1877 / 123 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 May 1877 18:00:01 GMT) scan diff

beschleunigte, um der französischen Regierung Unannehmlich- keiten zu ersparen.“ Jn Lourdes fanden sih zu Pfingsten fünf Bischöfe mit eiter großen Anu von Pilgern ein und statteten Dankgebete ab, „daß Frankreich endlih von der republikanischen Regierung befreit sei.“

26. Mai. (C. L.) Das „Journal officiel“ ver- öffentliht zahlreihe Personalveränderungen in den Ge- richten und Staatsanwaltschaften. Zwei republikanische Ober- Staatsanwälte, Berger in Chambery und Serre in Toulouse, sind abgeseßt worden. Der „Français“ kündigt neue Preßprozesse gegen den „Radical“ und einige radikale Provinzblätter an.

27. Maî. (Köln. Ztg.) Der spanische Republikaner Ruiz Zorrilla ist aus Frankreih ausgewiesen worden. Salmeron und General Merelo werden ebenfalls, aber frei- willig, Paris verlassen, während die Ausweisung von Ruiz Zorrilla von der spanischen Botschaft verlangt wurde. Zorrilla begiebt sih in. die Schweiz. Der Zollvertrag zwischen Frankreich und Rumänien is auf neun Monate ver- längert worden.

28. Mai. (W. T. B.) Der ehemalige Jnspektor ini Finanz-Ministerium Riant ist zum General-Direktor der

osten ernannt worden.

Italien. Rom, 28. Mai. (W. T. B.) Die „Agenzia Stefani“ erklärt die Meldung französischer Blätter, wonach der König Victor Emanuel neuerdings ein Schreiben an den Marschall Mac Mahon gerichtet haben sollte, für un- rihtig; ein folhes Schreiben existire nicht.

Griechenland. Athen, 28. Mai. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer is heute Vormittag durch ein vom Ministerpräsidenten verlesenes Königliches Dekret er- öffnet worden, welches dié Kammer zu einer außerordent- lichen Session zusammenberuft.

(W. T. B.) Nach Eröffnung der Deputirten- kammer bestand die Oppositionspartei darauf, die Prä- sidentenwahl sofort vorzunchmen. Bei derselben wurde Angerinos, der Kandidat der Partei des früheren Minister- Präsidenten Komunduros, mit 71 gegen 42 Stim- men gewählt. Der Ministerpräsident Deligeorgis kündigte in Folge dessen an, daß er seine Demission einreichen werde.

Türkei. Konstantinopel, 28. Mai. (W. T. B.) Fsmail Bey, früher Gouverneur von Tultscha, wurde der Theilnahme an der Kundgebung der Softas Lezichtigt und am vorigen Sonnabend verhaftet und nah Brussa verbannt. Von der Deputirtenkammer wurde ein Antrag des Deputirten von Aleppo einstimmig angenommen, wonach die Minister aufgéfordert werden, in der Kammer zu erscheinen und fi mit derselben über die zu ergreifenden dringenden Maßregeln ins Einvernehmen zu seßen.

(W. T. B.) Mehrere von den bei der am Donnerstag stattgehabten Demonstration komptomitirten Personen find verbannt worden; viele Waffen wurden konfiszirt. Graf Zichy und Graf Corti werden im Laufe dieser Woche vom Sultan in Privataudienz empfangen werden.

(W. T. B.) Der „Politishen Korrespondenz“¿ wird aus Konstantinopel, den 27. d. gemeldet: Gleichzeitig mit der Verhängung des Belagerungszustandes wurde ein Kriegs - gericht eingeseßt, von welchem diejenigen Personen abgeur- theilt werden follen , die sih gegen die Sicherheit des Staates vergehen. Man erwartet die demnähstige Vertagung der Kammern. Der Sultan soll sih in bestimmtester Weisé pan die Nückberufung Midhat Paschas erklärt

aben.

(W. T. B.) Dem „Reutershen Bureau“ wird aus Konstantinopel vom 28. gemeldet, in der Notifikation der Pforte an die dortigen Botschafter, betreffend die Verhängung des Belagerungszustandes über Konstantinopel werde hervorgehoben, daß die Anwendung der durch denselben gebotenen Maßregeln gegen Ausländer sich innerhalb der S die Kapitulationen vorgeschriebenen Grenzen bewegen werde.

Jn Armenien sind bekanntlih beim Aufmarsch der türkishen Truppen gegen die russische Grenze im März dieses «ahres von den Soldaten wieder Grausamkeiten und Gewalt- thaten an der dortigen christlihen Bevölkerung verübt worden. Es geht dies aus zwei Beschwerdeschriften hervor, die der eng- lische Konsul Zohrab in Erzerum sowohl an den dortigen tür- fishen General-Gouverneur, wie an Lord Derby richtete und die in dem neuesten englischen Blaubuch veröffentlicht worden sind. Dieselben lauten: i

