1906 / 60 p. 13 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Mar 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Dritte Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

_A¿ 60.

Berlin, Sonnabend, den 10. Mürz

1906.

(Schluß aus der Ztociten Beilage.)

i 1.) regt vershiedene Verbesserungen für die Züge ie arrediee o ile die Bergleute von den Außenbezirken nah dem Zentrum - bringen ; manche Züge führen nur 21 km in der Stunde. die Arbeiter brauhten 2 Stunden bis zu threr Arbeits- stätte. Ferner sollten nit die Wagen der 1V. Klasse benußt werden, bei welchen die Arbeiter während der Fahrt auf die Platt- form hinausträten was zu Konflikten mit den Bahnbeamten führe, sondern die Wagen 111. Klasse, wie es auf der Berliner Stadtbahn er Fall sei. K « entr.) wünscht Verbesserung der Verbindungen für das Bas E U weitab von der Bahnstation liege. Auf der Strede Ziegenhals—Jägerndorf—Landesgrenze sei cine Haltestelle bei Langenbrück eingerichtet, sodaß viele Badegäste veranlaßt würden, nach einem benachbarten österreihishen Bade zu- gehen anstatt nah ieaenhals. Der Redner wünscht ferner, daß die Verbindung zwischen Neisse und Brieg verbessert und daß auf der Strecke Liegniß— Kandrzin Schnellzugsverkehr eingerihtet werde.

Abà. Dr. König (Zentr.) regt vershiedene Verkehrsverbefserungen für Crefeld und Mörs an. :

Abg: Hir # ch - Essen (nl.) : Ih möhte nicht verfehlen, ein Wort einzulegen für die Herstellung einer besseren Verbindung zwischen dem Sndustrierevier, dem Harz, der Provinz und dem Königreich asen. Es ist heute mit großen Umständen verknüpft, wenn man vom JSndustrierevier aus- die gedahten Gebietsteile besuhen will, und es wäre vielleiht zu erwägen, ob hier eine Verbesserung eingeführt werden könne, etwa dadurch, daß man an einen der, großen durdgehenden Züge, etwa an den Zug Vlissingen - Berlin einen Wagen anhängt, der von Löhne über Hameln, Hildesheim und Goßlar nah Leipzig geführt wird. Man hat diefen Gedanken wiederholt erwogen, man hat aber Bedenken getragen, weil die Strecke von Löhne ab nur ingleisig sei. Ih möchte aber meinen, deß ias mit der Einführung dieses Zuges nit warten sollte, bis der e al zu einer zweigleisigen Strecke fertig ist. Wenn der Ae Rene ne wiederhergestellt sein wird, sollten die Bedenken, die heute der E egung eines solchen Zuges entgegenstehen, do vielleicht als beseitig Tae en Fönnen. Man=+würde damit nicht nur der Bevölkerung des In 2 Be reviers einen Gefallen tun, sondern man würde auch den Harz! L en und den vielfachen geshäftlihen Beziehungen zum Königreich un e Provinz Sachsen einen wesentliden Vorschub leisten, wenn man hier

ntgegenkommen zeigen würde. Ich möhte also bitten, diesen Zug n möglichster Kürze einzurichten. :

Abg. Dr. Lot ich i u s (nl.) erkennt an, daß die Verbindungen von Berlin nach Cöln und Frankfurt a. M. wesentlich besser geworden seien dur die Einstellung weiterer Schnellzüge, und bittet, die Ver- bindung der Reichshauptstadt auch mit dem Osten möglichst zu fördern. Der Redner bittet ferner, daß die Schnellzüge au weiterhin in Staudernheim halten möchten. Das liege im Interesse des Kreises Meisenheim. Auch die Stadt Braubach a. Rh. müsse bessere Zug- verbindungen erhalten. ;

Abg. Stanke (Zentr.) wünscht ein Halten der Schnellzüge in Annaberg O.-Schl. und bessere Anschlüsse für Kandrzin.

