Virkung berechnet? Der Herr Abd. Eickhoff hat in der ihm eigenen freundlichen Weise gesagt, es müßte alles gesehen, was von der linken Seite in den Druckfsachen 271 bis 276 beantragt sei. Ich habe mir einmal die Sache berechnen lassen und gefunden, daß die Resolutionen, die so ganz harmlos aussehen, 32 Millionen kosten würden. Wenn ich nun dazu rene, was von anderer Seite noch gewünsht wird, - ein Stundenmaß festzuseßen allgemein für das ganze Reich, für die Beamten von - 48 Stunden, bei leitem Dienst von 54 Stunden, für die Unterbeamten von 54 und 60 Stunden, so würde das allein wieder 31 Millionen kosten. Also wei folie Wünsche machen 63 Miklionen aus. i (Heiterkeit.) Dazu kommt noch die Beamtenvermehrung, die in jedem Jahre eintritt " und notwendigerweise eintreten muß, und die gewöhnli den größten Teil der Mehreinnahmen aus der Verkehrssteigerung in Anspruch nimmt, also ungefähr 20 Millionen. Da bleibt sehr wenig übrig! Wenn die Herren das wollen, so möchte ih bitten : nehmen Sie darauf glei bei Bemessung der Einnahmen des Reichs gütigst Rüeksicht! (Heiterkeit. )
Weiterhin wurde gestern — ih glaube, von dem Herrn Abg. Lattmann — die Frage an die Verwaltung gerichtet, wie sih die Beschäftigung der Frauen im leßten Jahre bewährt habe. Ich möd te mi dahin ausdrücken: was den Postdienst, insbesondere den Bahns- hofs- und Nachtdienst anlangt, fo ist man auch in diesem Jahre zu der Ueberzeugung gekommen, daß weibliche Beamte für diesen Dienst nit geeignet sind, da sie den Anstrengungen nicht gewahsen sind, Dagegen eignen iz ih für den Telephondienst vermöge ihrer höheren Stimmlage und ihrer im ganzen ruhigeren Auffassung bet leichten Differenzen (Heiterkeit) vielleit besser. Aber auch nach dieser Richtung hin haben wir doch die Erfahrung gemacht, daß das weib- lihe Geshlecht nit lange -Dienstshichten hintereinander aushalten Tann, sodaß es notwendig ist, kurze Diensischichten, also mehrmalige Beschäftigung am Tage eintreten zu lassen, um die nôtige Elastizität bei Wahrnehmung des Dienstes zu erzielen. Ferner hat es sih als wünschenswert herausgestellt, au ein bißchen Abwechslung in die Be- schäftigung zu bringen, und zwar dadur, daß man die Frauen nicht bloß im Telephondienst, sondern auch im Telegraphendienst beschäftigt. D1s ist das Resultat der Erfahrungen aus dem lezten Jahre. Ich glaube, der Herr Vorredner hat die Frage wegen des leßten Jahres an uns gerichtet, weil über die vorhergehende Zeit bereits in der Kommission seinerzeit Auskunft gegeben und au gedruckt worden ist.
Was dann die Aufbesserung der Gehälter betrifft, für die der Herr Abg. Eickhoff eintrat, so habe ih ja {hon gestern erklärt, daß ih einer Aufbesserung der ESehälter der Oberpraktikanten freund- lih gegenüberstehe und mit Nachdruck danach strebe, das zu er- reihen.
