1900 / 288 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Dec 1900 18:00:01 GMT) scan diff

t

2064

E

Fb zziet

evi.

E

_ E e Iran

f M j )

d ties rwaprize n

E E

weite Volkskreise schwer bedrückender Mißstand bezeichnet ift, und über die Frage nah den Mitteln zur Abhilfe, nach den Mitteln zur Verhütung ähnliher Zustände für die Zukunft. In der Begründung der FInterpellation sind von dem Herrn Vor- redner eine Menge von Einzelheiten vorgetragen, die sih zum theil auf die Gebahrung des Kohlensyndikats, welhes im Ruhr- Kohlenrevier besteht, beziehen, zum theil beziehen auf die Vertheuerung der Kohlenpreise, wie sie im Zwischenhandel und im Kleinhandel ftattgefunden hat. Die Einzelheiten, die in dieser Beztehung von dem Herrn Vorredner vorgetragen sind, bin ich meinerseits nit zu kontrolieren im stande. Mir steht auh eine Einwirkung weder auf die geshäftliGe Gebahrung des Kohlensyndikats noh auf die geshäft- lihe Gebahrung der Kohlenzwischenhändler zu Gebote. Jh kann meinerseits hier nur das Ergebniß derjenigen Wahr- nehmungen vortragen, die {ch in meiner amtlichen Stellung über die hier beklagten Mißstände während des laufenden Jahres innerhalb Preußens gemacht habe. Ih kann diese Wahrnehmungen über die Kohlenvertheuerung vortragen, ihc Maß, ihre Bedeutung, ihre Ursache darlegen und sodann mich darüber aus- sprehen, was ich meinerseits in Aussicht genommen habe, um diese Mißstände zu beseitigen und ihnen für die. Zukunft vorzubeugen. Zunäthst möchte ih mir nun gestatten, einige Mittheilungen zu machen über die Ursachen und das Maß der Ausdehnung der Kohlentheuerung, die wir in diesem Jahre zu beklagen haben. Die Ursachen sind ja bekannt; es is der Ausfall der englischen Kohle während eines Theils des Jahrés, der Ausfall der sächsischen Kohlenproduktion, der Ausfall der böhmishen Kohle infolge des Ausstandes in Sachsen und Böhmen und endli der gesteigerte Bedarf unserer Industrie, wie wir ihn bis Mitte dieses Jahres gehabt haben.

Was zunächst die englishe Kohle anbetrifft, so beträgt der Im- port englischer Kohle jeßt bereits über 5 000 000 t; damit wird das Küstengebiet der Nord- und au der Ostsee versehen, die Kohle dringt au bis Berlin; in Berlin werden mehrere 100 000 t diefer Koble verbrauht. Dadurch, daß nun während einer bestimmten Zeit infolge des Transvaalkrieges und seiner Folgen, infolge der Steigerung der Kohlenpreise und der Schiffsfrahten in England die englischen Kohlen ausgeblieben sind, sind selbstverständlißh in diesen Küstengebieten solche Mißstände hervorgetreten. Diejenigen, die bis dahin die englishe Kohle bezogen hatten, wünschten nun- mehr inländishe Kohle zu beziehen. Sie wandten si an inländische Gruben und Händler; daß aber die Gruben wie die Händler zunächst ihre bisherigen Kunden berücksihtigten, das ergab si einer- seits aus den abgeschlossenen Verträgen, die sie erfüllen mußten, andererseits aus dem Geschäftsgebrauh, der allgemein üblich ift. Man bedénkt in erster Linie die alten Kunden und erst in zweiter Linie die neu hinzugekommenen. Was die Ausfuhr der sächsischen Kohlen betrifft, so beziffert sie sich auf 5 bis 6 Millionen Tons; fie is während des Ausstands in Sachsen fast vollständig aus- gefallen, die böhmishe Einfuhr beziffert \sich im Jahre 1899 auf 8,6 Millionen Tonnen, die theils nah Bayern gehen vorzugsweise wird Bayern damit versorgt —, theils nah Norddeutshland gehen, nah Sachsen, Preußen. Hier in Berlin werden allein über 800000 t böhmisher Briquets verbraucht. Daß infolge des Ausfalls einer so bedeuten- den Zufuhr an Kohle während dieses begrenzten Zeit- raums und auf diesem engeren Gebiete innerhalb dieses Gebiets Nothftände entstehen, darüber kann man {ih nicht wundern, um so weniger, wenn man bedenkt, daß das gerade in eine Zeit fällt, wo seitens der Industrie Anforderungen an die Kohlenproduktion gestellt sind, wie wir sie bis dahin noch niemals gekannt haben. Unter folhen Umständen war es die Aufgabe der inländishen Kohlerproduktion, alles aufzubieten, um den Ausfall zu erseßen. Das hat sie auch das muß ih hier offen anerkennen redlih und mit allen Kräften gethan; denn thatsählich hat sich die Kohlenproduktion im Inlande in diesem Jahre weit über das Maß ihrer bisherigen Begrenzung er- höht. EŒs sind über 10 Millionen Tonnen in diesem Jahre mehr ge- fördert und dem Konsum zugeführt worden. j