„Konsul Zohrab an den General-Gouverneur von Erzerum Erzerum, 2./14. März 1877. Excellenz! Ich habe mit vielem Be- dauern erfahren, daß eine Compagnie von etwa 170 Soldaten, welche von Sivas kam, in den Ortschaften Hisberek, Ghelmpertek und Keilaboor im Distrikte von Gumus8hane Excesse und Grausamkeiten verübte, welce als die entscßlihsten Gräuelthaten bezeihnet werden müssen. Die Soldate1 begannen bei ihrer Ankunft in den oben- genannten Ortschaften mit einer frevelhaften Kirchenshändung, worauf sie den Priester der betreffenden Kirche ergriffen und ihn unmens{chlich mißhandelten. Später richteten die Soldaten ihre rohjen Angriffe auf mehrere Frauen und Mädchen; drei junge Weiber wurden von 60 Soldaten geshändet und nicht eher freigelassen, bis die armen Geschöpfe halktodt waren. Diese Beschuldigung is auf zu soliden Grundlagen basirt, um angezweifelt zu werden, und ih tann blos bedauern, daß Ew. Excellenz die fragiihe Anschuldigung als eine so triviale betrachteten, daß eine von einem Bimbaschi ein- geleitete Untersuchung als genügend erachtet wurde und daß blos ein einziger Offizier dieses Ranges abgeordnet wurde, um an Ort ‘und Stelle die Untersuchung zu leiten. gez. Zohrab.“ i

Konsul Zohrab lenkte au die Aufmerksamkeit des Earl von Derby auf diese Gräuel und {rieb am folgenden Tage, 15. März, wie folgt:

„An den Earl of Derby (angekommen am 2. Avril). Erze- rum, 15. März 1877. In meinem Telegramme an Ihrer Majestät Chargé d’Afffaires in Konstantinopel vom 14. d. bezog ich mich auf die Nachlässigkeit der militärishen Autoritäten in Erzerum und be- richtete, daß die christliben Bewohner der Stadt unter der Hand der Soldaten {wer zu leiden haben, daß ein grausames Vorgehen und eine Bedrückung nicht blos von Seite der Mannschaft, sondern von jener der Dffiziere vorherrs{cht, welch Lebtere auf diese Weise den Sol- datén ein bóses Beispiel geben, welches nur allzu bereitwillig befolgt wird. Die {le{chte Behandlung der Christen in jener Städt wird von Tag zu Tag ärz;er. Offiziere treten in Kaufläden ein und nehmen dort, was ihnen beliebt. ‘Die geringste Einwendung Seitens der Eigenthümer wird mit Schimpfworten oder Schlägen L ae tet. Die Christen werden öffentlich eprügelt und die cristlihe Re- ligion ges{mäht "und verfluct. Alles dies geschieht in Geg-nwart von Soldaten, welche sih in den Straßen bei derartigen Excessen drängen und dann ihrerseits das gegebene Beispiel nahahmen. Von Seité' der Regierung geschieht gar nihts, um dicsen Mißbräuchen Einhalt zu thun; diese der Mißachturg aller Geseße gewährte Straf- lofigfeit muß naturgemäß bald {were Leiben für die Christen her- beiführen. In den kleineren Orlschaften benehmz-n si Offiziere sowie

Soldaten so zügellos, als ihnen eben gefällt, und die mir täglich zu- kommenden Berichte von Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten sind im höften Grade empörend.*

_ Schweden und Norwegen. Stockho lm, 26. Mai. (H. C.) Die Reichstagssession wurde heute geshlossen. Der König selbst wohnte den S@&hlußfeierlichkeiten niht bei, sondern der T Iu de Geer erklärte den Reichstag für geschlossen. Die Seflung Frederits borg, eine halbe Meile von Varholm, in dent Stockholmer Skärgard gelegen, ist jeßt, nah zehnjäh- riger Arbeit, nah den neuesten Regeln für Befestigungen fertig gestellt worden. Sie wurde vor einigen Tagen von dem Könige, dem Kronprinzen, mehreren Ministern und hBeten Offizieren inspizirt. Die großartigen Werke sind vollständig im Stande, den ihnen zugedaWhten Theil der Ver- FOLGRA von Skärgarden mit Erfolg übernehmen zu önnen.

(H. N.) Jn dem Befinden der Königin soll in leßter Zeit eine erheblihe Besserung eingetreten sein, und läßt \sih annehmen, daß die Hohe Patientin zur bestimmten Zeit ihre Rüdkehr nah Schweden werde antreten können. Zur Aus- arbeitung eines neuen Seegeseßes ist dieser Tage vom König eine Kommission eingeseßt worden. Mitglieder des- selben sind Freiherr Staël von Holstein, Dispacheur d’Aubigné, Freiherr Fleetwood und K. Atilborg, dieselben sollen unter dem Vorsiß des Grafen E. Sparre im nächsten Monat hier zu- sammentreten.

