1900 / 281 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 26 Nov 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet. Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niht vorgekommen ift, ein Punkt (.) in den leßten fechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag. 7. Sizung vom 24. November 1900. .1 Uhr.

Uéber den Anfang der Sißung wurde am Sonnabend hereits berichtet.

Es folgt die Junterpellation der Abgg. Albrecht und Genossen (Soz.):

: „Welche Maßregeln gedenkt ter Herr Reichskanzler gegen die Beamten des RNeichsamts des Jnnern zu ergreifen, welhes von einer Fnterefsentengruppe, dem Bentralverbande deutsher Industrieller, die Summe von zwölftausend Mark gefordert und erhalten hat um damit die Agitation für den vom Bundesrath dem Reichstag am 26. Mai 1899 vorgelegten Entwurf eines G-feges zum Schuße des gewerbliben Arbeitsvérhältnifses zu betretben ?*

Da der Reichskanzler sih bereits am vorigen Montag zur Beantwortung bereit erklärt hat, erhält zur Begründung der Interpellation das Wort der

Abg. Auer (Soz.): Die durch unsere Interpellation berührte Angelegenheit hat in ganz Deutschland und îm Auslaod ungeheures Aufsehen erregt. Zuerst hieß es, ein solcher Vorgang könne unmög- lid si abgespielt haben, die Tradition der preuf!\ch-deutichen Be- amtenshaft lasse ein folches Abhängigkeitsverhältniß von einer privaten Interessentengruppe als unmöglih erscheinen. Als aber der Ruf nah Ausklätung immer allgemeiner wurde, kam die amt- liche Bestätigung ia der „Berliner Korrespondenz“. Da sch{lug das öffentlich2 Urtheil in einem Theil der Presse um. Haite man {ih anfangs so gestellt, als hielte man den Borgong für eine Unmöglichkeit, so stellte man ihn jeßt als étwas Selbstverständlihes hia. Der Brief nun, der unserer Interpellation zu Grunde liegt, ist echt, daran it kein Zweifel mehr mögli. Er lautet, wte folgt:

„Das Reichsamt des Innern hat mir persönlich gegenüber den Wunsch geäußert, daß die Industrie ihm 12000 4 zum Zwecke der Agitation für den Entwurf eines Gesetzes zum Schuß des ge- werblihen Arbeite verhältnisses zur Verfügung stellen möhte. Jch habe diese Angelegenheit dem ftellvertretenden Voisihßenden - des entralverbandes, Herrn Geheimen Finanzrath Jeucke, unterbreitet, der es aus naheliegenden Gründen für zwcckmäßig erachtet hat,

fes eigenthümlihe Berlangen nit zurückzuweisen. Herr Geheimer

Nath Ier cke hat fôr die Firma Krupp 3000 ( zu dem erwähnten Z3weck zur Verfügung gestellt.

(gez.) H. A. Bueck.“

rnach hat also das Reichsamt des Innecn an den Zentral-

deutsher Industrieller ein Gesu um 12 000 gerihtet,

amit Agitation zu treiben zu Gunsten der sogenannten „Zucht-

e“. Es hatte lange gedauert, bis fch die Betheiligten auf

ihung äußerten. In der offiziösen Erklärung heißt ez:

zum theil sehr tendenziófen Enistellungen ia der

erschien es weiten Kreisen, insbesondere aus der ÎIn-

der Ende Juni 1899 im Reichstag vollzozenen ersten

des Gesetzz:ntwourfs zum SYvtiz der Arbeitswoilligen unbebingt

nothwendig, an der Hand des amtlichea parlamentarischen Materials des

Reichstages die öffentliche Meinung möglih# umfanareich darüber

ufzuflären, welhe Thatsachen die Ginbringung dieses Gesegentrourfs

veranlaßt hatten, und welhe Grüvde von den Vertretern der ierungen bei der B2rtheidigung des Gesegentwurfs im Reichstage ebracht worden find . . Auf Anregung und durch Verratttelung

