‘die Re- gierung zu ziehen si vorbehält. Jch begreife, daß namentlich für alle Juristen, die Vorlage in der Kürze und scheinbaren Slüssigkeit ihrer Formulirung etwas geradezu Unheimliches hat, sie ijt für die, wenn ih fo sagen darf, eine Art homunculus, von dem man nicht weiß, was aus ihm werden wird, wenn die Phiole sich E Es Unheil er möglicherweise stiftet, wenn er in die Welt geseßt wird.

Meine Herren! Der Regierung wäre es ebenfalls erwünschter gewesen, wenn sie Ihnen mit einer anderen Fassung hätte entgegen- treten, wenn sie eine geringere Vollmaht von Ihnen hätte fordern Fönnen, als sie es thut; sie hat aber geglaubt, niht anders handeln zu können, wenn sie vorsichtig handeln wollte, und fie hat sich zu dieser B für verpflichtet gehalten bei der nüchternen Betrach- tung der Verhältnisse.

Wenn au der Landesaus\{chuß sich vollen Anspruch auf Ver- trauen dur sein bisheriges Verhalten erworben hat, so besteht er do erst 2 Jahre, ein Zeitraum, der keine Sicherheit für dauernde Bewährung giebt. Andererseits vollzieht sich zweifellos ein Umschwun in der Meinung der Bevölkerung, von der ein großer Theil fi daran gewöhnt, geschi{tlihe Thatsachen als unabänderlih zu nehmen und allgemach-müde wird, daß seine heimischen, nächsten Interessen durch unfruchtbares Frondiren preisgegeben werden; allein diese Wendung ist weder allgemein noch gegen Rückfälle gesichert.

Meine Herren! Es ift wenige Tage her, daß in diesem Hause der Abgeordnete für Metz bei Gelegenheit der Etatsdebatte zu Ihnen ge- sprochen hat. Er sprach sich dahin aus, daß Elsaß-Lothringen si selber überlassen werden solle. Die leßte Reichstagswahl habe er- wiesen, daß der größere Theil der Bevölkerung auf den Gesinnungen verharre, die sie im Jahre 1874 ausge- sprochen habe. Dieser Gesinnung hat der Protest Ausdruck gegeben, der im Jahre 1874 von dem Abg. Teutsch von dieser Tribüne esprochen worden ift. Wenn auch die Form, in welcher der

err Abgeordnete für Met diesen Protest wiederholt hat, um Vieles matter und abgeshwächter war als diejenige, welhe damals der Abg. Teutsh dem Reichstag zu bieten wagte, so ift doch in der

Sache nichts geändert. Elsaß-Lothringen sich felbst wiedergeben, oder sich selbst überlassen, kann im Sinne des Redners nichts anderes heißen, äls es von dem Deutschen Reiche wieder lostrennen, denn sonst hätten diese Worte überhaupt keinen Sinn. Jch würde de Herrn Redner beleidigen, wenn ich annehme, er habe diesen Protest ausgesprochen, nur um eine Ehrenpflicht gegen seine Wähler zu erfüllen, deren Ansicht er selbst nicht theile. Er kann ebenso wenig als ein politisher Mann erwarten, daß wir seine Worte nicht ernsthaft nehmen, daß wir sie als bloße Phrase betrachten würden, hinter der niht die Absicht stünde, bei gegebener Zeit, unter günstigen Umständen auch entspre- hend zu handeln.

Meine Herren! Der Reichstag hat diese Rede ftillschweigend bingenommen er hat recht daran gethan, er wird sie aber nit ignoriren dürfen, wenn er über die politische Vertretung des Landes einen Beschluß fassen soll, in welhem unter Umständen, die wir nit beherrschen können, die Auffassung, von welcher der Herr Ab- geordnete für Meß ausgeht, die Oberhand gewinnt. Er wird in Folge dessen auch davor nicht zurücks{heuen dür- fen, der Regierung eine etwas stärkere Vollmaht in die Hand zu geben, als sie unter anderen Umständen brauchen und selbst von Ihnen fordern würde.