Dánemark. Kopenhagen, 24. Mai. (H. N.) Die Vertrauensadresse der Hauptstadt an den König ist demselben heute überreiht worden, bei welcher Gelegenheit der Ober-Präsident folgende Worte sprach:

„Ew. Majestät! Die Adresse, welche zu überreichen ih die Ehre habe, ift der Ausdruck cines Bedürfnisses der Unterzeichner derselben, sih unter den jeßigen Zeitverhältnifsen an Ew. Majestät zu wenden. Ew. Majestät wird unter den 17,700, welche die Adresse unterschrie- ben haben, Männer aus den verschiedensten Klassen der Bevölkerung finden; aber Alle sind es Männer, welche ihr Vaterland lieben und welche vertrauensvoll die Leitung des Landes in der Hand Ew. Ma- jestät sehen. Wohl kennen wir die konservative Gesinnung der Haupt- stadt und wissen, daß diese sih erwiesen, indem Repräsentanten zum Landsthing gesbickt wurden welche alle in loyaler Weise die Regierung Ew. Majestät geftütt baben, aber wir haben nichts desto weniger das Bedürfniß gefühlt, Ew. Majestät einen Beweis unserer unterthan- lihen Treue und Ergebenheit, sowie die Versicerung zu geben, daß keine Aufhezung oder Verlockung diese Gefühle soll verringern oder auslöscen fönnen. Wir bringen Ew. Majestät unsern unterthänigen Dank dafür, daß Sie in kräftiger Weise die dem Könige und dem Reichstage durch das Grundgesez zukommenden Rechte geshüßt haben, und wir sehen in dem von Ew. Majestät gewählten Verfahren eine feste Stüte für die Bewahrung der verfassungsmäßigen Freiheit de: Volkes. Nachdem ih folchermaßen unseren Gedanken und Gefühlen Ausdru verliehen, sei es mir gestattet, die Aufmerksamkeit Ew. Majestät darauf hinzulenken, daß die Männer, welche die Adresse in Be- wegung geseßt haben, alle dem aroßen, für das Gemeinwesen so wichtigen Mittelstande angehören. Der mir gewordene Auftrag, diese Lovalitätsadresse, welche aus einer solchen Junitiative hervorgegangen, Ew. Majestät zu überreichen, ist mir sehr lieb gewesen; denn für unfer politisches Leben“ ist es von großer Bedeutung, daß diese Klasse der Bevölkerung einsieht, wie nothwendig es ist, daz die Entwicklung in ruhiger, besonnener Weise gesbieht, und daß die Vortheile der Freiheit nur bewahrt werden fönnen, wenn eine tüchtige, fräftige und unabhängige Regierung sie in Schuß nimmt. Jh glaube noch allerunterthänigst hervorheben zu müssen, daß diese Repräsentanten des Mittel standes, welche die Jnitiative zur Adre\fe ergriffen, den Rektor der Universität, den Vize-Ditektor der Akadêmie für die {önen Künste und den Vorfißenden “der Bürgerrepräsentation ersucht haben, sich der Deputation anzuschließen, und die von Ew. Majestät eingeseßte Oberbehörde dazu erwählt haben, bei dieser Gelegenheit das Wort zu führen. Es liegt hierin ein Zeugniß, daß die Bevölkerung der Hauptstadt bereit ist, sich den idealen Mächten und der gesetz- lichen Obrigkeit anzuschließen ; dieses is so {int es mir eine gute Vorbedeutung. Indem ih mir nun erlaube, Ew. Majestät die Adresse zu überreichen, {ließe ich mit dem Wunsche derselben : Gott möge Ew. Majestät ein langes und ein glückliches Leben schen- ken und leine beshüßende Hand über Ew. Land halten.“

Der König äußerte, daß er si glü&lih und stolz fühle, cine Adresse mit so zahlreihen Unterschriften aus der Haupt- stadt des Landes entgegenzunehmen, wo er einen so großen Theil seines Lebens 46 Jahre, da er nur ein Knabe von 12 Jahren gewesen, als er nah Kopenhagen kam verlebt und von dessen Einwohnern er früher so viele Beweise von Zutcauen und Ergebenheit erhalten habe. Es sei ihm deshalb doppelt lieb, daß man in der gegenwärtigen ernsten Zeit das Bedürfniß gefühlt habe, sih ihm und feiner Regierung anzuschließen, und er hoffe sicher, daß es ihm gelingen werde, mit seinem jeßigen Ministerium den Verfassungskampf durch- zuführen, so daß das Grundgeseß und die dem ganzen Volke dadur gewährten Rechte ungeshmälert bleiben.

__— 25. Mai. (H. C.) Wegen der mehrerwähnten Hansen- schen Unterschlagungs-Angelegenheit wurde am 23. d. M. eine Generalversammlung der Feuerkasse auf Samsö abgehalten. Es wurde konstatirt, daß der Kassendefekt ca. 190,000 Kronen betrage. Der Antrag, von einer Anklage gegen Hansen abzuschen, wurde vermuthlich wegen der politischen Verdienste Hansens und des hohen Alters desselben fast einstimmig angenommen. Ein Vorschlag, wie der Kassendefekt gedeckt werden soll, wurde niht gemacht. Die Er- ledigung wurde eincr demnächst nach Roeskilde zu berufenden Versammlung vorbehalten.

Australien. (A. A. C.) Aus Melbourne wird unterm 22. d. M. telegraphirt :. Das Parlament von Victoria ist eröffnet worden. Sir Charles Gavan Duffy wurde zum Präsidenten der Kammer gewählt. Es is ein neues Ministerium gebildet worden, das wie folgt zu- sammengesetßt ist: Premier und Kolonial-Schaßmeister: Mr. Boury ; Sekretär für Ländereien: Mr. Longmore; General- Postmeister und Kommissär der Zölle: Mr. Laloo; Kommissär der Eisenbahnen: Mr. Words.