Déirekiors im Reichsamt des Innern Dr. von Woedtke hat der

ral-Sefkretär eine Summe vÿn 12 000 Æ zur Verfügung geftellt ;

t zur Deckung der Druckkosten verwendet worden, die durch die

e des obenbezeichneten amtlihen Méeaterials entstanden

\ fest, daß der Brief echt und der Thatbejtand

Im Namen tes Reicz8amts des Innern sind

ge durch dieses Neitsamt angereat worden, die, t bôflih bezeichnet, nur Handlangerdienste genannt werden fönnen, das Reichsamt des Innern den Scharfmachern geleifket hat. Miderspruch, der übrig bleibt, ist unerbebli, nämlich der, dem Briefe das Reichsamt des Innern die Summe

t, nah der amtlichen „Berliner Korrespondenz" der Zentral-

ie zur Verfügung gestellt hat. Nactdem festzesteUt war, er dec Industriellen unter Vermittelung des Meich?- amts Innern zu diesec Agitation benußt wroorden sind, suchte 1 nach einem Ausmneg, nah einer Ablenkung. Man sagte: Was ist denn gesehen? Vex Vorgang steht aiht vereinzelt, 1ch in früheren Zeiten find folche Dinge rassiect. Van tischte die n

11 Reminiszenz auf, daß unter dem Reichskanzler Fürsten Biëmarck der Bolks« N ô

R wirthschaftsrath, für den das Parlament die Mittel verweigert hatte, aus Prioatmitteln doch ins Leben gerufen warde. E3 sollte also her- fömmliche Praxis sein, daß die Regierung zur Erreichung ihrer Zwecke sich der Mittel voa Pripaten bediente. Dec Vergleich aber, der hier verxsucht wird, hinkt nach allen Seiten. Vei der Berufung des Bolkswirthschastsraths handelte es ih für den Fürsten Biemarck, der für seine Umwandlung aus einem Freikänbler in einen SGutzöllner niht überall das nöthige Verständniß fand, darum, außerparlamentarishen Beirath zu s{affffen. Damit gedachte neuen Auffassung schüeller zum Siege zu verhelfen. Eine Handlung war das” iht. Hier aber - handelte es die Ecringung und Erzielung cines Ausnahmegeschßes die Arbeiter, welche für bessere Arbeitebedingungen eintraten, Zuchthause bcdrohte. Dort war das Geld angeboten ! privaten Kreisen, hier ist das Geld voa cinem Reichs- bei den FIndustciekreisen erbettelt worden; ein direktes zefuch ift es, welhes von Erfolg begleitet au3gehend don einem hohen Beamten und gerichtet an eine Verbindung, velche in der Frage geradezu Partei ift. y Regierung und thr Vertreter haben si in die direkt abhängige Stellung eines Bitlstellers begeben ; in folhe unwürdige Stellung konnte der Bitt- steller niht kommen, wenn man in jenen Kreisen nicht von vorn- herein entschloffen gewesen wäre, bei diesem Gesey Partei für die Arbeitgeber gegen die Arbeiter zu nehmen. Das ist charakteristish für die Stelle, welche immerfort von praktisdem Christenthum, vom Patrimonium der Enterbten, vom preußischen Königthum der Armen und Enterbten speicht. Diese Kreise wenden sich an die Industricmillionäre um Gelduntersiüßung für ein Geseh, welches den einzigen Zweck hatte, die Arbeiter um ihr einziges Recht z1 bringen. Um diejen Zweck zu erreichen, erschien der Direktor von Woedtke mit dem Klingelbeutel bei den Indusiriezrößen. Man kann ih nicht wundern, wenn der Geheime Finznzrath Jene ein solches Verlangen „eigenthümlih* gefunden hat. Es is tin der That auh ret -eigenthümlih. Man hat dann versucht, die ÜUngelegenbeit auf das Gebiet der persönlichen Ehrenbaftigkeit binauszufpielen. Vit Pathos ai man den Vorwurf der persönlichen Bestechiihkeit zurückgewiesen.