Nun, meine Herren, möchte ih mir gestatten, Jhnen au über die Höhe der Preise, die rah meinen amilien Erfahrungen zur Er- hebung gekommen sind, einige Mittheilungen zu mahen. Man muß bei den Preisen unterscheiden die Grubenpreise und die Preise der Großhändler einerseits und die Preise, die der Zwishenhandel und der Kleinhandel erhebt, andererseits. Daß die legteren bedeutend Höher si ftellen, darüber darf man fih nicht wundern. Der Preis fteigt in der zweiten Hand, in der dritten Hand noch mehr und erft ret in der vierten. Die vierte Hand, der Kleinhandel, hat die ent- Tegeneren Gebiete zu versorgen, hat die hobe Fraht zu be- zahlen, er hat die Kohle zu magazinieren; da kommen die Lagerkosten hinzu, er bat den geringeren Umschlag und muß infolge dessen auch den größeren Verdienst haben. Daß also die Kohlen beim Zwischenhandel und beim Kleinhandel erheblih theurer werden, darüber daf man ih nicht wundern. In der That sind sie aber nach meinen amtlichen Wahrnehmungen auf Grund der Beschwerden, die an mich gelangt sind, in vielen Gegenden über das Maß der Ge- bühr, über das Maß eines angenftfsenen verhältnißmäßigen Gewinns bis zu wucherisher Höhe im Preise gesteigert worden. (Sehr wahr !) Das is thatsählich der Fall gewesen zunächst in den Ge- bieten, die aus der Versorgung durch ausländishe Kohle aus den Gründen ausgeschaltet wurden, die ich schon angeführt habe. Es trat dort“ ein Nothftand ein, der die Leute zwang, erhöhte Preise sich gefallen zu lafsen, wenn sie nur überhaupt Kohlen bekamen. Es if} das ferner in den großen Industriegebieten ‘hervorgetreten, weil dort die Nachfrage am allergrößten war. Es ift aber eigenthümliherweise au in der allernähsten Nähe der Gruben hervorgetreten (hört! hört !), und zwar aus folgenden Gründen. In Oberschlesien haben wir diese Erfahrung gemacht: die Gruben haben, nah dem Vorgang der Staatsgruben, auch einen Landdebit eingeführt, in dem sie die Kohlen an die nächstgelegene Umgegend der Gruben zu den Tagespreisen verkaufen. Da sind nun die Händler hinzugekommen und haben in der Nähe dieser Gruben die Kohlen aufgekauft, haben die Fuhrleute für si engagtert ; diese baben die Kohlen von den Gruben zu den Eisenbahngleisen gefahren, dort sind sie verladen worden und sind in entfernte Gebiete, zum großen Theil ins Ausland, gegangen. (Sehr wahr!) Auf diese Weise sind allein aus dem obershlesischen Bezirk 316 000 & entfernt worden, die zum großen Theil ins Ausländ gegangen find. Ja, wie sollte man das hindern? Das war that- Fächlih niht möglich, zu beseitigen; denn auf den Gruben wußte man nit, wohin die Kohlen gingen. Dort kamen die Fuhrlente bin,

nahmen die Kohlen in Empfang und fuhren sie ab. Ih habe den Herrn Eisenbahu-Minister gefragt, ob er niht die Verladung auf den Eisenbahngleisen inhibieren könnte. Er hat mir geantwortet: nein, das kann ih nit, das widerspriht den Bestimmungen des Betriebs- reglements. Dagegen war, also nihts zu machen.

Sie sehen, meine Herren, daß an verschiedenen Stellen, aber borübergéhend und' örtlich vereinzelt, in der That eine wucerische Vertheuerung der Koblenpreise stattgefunden hat. Diese Vertheuerung ist nun aber andererseits au noch dadur nit unwesentlih gesteigert worden, daß, wie immer in solhen Fällen, eine allgemeine Panik unter den Käufern entstanden is, Meine Herren, es wird in den Zeltungen die Kohlennoth in sensationellen Artikeln dargelegt, in öffentlihen Versammlungen wird sie ebenso besprohen. Das wirkt auf den Einzelnen beängstizgend ein. Jeder sucht ih zu verforgen, und fo kommt eine Ueberstürzung in der Kohlenanforderun g und dem- gemäß auch eine Ueberstürzung des Preises heraus, die in hohem Grade zu beklagen is. Jh muß das aber hervorheben, weil ih auf diesen Punkt nachher zurückkomme.

Nun komme ih auf die Frage: wie haben si denn nun die Preife bei uns in Deutschland gestelt? Was da von dem Herrn Vorredner an Einzelheiten mitgetheilt wird, das bin ih, wie gesagt, zu kon- trolieren nihcht im ftande. Jch kann nur meinerseits die Mittheilung machen, daß fowohl in. Oberschlesien wie an der Ruhr und an der Saar die Grubenpreise und die Preise der Großhändler eine Erhöhung bis zu 2,50 A, 260 Æ pro Tonne niht über- schritten haben gegen den Preis von 1898. In Oberschlesien kosteten Stück- und Würfelkohlen am 1. September 1898 9,50 M, 1900 12 M, Differenz 2,50 A Ebenso Kleinkohle 1898 6,20 M, 1900 8,40 Æ, Differenz 2,20 A An der Ruhr kosteten Gaétflammförder- koblen am 1, September 1898 9 4, 1900 11/50 i, Differenz 2,50 4 Stüdckohle 12 M resp. 14,50 4, Differenz 2,90 #4; bestmelierte Kohle 9,50 resp. 11,75 4, Differenz 2,25 i; gewashene Nußkoble 10 M resp. 12,50, Differenz 2,50 „4 Das sind die Preise, die man thatsählih seitens der Gruben und des Großhandels erhoben hat.

Vergleiht man damit die Preisentwickelung des Auslandes, so muß man doch sagen, daß bei uns gegenüber den Ursachen, die ih mir erlaubt habe, Jhnen vorzutragen, die Gruben- und Großhandelspreise nit das gebührlihe Maß überschritten haben. In England z. B. kostete Westhartley Stückklohle 1898 8,3 bis 10 Sh., 1900 18 bis 20, noh jeßt 16,6 Sh., Steamsmall 1898 3,6 bis 4,6 Sh., 1900 10 bis 13 Sb., also ungefähr 200 0/9 mehr. In Belgien sind die Preise für Gruskohle auf 20 bis 22,50 Fr., für Förderkoble auf 25 bis 27, für Hausbrandkoble auf 26 bis 29 Fr. gestiegen. Jn Böhmen ift die Braunkohle von Ente 1899 bis jeßt gestiegen von 4,5 bis 8,5 4 Die Ostrauer, also öfterreihishe, Koble wurde 1898 mit 4,1 Fl., 1900 mit 6 Fl. bezahlt, also eine Steigerung von 50 9/0. Sie sehen, bei uns geht die Steigerung niht über 25% hinaus, während sie im Auslande 50—100, ja bis 200% beträgt. Ih glaube, deshalb kann man sagen, die Preise, die von den Gruben und von dem Großhandel gestellt werden, halten sich in mäßigen Grenzen, Die Preise aber, die im Zwischenhandel und im Kleinhandel erhoben sind, gehen allerdings an vielen Stellen über das Maß der Gebühr hinaus.