Der russish-türkische Krieg.

St. Petersburg, 29. Mai. (W. T. B.) Die fort- laufenden Berichte von den beiden Kriegstheatern, welche durch die ganze Monarchie verbreitet werden, haben den entschiedenen Vorzug, die Küstenstädte am Schwarzen Meere zu beruhigen. Die Wirksamkeit unserer Torpedovor- kehrungen bewährt fich, wie die leßte Monitor-Afffaire zeigt, auch aggressiv. Auf die Verwüstungen, die die einzelnen Küstendörfer auf: der asiatischen Seite dur die türkischen Kriegsschiffe zu er- leiden haben, mußte man von Haus aus gefaßt sein. An einer Küste von dieser Ausdehnung kann nicht jeder Punkt beseut werden. Der Gang unserer Beg enng wird dur das Sengen und Verbrennen einzelner rtschaften nicht be- rührt. Jn geordneter Weise geht unser Marsh auf Er-

[ens vor si, das mit Kars und Batum die erste

inie unserer Operationen bildet. Fn diesen werden wir nicht behindert durch die von den Türken hervorgerufenen Aufwiegelungen der Tschetshenzen und Abchasier. Das Terekgebiet is bereits beruhigt und gegen die von den Türken gelandeten Cirkassier, welhe die Revoltirung einzelner Stämme unternehmen sollen, sind fliegende Corps beordert; der große Krieg wird davon nicht abhängig. Dieses Ver- suchen der Türken aber, die Jnsurrektion zu einem Haupt- motor des gegenwärtigen Krieges zu machen, könnte leit an der Donau Gegenzüge hervorrufen. Die russische Regierung verzichtet jedoh auf solche PUizmile: wie sie die

iele und Zwede des Krieges beschränkt, so auch hält sie si ern von gewissen Mitteln. Sie ijt vielmehr bemüht, da, wo wie in Serbien Alles zum Kriege drängt, von der Theil- nahme ernstlich abzurathen. Rußland wird, mögen einige Tausend Abchafier insurgirt werden oder nit, die E Ja Vorgehens innehalten, die die Revolution nicht wachruft.

Bukarest. Jn der Rede, mit der der rumänische Minister-Präsident Bratiano den Fürsten Karl als unab- hängigen Souverän begrüßte, heißt es: „Die Mächte werden si überzeugen, daß bei unserer Stellung zwischen zwei großen und mächtigen Reichen das Gefühl unserer eigenen Erhaltung uns jeden abenteuerlihen Anspruch untersagt, welcher unseren Bestand in Gefahr bringen könnte. ir glauben daher innerhalb der Grenzen des jeßigen Rumäniens, welches thatsählih und durh das europäische Recht unjer Erbgut ist, die Fürsorge und den Schuß der Garantiemächte wohl zu verdienen, wenn wir heute für die Vertheidigung unserer Rechte und unserer Unabhängigkeit selbs bis auf das Acußerste kämpfen.“

Konstantinopel, 28. Mai. (L. H. T. B.) Ein Theil des türkischen Geshwaders wird noch in dieser Woche zur Abholung des tunesishen Hülfscorps in See stechen.

Aus Alexandria wird der „Daily News“

unterm 25. d. telegraphirt : „Der Kriegs-Minister Hassan Pascha fam heute mit seiner Suite von Cairo in einem Spezialzuge hier an. Jm Laufe der Woche wurden Truppen, Ge- schüße und Munition an Bord der nah Konstanti- nopel bestimmten Transportdampfer cingeschifft. Drei Kriegs- schiffe werden die Transportflotille cskortiren. Die egyp- tischen Dampfer auf der Rhede sind in Flaggenschmuck, aber es herrscht weder Aufregung noch Enthusiasmus. Bis jeßt sind noch keine Truppen oder Dampfer nah Konstantinopel abgesegelt.“ __ Wien, 28. Mai. (W. T. B.) Wie die „Presse“ meldet, sind alle Nachrichten über eine zwischen Rußland und Desterreich vereinbarte Demarkationslinie(Morawa oder Aluta) unbegründet. Es bestehe keinerlei Verein- barung über eine Beschränkung der russischen Aktion.

Europäischer Kriegsschauplaßt.

St. Petersburg, 28. Mai. (W. T. B.) Die Na(h- richten aus Bukarest über die Zerstörung des türkischen Monitors am 26. d. enthalten Ungenauigkeiten. Der Sach- verhalt ist folgender: Unsere Offiziere brahten am hellen Tage und unter dem Feuer des zerstörten Schiffes den Tor- pedo an den Monitor heran und sprengten denselben in die Luft. Eine Schaluppe wurde durch die Explosion fast unter Wasser gefeßt, eine andere wurde von einer Kugel getroffen. Verwundet wurde auf unserer Seite Niemand.