lud wir sind der Ansicht, daß es sih nicht um pecsönltwe Bestehhlich- it handelt. Es handelt sih um etwas viel Schlimmeres, nämlich um einen ganz ungeheuerlihen, verderbiihen Einfluß der Interesseü- vertretungen auf unsere Regierung. Wir haben es nicht mil dex That eines Einzelnen zu thun, sondern mit einer Erscpeinung, die auf wêéitgehende Begriffsverwirrungen in Megterungsfreisen lichen läßr. Ganz naiv erklärt man: die Yuittungen, die Beläge befinden \ih in unseren Händen. Man scheint in der That kein Verständniß für die ganze Angelegenheit zu haben. Dieser dominierende Einfluß der Großindustriellen is so weit gegangen, daß vershiedene sozialpolitishe Vorlagen, welche dem Reichstag vorgelegt werden follten, durch die Großindustriellen hintertrieben worden stad. Die Regierung wagte es s{ließlich garniht mehr, dieselben vorzulegen. Der Staatssekretär Graf Posadowsky hat ganz offen auêgesprochen, daß man die Arbeiterversiherungsvorlage zunächst zurückstellen müsse, weil es an der freudigen Mitwirkung der Unt-rnehmerlretije sêhle. Wenn wir in der Sozialreform noch weit von der Erfüllung der Kaiserlihen Botschaft ron 1890 entfernt sind, so ift das nur auf den übermähhtigen Winfluß der Großtindustrie zurüd- zuführen, und anrtererseits steht fest, daß die jeyt neuerdings geplante Verschlechterung des Krankenversicherungbägeseßes, durch welches die Rechte der Arbeiter vershlechtert werden sollen, von den Groß- industriellen angeregt worden ist. Der Einfluß der Großindustrie

zeigt ih au auf anderen Gebieten. Ih erinnere nur an die Liebesgaben, z. B. aa die Zuckerausfuhrprämie, die es bewirkt, daß auf dem englishen Markt der - deutshe Zucker billiger is als bei uns. Jch erinnere an das Streben nach einer Wer- doppelung der Getreidezölle, Und hat nit seiner Zeit der Staatssekretär von Boetticher eiklärt: „Wir arbeiten nur für Sie"? Der von der „Leipziger Volkszeitung® zuerst veröffentlichte Artikel beleuhiete den Abgrund dec Korruption, vor dem wir stehen, Wir verwehren es der Regierung in keiner Weise, Informationen béi den Großindustriellen einzuboleu, Was wir aber wünschen, ist, daß keine einseitigen FInformatiónen eingeholt werden, daß man neben den Kapitalisten auch die Arbeiterorganisationen hört und sie unicht immer ignoriert, selb wo es sih um die vitalsten Interessen der Arbeiter handelt. Es* muß aufhören, daß nur die Großindustriellen gehört w-rden, Wir haben es erlebt, daß, wena Arbeiterkongresse die Regterung einladen, Vertreter zu schicken, ihr Wegbleiben immer dur dienstliGze Be- hinderung, durch dienstlihe Belastung entshuldigt wird. Bei den Unternehmerkongrefsen ift es freilich anders. Da erscheinen die Herren MNegierungsvertreter regelmäßig, halten sogar Reden. Jch kann es ja auch verstehen, wenn die Hetren einem vom Freiherrn von Stumm gegebenen Festmahl im Katserhof lieber beiwohnen als einem Arbeiterkongreß. Aber diese parteiisch2 Haltung der Me- gierung macht in Arbeiterkreisen einen bösen Eindruck. Wir wissen ja auch, daß die Uebertretung der ArbeitersGußvorschriften seitens der Unternehmer von dea Gerihten nur aanz milde be- straft wird, sodaß die Fabrik-Inspektoren sogar in ihren Berichten sid veranlaßt gesehen haben, gegen diese milden Urtheile Beschwerde zu führen. Aus dem Ganzen erhellt mit größter Deutlich- reit, daß das Deutsche Reich si immer mehr zu einem reinen Klafsen- staat entwickelt. Wie weit die Hohnäsigkeit des Zentralverbandes deutscher Industrieller gediehen ift, geht daraus hervor, daß der be- zahlte Agitator dieses Berbandes, der Geschäftsführer Bueck, {h er- dreistet, in seinem Jahresberiht Männer wte den früheren Minister von Berlepsh und den Bonner Universitäts Kurator Rottenburg aufs heftigste anzugreifen, indem er behauptet, fi? betrieben die Sozialpolitik nur als Sport, seten QDilettanten, unfähig 2c. Solche Urtheile, abgegeben gegenüber etnem früber in hoher NReichsstellung befindlihen Beamten, der mit Erfolg für die Soztal- politik thätig gewesen ift, lassen tief blicken. Dieser Vorgang hat sich abgespielt im März 1899 und im August erscheint der Direktor von Woedtke vor demselben Bueck und bittet um 12000 (A! Was sind das für Zustände! Welchen Blick eröffnet dieser Vorgang auf dis Verhältnifse, die im Reichsamt des Innern herrshen! Für Herrn von Woedtke hätte es unmöglih sein müssen, mit einer der- artigen Forderung zu diesem Bueck zu gehen, Nun hieß es: Ach, das Ganze ist ja nur etne freihändlerishe Intrigue; die Soztial- demokratie holt wieder cinmal füc die Freihändler die Kastanien aus dem Feuer. Ein thöôrichterer Vorwourf kann garnicht erhoben werden. Es ift keine freisinntge Intrigue. Jch weiß nit, wie das Leipziger Parteiorgan in den Besiy des Briefes gekommen ist, und wenn ich’s wüßte, würde ich es Ihnen allerdings wahrscheinlih auch nicht sagen. Der Empfäager des Briefes hat aber sicher auch nit entfernt darau gedacht, der Freibändlerei durch die Veröffentlichung