Meine Herren! Wir gehen in der politischen Gestaltung des Lan- des nothwendig s\chrittweise vor, und müssen diese Schchritte mit Vorsicht thun, denn wir dürfen niemals einen Schritt wieder zurü- thun, déñ! wir gethan haben.

a, bitte Sie, der Regierung das Vertrauen zu senken, daß sie die Tragweite ihres Schrittes gewissenhaft erwogen hat und daß fie die Verhältnisse des Landes soweit kennt, um Ihnen denselben zu empfehlen. Es ift wohl mögli, daß der praktische Werth des Ge- seßes in der Richtung, daß der Reichstag wesentlih werde erleichtert werden, nicht so volllommen in die Erscheinung tritt, wie erwartet wird; jedenfalls aber hat das Geseß einen groten moralischen Werth: es giebt dem Lande den Ausdruck des Vertrauens, welches Regierung und Reichstag dazu haben, daß es auf dem Wege der friedlichen Ent- wielung voranschreitet, und schon in diesem Vertrauen, von dem ih hoffe, daß es auch im Lande verstanden werden wird, erwarte ih Segen für das Land. Ich bitte Sie, das Geseß anzunehmen.

Jn der heutigen (12.) Sißung des Reichs- tages, welcher der Präsident des Neichskanzler-Amts, Staats- Minister Hofmann und andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath, sowie mehrere Bundeskommissarien beiwohnten, trat das Haus in die e Berathung des Geseßentwurfs über den Siß des Reichsgerichts ein, für welhes die Vorlage Leipzig in Vorschlag bringt. Der Bevollmächtigte zum Bundes- rath, Staatssekretär Dr. Friedberg, hob die bisherige Ent- wickelung der Vorlage und die Wichtigkeit derselben her- vor. Die ursprünglihe Absicht der Reichsregierung sei ge- wesen, das Reichsgeriht nah Berlin zu verlegen, die Majo- rität des Bundesraths habe jedoch für Leipzig gestimmt, und sei dabei das Motiv auss{hlaggebend gewejen, daß

des jeßt höchsten Reichsgerichts, des Reihs-Ober-Handelsgerichts je. Als Reichsbeamter sei er verpflichtet, zunächst die Ge- ebesvorlage der verbündeten Regierungen zu vertreten, jedoch werde er im Laufe der Debatte von seinem formalen Rechte als Mitglied des Bundesraths Gebrau} machen und für eine entgegengeseßte Meinung eintreten. Beide Anschauungen gingen aber nur vom Gesichtspunkte des SEUYNTeties aus. Der Abg. Dr. Gneist trat für den Siß des Reichsgerichts in Berlin ein, indem er seine Ansicht \o- wohl aus der Kompetenz des Reichsgerichts als aus Gründen der Zweckmäßigkeit rehtfertigte. Der Abg. Frankenburger vertheidigte dagegen den Standpunkt der Vorlage. Auf eine Anregung des Redners präzisirte der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich sähsisher Staats-Minister Abeken die Stellung der Königlich sähsi)hen Regierung zu der Frage der Aufhebung des höchsten sächjishen Landesgerichtshofes im Falle der Errichtung des Reichsgerihts in Leipzig, ohne der enden Landesvertretung präjudiziren zu wollen , dahin, die Regierung einen Zusammenhang dieser beiden Fragen nicht anerkenne. Die Frage der Beibahaltung eines eigenen obersten Landesgerihtshofes sei für die sähsishe Re- ierung jeßt nos eine offene, im Falle der Verlegung des Reichsgerichts nah Leipzig werde aber die sächsische Regierung dem Landtage in den Vorlagen, betreffend die Ausführung __ der Reichs-Justizgeseze, Vorschläge für die Beibehaltung eines eigenen obersten Landesgevichtshofes dritter Jnstanz niht machen. Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Zustiz-Minister Dr. Leonhardt, betonte dagegen, daß die preu- ßishe Regierung immer für die Beseitigung der obersten Landesgerichtshöse nah der Konstituirung des Reichsgerichts eingetreten sei. Die Natur des Rechtsmittels, über welches das Reichsgericht entscheiden müsse, verlange dessen Siß im Zen- trum des politischen Lebens, und das sei mcht Leipzig, jon- dern Berlin. An einem anderen Orte werde das Reichsgericht ruhmlos wie in Wetlar enden. Beim Schlusse des Blattes ergriff der Abg. v. Kleist-Neßgw das Wort.