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.) bemängelt die Schnellzugs- Ü Debbiabaia L den Cassel und Westfalen, von Abends - bis zum anderen Tage Nachmittags 3 Uhr bestehe eine Pause. Ferner set die Zugverbindung zwischen München und Cassel außerordentlich {chlecht; man müsse verschiedene Male 'umsteigen, und auf - großen Teil der Strecke könne man nur Bummelzüge benußen. Klage ‘müsse au geführt wecden über die Verbindung zwischen Cassel und Spangenberg. ;

Abg. Schwa L ze- B (Zentr.) wünscht befsere Verbindung

i erford. : wis S T (S erkennt an, daß die Verwaltung vielen Wünschen für bessere Verbindungen im Industriebezirk des Nhein- lands entgegengefomimen if Um L E ea E: mund—Elberfeld, auf der S hae Sihnellzugverbindung sei. Die Ente Ege nur 57 km und doch gebe es Züge, die 2 Stunden und f en terwegs sind, - Die Eisenbahnverwaltung jolle De H e faden Wünschen gegenüber, daß auf allen möglichen eue Tonft hôre Schnellzüge halten sollen, etwas E werden, denn sonst höre es auf. i E A on Deyting beflogl bag eue lin Parigen n pa r ü Pleyÿ an für bessere Schnellzugsans{lüsse von hp erfüllt seien. n Wünsche noch immer nick Bretiba I (Zentr.) O \{lechten Zugverbin- d 1 nach Dortmund und Hamm. bung E LLA (nl.) wünscht, daß „der Abeudzug von Der stadt nah Oschersleben etwa 15 Stunde später gehe im Interesse der

: Thedteroesu s Wenden (fkons.) wünscht eine Verbesserung der

00 i „d ‘Nerbindung für die Strecke von Bubliß nach_ Berlin D t 6

ie M it ei Ilzug,. die Möglichkeit eines Anschlusses an_ einen Schne i ubliß aus geschaffen werde. É S N Iobeifel ente) und Hirt (tons) äußern übereinstimmend Miete E Nerbesserung der Verbindungen er enten. é ¿ A E R E S (nl.) wünscht, daß die Schnellzüge der Rhein-Nahe-Bahn nit, wie Abg. Dr. Lotichius wünsche, in Staudern- A sondern in Sobernheim halten, und daß der kleine Ort Hoch- e s bei Kirn an der Rhein-Nahe-Bahn zur Station gemacht werde. Le Abg. Dr. Vol 8 (nl.): Oberschlesien is wie eine einzige Stadt i 1 Million Einwohner anzusehen ünd hat nur 4 Schnellzugs- E dungen, während analoge Gegenden im Westen 6 bis 12 Scnell- T: beiden Richtungen haben. Um einen Tagesschnellzug nach züge na haben braucht man nur Anschluß an den Schnellzug S Ain zu schaffen. Der Nachtshnellzug aus Oberschlesien L Berlin Morgens um dz Uhr dn, während si leit eine T e chaffen ließe, wenn der Schnellzug von Sommer-

bessere Verbindung | brt würde. Au im Verkehr mit der seld bis Berlin di haben wir feinen verständigen Morgenschnellzug,

weder hin, noch zurü. sp.) : Der Vorortverkehr für Kiel muß 28 N E E Umständen im Sommer Gra lbt eit einem Billet 11, Klasse froh sein mh Ri E inem Vichwagen Play findet. Warum werden sür Kiel nich Riel: E e E allen Richtungen ausgegeben? Der Zug idt “llalle Je abgcafen maten, dl nas in Aenteiuns n en E

is feute bis [eds Stunden a Sonderburg-Flensburg hat N Ans&l1 6 20 Flensburg-Kiel, ebensowenig der Zug Kiel- ns{luß an den Bu L Mecklenburg und Pommern. Der Kieler

übeck an den Zug t, weil die Suggeschwindigkeit nit

Blitzzug wird sehr wenig benu cht, daß die Glaßer Züge, die jeßt

“groß genug ift. 4 tr.) wüns e , ; - nur e A fahren, au während des Winters be S sstt e r (freikons.) beklagt, daß Mörs keine gute Verbindung “Mit i

Duisburg hat.