Veber die Unterstüßungen haben wir un3 hier \{chon vielfa unterhalten. Es war ja gerade im vorigen Jahre, daß ih das hohe Haus “bat, in eine andere Verteilung der Unterstüßungsmittel zu willigen, und zwar dahin, daß entgegen dem früheren Verfahren, wona für Vergütungen aus Anlaß besonderer Leistungen und für Unterstüßungen die gleichen Beträge in den Etat eingeseßt wurden, der Titel „Unterstüßungen“ vergrößert würde, um dadurch bei wirkliGer Not und wirklihem Bedürfnis mehr Mittel zur Verfügung zu haben. Nun ist es vollständig richtig, daß die Aus- zahlung von Unterstüßungen ohne Gesuche usw., die früher bei einzelnen Oberpostdirektionen stattfand, gewöhnlich im November, wenn es fich um die Beschaffung von Hzeizmaterial handelt, auf- gehoben worden ist, und zwar, nachdem hier in einer Konferenz mit \sämilihen Herren Oberpostdirektoren festgestellt worden ift, daß solche Verteilung zu bestimmten Zeiträumen gewöhnli Anlaß gibt zu Klagen über nit rihtige Verteilung. Ich möchte Sie alle in die Kommission hineinseßen zur - Verteilung folher Mittel. Sie mögen von den besten Absichten beseelt sein, Sie würden auch die Erfahrung machen, daß, wenn Sie den Schaden besehen, Sie wohl alles verteilt haben, aber daß jeder, der nichts bekommen hat, reit: warum hat jener etwas bekommen? (Sehr richtig 1) Mit diesem Faktor müssen wir doch rechnen. Wenn wir nit fo viel Geld geben, daß jeder etwas bekommt — dann if es aber nicht eine Unterstußung sondern eine Zulage —, dann werden wir stets in die üble Lage konimen, daß jemand sagt: ih habe nihts bekommen, warum haben andere etwas bekommen ? Das ist ungerecht! Wir geben uns die erdenklihste- Mühe, und ich kann die Herren Kollegen in der Provinz nur dafür loben, daß sie unpartetis vorgehen; aber volle Anerkennung werden sie nit erlangen, und das kann hierbei
niemand erlangen.
Was sonst die Wünsche anlangt, die einzelne Abgeordnete und
auch der Herr Abg. Eickhoff geäußert haben über Avancements- verbältnisse usw. und die Auswahl des Personals, fo glaube ih, meine Herren, solange der Post- und Telegraphendienst noch fo funktiontert und so wahrgenommen wird, daß das Publikum zufrieden ist, muß man doh der Verwaltung das Zeugnis ausstellen, daß sie nicht gerade die ungeeignetsten Kräfte an die betreffende Stelle seßt, und damit, glaube ih, sollte auch das hohe Haus zufrieden sein. Denn das können Sie doch unmöglich verlangen, daß Sie mir nun vor- schreiben, wem ih dieses oder jenes Postamt geben soll, oder wen ih zum Postrat ernennen soll. Das geht do nicht an! (Heiterkeit) Und wenn ih Sie fragen wollte: Halten Sie diesen oder jenen für geeignet, — 0 müssen Sie doch antworten: Ih weiß ‘es nicht. Es etwa das gesamte Beamtenpersonal zusammenrufen und fragen: Ist der oder jener geeignet? Da finden si fo und fo viel verschiedene Meinungen, und dann würde es vielleicht dahin fommen, daß Sie keinen Generalpditmeister mehr bekommen, überbaupt nie- manden mehr für die höheren Stellen, sondern jeder will sie für {ih selbst haben. (Heiterkeit) Ih glaube, das müssen Sie do der Ver- waltung überlassen, und solange sié no einigermaßen funktioniert, müssen Sie si damit bescheiden, daß sie die geeignetsten auswählt.
¿1 (Soz): In Berlin hat die Postbehörde gegen e ein Verfahren eröffnet, das sich dur ganz besondere, geradezu unglaubliche Schikanen au8gezeichnet hat. Mitten in einem der tagelang fortgeseßten Verhöre bra der Mann zu- sammen. Von Simulation konnte keine Rede sein ; der Mann wurde zuerst slundenlang in cinem Nebenraum ohne jede Fürsorge gelassen. Erst Abends wurde seiner \{chwerkranken, bettlägerigen Frau gemeldet, daß der Mann binnen kurzem in die Wohnung geschaft werden würde. Er is bis heute unfähig, R Dienste zu tun. Die Frau hat von mir auf dringende Bitten eine Bescheinigung er- Halten, daß ich ihren Mann überhaupt nicht bis zum 29. Mai vorigen Jahres, au sie selbst nit, gesehen oder gesprochen habe. eien habe ich versucht, den Mann zu sehen; ih erhielt bestätigt, daß die
wiederholen.