L E der Bundesrath unter dem 2. Februar 1876 beshlossen hat, die Es der preußischen Regierung einer- seits und der Großherzoglich sächsischen und Herzoglich sachsen- koburg-gothaischen Regierung andererseits bestehende Meinungs- verschiedenheit wegen Beiziehung derx thüringischen Eisenbahngesellschaft zu Kommunalabgaben in preußishen Städten als eine nach- Art. 76 Abs. 1 der Reichs- verfassung von dem Bundesrath zu erledigeude Streitigkeit anzuerkennen, hat die Großherzoglih sächsishe Regierung bei dem Bundesrath beantragt, derselbe wolle die Erledigun

dieser Streitigkeit dadurch herbeiführen, daß die Frage, 0o

nach Art. 15 Abs. 1 des Staatsvertrags vom 19. April 1844 die preußische Negierung den beiden anderen oben genannten Regierungen gegenüber verpflichtet ist, die thüringiscche Eisen- bahngesellshaft auch von jeder Kommunalabgabe, mit alleiniger Ausnahme der Grundsteuer und anderer dinglicher Lasten, soweit solche nah der E Landesgeseßgebung von der Gesellshaft zu übernehmen find, zu befreien, einer zu bildenden Austrägalin{tanz zur endgültigen Entscheidung überwiesen wird,

___— Die Einnahmen an Zöllen und gemeinschaft- lihen Verbrauchssteuern im Reich haben für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats Februar 1877 E Ie mit demselben Zeitraum des Vorjahrs) betragen :

ölle 16,683,480 #4 (— 1806833 M), Rübenzuckersteuer 7,815,309 M (— 5,350,811 M), Sal;steuer 5,272,994 M4 (— 17,049 é), Zabaksfsteuer 104,836 A6 (— 67,292 A6), Brannt- weinsteuer 7,647,631 / (— 305,320 4/6), Uebergangsabgaben von Branntwein 16,264 /6 (— 6128 6), Brausteuer 3,769,289 M (— 49,468 M), Uebergangsabgaben von Bier 148,137 M4 (— 3864 Á). Summa 41,457,940 4 (— 7,606,765 M).

Das Geseg, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das Fahr vom1. April 1877/78, ist am 14. März d. F. von Sr. Majestät dem Könige vollzogen worden und wird in der heute ausgegebenen Nr. 6 der Geseß-Sammlung pubkizirt.

Der General-Lieutenant von Shwerin, Gouverneur von Meg, is nah beendigtem Urlaub wieder abgereist.

__— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich säch- sisher Staats-Minister der Justiz, Abeken, ist in Berlin angekommen, und der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Groß- herlih sächsisher Geheimer Nath Dr. Stichling, 1st nah Weimar abgereist.

Der Gesandte der Schweizerischen Eidgenossenschaft am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Dr. Roth, hat sich mit Urlaub auf einige Wochen nah Bern begeben und als interimistischeu Geschäftsträger für die Dauer seiner Abwesenheit den Lega- tions-Rath Dr. de Claparède vorgestellt.

Wiesbaden, 19. März. Heute Vormittag 11 Uhr fand die Al Inuno des Kommunal-Landtags des Regierungsbezirks Wiesbaden im Sißungssaale des Regierungs- gebäudes durch den stellvertretenden Landtagskommissar Regie- rungs-Präsidenten von Wurmb statt.

Baden. Karlsruhe, 17. März. Der Großherzog und die Großherzogin werden, wie die „Karlsr. E meldet, in Begleitung des Erb-Großherzogs und der Prinzes} in Victoria und des Prinzen Ludwig Wilhelm nächsten Dienstag, den 20. März, die Residenz vérlasieh, uni sich nach Berlin zu begeben, wo dieselben bis unmittelbar nah den Osterfeiertagen zu verbleiben gedenken.