Dienst zu. erweisen. Sollte der Vorgang aber damit erledigt sein, daß He2rr von Woedtke die Beläge für die veraus- gabten 12000 M hat, uns foll’s recht sein; unsere Presse wird niht ermüden, die Frage immer wieder aufzuroecfen, in wessen Diensten diese Dinge ge|hehen find. Wir meinen aber, daß gerade die Rechte, die HoGschuyzzöllner, die alle ihre Hoffnung auf den Bundesrath setzen, ein Juteresse daran haben, daß MRemedur ge- {aen wird. D ihnen muß daran liegen, daß auf den Bänken des Bundesraths Vertreter fißen, die ein Interesse daran haben, daß wentastens der Schein der Unabhängigkeit gewahrt wird. Die Herren Scharfmacher haben ja auch erklärt, daß ihre monarhische Gesinnung in der Hauptsaze auf Vernunftgründen berußt. Wie weit dieser Einfluß der Scha1fmacher geht, sehen wir ja auch daran, daß auf das Vachtgebot des Herrschers von Saar-Arabien, des Freiherrn von Stumm, die protestantishen Pastoren sozialpolitis umm geworden sind wie das Grab. Und bdôje Beispiele verderben qute Sitten, das fehen wir an dem Rundschreiben der Fualbaer Bischöfe in Sachen derx Gewerkschaften. Freiherr von Stumm uno seine Erwerbs- genossen werfen jeden Arbeiter auf die Straße, welcher cine andere Be- finnung zu baben waat, als fie billigen; der protestantische Klerus und ver katholis: Episkopat haben, diefem Machtgebot direkt odér indirekt unterliegend, gleihmäßig sich von der Vertretung der Arbeiterinteressen zurückgezogen. Freiherr von Wangenheim hat vorgestern hier den Schmerzent schrei ausgestoßen, daß ihnen auf den Hintertréppen zu den bofishen Gemächern jeßt Konkurrenz gemaŸht wird. Ja, die Herren Junker und Junkergenossen müssen beffere Saiten anschlagen, sie müssen ih unentbehrliher machen. Die deutsche Arbeitershaft empfindet es Ion lange aufs bitterfte, daß fie fortgeseßt das Opfer erfundener Jn- formationen ist. Es ist das cin Wider|hein der sch in Deutsch- land immer unerträgliher breitmahenden Byzantinerei. Ein bober Reichsbeamter tritt als Bittsteller bei dem gemeinaefährlihen Millionärverein auf; ein folcher Vorgang ift bisher in Deutschland unerhört gewesen, und deshalb richten wir die Frage unserer Junter- pellation an den Reichskanzler. Hat es fi um ein Gesu des Reichsamts des Innern gehandelt ? Darüber muß Klarheit ges{afen werden. Wer hat die Verantwortung für diese Handlung zu tragen ? Alle ehrlichen Leute müssen einstimmen in den Ruf: Fort mit einem System, das folhe Anschauungen zu Tage gefördert hat !