nde eidesstattlihe Versicherung dem Oberpostdirektor vorgelegt ten i E die E wieder sehr wenig zuvorkommend behandelt und ihr darüber Vorstellungen gemacht worden sind, wie sie dazu ge- fommen sei, sich gerade an mich zu wenden. In dieser Weise die Unterbeamten zu behandeln, geht do nicht an. Was nüßen die honigsüßen Worte, die wir hier zu hören bekommen, die bekunden, daß das Herz von Wohlwollen überfließt; aber da drinnen ist manches faul im Staate Dänemark, genannt Deutsches Reich. Frau Freitag teilte urir mit, daß sie si brieflich an den Staats- sekretär gewendet habe, um eine persönliche Aussprache über die An- gelegenheit ihres Mannes herbeizuführen; der Staats|ekretär hat es aber nit über sich gewinnen können, Frau Freitag zu empfangen. Die Postunterbeamten haben auch in dieser Zethnachts- und Neu- jahrszeit lebhaste Klagen über Ueberbürdung geführt ; sie nehmen an, daß eine allgemeine erfügung vorlag, Hilfskräfte nicht oder nicht in nennenswertem Umfange einzustellen. Cs gibt do feine geseßliche Befugnis, die Ueberstunden einfa ohne jede Vergütung von den Unter- beamten zu verlangen. Fn Plauen haben die Beamten und Unter- beamten 40 Ueberstunden geleistet ; die Unterbeamten erhielten keine Gratifikation, sondern der dortige Postdirektor hat ihnen, man sollte es nicht glauben, 20 S für ein, Sginkenbrötchen angeboten. Angestellte haben sich häufig dafür bedankt, die noch nit Angestellten - baben es natürliß annehmen müssen, um nicht dur etne Weigerung es mit der vorgeseßten Behörde zu verderben. Vom Berliner Postamt 12 ist ein Oberpostschaffner Weber seit Neujahr dem Postamt Linden- und Ritterstraßenecke zu- geteilt; über diesen Mann, die rechte Hand des Vorstehers, wird [eb- hafte Klage wegen der Scikane geführt, mit der er die Unterbeamten bedenkt; es habén hon mehrere Beamte aus diesem Grunde um Verseßung gebeten. Die alten Klagen über die Postillone sind noch immer nit aus der Welt geschafft; sie drohen vielmehr zur See- {lange zu werden. Die endlich angeschafften Mäntel haben die Probe nicht bestanden. Die Dienstzeit ist noch immer nit auf eine menshenwürtige Dauer reduziert; noch immer sind siebzehnstündige Dienstzeiten an der Tagesordnung. Beim Postamt 17 auf dem Sglesishen Bahnhofe sollen Postillone 225 Stunden ohne nennens- werte Pause auf dem Wagen haben zubringen müssen. Leben und Genie der Postillone müssen besser geschügt werden, als es bisher der Fall war. h
ba Kaempf (fr. Vgg.): Es ist an der Zeit, auch ein Wort über den Postverkehr zu sagen. Es ist bedauerlich, daß auf der Suche nach neuen Steuern sowohl von seiten der verbündeten Regierungen wie aus der Mitte des Hauses heraus Projekte gemacht worden sind, die in direktem Widerspruch stehen mit dem Prinzip, daß man den Nerkehr verbilligen müsse, um neuen Verkehr zu \{chafen. Son in der Reichsverfassung ist dieser Gedanke zum Ausdruck gekommen. Jeßt eint man niht mehr zu glauben, daß eine e des Verkehrs au den Wohlstand der Bevölkerung hebt. Die Gisenbahn- tarifreform muß so gestaltet werden, daß keine wesentlihe Verminde- rung der Einnabmen zu befürchten ist. Die verbündeten Regierungen haben dann eine Stempelung der Eisenbahnfahrkarten beantragt, und in der Kommission wurde eine kilometrische Erhöhung der Fahrpreise angeregt. Doch davon will ich nicht sprehen. Es hat aber tas größte Erstaunen erweckt, als es hieß, daß die Regierung den Postpaketverkehr und die Postanweisungen mit einer Steuer belegen wolle. Das käme auf eine glatte * ortoerböhung hinaus. Dasselbe gilt von den Postkarten, noch mehr aber, wenn im Ortsverkehr die augenblicklihen niedrigen Säße für Postkarten und Briefe erhöht werden sollen. Die ganze Tendenz, welche