einem

Abg. Fe h li ch (kons.): Ih empfehle die Durchführung des Vor- ortverke! L i der Strecke Berlin über Groß-Lichterfelde-Ost hinaus bis Trebbin, zumal hier nur auf 9 km Borortverkehr ist. Die Anhalter Bahn muß viergleisig ausgebaut werden. Die Eisenbahn- verwaltung E Ie Se die dazu erforderlihen Terrains er-

n, da sie [päter keurer find. e A E Berndt (ul.) {ließt fich den Wünschen des Abg. Dinslage an und befürwortet die Einführung eines direkten Schnell- zugs von Hagen über Elberfeld nach Cöln. _

Abg. Hoevele r (Zentr.) bittet, die Schnellzüge auf der Strecke Cöln—Kleve auch in Kevelaer halten zu lassen. i: -

Abg. Mac co (nl.): Die Eisenbahndirektion und Eisenbahnräte haben die Aufgabe, neue Zugverbindungen usw. zu schaffen. Darum ist es verkehrt, wenn jeder Abgeordnete si veranlaßt fühlt, hier feine Wünsche imeeinzelnen vorzubringen. Die Herren von der Negierung fönnen ja keine Antwort auf die vielen Wünsche und Klagen geben, sondern müssen alle Reden geduldig mit anhören. Wo aber alle reden, sche auch ich mi dazu gezwungen, um nicht einen falschen Ver- dacht auf mich fallen zu lassen. Der Redner wünscht eine bessere Verbindung im Sauerland zwischen Laasphe und Marburg.

Abg. R affner (nl.) wünscht Zugverbesserungen zwischen Limburg und Diez.

Abg. Fun ck (fr. Volksp.): Ich stimme dem Wunsche des Abg. Macco zu, daß diese Art der geshäftliten Behandlung geändert werden möge. Ih meinerseits bitte um eine bessere Abendschnellzug- verbindung zwishen Berlin und Frankfurt und umgekehrt und beziehe mich zur Begründung auf die von der Frankfurter Handelskammer eingereihte Petition.

Abg. Franken (nl.) beschwert sich im Interesse des Gewerbe- standes in Gelsenkirhen darüber, daß diese Stadt mit 150000 Ein- wohnern keinen brauchbaren Schnellzug hat. / S É

Abg. lle (b. k. Fr.) wünscht Feriensonderzüge für Schüler mit ermäßigten Preisen nach dem Harz.

Die Abgg. Gleim (nl.) und Kriege - Bentheim (fr. konf.) äußern ebenfalls lokale Wünsche. S

Ministerialdirektor Stieger: Ih danke den Herren für die zahlreihen Anregungen und bin ermähtigt, die erung zu er- teilen, daß fie wohlwollend geprüft werden. inzelne Wünsche werden {on im nächsten Sommerfahrplan Berücksichtigung finden, andere werden, soweit ich mich erinnere, zurzeit bereits einer Vor- prüfung unterworfen. Im neuen Fahrplan haben {hon verschiedene Zugvermehrungen ftattgefunden.

Damit ließt die Debatte über die Zugverbindungen.

Um 41/5 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Eisenbahnetats auf Sonnabend 11 Uhr.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Verhandlungen des deutschen Vereins für Armen- I SNE und Wohltätigkeit / über die Novelle zum Unterstüßungswohnsißgeseß.

Nachdem der wihtige Geseßentwurf, betreffend die Abänderung des Reichsgesezes über den Unterstüßungswohnsiß, am 26. und 29. Ja- nuar d. J. vom Reichstag beraten und an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen worden war, hatte sich der Vorstand des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit beeilt, feine 26. Jahresversammlung nicht, wie sonst üblih, im Herbst, sondern fart jeßt während der Tagung des Reichstags in der Reichshau t-

tadt selbst abzuhalten, um zu den geplanten Aenderungen der bes tehenden deutshen Armengeseßgebung rechtzeitig Stellung ‘zu nehmen.