Demgegenüber erhebt sfi nun die Frage, und das ift nah meiner Meinung vielleicht die Hauptsache, was können wir thun, um solchen unerträglihen und unerwünschten Mißständen für die Folge zu be- gegnen, und da möchte ih mir nun gestatten, die verschiedenen, - hier in Frage kommenden Maßnahmen zu besprechen sie sind ja auch von dem Herrn Vorredner bereits berührt worden und über jede derselben meine Meinung zu sagen.

Zunächst handelt es ch um die Erhöhung der Produktion, sc- dann um die Beschränkung, unter Umständen Beseitiguug der Aus- fuhr, drittens um die Einschränkung des Zwischenhandels, des Klein- handels, dadur, daß man in gröfierem Maßedie Kohlen direkt dem Konsum zuführt, und endlich viertens noh um einen anderen Punkt, den der Herr Vorredner allerdings au nur oberflächlih berührte, das ift die Frage: kann man denn uicht den Zwischenhandel kontrolieren und dafür forgen, daß solhe nichtswürdige Geschichten niht wieder vorkommen ? Ueber diese Punkte werde ih mich heute aus\prechen. Zunächst also die Produktion. Wie ih bereits enwähnt habe, ist die Produktion in diesem Jahre in Preußen gesteigert worden auf über 100 Millioney, um mehr als 10 Millionen gegenüber dem Vor- jahr. Diese Steigerung repräsentiert also eine Steigerung von über 10 9%. Ich habe natürli meinerseits Verlaffung genommen, die sorgfältigsten Erhebungen darüber anzustellen, ob wir denn nun auch im nächsten Jahre tas Gleiche zu leisten im stande sein werden, und ih kann JöIhnen die Versicherung geber, daß diefe Erhebungen vollkommen befriedigend sind. Wir haben festgestellt, daß eine Steigerung in den jeßt son im Betriebe befind- lihen Gruben bis zu 7 und 8 9/g durdshnittlih erreiht werden fann. Wir haben aber ferner festgeftelit, daß im Ganzen 72 Neuanlagen auf den preußishen Gruben in der Ausführung begriffen sind und sämmtlih im Laufe der nächsten 4 bis 5 Jahre in Förderung kommen werden, sodaß im nächsten Jahre 2 Millionea Plus aus diesen An- lagen sich ergiebt und im legten der fünf Jahre 12 000000 t mehr. Unter diesen Umständen werden wir also eine Mehrleistung gegenüber dem laufenden Jahre von 109% zu leisten im stande sein. Unter diesen Umständen glaube ih, um so mehr als die Konjunktur anfängt, eine 1ückzängige zu werden, daß wir uns keinen Besorgnissen hinzugeben brauen.

Ich darf nun wohl zum zweiten Punkte übergehen, der Frage der Beschränkung der Ausfuhr. Hier muß ih nun zunächst konstatieren, daß in der That die Ausfuhr in diesem Jahre niht unbeträchtlih zu- genommen zu haben scheint, wenigstens in den abgelaufenen 10 Monaten, Es sind tingeführt im Jahre 1899 12 800 000 t während der ersten 10 Monate, ausgeführt 13 300 000, die Mehrausfuhr betrug also 500 000 t. Im laufenden Jahre sind eingeführt 13 000 000 t, ausgeführt 14 600 000 t, also mehr ausgeführt 1300000. Es muß hier allerdings berüdsihtigt werden, daß in der Ausfuhr au die Bunkerkohle enthalten ift, die in deutshen Schiffen verladen wird, und au die Ausfuhr, die in das zollfreie Gebiet geht, zu einem sehr großen Theile auf diesen Schiffen verladen wird. Wenn man das in Betracht zieht, fo reduziert \sih diese Mehrausfuhr nicht un- erheblih, sodaß sie jedenfalls weniger als eine Million betragen würde. Diese Ausfuhr is ja an ih immerhin nicht unbedeutend, man muß aber berücksihtigen, daß sich der gesammte Austausch von Kohlen mit dem Auslande, also Ein- und Ausfuhr zusammen, auf dreißig Millionen Tonnen beläuft, Dem gegenüber ift eine Mehr-

ausfubr von einer Million in diesem Jahre nicht gerade sehr be, fremdlih, denn man muß ja bedenken, daß die Einfuhr fremder Kohle im Laufe einiger Monate gänzlich aufgehött hat, sowobl aus Böhmen wie aus England.