die Postverwaltung seit 50 Jahren verfolgt hat, ist eine Verbilligung des Verkehrs, und dem Staatssekretär muß angst und bange werden, wenn er die Versuche sieht, das stolze Gebäude nieder- zureißen, das er selbst und seine Vorgänger aufgerichtet haben. Motiviert werden jene Erhöhungen für Pakete dadur, daß die Kosten auf weite Entfernungen nit gedeckt würden. Der Betrieb der Post fann aber nit in Teile zerlegt werden, sondern muß als Ganzes be- urteilt werden. Das ist eben der Fortscritt der leßten 50 Iahre, daß eine Vereinheitlihung und Verbilligung, eingetreten ist. Preußen war S für die Briefe in kleine Zonen eingeteilt. E3 war eine Erlösung, als dieser alte Zopf endlich abgeschnitten und ein einheit- lier Tarif eingeführt wurde. Alles soll jeßt rückwärts revidiert werden. Das is ein NRückschritt gegen die - leßten 50 Jahre. Es scheint auch, daß durch die hohen Zoll- mauern, die wir ringsum aufgebaut haben, der Weg nach ‘außen verkürzt werden foll. Frankreißh haft das Porto für den einfachen Brief von 15 auf 10 Cts. herabgeseßt. Das Britische Reich und sämtliche Kolonien haben jeßt das O eingeführt. Nach dem vorliegenden Etat hat die Post- und Tele raphen- verwaltung einen Uebershuß von 62 Millionen Mark. Das it weiter nichts als eine Verkehrsfteuer, wie die Hunderte von Millionen aus den Eisenbahnen. Ein Ueberschuß von 62 Millionen kann keine Grundlage e bieten, die Portosäße zu erhöhen, fondern zu erwägen, inwieweit nah einzelnen Richtungen hin Portosäße ermäßigt werden können. Diese Portoverbilligung würde allerdings vorübergehend, aber auch nur vorübergehend, eine Verminderung der Einnahme zur Folge haben. S würde die Cinnahme wieder wachsen, wie die Erhöhung des Briefgewichts von 15 auf 20 Gramm beweist. In Aegypten und Luxemburg is der Briefverkehr infolge der Er- mäßigung des Portos erheblich gestiegen. In England und! seinen Kolonien stieg nah der Einführung des Pennyport»s der Briefverkehr um 1209/0. Unter diefen Umständen cheint es mit eine Aufgabe des Reichs zu sein, durch Portoherabseßzung dem Verkehr neue Bahnen zu eröffnen und nah wenigen Jahren die Einnahme wesentlih zu er- höhen. Es wäre notwendig, den internationalen Verkehr zu ftñ en durch Ausdehnung des internen Portos auf das Ausland. Die Kräfti: gung des internationalen Handels könnte wenigstens einigermaßen die Schäden gutmachen, die ihm die neuen Handelsverträge zugefügt haben. Hoffentlich wird auf dem nächsten Weltkongreß in Rom diese Reform nicht nur angeregt, fondern auch auf das wärmste von unserer Postverwaltung unterstüßt werden. Die E R der internationalen Portosäßze mit 10 Z für den einfahen Brief und. 5 4 für die Postkarten würde nur eine Verminderung der Einnahmen um 9 Millionen zur Folge haben. Da aber sofort hon im ersten Jahre eine Erhöhung des Verkehrs von 40 bis 50 9/6 eintreten würde, so würde fich dem- entsprechend die Einnahmeverminderung ermäßigen und in deù nächsten Fahren bei dem steigenden Verkehr eine Mehreinnahme zu erwarten sein. Bei der großen Zahl der Reichsangehörigen im Auslande hätte diese Verbilligung auch eine nationale Bedeutuna. Es wude dadur das Band zwischen dem Mutterlande und unseren Deutschen im Auslande enger geknüpft werden. Auf dem Wege der Erhebung würde auch eine allmählihe Verminderung der Transitgebühr zu erreichen sein. Der Staatssekretär würde gewiß nit auf Widerspruch stoßen, wenn er" auf dem nächsten Weltkongreß eine derarlige Anregung gäbe. Die Handelskammern halten wenigstens eine solhe Reform für durh- aus durchführbar. Das hier anzustrebende Ziel ist so groß wie das, welches der Vorgänger des jeßigen Staatêsekretärs, Stephan, mit der Begründung des Wellpostvereins erreicht hat.