Die am 3. März im Berliner Nathause abgehaltene Versammlung, an der si etwa 450 Armenfreunde und Renner des deutshen Armen- wesens, darunter Vertreter fast aller größeren Proviazialverbände und aller größeren Städte und Wokhltätigkeitsvereine Deutschlands bes teiligten, hat den erfreulißen Beweis geliefert, daß g im deutschen Volke allerwärts noch viele Kräfte selbstberoußt und freudig für die Sffentlihen Angelegenheiten regen und entschlossen sind, neben der Reichsregierung und dem Reichstage belehrend auf die öffentlihe Meinung und auf die Entwicklung der deutschen Geseßzgebung und Verwaltung miteinzuwirken. Daß der moderne

arlamentarismus durch ein kräftiges Vereinsleben und dur selbst- tändige Gemeindeverwaltungen unterstüßt und von wissenschaftlich gebildeten, in der Praxis dés täglihen Lebens geübten und erfahrenen Männern beraten werden muß, gilt namenilih bezüglih des Armen- wesens, an defsen zweckmäßiger Regelung schon mehr als hunderttaufend emeinnüßige Pfleger und Helferinnen sich mit Kopf und Herz béFifigei Der deutsche Verein für Armenpflege und Wohls tätigkeit zählt zu seinen Mitgliedern gegenwärtig allerdings erst 249 Gemeinden, 33 Körperschaften, 16 Behörden, 62 Vereine und 212 Privatpersonen, usammen 9572 Mitglieder; aber inner- halb der dem Verein beigetretenen Gemeinden und Vereine stehen viele Tausende von Pflegern bereit, mitzuberaten und mit- zuhelfen, während der eutsche Verein selbst {hon deshalb größere Beachtung verdient, weil in ihm zum Unterschied vom Reichstage nie politishe oder konfessionelle Zwistigkeiten, nie Gegensäße von Stadt und Land, von Landwirtschaft und Industrie aufgetauht sind, und weil in ihm amtlihe und nihtamtlihe Armenpfleger und gemeinnüßige Helferinnen ohne Nücksiht auf die materiellen Interessenkämpfe für das Wohl der wirklich Verarmten treu zusammenwirken wollen.

Den Verhandlungen der 26. Jahresversammlung des deutschen Nereins für Armenpflege und Wohltätigkeit lag eine Reihe {arf formulierter, aber maßyoller Leitsäße zu Grunde, die von dem Haupt- berihterstatter, Stadtrat Dr. Münsterberg, eingehend begründet wurden. Der Redner ging einleitend kurz auf die Entwicklung des deutschen Armenwesens ein, das unter dem Einfluß der modernen wirtschaftlichen Entwicklung aus dem_ alten deutshen Heimatsrecht herau8gewacsen ist und in der Schaffung des Unterstüßungs- wohnsißes durch das Gesey vom 1. Juni 1870 einen neuen Ausdruck gefunden hat. Seine erste Aenderung erfuhr das Geseß dur die Novelle von 1894, durch welche die Altersgrenze für den Erwer und Verlust des Unterstützungswohnsißes vom 24. auf das 18. Lebens- jahr herabgeseßt und die Verpflichtung des Arbeits- und Diénstortes verstärkt wurde. Obwohl es die Absicht des Geseßgebers war, die länd- lichen Armenlasten zu erleichtern, erhoben die ländlihen Bezirke doch schr bald bittere Klagen über die vermehrte Armenlast, die ihnen dur den Nerlust der Arbeitskraft der Abwandernden und durch die Fortdauer der Verpflichtung zu ihrer Unterstüßung erwachsen ift. Diesen Klagen will der Geseßgeber mit dem neuen Gese dadur Rechnung tragen, daß er 1) die Altersgrenze für den Erwerb und Verlust ‘des Unterstüßungtwohnsißes weiter vom 18. auf das 16, Lebensjahr herabseyt, 2) die Frist zum Erwerb von 2 auf 1 Jahr vetmindert und 3) die, Verpflichtung des Dienst- und Arbeitsortes namentlih im Verhältnis zu den Vorort- und Nachbargemeinden sehr erheblih verstärkt. E

Sn den der Hauptversammlung vorges&lagenen Leitsäßen war

unächst bemerkt, daß der deutsche Verein mit der Begründung Lf Entwurfs darin übereinstimme, daß er die dur die Binnen- wanderungen für einzelne Gebiete des Reichs geshaffene ungünstige