Nun entsteht die Frage, ob es angezeigt wäre, in solchen Fällen, wo wir im Inlande allgemein oder an einzelnen Stellen eine Kohlen- noth oder Kohlentheuerung haben, mit einem Ausfuhrverbot vor, zugehen. Das hat der Herr Vorredner uit sehr warmen Worten empfohlen. Ih muß nun sagen, nah meinen Erfahrungen würde dag ganz entschieden nicht empfehlenswerth sein, und zwar aus folgendem Grunde. Die Produktionsgebiete sind fowohl im Inlande wie im Auslande so belegen, daß, wenn der Vertrieb der Kohle in einer wirthshaftlih rationellen Weise stattfinden will, er nicht auf das Inland beschränkt werden darf. Unsere Saarkohle liegt diht an der Grenze, unsere obershlesische Kohle liegt iht an der Grenze, unsere Ruhrkoble hat den Rhein zu ihrex Verfügung und kann die Grenze leiht und ohne große Kosten erreichen, Es ift deshalb ganz naturgemäß, daß in das Absatgebiet dieser Kohlen auch die ausländischen Bezirke einbezogen werden. Ganz ebenso liegt es aber auch mit der ausländischen Koble. Die österreichishe Koble und die böhmische Kohle liegt au unmittelbar an unserer Grenze, versorgt auch große Strecken in unserem Inlande. Die englische Kohle liegt diht an der Küste, erreiht auf dem Wafserwege bequem unsere nordishen Küstengebiete und versorgt sie mit Köhlen. Wenn aber dieser Austaush der Kohlen, der sich auf fünfzebn Millionen von beiden Seiten beläuft, niht ftattfände, so würde die Folge eine gänzli unwirthschaftlihe Versorgung sein, und es würde, wenn man die Grenze {lö}e, keine englische oder böhmische Kohle hereinkommen. Bayern, das Land, für das der Herr Vorredner ein besonderes Interesse hat, versorgt si vorzugs{veise mit böhmischer Braunkohle. Es würde dann genöthigt sein, seine Kohlen von der Saar oder von der Ruhr zu beziehen, und bätte shwere Fracht zu bezahlen. Da würde Bayern also jedenfalls sehr wenig dankbar sein, wenn man dazu überginge, durch ein diesfeitiges Ausfubrverbot ein gleihes Ausfuhrverbot für böhmische Kohlen ¡u provozieren ; und ift es niht ebenso an der Ost- und Nordsee, wenn man da die englischen Koblen aus\{lösse, und man auf die obershlesishe oder auf die Koblen aus dem Ruhrgebiet angewiesen wäre? Sie können mir glauben, diese Gebiete müßten viel höhere Preise bezahlen, als se sie jeßt bezahlen. Ih glaube also, meine Herren, es wäre wirthschaftlih verkehrt, wenn man ein solches Ausfuhrverbot eintreten ließe, und ih mödte dringend empfehlen, davon abzusehen. Dasselbe gilt mutatis mutandis auch für die Ausfuhrbeschränkungen, für den Ausfuhrzoll. Dabei muß ih bemerken, daß die Ausfuhrzölle heutzutage fast voll- ständig aufgehoben sind, und wenn wir dazu übergingen, dteselben ein- zuführen, so wäre das eine bedenkliche Maßregel, weil andere Staaten nachkommen würden.

Würden wir beispielsweise zu einem Baumwosllenausfuhrzoll ges langen, fo lägen wir mit unserer ganzen Textilindustrie an der Erde. (Sehr richtig! links.)

Nun möchte ih zu einem dritten Punkt übergehen, zu der Frage der Einshränkung des Zwischenhandels. Hier bin ih in der Lage, Ihnen etwas bessere Aussichten eröffnen zu können. Jh bin ftets der Meinung gewesen, daß der Kohlenhandel für die Grubenproduktion niht zu entbehren is, daß es aber erwünsht is, ihn fo weit als möglich einzuschränken. Ih will Ihnen zunäthft das erstere auseinandersezen. Daß der Kohlenhandel nicht zu entbehren ist, hängt mit der Eigenart der Koblengewinnung zusammen. Dieselbe geschieht bekanntlih auf Grund eines Betriebsplanes, in dem das Nähere vorgesehen wird in Bezug auf die einzelnen Betrictspunkte, die im nächsten Jahre abgebaut werden follen, in Bezug auf die Belegschaft, die Aus- und Vor- rihtung, in Bezug auf die Ordnung der oberirdishen und unter- irdishen Anlagen. Kurz, es wird im Detail geordnet, wie der Be- trieb der Grube stattfinden soll. Diesem Betriebsplan liegt aber eine bestimmte Schäßung d voraussichtlichen Absaz:8 zu Grunde. Nun lehrt die Erfahrung, und es liegt in der Natur der Dinge, daß der Regel nach von den Gruben thatsählih der Bedarf übershätt wird. Sie wollen natürlich niht hinter den Anforderungen zurüdckbleiben und nehmen lieber einen höheren Bedarf an, als er thatsählich eintritt, sodaß die Regel die Kohlenabundanz, der Koblenmangel die Ausnahme ist. In Zeiten des Kohlenmangels ist ja die Vertheilung der Koblen fehr einfa, dieselben vertheilt man den Verhältrissen nah an die Anforderer. Anders liegt aber die Sache in den Zeiten der Kohlenabundanz. Da hat man ein Plus über die Anforderungen hinaus. Dieses ist unter Umftänden sehr bedeutend, und es muß unter allen Umständen los- geshlagen werden. Denn das werden Sie selbs wissen auf Lager kann man die Kohlen nit shütten. Die Kohlen müssen in ibrer großen Masse aus den Gruben auf die Eisenbahnwagen und aus diesen auf die Bedarfsftelle gebraht werden. Die Lagerung auf der Halde ist mit Kosten verbunden, die sehr weitgehender Natur find. Auch die Landabfuhr kann nur etwas accessorisch sein. Da die Hauptmenge in der Weise, wie ich Ihnen gesagt habe, ver- trieben werden muß, so können Sie auch den Handel garnicht ent- behren. Wenn wir dagegen Verkaufsbureaux im Lande eintihten wollten, so würden sie diese Aufgabe niht erfüllen können. Sie find bloß Anmeldestellen, die brinzen uns die Anmeldungen, und wenn die Anmeldungen niht ausreichend sind, um die Produktion aufzunehmen, so muß eben das Plus nah wie vor dur den Handel untergebracht werden, Der Handel hat tie Aufgake, die Kunden aufzusuchen îm Auslande wie im Inlande und dafür zu sorgen, daß das Plus der Produktion untergebraht wird, daß den Abnehmern angemessene, möglichs| fkoulante Lieferungs- und Zahlungöbedingungen geboten werden, daß sie dke Sorte bekommen, die sie haben wollen, daß fie die Kohlen auf dem Verfrachtungswege beziehen, der ihnen konvenient ist. Das ift die Aufgabe des Handels, und in der Be- ziehung hat der Handel thatsächlih ganz erheblihe Verdienste um die Entwickelung unserer Kohlenproduktion, Meine Herren, hier in Berlin hatte früher die englishe Kohle den Markt, die obershlesische kam erft in zweiter Linie in Betraht. Wie ift es jeyt? Die obere chlsiche hat den Markt, und dle englishe Kohle kommt nur in dritter und vierter Linie in Betracht, Das is ein Ver- dienst unseres Handels, das man nah meiner Meinung anerkennen muß, und ich würde gegen meine Veberzeugung handeln, wenn ich das nit anerkennen wollte. (Zurufe und Heiterkeit.) Nun, meine Herren, so sehr ih der Meinung bin, daß der Handel unentbehrlich ist für die normalen Zeiten der Kohlenabundanz, fo bin ih doch der