Abg. von Gerlach (fr. Vagse Auch mir ist eine gro e Zahl von Gebaltswünshen zugegangen. Ih möchte aber nicht oft Gesagtes Daß die Regierung die Ostmarkenzulage nicht wieder vorgeshlagen hat, war durchaus in der Ordnung. Wir auf der Unken verwerfen sie -grundsäßlih, Wurde do die Ostmarkenzulage fol&en Orten versagt, die F zu Beamten haben! Auf dte Beschwerde des polnischen Redners hat der Staatssekretär leider feine Antwort gegeben. Was der Abg. v:cn Gersdorff gesagt hat, hat den Abg. von Chlapowski nicht widerlegt. Die Postpraxis dient nur dazu, Märtyrer zu schaffen, aber nicht dem Deutschen Reich ¡u dienen. Die deutihe Sache steht mir zu ho), als daß i wünschen könnte, daß sie mit folhen Mitteln gefördert würde. Nun“ noch ein Wort über die erwähnte Konferenz vor dem Geheimrat
rank. Der Vorstand des Postassistenverbandes wurde auf den 18. Januar vorgeladen, also 3 Tage vor dem E roten Sonntag. Dieser Sonntag scheint also auch auf die Postverwaltung einen Schatten geworfen zu haben. Es wurde sehr „mißfällig et, daß der Verband seine Versammlung zu einer Zeit
diesseits der Grenze abgehalten habe, wo die russische Bewegung Beunruhigung hervorrief. Wenn irgendwo eine Beunruhigung vor- banden war, so war es höchstens bei einigen höheren Po tbeamten. Um ben 21. Januar herum \cheint überhaupt eine große Nervosität in Kreisen geherr\{cht zu haben, die man sonst gar niht in diesem Verdacht hat. Die lächerlichen Vorbereitungen, die an vielen Stellen mit Nücksicht auf diesen Tag getroffen worden sind, beweisen ja, welche Angst damals in weiten Kreisen unserer Gesellschaft geherrs{cht hat, und so scheint mir auch die Veranstaltung dieser Konferenz niht ohne Zusammenhang mit dieser Angst gestanden zu haben. Dieser Tage ist aber der Staatssekretär über das, was sein Vertreter da gesagi hat, hinausgegangen, indem er erklärte, er fei überhaupt gegen folhe Agitationsreisen. Bisher waren diese gestattet, jeßt werden sie als verboten bezeihnet; da liegt offenbar ein neuer Kurs vor. Der Versuch, neue Mitglieder zu gewinnen, is doch nit strafbar. Der Staatssekretär will nit, daß die Massen in den Ver- band gezogen werden, aber es gehören dem Verbande \chon 26 000 Assistenten an, d. h. zwei Drittel aller überhaupt vorhandenen 39 000. Gleich bedauerlih {eint mir die Stellungnahme des Staatssekretärs zu dem Organ des Assistentenverbandes, der „Deutschen Postzeitung“. Er nimmt Anstoß daran, daß der Leitung der Verwaltung in den Artikeln dieser Zeitung vorgeworfen wird, sie hätte noch nicht genug getan; wenn daneben die Verwaltung gelobt werde, so sei das eben nit ernst zu nehmen. J kann absolut nit finden, daß das