wirtschaftliße Lage und insbesondere das Bedürfnis anerkenne, der Notlage der überbürdeten Armenverbände in nahhaltiger Weise abzu- helfen. Dagegen wurde als ein Mangel der neuen Geseßesvorlage hervorgehoben, daß sie si lediglih auf die Ziffern der im nördlichen Deutschland sich vollziehenden Binnenwanderung stüße und nicht ins Auge fasse, welhe Wirkungen im einzelnen durch die Wanderungen hervorgerufen würden, wie die Armenlast gegenwärtig verteilt sei und wie ihre Verteilung sich voraussihtlich nah Annahme des Geseßz- entwurfs gestalten würde. „Der erein erachtet“, wie es in der zweiten Hauptresolution wörtlih heißt, „die Beschaffung neueren Materials und seine Bearbeitung im Zusammenhange mit dem älteren Material, das in den Schriften des deutschen Vereins niedergelegt ist, für die unerläßlihe Vorausseßung einer Aenderung der bestehenden Armengeseßgebung. Der Verein muß daher zur Zeit ebensowohl gegen die vollständige Revision wie gegen die Aenderung einzelner Bes stimmungen des geltenden Armenrechts Widerspruch erheben.“

Die weiteren Leitsäße beleuhten die Bedenken gegen die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs, gegen die S der Altersgrenze vom 18. auf das 16. Lebensjahr und der Frist zum Erwerb des Unterstüßung8wohnsitßes von 2 auf 1 Jahr und gegen die erhebliche

- Verstärkung der Verpflichtung des Dienst- und Arbeitsortes im Ver-

hältnis zu den Vorocts- und Nachbargemeinden. Für den Fall, taß troß der entgegenstehenden Bedenken die Aenderung einzelner Bestimmungen des Geseges über den Unterstüßungswohnsig beliebt werden sollte, erhebt der Verein die Förderurg, daß zugleih eine Reihe der von ihm in früheren Jahresversammlungen ausgesprohenen und ausführlich be- gründeten Anträge berüdsihtigt würden. Dahin gehörten die Be- stimmungen einer Altersgrenze, von der an ein neuer Unter- stüßungswohnsiß nicht mehr erworben werden kann, das Tarif- wesen, das die Gemeinden sehr ungleih belaste, sowie die Für - sorge für die Wanderarmen, denen gegenüber die Gesetzgebung bisher ganz versagt habe, ferner die reich8geseßlihe Regelung des

- Erstattungsans\pruchs gegen unterstüßte Personen und der Frage,

wie dem immer mehr um sich greifenden Uebel der Pons f ung der Familie durch den Ernährer gesteuert werden könne, sodann der Bethilfen an ärmere, durch Armenlasten überbürdete Gemeinden und der Schaffung von Gesamtarmenver- bänden zur gemeinshaftlichen Tragung der Armenlast, vielleiht auch besser noch von Zweckverbänden.

Von erhebliher Bedeutung ist endli die in den Leitsäßen aus- gesprohene Forderung der Ausdehnung des Gesetzes über den UnterstüßungswohnsißaufBayernund Elsaß-Lothringen, die noch außerhalb seines Geltungsbereihs stehen. Bezüglich dieser [eßten Forderung des deutshen Vereins drückte Justizrat Ruland aus Colmar seine Befriedigung über die in naher Aussicht stehende Ausdehnung des Neichsgeseßes über den Unterstüßungswohnsiß auf Elsaß-Lothringen aus, während Rechtsrat Fleischmann aus München sich dahin aussprah, daß Bayern zwar gegenwärtig an der zur Be- ratung stehenden Novelle kein Interesse habe, das Interesse an der tfuttigen Gestaltung der reichsdeutschen Armengeseßgebung aber sicher vorhanden sei, und daß er aus diesem Gesichtspunkte fich den vorgelegten Leitsäßen anschließe.

An den eingehenden Verhandlungen über die vorgelegten Leitsäße

beteiligten fich außer den bereits genannten Personen noch in eindring- liher Weise Pastor von Bodelshwingh (Bielefeld), Bürgermeister Cuno (Hagen), Direktor Lohse (Hamburg), Stadtrat Hoffmann (Nixdorf), Landeshauptmann Hinte (Danzig), Landessyndikus Gerhard (Berlin), Stadtrat Flesch (Frankfurt a. M.), Dr. Klumker (Frank- furt a. M , Syndikus Götting (Hildesheim), Geheimer Negterungsrat von Massow u. a. Die_26. Jahresversammlung des deutschen Vereins faßte nach einem Schlußwort des Stadtrats Münsterberg folgenden Haupt- beschluß: „Auf Grund der vom Zentralaus\{chuß ihr vorgelegten Leit- säße, benen sie in allen wesentlihen P zustimmt, spricht - die Versammlung die Hoffnung aus, daß der Reichstag dem Entwurf zur Abänderung des Gesetzes über den Unterftüßungswohnsiß in der vorliegenden Fafsung die Zustimmung versagen werde.“

Zur Arbeiterbewegung.