Meinung, es ist wünschenswerth, so weit wie möglih die Koblen direkt in die Hände der Konsumenten zu bringen, und eins der wesent- lihften Mittel, um dies zu erreichen, ist die genossenshaftlihe Ver- einigung. Ih stehe auf dem Standpunkt, daß eine verständige Organisation sowohl der Käufer wie der Verkäufer in hohem Grade wünschenswerth ift, um zu einer rihtigen und angemessenen Preis- entwicklung zu kommen. Die Organisation der Verkäufer haben wir in den Syndikaten. Wenn die Syndikate gut organifsiert sind, wirken sie thatsählih dahin, daß die Prei9entwicklung eine normale ist. (Heiter- keit bei den Sozialdemokraten.) Ich habe hier eine graphishe Dar- tellung, aus der die Herren genau ersehen können, wie die Preis- entwickelung fih gestaltet hat in der Zeit, ehe das Ruhrkohlen- Syndikat existierte, und in der Zeit nachdem, wie sie si gestaltet hat bei uns und in den fremden Ländern. Da werden Sie finden, daß in den Zeiten der aufsteigenden Konjunktur sowohl wie auch in der Zeit 1889/90 die Kohlenpreise im Auslande rapide in die Höhe gegangen find, während im Inlande die Enatwickelung der Preise in einer langsam auffteigenden Linie bis auf die Gegenwart stattgefunden hat, während sie andererseits im Ausland in der gleich rapiden Weise in die Höhe gingen. Wer ih dafür interessiert, kann diese Karte hier mal einsehen.

Nun, meine Herren, ih will hier dem Koblensyndikat nit ein uneingeshränktes Lob singen; ih weiß wohl, daß überall Mißstände möglich sind; die können sich au hier entwickeln, und wenn man in der Folge dazu kcmmen sollte, eine Kontrole oder Aussiht der Syndikate zu organisieren, ih meinerseits habe nichts dagegen eins zuwenden, bin aber der Meinung, daß man in diesen Dingen mit Vorsicht vorgehen oll.

Nun komme ich auf die Frage bezüglih der Käufer. Au hier bin ih entschieden für eine Organisation, für eine sahgemäße und zweckmäßige Vereinigung der Käufer ¡zu gemeinschaftlihem Bezug. Das haben wir aber von jeher seitens der fiskalischen Werke begünstigt. Wir haben immer die Genoffenschaften bevorzugt, und in diesem Jahre habe ich Veranlaffung genommen, mi mit dem Herrn landwirthschaft- lihen Minister in Verbindung zu seßen; ih habe ihn gebeten, die Genoffenschaften zu konvozieren und sie zu verständigen darüber, daß die Anforderungen seitens der einzelnen Genossenschaften für die Gruben sehr störend sind, und daß es viel besser wäre, wenn sie ih wiederum über einen Gesammtbezug verständigen würden. Das haben sie eingeschen und gethan. Sie werden also von der Saar einerseits und von Oberschlesien andererseits durch zwei große Genossenshaften die Kohlen beziehen, und dadur werden alle Mitglieder dieser Genofsenshaften mit Kohlen versorgt. Aber, meine Herren, vorsihtig muß man in solchen Dingen sein. Wenn ih ohne weiteres die gesammten Anforde- rungen diefer Genosseashaften übernommen hätte, so hätte ih mi einer ganz großen Gefahr ausgeseßt, denn die Unterbringung der Kohlen ift doch bei den Genossen sehr schwierig; fowie die Preis- konjunftur \fih ändert und fie die Koblen anderswo billiger bekommen können, als sie sie dur die Genoffenschaften beziehen, dann sind die Genoffen sehr {wer festzubalten, sie gehen Ihnen aus der Ver- pflihtung heraus, und die Genofsenshaft wird ihre Kohlen nicht los. Dann muß die Grube wieder ein Einsehen haben und muß die Koblen behalten resp. wiedernehmen; denn wenn sie zu Shleuder- preisen {ließlich verkauft werden, so ift das für die Grube noch viel unangenehmer. Sie sehen also, meine Herren, dieser genossen- shaftlihe Bezug hat auch seine Bedenken, nrd ich kann nicht sagen, daß die bisherigen Erfahrungen geeignet sind, diese Bedenken abzus@wächen. Jh habe mih deshalb entschlofsen, ein bestimmtes Quantum Kohlen zu reservieren; das habe ich den Großhändlern einfa an ihrem diesjährigen Bezug gestrichen und für die Genofsen- schaften reserviert. (Sehr gut! rechts.) Damit werde ih den Ver- such machen. Bewährt \sih der Versuch, nebmen die Genossenschaften ab, was ih ihnen reserviert habe, dann behalte ih mir vor, weiter- zugehen. Aber ih gehe bei diesem Versuch etappenweife vor, denn ih kann die großen Werthe, die in der Produktion der Staatsberg- werke gegeben sind, niht [eihtsinnig vershleudern.