Reichskanzler Graf von Bülow:

Meine Herren! Die verhältnißmäßig ruhige Form, die troy einiger obligoter und wohl auh für den Herrn Abg. Auer unyer- meidlicher Krastausdrücke doch cher gemäßigte Form, in welcher der Herr Interpellant seinen Antrag begründet hat, ftand in cinem beinahe pikanten Gegensaß zu der Art nnd Weise, wie seit Wochen der in Nede stehende Vorfall in der dem Herra Antragsteller und seinen Freunden nahe stehenden Presse behandelt und ih kann wobl sagen ausgeschlachtet worden ift. Jh bin do ziemlich weit herumge- kommen in der Welt, aber so was von Uebertreibungen, wie bei der Be- handlung dieses Falles in der sozialdemokratishen Presse, ist mir denn doc nicht vorgekommen. (Na, na! links.) Ja dem ersten Ariikel,

7 L

den id über diesen Vorfall las, fand ih zweimal das Wort „Panama“ (sehr riGtig! bei den Soztialdemokräten), und in einem anderen Artikel war von der „Maffia“ die Nede. Du lieber Gott, ih babe doch auch die zeitgenö{fishe Geschichte, die zeitgenöfsis@he Entwickelumg verfolgt, ih veisihere Sie, Panama war wirklich anders (große Heiterkeit), und ih vusihere Sie au, die An- hänger der Masffia, die Maffiosi, wie man in Stzilien sie nennt, sehen anders aus als die Berliner Geheimräthe. (Große Heiterkeit ) Ueber solhe Vergteie wird niemand mehr lächeln als unsere intilligenten und sympathisGen Nachbarn jenscits der Älpen und jenseits der Vogesen, Meine Herren, der Zweck, der mit allen diesen Uebertreibungen und, ih muß es leider sagen, mit allen diesen Entstellungen verbunden war, war natürli der, den Glauben zu er- wecken, als ob wir in Deutschland in einem Staate lebten, dessen Regterung abhängig wäre von beftimmten Gruppen (sehr rihtig! links), von einer bestimmten Klasse, mit einem Wort der Abg. Auer hat dies Wort felbst ausgesprochen in einem Klafssenstaat (sehr richtig! links). Sie bestätigen durch Ihren Zuruf nur meine Behauptung !

Metne Hckrêk, son diese Wahrnehmung, roelhen Agitationtstoff die Herren von dort èrüben aus der Behandlung dieses Falles ge- \chöôpft haben, würde mih nachdenklich stimmen, würde mich bedenklich

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{ machen in der Beurtheilung bes seiner Zeit für die Verbreitung amt-