Ddesja, 28. Mai. (L H. T..B) An dex ganzen Linie von Odessa nah Otschakow sind türkische Panzer- schiffe in weiter Sicht. Sih zu nähern, hat noch kein Schiff versuht. Es wird angenommen, daß diese Schiffe sich vorläufig mit Ausmessungen beschäftigen und Verstärkungen abwarten. Der Odessaer Hafen ist ganz leer. Jn der Nacht werden alle Feuer gelöscht, nur vom Leuchtthurm wird öfters elektrishes Licht verbreitet, um die Bewegungen der türkischen Flotte beobahten zu fönnen. Die Auswanderung dauert an.

Bukarest, 28. Mai. (L. H. T. B.) Zwei türkische Monitors versuchten bei Nicopolis griechische Handels- schiffe zu zerstören.

(W. T. B.) Die „Pol. Korrespondenz“ meldet tele- graphish aus Bukarest vom W., daß der Minister Cogal- niceanu ein Rundschreiben an die rumänischen Agenten im Auslande gerichtet habe, in welchem er denselben die Un ab- hängigkeitserklärung Rumäniens notifizirt. Die ganze rumänische Armee, 40,000 Mann stark, is in der leinen Walachei konzentrirt.

Wien, 28. Mai. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Presse“ aus Kalafat begann gestern Abend 8 Uhr aus den dortigen rumänischen Batterien, in denen sich Fürst Karl persönli eingefunden hatte, die Kanonade gegen Widdin. Die Türken erwiderten das Feuer lebhaft. Jn Widdin war an mehreren Stellen Feuer ausgebrochen.

Wien, 29. Mai. (W. T. B.) Der „Presse“ wird aus Kalafat gemeldet: Das Bombardement Widdins wurde nach niht ganz einstündiger Dauer wieder eingestellt. pre Karl blieb die ganze Zeit bei der Batterie. Aus Bukarest wird der „Presse“ berichtet: Die Bahnverbindung L Tekutsch und Braila ist durch Hochwasser unter- rochen.

__ Wien, 2. Mai. (L. H. T. B.) Aus Turn-Severin wird dem „N. W. T.“ als bestimmt gemeldet : Angesichts der russishen Truppenbewegungen gegen die westlihe Walachei, treffen die Türken bereits Vorbereitungen, das serbische Donauufer wieder zu besetzen.

Aus Odessa, 22. Mai, wird der „Pol. Korr.“ ge- meldet: '

__ „Der südliche Theil der Krim wird stark mit Truppen beseßt. Von Jalta bis Sebastopol wird ein Kordon von Kosaken-Pikets ge- zogen. Auf mehreren, die Küste beherrshenden Anhöhen werden pro- visorishe Blockhäuser erbaut, die mit Geschüßen versehen werden. Alle Tatarendörfer an der Südküste werden mit Truppen belegt. Bis jetzt benehmen sih die Tataren nicht nur ganz unbedenklih, aen zeigen fih sogar loyal. Sie haben ven Behörden abgefaßte

)roflamationen abzeliefert, die von türkischen Emissären bei ihnen eingesdmuggelt wurden. Die Tataren werden darin zur Theilnahme am heiligen Kriege aufgefordert, und wird ihnen zum Lohne dafür die Herstellung eines selbständigen Khanats in Aussicht gestellt. Da- gegen sind me tatarishe Deserteure von der Südarmee in ihren Auls aufgegriffen und dieser Tage bei Simferopol ershofsen worden. Zeitweilig läfsen sih türkische Kriegsschiffe am Horizont erblicken, um aber eben so rasch zu vers{winden. Aluschta wird befestigt. General O wird f E E a l

Ueber die jüngsten Vorgänge auf dem Kriegs\chaupla an der Donau schreibt die W. „Presse“ : gejGauprad

Nath einer längeren Pause hat die Aktion an der Donau, wenn auch nicht in direkt operativer Form, wi.der begonnen. Ein E Monitor, der, wahrsceinlich um irgezdwo ein unschuldiges Bombar-

dement gegen das rumänische Ufer zu insceniren, den Kanal von Matschin Sonnabend um 3 Uhr Nahts verlassen hatte, wurde von einer mit einem Torpedo bewaffneten Schaluppe in die Luft ge- fprengt. Wieso si die russishen Marine-Offiziere, ohne von der türkfischen Bordmannschaft bemerkt zu werden, dem türkischen Mo- nitor nähern fonnten, wird von türkischer Seite wohl nicht aufgehellt werden können, und von der gegnerishen Seite wird der Coupallein der Kühnheit der russischen Schifféfähnriche zugeschrieben werden. Ganz abgesehen von dem gnateriellen Verlust, den die türkische Do- nau-Escadre an Mannschaft und Schiffsmateriale erleidet, wird der Katastrophe eines zweiten Monitors einen nachhaltigen moralischen Eindruck nicht nur auf die Donauflotille, sondern auch auf die Armee und das obnehin sehr beunruhigte Stambul machen. Die türkischen Kriegsschiffe werden durch den neuesten Fall, dessen Wiederholung nit ausges{lofsen ist, noch zaghafter werden und damit ihre Thä- tigkeit auf der Donau eine noch beshränktere werden, als sie es bisher ohnehin hon gewesen. Nicht ohne alle Bedeutung ist auch das Bombardement, welces die russischen Batterien gegen Rustshuk aus ihrem Lager bei Slobosia, eine Meile fütwestlich von Giurgewo, eröffnet haben. Die Entfernung der Wälle von Rustschuk von den russishen Batterien bei Slobosia beträgt kaum eine halbe Meile, fällt also innerhalb der Tragweite der weittragenden E 5 P Rustschuk ist die am wenigsten wichtige