__ MeF&elenburg. Schwerin, 17. März. Die Schwe- riner Blätter bringen folgende Trauernachricht : „Heute ist hier die Nachriht von dem nah längerer Krankheit gestern Abend erfolgten Ableben des Großfürsten Alexander Wladimirowitsch eingetroffen und ist dadur das Groß- herzoglihe Haus in die tiefste Trauer verseßt worden.“ Die „Medl. Anz.“ fügen dem noch hinzu: Wie wir hören, is der gen Abend 74 Uhr erfolgte Tod des ältesten Sohnes Fhrer Merten a adet des Großfürsten Wladimir und der Frau Großfürstin Marie Paulowna von Rußland, des am 31. August 1875 geborenen Großfürsten Alexander Wladimiro- S in Folge einer Unterleibs- und Lungenentzündung ein- getreten.

__ Oesterreih-Ungarn. Wien, 17. März. Die Direk- tion der Nationalbank p gestern ihre Berathungen übér

7 Prozent zu garantiren, entfalle, daß- dagegen die Theil- nahme der beiden Staatsverwaltungen am Gewinne erst bei 8 Prozent zu beginnen habe.

Der Kaijer Pedro 11. und die Kaiserin Therese von Brasilien find heute hier eingetroffen.

18. März. (W. T. B.) Die „Wiener Zeitung“ ver-

öffentliht die Ernennung des Generalfonsuls in Bukarest (f. Z. zweiter Delegirter Oesterreih-Ungarns bei der Kon- stantinopeler Konferenz) Freiherrn von Calice und des Hofraths Freiherrn von Schwegel zu Sektionshefs im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten. Die heute stattgehabte Konferenz der verfasfungstreuen Klubs hat nah einer vierstündigen Debatte den Antrag des Abge- ordneten Sturm, betreffend die Abänderung des Dele- gationsgeseßes, mit 102 gegen 58 Stimmen abgelehnt. Vor der Abstimmung erklärte der Vorsißende, daß es den Unterzeichnern des Antrages vollkommen überlassen bleibe, denselben im Abgeordnetenhause einzubringen. 19. Manz. (W. T.) t vem gestern unter Bor- des Kaisers stattgehabten gemeinsamen Minister- rath ist, wie die heutigen Morgenblätter melden, beschlossen worden, die Delegationen zum September einzuberufen, die Ausgleihsvorlagen aber sofort nah den Osterferien beiden Parlamenten vorzulegen. Die ungarischen Minister sind nah Pest zurückgereist, Finanz-Minister Szell kehrt am Mittwoch hierher zurück, um die Bankverhandlungen zum Ab- {luß zu führen.

Pest, 15. März. Der Minister-Präsident von Tisza reist wie der „P. Lloyd“ meldet binnen zwei Tagen nah Wien. Dort dürfte am Sonntag unter Vorjsiß des Kaisers eine gemeinsame Ministerkonferenz stattfinden, in welcher der Modus procedendi bezüglih der Verhandlung der Aus- gleihsvorlagen und der Termin für den Zusammentritt der Delegationen festgestellt werden wird. Die Königliche Tafel verwarf Miletics Berufung gegen die Fortdauer seiner Untersuchungshaft , bestätigte dagegen die Freilassung Kassapinovics mit der Weisung an das Pester Kriminalgericht, die Untersuchung zu beschleunigen.

17. März. Die zweite Session des 1875er Rei ch s- tages wurde heute mit Königlichem Reskripte ges{lossen und die dritte Session für Montag, den 19., einberufen.

Schweiz. Bern, 16. März. (N. Zür. Ztg.) Der Ständerath beshloß heute nach langer Diskussion troß der Anträge auf Nichteintreten mit 19 gegen 12 timmen, daß bei der Unterstellung von Bundes- geseßên oder Beschlüssen unter die Volksabstimmung mit der Bekanntmachung vor der Abstimmung eine objektive offi - zielle Begründung derselben veröffentliht werden soll. Jn der Regel soll der Bundesrath diefe Botschaft abfassen und unterzeichnen, sonst ein gleichmäßig von beiden Räthen bestellter Ausshuß. Die Árt der Publikation bleibt dem Bundesrath anheimgestellt.

18/ März. W. D. B) Anlußlih. der Feier des 18. März fand hier eine Manifestation von An- gehörigen der Fnternationalen statt; die Polizei schritt thätlich ein, und wurden dabei sowohl Gensd'armen, wie Angehörige der Jnternationalen verwundet.