lier Drucksachen eingeshlagenen Weges (sehr richtig! rechts), denn ih bin der Ansicht, daß jede deutshe Regierung tem Gêmeinwohl um fo besser dient, je mehr fie \ch hält und je böher sie fich stellt liber die ve:shiedenen Interessengruppen, über die Parteien (sebr wahr! links), über die wirthschastlichzn und politisen Gegensäße. (Sehr gut! links.) Ich bin davon durhdrungen, daß es die erste Aufçabe jeder deutshen Regierung ift, das Wohl des Ganzen im Auge zu haben und nur die Gefammtinteressen des Landes zu fördern. (Zuruf links.) Meine Herren, warum rwoidersprehen Sie mir denn? Sie kennen mih ja noch gar niht genug, weder politisch noch persönli, vm ein abschließendes Urtheil über mich aussprehen zu können. Politish bin ich doch noch nicht lange genug am Werke, namentlih in der inneren Politik, als daß Sie mich beurtheilen könnten, außer wenn Sie ih auf den Standpunkt cines Jhrec Vorgänger vom Jahre 1848 stellen: ih kenne die Absicht des Ministers niht, aber ih miß- billige sie und persönlich kennen wir uns doch auch noch nit genug; ih bedauere es, hoffentlih bedauern Sie c3 au. (Heiterkeit.) Also zu einem abschließenden politischen und persönlihen Urtheil über mich ist es noch zu früh, und ein solhes zu fällen verzeißben Sie das harte Wori! is oberflählich. Das hate ih kon- statieren wollen und fehre nunmehr zu der Beantwortung der Interpellation - ¿uröck. Ih bin aber ferner der Ansicht, daß die Regierung sogar den Schein vermeiden muß irgendwelher Ab- bängizfkfeit von irgendwelchen Gruppen, haß sie jeden Verdacht ver- neiden, jedem Verdacht entgehen muß irgendwelher Abbängiskeit von Sonderinterefsen. (Sehr richtig! links.) Darum ftehe ih uicht an, troß des guten Glaubens, in dem die betheiligten Beamten geglaubt haben, einer Vorlage der verbündeten Regierurgen zu dienen, den dabet eingeschlagenen Weg als einen Mißgriff zu bezeichnen. (Hört, hört! und Bravo! [in?s,)

Der in Rede stehende Vorfall, meine Herren, hat {ih ereignet, bevor ih die verantwortliche Leitung der Geschäfte des obersten Neichebeamten übernommen hatte. Wäre ih damals um meine Meinung gefragt worden, fo würde ich von der Beschreitung des für die Verbreitung amtliher Drucksachen gewählten Weg:s abgerathen haben, und würde heute, wo ich veran!wortliher Reichskanzler bin, die Absicht einer solhen Maßnahme zu meiner Kenntniß gelangen, fo würde ich die Ausführung einer solhen Absicht zu inhibieren wissen. (Bravo!)

Im vollen Einverständniß mit dem Hzrrn Staatssekretär des Janern (na! na! bei den Sozialdemokraten), jawohl, im Ein- verständniß mit dem Herrn Staatssekretär des Innern, dessen eminente Arbeitskraft, dessen Geschäftserfahrung, dessen Kenntnisse, d-en Charakter ih troy aller gegen ihn gerichteten Angriffe immer gleih ho(hstelle (Bravo !), bin ich der Ansicht, daß derartige Wege in Zu- kunft nicht wieder cinges{lagen werden sollen. (Lebhafter Beifall.) Ueber diese meine Auffassung und diese meine Willensmeinung als des allein im Reich leitenden Ministers ist das betheiligte Ressort nicht im Zweifel gelassen worden. Zu weitecen Maßnahmen sehe ih mi nicht veranlaßt. (Hört, bört! tei dezn Sozialdemokraten.) Sie seinen, wie ih aus Ihrem „Hört, hört!“ entnehme, solhe erwartet zu haben. Aber weitere PVaßnahmen werde ih niht treffen, und ih will Jhuen, meine Herren, einen Grund angeben, aus dem ih weitere Maf:nahmen nit treffen werde.