estung des bulgarischen Festungsvierecks und ihre Bedeutung liegt vornehmlich darin, daß sie der Siß der Vilajetsregierung, der An- fangspunkt der nach Varna führenden Eisenbahn und einer der best ausgerüfteten Hafenpläte an der Dona: ist. Die Stadtbefestigung von Rustschuk besteht aus einem Hauptwall mit 16 kleinen Bastionen, trocken-n revetirten Gräben ohne Kasematten und Vorwerke. Dié Wasserseite befand sich wenigstens noch unmittelbar vor dem Kriege in einem sehr bedenklihen Zustande der Verfallenheit und Ver- wahrlosung. An Außenwerken besißt Rustshuck fünf Redouten, von denen eine westlich und vier andere östlich der nah Schumla führenden Straße errihtet wurden. Stromabwärts an Rustshuck

‘oberhalb des Bahnhofes befinden sih zwei Uferbatterien, welche die

Aufgabe haben, die nördliche Front der Hauptumfafsung zu flankiren und die Donau zu beherrschen. Die Festung selbs und ihre Außen- werke bedürfen zur erfolgreihen Vertheidigung mindestens 209 Posi- tions8geshütße und eine Besaßung von 30,000 Mann, über welche der Festungsfommandant von Rustschuck selbs in der Folge {chwerlich verfügen dürfte.

Aus Bukarest, 25. Mai, meldet der Korrespondent des „Stand. “: „Jh habe das Lager der bulgarischen Flüchtlinge in Ploesti besuht. Jhre Zahl ist niht 30,000, wie gesagt ward, sondern etwa viertausend. Sie tragen dunkle russische Uniformen und sind kleine, derbe Leute, dem bulga- rishen Typus an der sferbishen Grenze ganz unähnlich.“

Asiatischer Kriegsschauplat.

St. Petersburg, 28. Mai. (L. H. T. B.) Eine weitere telegraphishe Meldung aus Tiflis vom gestrigen Tage fFagt, daß Großfürst Michael Nicolajewitsch bisherigen Dispositionen zufolge am Dienstag aufbricht, um bei Ardahan den Oberbefehl über die Kaukasus-Armee zu über- nehmen. Denselben wird General Tschernajeff, als Chef des Generalstabes der Kaukasus-Armee, begleiten.

St. Petersburg, 27. Mai. (L. H. T. B.) Aus Tiflis wird unter heutigem Datum gemeldet: Die tscher- tessishe Bewegung ist in Stocken gerathen. Die anfäng- lihen Befürchtungen zeigen sih als übertrieben. Der aufstän- dische Versuch in Mingrelien wurde im Keime erstickt. Die Bewohner Swanetiens haben zwar die Bergpässe beseßt, jedoch bisher die Feindseligkeiten keineswegs begonnen. Aus Wladi- fawfkas sind große Truppentransporte angesagt, die mit der Rostow-Wladikawkasbahn angelangt sind. Binnen aht Tagen wird in Wladikawkas die gesammte dritte Altersklasse der Donschen Kosaken eintreffen und im ganzen Kaukasus ver- theilt werden. Aus Poti wird berichtet, daß die Russen von drei Seiten die Offensive gegen Suhum-Kaleh ergriffen haben. :

Tiflis, 27. Mai. (L. H. T. B.) Gencral Loris-Moli- off meldet, daß die Avantgarde des russischen Heeres nur noch drei Tagemärsche von Erzerum entfernt sei. Die neunzehnte Division der Kaukasusarmee ist nah Abchasien detachirt. :

Tiflis, 28. Mai. (L. H. T. B.) Das 75. Regiment unter Oberst Boschdakin lieferte gegen die Tscherkessen am Kodor ein glänzendes Gefecht. General Bronowski eilt mit Verstärkungen herbei. | 2

Konstantinopel, 27. Mai. (W. Pr.) Die Nachricht von der Errichtung eines persischen Lagers bei Selmar an der türkischen Grenze unweit Wan wird nun auch von der Hiesigen persischen Gesandtschaft bestätigt; doch habe diese Vor- fehrung nur den Zweck, um den Uebertritt bewaffneter Schaaren nach Persien zu verhindern.

Konstantinopel, 28. Mai. (W. T. B.) Nach einem dem Kriegs-Minister zugegangenen Telegramme des Unter-

Gouverneurs von Lagistan hätten die Türken unter Mussa

Pascha Ardahan wieder besezt. Die Nachricht ist dem Unter-Gouverneur von Lagistan durch ein Telegramm des Kaimakams von Livone übermittelt worden, dem dieselbe dur einen Tscherkessen überbracht worden wäre.