Nun komme ih zu dem leßten Punkt Sie nehmen es mir niht übel, meine Herren, daß ih etwas weitläufig bin —, das ift die Frage, ob es niht zweckmäßig und angängig ift, den Zwischen- handel zu kontrolieren urd zu verhindern, daß eine Vertheuerung der Kohlenpreise durch denselben stattfindet. In diefer Beziehung sind {hon viele Vorschläge gemacht, und man hat namentlih am Rhein einen Vorschlag gemacht, der dabin ging, daß man die Preife für den Zwischenhandel und für den Kleinhandel limitieren solle. Diese Limiten sollten zunächst von den Gruben den Großbändlern, von den Großhändlern den Zwischenhändlerr, von den Zwischenhändlern den Kleinhändlern aufgegeben werden; sie sellten nicht überschritten werden, und diejenigen, die fie überschritten, sollten aus- geshlofsen werden. Da hat aber das Koblensyndikat gesagt : das geht niht und ih glaube mit Recht. Weswegen, meine Herren? Nun deshalb, weil thatsächlich die Preise, die die Zwischenhändler und die Kleinhändler fordern, nah den einzelnen Orten und Gebieten ganz vershieden find. Das eine Mal liegen viele Frachtkosten darauf, das andere Mal weniger; das eine Mal entstehen viel Magazin- und Lagerkoften, das andere Mal weniger; das eine Mal haben sie es mit Konkurrenz zu thun, das andere Mal nicht kurz und gut, über- einftimmende Limiten lassen sih nit feststellen. Da ist das Syndikat zu dem Auswege gekommen und hat vorgeschlagen: wir wollen fest- stellen, daß diejenigen Händler, die unverhältniß mäßig hohe Gewinne fich ftipulieren, künftig ausgeshlofsen werden, überhaupt keine Kohlen mehr bekommen. Darüber, ob die Preise ungebührlich hoh sind, soll die Handelskammer in Essen entscheiden. (Zuruf rechts3.) Ja, das ist ein Versuch, bei dem ih nit sicher bin, ob er Erfolg haben wird ; daß man aber cinen solhen Versuch matt, halte ih für sehr ver- ständig, und ich bin der Meinung, wenn wir in Oberschlesien dazu übergingen und mit den Privatgruben eine gemeinsame Stelle er- rihteten, an die die Beshwerden aus den Kreisen der Kohlenkonsu- menten gerichtet werden, die die Aufgabe hat, diese Beschwerden zu unter- suchen, feftzuftellen und demnächst die der wucherischen Vertheuerung überführten Händler einfah aus dem Vertrieb der Kohlen auszu- halten, so würde ich das meinerseits für einen Vortheil balten. Ih habe auh nicht unterlassen, in der obershlesischen Kohlen- konvention diese Frage zur Sprache zu bringen, und ich würde es meinerseits dankbar begrüßen, wenn fie zu cinem Erfolge sühren sollte.

Nun, meine Herren, habe ich mir gestattet, Ihnen meine Meinung, meine amtlichen Wahrnehmungen und das, was ih in

Aussicht genommen habe zur Beseitigung der thatsählich vorhandenen Mißstände, darzulegen. Jh sprehe die Hoffnung aus, daß diese Mittheilungen dazu beitragen werden, in dem Kreise der Kohlen- verbrauher etwas mehr Beruhigung und Vertrauen zu der ftaat- lihen Verwaltung, der staatlichen Aufsicht zu erwecken. Sollten noch weitere Auskünfte erbeten werden, ich bin meinerseits gern bereit, siz2 zu geben. (Bravo!)

Minister der öffentlihen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Nach den sehr eingehenden Ausführungen des preußishen Hercn Handels-Ministers, die für mich vollständig über- zeugend find, und denen ich darum durhaus beipflihte, bleibt mir etne verhältnißmäßig geringfügige Nachlese, Meine Herren, es ift wohl keiner in der vorliegenden Frage so sehr betheiligt wie der preußishe Minister der öffentlihen Arbeiten in Vereinigung mit dem Chef der Reichs-Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen. Interessiert einer- seits als der Leiter des größten Verkehrsunternehmens, welches ‘existiert, und zweitens auch interessiert als einer der allergrößten Konsumenten in leßter Beziehung will ich nur furz an- führen, daß wir tagtäglih im Durthshnitt 17000 t Koßlen gebrauchen, also 1700 Doppelwaggons ; ob diefe Kohlen billig oder theuer sind, maht für die Rente dec Staats- eisenbahnverwaltung einen ganz bedeutenden Faktor aus. Auch habe ich persönli seit langen Jahren ein ganz besonderes Interesse gerade in dieser Frage. Seit 34 Jahren habe ih den Kohlenbedarf für das meiner Leitung anvertraute Eisenbahngebiet be- forgt, und habe es mir auch niht nehmen laffen, in den 94 Jahren, daß ih die Ehre habe, an der Spitze der preußischen Staats eisen- bahnen zu stehen, persönli jedes Jahr den Kohlenabs{luß zu maten. Ich darf daher, ohne unbescheiden zu sein, von mir behaupten, daß ih in dieser Frage einigermaßen orientiert bin.