Die in den Wagenfabriken Berlins und der Umgegend be- schäftigten Maler, Sattler, Latckierer Stel1tadber usw waren am Donnerstag außerordentli zahlrei versammelt, um, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, zu den in den einzelnen Fach- versammlungen aufgestellten Lohnforderungen Stellung zu nehmen. In Frage kommen elf Fabriken, in denen gegen 1500 Arbeiter be- schäftigt sein sollen. Folgende Forderungen find aufgestellt und von den Versammelten angenommen werden: „Die Arbeitszeit beträgt neun Stunden tägli, jedoch Montag und Sonnabend acht Stunden. Alle Arbeiter, ob in Lohn oder Akkord tätig, erhalten eine Lohnerhöhung von 10 v. H., jedoch sind für die einzelnen Zweige Mindestlöhne festgeseßt, welche jeder Neueintretende bezw. im Betrieb Beschästigte unbedingt verdienen muß; diese sind: Für Stellmacher (Kajtenmacher 63 S, Helfer 55 F), für Rademacher 58 F, Lackierer 60 &, Metallarbeiter (Dreher 70 F, Sthlofsser 60 s), Sattler (perfekte Luxussfattler 75 5, die übrigen Satiler 99 3) Schmiede (Schirrmeister 70 F, Feilbänker 63 H,

Helfer und Segen 60 4), für Maschinenarbeiter 50 S.

ÜVeberstunden und ael sind nur für Reparaturen an Betriebseinrichtungen zulässig. Ueberstunden 25 v. Ÿ- Zuschlag. Sonntagzarbeit 50 v. H. Bei Akkordarbeit is der Lohn vorher zu vereinbaren; béstehen besondere Akkordtarife, so gelten diese. Weik- zeug wird nur in Lohn angefertigt." Eine Kommission wurde be- auftragt, diese Forderungen nebst den für einzelne Zweige bereits be- stehenden Akkordtarifen den Arbeitgebern zur Annahme zu unterbreiten. Aus Breslau wird demselben Blatte telegraphiert: In Gott e d- berg beschloß eine Versammlung der Bergleute der \chlesischen Kohlen- und Kokswerke Ä.-G., wegen Nichtbewilligung der ge- erten Lohnerhöhungen in den Ausftand einzutreten. Die Gesell- aft beschäftigt 3500 Mann. : j Bei der Kaligewerkschaft Volpriehausen ist, wie der „Rh.-Westf. Ztg.“ aus Göttingen gemeldet wird, ein Ausstand aus- gebrochen. Ctwa 650 Arbeiter haben wegen Lohnstreitigkeiten die Us S ist, wie die „Köln. Ztg." erfährt, die Loh n Hamburg ist, wie die „Köln. Ztg.“ er , die Lohn- bewegung der Kohlenarbeiter in den Bunkerbetrieben beendet.

Literatur.

In den Bien Jahren sind ‘von verschiedenen Seiten hoch- erfreulide und erfolgreiche Bemühungen gemacht, dur eine gute aber zuglei billige Wiedergabe wertvoller Bilder der alten und neuen Meister einen wirklich kCünstlerishen Wandschmuck zu {hafen und auch weniger Bemittelte in den Stand zu sehen, si{ch eine wertvolle Bildersammlung anzulegen. Dur den Aufshwung, den die Reproduk- tionstechnik genommen hat, wurde dies Bestreben in hervorragender Weise unterstüßt. Der Kunstwert-Verlag (Georg Callwey in München) verdient es, in erster Reihe genannt zu werden, wenn von jenen erfolgreichen Bestrebungen die Rede it; seine „Meisterbilder fürs deutshe Haus“ sind, sowohl was die Auêwahl der reproduzierten Bilder, als was die Wiedergabe selbst betrifft, eine überaus wertvolle