Großbritannien uud Jrland. London, 16. März. (E. C.) Für die in Paris bevorstehenden Verhandlungen betreffs eines neuen Handelsvertrages zwishen England und Frankreich sind zu Bevollmächtigten ernannt worden : Sir Louis Mallet, Unter-Staatssekretär für Jndien ; Mv, John Mulholland, (konf.) Vertreter des irländischen Staats Downpatrick und Mr. C. Kennedy vom Ministerium des Cin Das durch den Tod des Admirales Sir Augustus Clifford erledigte Amt des Schwarzen Stabes („Bla Nod“) ist dem General Sir William Knollys verliehen worden. Der Khedive hat durh den britishen General-Konsul das Geschenk seines Vorfahren an dgs britishe Volk, betreffs des als „Nadel der Kleopatra“ bekannten Obelisken bestätigen lassen. Nach einem soeben dem Parlamente vorgelegten amtlichen Ausweise ist für Volksschulen im Fahre 1875—76 im Ganzen die Summe von 1,532,610 £ ausgegeben worden. Diese Summe übersteigt die des Vorjahres um 175,863 £. Die Gesammt-Aus gabe für Volkss{hulen vom Fahre 1839 an bis zum 31. März 1876 beträgt 17,520,036 L. Die Einnahmen des Telegraphenamts im Fahre 1875 bis 1876 betrugen 1,533,982 £; die Ausgaben 1,430,710 £. Es bleibt mithin ein Reingewinn von 103272 £. Der gesammte Reingewinn seit Uebergang des Telegraphendienstes in die Hände des Staates beträgt 922,117 L.

17. März. (E. C.) Auf Befehl der Königin war gestern, als am Todestage ihrer Mutter, der Herzogin von Kent, das Mausoleum in Frogmore einige Stunden geöffnet. Das Unterhaus feßte am 15. d. Mts. die Budgetberathung fort. Die geforderten Beträge für die Kolonien u. st. w. wurden meist ohne erheblichen Widerstand bewilligt. Aus den bei dieser Gelegenheit regierungsseitig gemachten Mittheilungen ist hervorzuheben, daß, wie der Marine-Minister bec- richtete, gemäß einem aus Malta eingelaufenen Telegramm der „Sultan“ dorthin zurückgekehrt sei, ohne die „Thetis“ (welches Kriegsschiff sh in Noth befindet) gefunden zu haben, abex wieder auf die Suche ausgehen werde. Von englischen Schiffen sind jeßt im aa von Valetta vereint: „Herkules“, „Triumph“, „Hotspur“, „Monarh“, „Rupert“, „Sultan“, „Hibernia“, „Antelope“, „Cruifer“, „Coquette“ und „Wye“. Am 14. März starb auf seinem Landsiße bei Swathling unweit Southampton der ehemalige Dik- tator der ‘argentinishen Konföderation, General Juan Manuel de Rosas, 84 Jahre alt, nachdem er seit 25 Jahren in England gelebt hatte.

Frankreich. Paris, 17. März. (Köln. Ztg). Der Ausschuß, welcher den Laisantschen Antrag wegen Er- mäßigung des Kriegsdienstes zu prüfen hat, sprah si mit sechs gegen fünf Stimmen für Beibehaltung der fünfjährigen Dienstzeit aus. Laut Beschluß des Kriegs-Ministers foll die Stabsshule am nächsten 1. Ja- nuar endgültig aufgehoben werden; bis dahin soll das Personal der höheren Kriegsschule so vermehrt sein, daß es allen Anforderungen zu genügen im Stande ist. Die „Nation“ schreibt: „Bei Gelegenheit des 21. Geburtsfestes des Kaiserlichen Prinzen tritt der Sohn Napoleons 11. in den vollen Besiß aller seiner Rechte; er wird fie ausüben und sich nicht mehr begnügen, platonisch zu regieren; er ist ge-

sonnen, selbst zu herrschen.“ i (Köln. Ztg.) Der Senat

das neue Bankstatut beendet. Die Majorität der Direktion

Leipzig bei übrigens gleichen Verhältnissen bereits im Besiß

sprah sich dafür aus, daß die Verpflichtung des Staates

Versailles, 16. März. berieth heute den Geseßentwurf eines Code rural, Frank-