Lob etwa ironish gemeint war. Es scheint vielmehr, daß dem Verband gegenüber überhaupt ein anderer Wind weht. Es muß doch auch jedem Postbeamten freistehen, dem Evangelishen Bunde anzugehören und für ihn tätig zu sein; die Postbeamten sind eben technische Beamte, und deswegen gebührt ihnen ein arößzres Maß von politisher Bewegungsfreiheit als den politishen Beamten. Der Livpesche Erbfolgestreit hat au in den Kreisen der Postbeamten seine Wellen geschlagen. Ein Beamter ist wegen der Bekundung seiner Sympathien für den Biesterfelder gegen seinen Willen nah Erfurt verseßt worden, wovon er eine Menge persönlicher und wirt- \chaftliher Nachteile gehabt haît. Das Defektenverfahren wird noch beute zu rigoros gehandhabt, obwohl der Staatssekretär eine folche Vorhaltung {hon vor 2 Jahren mit Entrüstung zurückwies. Aus neuester Zeit ist ein sehr carakteristisher Fall derart bekannt geworden. Der Betreffende, ein Beamter namens Mertens, ist von der Anklage wegen Unterschlagung freigesprohen worden ; das beschlagnahmte Erbteil des Mannes hat die Verwaltung aber nicht herausgegeben, sie hat es vielmehr veräußern lassen, weil sie den Mann nach . wie vor für s{uldig hält. Der Mann hätte auch nit auf Heransgabe im Zivilroege klagen können, da ihm der Prozeß seinen leßten Pfennig gekostet hätte, wenn nicht der Assistentenverband dagewesen wäre. Kann es etwas Rigoroseres geben, als dieses Verhalten der Behörde? Die Postsekretärprüfung darf heute nur einmal wiederholt werden. Es besteht ein dringendes Bedürfnis, die Möglichkeit ciner zweiten Wiederholung zu schaffen. Außerordentlih \ympathisch hat mich eine Verfügung berührt, die fich auf die Handhabung des Disziplinarversahrens bezieht und aus dem - Jahre 1903 stammt, aber jeßt erst bekannt geworden ist. Es wird darin mögli geringe Anwendung der Strafmittel und um so mehr die persönlihe Einwirkung des Vorstehers empfohlen; es wird erklärt, daß die häufige Anwendung der Strafmittel deren Wirkun nur abschwähe. Das war ein gutes Wort. Leider ist diese nad Mey gerihtete Verfügung bisher der Oeffentlichkeit nicht ekannt eworden, warum hat man sie nicht ganz allgemein veröffentlicht ? Vene Verfügung des Reichspostamts sollte zur Kenntnis jedes Poft- deamten gebraht werden. Schließlih möchte ih den Staatssekretär fragen, ob er sich immer noch der Gründung eines allgemeinen deutshen Unterbeamtenverbandes widersegt. Cine so große ver- antwortungsvolle Organisation liegt im Interesse der Verwaltung selbst. Der Staatssekretär will gewiß das Beste seiner Beamten. Aber dieses Wohlwollen allein genügt nicht, die Beamten dürfen in ihrem Vereinigungsrecht nit zu kurz kommen.