Meine Herren, solange es Eisenbahnen giebt, hat es au Kohlenausfuhrtarcife gegeben; und zwar sowohl Privatbahnen wie Staatsbahnen haben derartige Kohlenausfuhrtarife bethätigt. Ganz natürlich, denn sie waren davon überzeugt, und die Erfahrung hat diese Ueberzeugung bestätigt, daß sie dabei niht nur ihre eigenen finanziellen Interessen wahrten, fondern au wesentlich dazu beitrugen, die Kohlenproduktion des Landes, also die Pro- duktion eines der wihtigften Produkte des Landes erheblich zu fördern. Auf der anderen Seite if es von jeher seitens der Privatbahnen \o- wohl als auh der Staatsbahnen als ibre Aufgabe betrachtet worden, einethunlihste Stabilisierung in den Beförderungsbedingungen für diesen wichtigsten Artikel herbeizuführen, nit heute die Tarife niedrig zu gestalten und morgen zu erhöhen und übermorgen wieder zu erniedrigen, sondern, wie gesagt, in dieser Beziehung eine thunlichfte Stabilität herbeizuführen. Das ift, seitdem die Bahnen im großen Ganzen verstaatlicht worden find, au ftets von den verschiedenen Leitern der Staatsbahnen als ihre Aufgabe betrahtet worden, und ¿war um fo mehr, da der andere Faktor ja leider sehr variabel ist, der Verkaufspreis an der Pro- duktionsftätte, an der Grube. Wenn Sie, ih will einmal sagen vom Iahre 1870 an, sih eine Zusammenstellung der Kohlenpreise in den verschiedenen deutschen Kohlengebieten ansehen, so werden Sie finden, daß sich da fkoloffale Unterschiede bemerkbar „mahen, und wie schon der Herr Handels-Minister sehr rihtig ausgeführt hat, zeigt sich in etner derartigen Nachweisung immer ganz deutlih, dgß die Zeiten der Hochkonjunkturen immer fehr [pit sind und nit lange dauern, taß dagegen die Zeiten der Niedrigkonjunkturen sich auf langen Linien erstrecken. Meine Herren, man if , auch schon früher stets der Ansicht gewesen, daß man aus Anlaß dieser kurz verlaufenden Hochkonjunkturen nicht gut thâte, befondere Maßregeln zu ergreifen. Wir haben früher Konjunkturen gehabt, die in Bezug auf die Kohlennoth und in Bezug auf die Kohlentheuerung viel \{ärfer gewesen sind als die jetzige, die nach meiner Ansicht nun {on ganz überwiegend hinter uns liegt, während allerdings andere Leute meinen, daß wir uns noch mitten darin befinden. Im Jahre 1872/73 habe ich für das damals von mir verwaltete Gisenbahngebiet die Koblen genau mit derselben Zahl von Thalern bezahlen müssen, wie ih fie heute mit Mark bezahle, alfo zum dreifahen Preise, und man mußte froh seia, wenn man alte Lagerposten, die kaum noch den 4. oder 5. Theil bes Werthes hatten, überhaupt noch aufkaufen konnte. Ich habe noh im Jahre 1891 im Auftrage des damaligen Herrn Ministers für dôffentlihe Arbeiten, meines verehrten Herrn Vorgängers, weil die Eisenbahnen ih da- mals aus Anlaß des Strikes ebenfalls in Noth befanden, in England Kohlen aufkaufen müssen, was ih fkaufen konnte, zu Preisen, die über das Doppelte hinautgingen über den gewöhnliGßen Preis der- Kohlen. Weder in- der einen noch in der andern Periode der Hochkonjunktur hat ‘man indefsen daran gedaht, Ausfuhrverbote zu erlassen oder die bestehenden Ausfuhr- tarife aufzuheben oder auch nur das mildefte Mittel zu ergreifen, was die preußische Staatsregierung nah Beschluß des Staate-Ministeriums ergriffen hat, nämlich die Einfuhr von Kohlen tarifarisch zu verhindern.

Meine Herren, ih bitte nun um die Erlaubniß, auf das Thema der Ausfuhrtarife, die Schädigungen derselben näher einzugeben. Zu dem Zwecke muß ih die zur Zeit bestehenden Tarifverhältnisse mit den in Betracht kommenden Nachbarstaaten Ihnen fo kurz als mögli mit einigen Ziffern vorführen. Da kommt ¡unächst Nußland in Betraht. Ehe ih darauf eingehe, möchte ih mich zu der Be- merkung des Herrn Abg. Dr. Heim wenden: was Rußland habe thun können, das könnten wir doch au thun, müßten wir sogar noch viel eher thun können; Rußland habe aber feinen Kohlenausfuhrtarif auf- gehoben. Nun, meine Herren, das ift für einen Eisenbahner, ich will nit sagen gerade komish, aber do völlig bedeutungslos. Rußland hat seine Ausfuhrtarife aufgehoben und konnte dies thun, weil eine Kohlenausfuhr aus Rußland überhaupt niht stattfindet. Jene Tärife waren russisherseits gemaht worden lediglih aus lokalen Interessen. Später fi:len diese fort, der Tarif wirkte niht mehr und konnte naturgemäß aufgehoben werden.

Wir unsererseits geben Ermäßigungen nah Nußland für den Export nur in einem Einzelfalle, für Eydtkuhnen transito, eine ganz geringfügige Sache. Und dann müssen wir dafür sorgen, daß der niederschlesishe Koks, bezw. die niedershlesishe Kokskohle, da fie in Niederfslesien keinen Absay finden können, irgendwo verkauft werden, und da hat sich Rußland als das geeignete Absatgebiet erwiesen. Es wird also etwas niedershlesisher Koks na Rußland zu ermäßigtem Tarif ausgeführt. Wir haben in Berücksichtigung dessen, daß die Eisenbahnverwaltung aus allgemein wirthfhaftlihén

Gründen alle Ursache hat, das von Oberschlesien und von der Ruhr arg bedrängte niedershlesishe Koblenge biet einigermaßen zu kräftigen, uns entschlossen, einige Eemäßigungen für niedershlesischen Koks zu geben. Sie werden mir beistimmen, daß dies von irgend einem Ein- fluß auf die Inlandsversorgung nicht sein kann.

Oesterreich! Da liegen die Verhältnifse anders. Etue allgemeine Ermäßigung für die Ausfuhr nah Oesterreih besteht niht; nur nah einem Theile Böhmens is eine Ermäßigung von 35 4 pro Tonne und nah einer einzigen Station aus ganz besonderen Gründen eine Ermäßigung von 65 pro Tonne gegeben, Außerdem liefern die Ruhr und Niederschlefien für die Hochöfen bet Kladr. 9 Koks zu ermäßigtem Tarif. Im übrigen ist, wo Ermäßigung besteht, diese naturgemäß auf der preußischen Seite, da die Entfernungen bis zur Grenze sehr kurz sind, absolut sehr geringfügig; der größte Theil der Ermäßigung wird von den öfterreihishen Bahnen getragen. Œs find exportiert 1899 nah Oesterreich 5 360 000 t, davon sind 165 9% zu ermäßigtem Tarif gelaufen.

Italien! Bei den legten Verhandlungen und auch heute wieder hat Italien und die Schweiz eine Rolle gespielt. Man hat behauptet, dorthin würden ganz außerordentlihe Erinäßigungen nit nur yon den Eisenbahnen gegeben, fondern die Saar verkaufe auch nah Italien und der Schweiz erheblich billiger als im Inlande. Beides ift nicht rihtig. Die Ausfuhr nach Jtalien ift überhaupt sehr gering, 1899 betrug fie 36 000 Tonnen. Wir Hätten gern die Ausfahr nach Italien im Interesse unserer heimischen Produktion und auch um unseren Ginfluß auf die Gotthardbahn und die italientschen Bahnen etwas zu ver- stärken, vergrößert. Allein es ist nicht mögli gewesen. An den Ausfuhrtarifen sind betheiligt die Ruhr und die Saar, in erfter Linie die Nuhr. Die Ermäßigungen werden gegeben je nach den ver- schiedenen Empfangs- und Versandarten bis zu 3 pro Tonne. Die Gotthardbahn, welhe ja bekanntlih mit deutshen Subsidien gebaut worden ift, sfollte in erfter Linie in deutshem Interesse dazu benußt werden, um den deutschen Export zu fördern ; in diesem Sinne sind damals die Subsidienverträge ausdrücklich geschlofsen worden. Die Gotthardbahn hat nun die Tarife, die nah Italien hergefsteilt worden sind, ihrerseits benußt, um auf Grund dieser Tarife die Dienstkohlen zu beztehen; sie hat also die Ermäßigung für ihre Dienstkohlen mitgenofsen. Es war das eine Konzession, die wir machen mußten.