(W. T. B.) Nach in Konstantinopel eingegangenen

Meldungen hat sih Moukhtar Pascha zurückgezogen, um

Erzerum zu decken. :

London, 28. Mai. (W. T. B.) Nath einer Meldung Des „Office Reuter“ aus Erzerum vom 27. d. griffen die Tinken in einer Stärke von zwei Regimentern Kavallerie und 2 Batterien am 27. d. ein Regiment Russen und eine Batterie bei Maghardajik, 10 Meilen von Kars entfernt, an. Die Russen sollen in dem Gefechte ca. 150 Todte und Verwundete verlotèn haben. : . j

(A. A. C.) Einer Depesche des englischen Mi- Llitär-Attachés bei den Türken in Aften zufolge ist Moukhtar Pascha außer Stande A die von Kars nach Erzerum führenden Bergpässe, auf welche er sih vor 14 Tagen aus Furcht, in Kars umzingelt zu werden, zurüczog, zu be- haupten. Der Attaché fügt hinzu, daß die Türken genöthigt waren, zu retiriren, ohne eine Schlacht zu liefern. Er schreibt das rasche Vordringen der Russen dem gänzlihen Mangel an wirksamen Vorsichtsmaßregeln auf türkischer Seite zu, und fürchtet, Erzerum werde niht im Stande sein, sich lange zu

alten. Der Fall dieser Festung würde ein verhängnißvoller Eiblas für die Türken in Asien sein.

Aus Erzerum vom 24. bringt der „Standard“ fol- gende Depesche: „Moukhtar Pascha's Hauptquartier wird hierher verlegt werden. Diese Operation will keinen Rückzug bedeuten, sondern wird nur einen Fehler gut machen, weil Erzerum der Vereinigungspunkt aller armenischen Straßen ist und nur von hier Operationen geleitet werden können.

Ueber die Operationen auf dem asiatischen Kriegsschauplate bemerkt die W. „Presse“ unterm 28.:

„Unser Tifliser Spezialberichterstatter meldet, daß die nächsten russishen Operationen nicht so sehr gegen Kars als

gegen Erzerum gerichtet sind. Die von russisher und tür- fischer Seite einlaufenden Telegramme bestätigen diese Mel- dung auf indirekte Weise dadurch, daß sich der rehte russishe Flügel, nämlih Kolonnen, welhe von Ardahan ausgesendet wurden, gegen Olti bewege, und daß es den Türken noch niht gelungen sei, den von Bajasid gegen Toprafkale vorrückenden linken russischen Flügel Ausztidaten. Von Olti und Toprakale führen direkte Straßen nah Erzerum und führen an der linken und reten Flanke der Aufstellungen Moukhtar Paschas am Soganlug- Gebirge in der Entfernung von fünf bis sechs Meilen vor- über. Es hängt ganz von der Stärke der türkishen Truppen bei Erzerum und der von Olti und Toprakale vorrücenden russischen Kolonnen ab, ob sich Moukhtar Pascha am Soganlug halten kann oder ob er sich nicht ohne Schwertstreich nah Tri PaCziehen muß. Jm leßteren Falle würde Kars gänzlich isolirt und die Kapitulation dies.r Festung als ein untergeordnetes fkriegerishes Ereigniß nur mehr eine Frage der Zeit sein.“

Aus St. Petersburg, 22. Mai, wird der „Pol. Korr.“ u. A. geschriebewz:

„Die Einnabme Ada und dic bevorstehende Ueberschreitung der Donau sind durch das Bombardement und die Demolirung Suchum-Kale's, sowie durch die Anwesenheit der türkischen Flotte an der ganzen, 150 Werst langen abchasishen Küste mehr in den Hinter- grund der öffentlichen Aufmerksamkeit gedrängt worden. Die wieder- holten Landungsversuche zwischen Adler und Otschemtschiri die be- gonnene Jnsurgirung der kaukasishen Bergbewohner und das Bom- bardement wehrloser offener Städte und Dörfer lenken unwillkürlich den Bli auf Odessa, Feodosia, Eupatoria, Sebastopol, Yalta, Kertsch, Taganrog, Mariupol, Berdjansk und andere Punkte der abchasishen Küste und lassen die Frage nicht unberetigt erscheinen, inwie- weit diese Punkte weniger gefährdet als Suchum sind und inwie- fern die türkishen Landungen einen Einfluß auf den allgemeinen Gang des Krieges nehmen fönnen. Die Daten über die Art der getroffenen Küstenvertheidigungs-Maßregeln und Minenwehren geben hierauf die beste Antwort, Die Wirkung der leßteren in Odessa, Sebastopol und beim Eingange in die Dnieper-Bucht, wo die Defen- sivmaßregeln durch die lokale Lage unterstüßt werden, wird der aller Wahrscheinlichkeit nah nicht lange mehr ausbleibende Verfu am besten zeigen. Die Häfen des Azowschen Meeres können sich für nicht minder gesichert als Odessa halten, da den Schlüssel“ zu denselben die Meerenge von Kertsh bildet, wo die türkischen Schiffe erst eine - ganze Reihe von Küstenbatterien passiren und die zahlreih gelegten Torpedos glücklich umgehen müßten Im gegenwärtigen Augenblicke kann eine türkishe Landung vor Kertsch selbstverständlih niht in Rechnung gezogen werden. Weniger gesichert erscheint dagegen in dec Krim die Lage Feodosia's, Yalta's oder Eupatoria’s. Was die abchasishe Küste anbelangt, so ist die- selbe unzweifelhaft der chwächste Punkt der rufsish-n Pontus-Küste, wiewohl sih auch hier die türkishen Angriffs8versuhe gegen Poti wirkungélos gezeigt haben. Hier giebt es andererseits aber auch keine starkbevölferten Städte; Suchum-Kale, Redut-Kale, Poti, St. Ni- folaus, Noworossijsk, Anapa und Otschemtschiri zählen sämmtlich faum etwas mehr als 10,009 Einwohner. Suchum verzeichnet faum 2009 Einwohner Wegen Suchum hat man si, wie es \c{eint, auch nicht viel gekümmeit, denn bei der Nachricht über die türfishe Landung fehlt jegliche Mittheilung über die Wirkung der Torpedos; es ist se;:r leiht möglich, daß solche dort gar nit versenkt worden find. Eine größere Lan- dung zu bewerkstell'’gen, ist überhaupt kein leichtes Ding .… . . Panzer- \ciffe sind zu Landungs8zwecken nicht verwendbar. Uebrigens haben die Türken auch nur wenige Mannschaften zum Landen, da es an diesen sowohl an der Donau als auch in Armenien fühlbar mangelt. Die gegenwärtige Aktion der Türken -gegen- Poti, Otschemtschiri und Suchum kann den Russen zwar sehr unangenehm werden, dürfte je- doch unter keiner Bedingung einen Einfluß auf das \{ließliche Re- sultat des Krieges gewinnen“ ; 5