29: Stôcker (christl.-soz.) (schwer verständlich): Die Ereignisse in Rußland haben uns gezeigt, wie gefährlih es ist, wenn in der Beamtenschaft ein revolutionärer Geist herrscht. Nun glaube ih allerdings daß bei unseren Postbeamten ‘in überwiegender Weise dieser eist ein gesunder ist. Jh kann nit finden, daß bei den Unterbeamten ein sozialdemokratisher Geist herrscht. Deshalb möchte ih den Staatssekretär bitten, auch zu den Unterbeamten mehr Ver- trauen zu haben. Disziplin muß ja sein. Es handelt sich hier doch auch um ein Betriebépersonal, und deshalb sollte man die Beamten si ruhig vereinigen lassen. Es könnten Ausschüsse gebildet werden, durh welche die Verwaltung die berechtigten Wünsche der Ünter- beamten erfahrén könnte. So {wer es sein mag, so ist es doch unabweislih, die Bezüge der Postbeamten, namentlich der Unter- beamten zu erhöhen. Die Wohnungen der kleinen Leute haben {ich bis zu 30% und noch mehr verteuert. Dazu kommt die Ver- teuerung der übrigen Lebensbedürfnisse. Für solhe Zwecke müssen wir die nötigen Mittel haben. Wir sollten nit bloß, wie die äußerste Linke, Wünsche vortragen, sondern au dasür die Mittel bewilligen. Der Redner trägt dann noch einige Wünsche bezüglih der Stellung der höheren Beamten vor, aber mit so leiser Stimme, traß fie. auf der Journalistentribüne niht vernehmbar werden. Er scheint sich der bezüglihen Resolution Patzig anzuschließen. Er bittet sodann, die Sonntagsruhe in der C M cihao noch weiter Ur uen: der Sonntagnachmittag müsse frei bleiben, das würde dazu beitragen, Zu- friedenheit unter den Postbeamten hervorzurufen. Die Verkürzung des Scalterdienstes würde si sehr wohl durchführen lassen; ebenso auch die Entlastung vom Telephondienst am E Eine besondere Berücksichttgung verdienten die Postshaffner und Landbrief- träger und Telegraphenarbeiter.
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
- Ich möchte auf einige der freundlichen Wünsche sofort antworten. Was den Sonntagsdienst betrifft, so teile ih den Ständpunkt des Herrn Vörredners dahin, daß der Sonntagnachmittag eigentlich dienst- frei bleiben könnte; aber die Ansichten darüber sind sehr verschieden. Die meisten glauben, daß es zu shwer eingreifen würde, wenn man Sonntagnachmittag nit mehr telegraphieren könnte. Aus dem Grunde findet Nahmittags noh Telegraphendienst statt. Der Herr Vorredner irrt fich insofern, als wir den Telegraphendienst nur da haben fort- fallen lassen, wo eine Eisenbahnstation am Orte besteht und durch deren Benußung Gelegenheit gegeben ist, zu telegraphieren. Wenn der allgemeine Wunsch dahin geht, am Sonntagnahmittag überhaupt auf den Telegraphendtenst zu- verzichten, fo würden dessen Erfüllung große Bedenken meinerseits nit entgegenstehen; ih bin gern bereit, diese Frage nohmals zu prüfen.
Dann ist dem Herrn Vorredner insofern ein Irrtum unterlaufen, als die Landbriefträger niht verpflichtet sind, Pakete bis zu 20 kg mit si zu tragen, sondern nur bis zu 10 kg. Aber in Wirklichkeit nehmen sie mehr Pakete mit, für deren {nelle Zustellung fie aber au die Vergütung beziehen. Jedenfalls ist der Dienst der Land- briefträger derart gerégelt, daß eine Ueberlastung nit eintritt. Ich würde dankbar sein, wenn solche Fälle, wie sie hier angeführt sind, zur Kenntnis der Behörde kämen, um untersuchen zu können, ob in den Anforderungen vielleicht in einem Falle zu weit gegangen ist. Dann möchte ich dem Herrn Vorredner auf die Frage betreffs der Ausbildung und Verwendung der Beamten noh antworten. Ih habe furz vorher dem Herrn Abg. Eickhoff, der dieselbe Frage an- \chnitt, son erwidert, daß einzig und allein die Verwaltung darüber entscheiden kann, wie die Beamten zu verwenden sind.
Der Herr Vorredner hat aus einem Blatt etwas vorgelesen und
gesagt: dieses Blatt is für mi Evangelium; was darin steht, scheint.