Bei einer Beseitigung der italienishen Ausfuhrtarife würde die Folge leiht eintreten können, daß eine ganze Reihe von Tarifbegünstigungen für andere Artikel seitens der Gotthardbabn oder des s{chweizeris{en Bundesraths gekündigt würden.

Die Schweiz! Die Schweiz bat keine besondere Ermäßigung; sie macht nur von den italienischen Begünstigungen in soweit Gebrauch, als dieselben auf Stationen der Gotthardbahn rückwirken ; allerdings sind dies keine Pläye, welche einen nennenswerthen Koblen- verbrauh haben, da Luzern zu denselben niht mehr gehört. Also man kann im Großen und Ganzen sagen: nah der Schweiz beftehen keine Ermäßigungen außer für die Gotthardbahn.

Frankreich ! Nah Frankreich bestehen Ausnahmetarife, folange die Nachbarländer durch Schienen mit einander ver- bunden sind, und- ¡war bestehen Ausnahmetarife von der Saar und Ruhr. Die Saar hat das dringendste Interesse an diesen Ausnahmetarifen, weil die Saar einen großen Theil ibrer geringwerthigen Kleinkohle nah Frankreih absegt, die in Deutsh- land überhaupt nit unterzubringen ift, außer in Zeiten großer Noth. Die Eisenbahn hat bei diefen Tarifen das natürliche Interesse, auf der Schiene die Koblen nach Frankreih zu bringen, anstatt daß dieselbe sonft dur die ausländischen Kanäle geht. Die Ruhr is betheiligt mit geringeren Quantitäten Koks sür die- jenigen französishen Hochöfen, die diht an der Grenze von Lothringen liegen, und die von den nah der reihsländishen Grenzstation be- stehenden Frachtsäßen Gebrau machen. Die Ruhr ist ferner durch einen alten, vor 25 Jahren eingegangenen Vertrag betheiligt, der im Wege von Sonderzügen die Gaskoblenlieferung für die Pariser Gas« anstalten der Ruhr überträgt. Die Ermäßigung, die hier gegeben ift, ist verhältnißmäßig gering; fie beträgt 25 4 pro Tonne. Diese 25 4 pro Tonne werden weitaus auegeglihen durch die ver- minderten Betriebsausgaben, ‘welche die Beförderung in Sonderzügen mit ih bringt. Ich werde darauf nachher nochmals zurücklommen. Es würde die Aufhebung dieses Tarifs nur ¿ur Folge haben, daf die Kohlen über den Rhein und dur dessen Kanäle nah Parts gebra(ht werden.

Belgien hat von urs im Jahre 1899 955 000 t bezogen, wobei fast durchweg Frachtermäßigungen in Frage kommen. Die Er- mäßigung betrug 25 A4, und bei Beförderung in Sonderzügen 60 p pro Tonne. Die Belgier geben für unsere Kohlenausfuhr böhcre Ermäßigungen.

Holland hat, abgesehen von Oesterrei, den größten Antheil an der deutschen Kohlenausfuhr, nämlich im Jahre 1899: 4 630 000 &, von denen 2 220 000, also ungefähr 48 9%, Frachtbegünftigung gehabt haben, und zwar eine Ermäßigung diesseits bis zu 40 A, während von seiten der holländishen Bahnen folhe von 150 4 gegeben werden. Eine Aufhebung der hier fast auêshließlich in Betracht kommenden Extrazugbeförderung nach Holland würde dahin führen, daß darum kein Loth Koble im Lande mehr ¡urückbliebe, sondern daß die Kohle ftatt den Schienenweg den Wasserweg eirschlüge. Das ift ganz unzweifelhaft zu erwarten. Die Folge für die Eisenbahn wäre, abgesehen von dem großen Frachtansfall, die, daß ftatt der Bez förderung in geshlofenen Sonderzügen bis zum Konsum- orte nun Einzeltransporte bis zu den Rheinhäfen zu bewältigen sein würden, die nur mit ungeheuren Kosten und wahrscheinlih außer- ordentlihen Verkehrserschwerungen zu bewältigen sein würden. Eine Aufhebung dieser Tarife würde daher auf das empfindlichste die gesammten CEinnahmeverhältnisse niht nur, fondern wesentlich auh die Betriebsverhältnisse der Staatseisenbahnen beeinträchtigen.

Außerdem würde auch unsere deutsche Rhederei davon große Nach- theile haben, da sie in Antwerpen und Rotterdam ihre Bunker mit deutshen Kohlen auffüllen, die von uns dahin geliefert werden. Die Menge ter von den deutschen Schiffen allein in Antwerpen übergezommenen Bunkerkohle wird auf auf 350000 t beziffert. Wenn ih nun aus alledem, was ich mir erlaubt habe bezügli der bestehenden Ausfuhrtarife anzuführen, ein Fazit ziehen darf, fo würde das dahin gehen, daß nah meiner festen Ueberzeugung die Aufhebung der Ausfuhrtarife niemand nüßen würde, dagegen weite Kreife aufs empfindlihste \{chädigen würde und ¿war , ea Schaden, den die Eisenbahnverwaltungen haben würden,

E n e E L m T O t R O E

E S C É E D H E G E E E N i a E L U E D : # E +

Sitte mt R bu E readikt H E trt Sia tens, R arer:

S

+

E E

E S L

Ae

abgesehen von