Der Herr Antragsteller hat gesagt, daß er nicht wisse, wie ein gewisser Brief in eine gewifse Leipziger Zeitung gekommen sei. Vielleiht weiß es der Herr Abg. Dr. Schönlank. (Heiterkeit). Aber ih habe vorläufig noch nicht den Eindruck, ih habe namentlich nach dem, was der Herr Abg. Auer cben sagie, nicht den Eindruck, daß der Herr Abg. SWHönlank geneigt sein werde, uns das ver- \hleierte Bild von Sais zu enthüllin. (Heiterkeit.) Nun denn, meine Herren, das hat in mir den Eindru ver- stärkt, troß allem, was der Herr Abg. Auer soëben gesagt hat und das wird, glaube ich, auch bei manchen Mitgliedern dieses hohen Hauses den Eindruck hervorrufen —, daß die Art und Weise, wie dieser Vorfall in die Oeffentlichkeit gebrawßt worden ift, mir weniger inspiriert zu sein {eint von löblihem Eifer für das öffentlidze Wobl (sehr richtig! rechts, Widerspruÿ links), als von feindseligen Tendenz2n gegen bestimmte Persönlichkeiten (sehr richtig! rechts), wegen deren politishen oder vtelleiht auch wegen deren wirth- \haftlihen Nichtung. (Sehr richtig! rets und in der Mitte, Wider- fpruch links.) Vor Intriguen beuge ih mich nit, vor folchen dunkeln und unlauteren Machenschaften weihe ih niht zurü. (Bravo!) - Ih hoffe, daß ih die Mehrheit des hohen Hauses auf meiner Seite habe, wenn ih erkläre, daß ih sollen Treibereien und Maghenschaften keinen Einfluß einräume auf mein öffentlihes Ver- halten und meine amtlihen Entschließungen. (Lebhafter Beifall.)

Iîn übrigen, meine Herren, können Sie versihert sein, daß ih gar keine Neigung empfinde, den Herren von jener Seite des Hauses je wieder ähnlichen Agitationestoff zuführen zu lassen. (Lachen bei den Sozialdemokraten. Lebhafter Beifall.)

Auf Antrag des Abg. Singer (Soz.) wird in die Be- sprehung der Jnterpellation eingetreten.

Abg. Büsing (nl.): Jh begrüße die Erllärung des Herrn Reichskanzlers, weil fie ich mit der Auffafsing deckt, welhe meine politishen Freurde von der Angelegenheit haben. Wir meinen, daß ein Theil bder Presse die Sache in ungebührli ber Weise aufgebaufcht har. An der abfoluten Integrität unserer Reichsbeamten is} nit zu zweifeln. Aber das Vorgehen des Beamten des Reichtamts des Innern ist entschieden zu mißbilligen und unzulässig. Bel den wachsenden Gegenfäßen zwischen Arbeitgebern "und Arbeitern lag noch eine besondere Veranlassung vor, jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Redner bezeichnet die Vorlage zum Schuß des Arbeitsverhältnisses als ein zum Schuß der Arbeitswilligen grplantes G.seh, das keineswegs cin Ausnahmeg-seyß gewesen fei. Seine Partei sei der Anficht, daß die Regierung keine Gelder der Intoressentengruppen für politische Agitation annebmen dürfe, und daß es im Interesse der RNeichebeamten liege, alles zu “vermeiden, was übelweollenden Leuten Gelegenheit geben ftönnte, die Jntegrität des Beamtenthums anzugreifen.

Abg. Munckel (fr. Volksp.): Auch ih habe einen gewissen Grad von Befriedigung bei der Anhörung der Worte des Reichs- fanzlers empfunden. Aber ift denn niemand im Hause vorhanden, der mchr vom Reichskanzler erwartet hätte? Der Reichskanzler hat cinfach erklärt, daß er es mißbillige, und daß er es verhindert haben würde, wenn er Reichékanzler gewesen wäre, und baß er es künftighin zu verhindern suckhen werde. Hat denn jemand geglaubt, der Reichskänzler werde das Verfahren billigen, beshöaigen oder entschuldigen ? Das twäre ja dieselbe Bescheidenheit, die hier zu Tage trat, als der Reichs- fanzler das Wort Indemnität aussprah. IJch bedauere, daß der Reichskanzler, dessen erstes Auftreten im Reichstage Großes von ihm späterhin erwarten ließ, Mißgriffe vertheidigen muß, die ht

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