Ueber ven Tschetshenzen-Aufstand enthält der „Kawkas“ folgende Nachrichten : |

„In der Mitte des April-Monats zeigte sich in den Gebirgs- gegenden von Itschkerien, Auch und im Bezirk von Argan bei einem Theile der Bevölterung eine äußerst erregte Stimmung, welche bald unter dem Einflusse falscher von böswilligen Fanatifern verbreiteten Gerüchten in einen ofenen Aufstand ausartete. Mit der den Berzvölkern eigenen Graltation und Erregtheit hatte sich im Verl uf von einigen Tagen eine Bande von etwa 200 Mann gebildet, welch: sih in der ersten Zeit in einem Walde zwischen Gerdyn-Gen urd Benaj verborgen hielt, sich aber einen Imam wählte und dann offen verkündete, sie werde sih nicht mehr den Anordnungen der Obrigkeit fügen. Die Bande ging darauf nach Gersel-Aul, wiegelte die Be- wohner der Dörfer, die sie passirte, auf, und fo bis auf 500 Mann angewacsen, bedrohte fie Wedeno und Kischen-Auh mit einem Ueberfall. Inzwischen fing fsih die Gährung auch auf die P Theile der östlichen Jtschkerien zu verbreiten an, und man versuchte, die in der Ebene liegenden Dörfer zum Aufstande zu bewegen. Zu diesem Zweck schickten die Aufständischen ihre Emissäre in den Argu- nischen Kreis, und hier wählten diese für ihre Thätigkeit speziell die Gemeinde von Tscherbolojew aus, wo sie unter der Bevölkerung mit Erfolg wirken zu können glaubten. Um diese Absicht der Meut.rer zu vereiteln und die Gährung in der großen Tschetschnja, wo si bereits eine bedenklihe Unruhe zu zeigen begann, im Keim zu unterdrücken, wurden zwei kleine Truppenabtheilungen zusammen- gezogen, die eine bei Gersel-Aul, die andere bei Awtura-Aul. Zu- gleih wurde über das Terekgebiet der Belagerungszustand verhängt. Die Besatung der beiden genannten Punkte durch Truppen, wie auch die Bemühungen der Verwaltung und die Rathschläge wohlgesinnter Standesgenossen der Aufständishen übten jedoch auf die Aufrührer gar keinen Einfluß aus. Diese rückten vielmehr auf den Aul Maiortup los und suchten mit Gewalt die Einwohner zum Auf- stande zu bewegen. Nachdem ihr Versuch hier vollständig mißglüt war, versuchten jie dasselbe mit den Einwohnern des Auls Schali, welcher eine besonders zahlreihe Bevölkerung hat. Diese hofften sie mit Leichtigkeit für ihre Zwecke zu gewinnen. Doch es wartete ihrer abermals eine grofe Enttäushung. Die Einwohner dieses Auls {lossen sich nicht nur ihnen nicht an, sondern vertrieben sie ohne Beistand der Truppen von ihrem Gebiet. Die Meuterer flüchteten sih darauf in den Aul Awstury, wurden aber auch hier von den Bewohnern feindlich empfangen, zerstreut und mußten sich in die Berge zurückziehen.“ „Der Eindruck“, sagt das Blatt, „welchen dieser mißglücckte Aufstandsversuh auf die Gebirgsbevölkerung aus- geübt, ist ein sehr wohlthätiger gewesen, und im ganzen Gebiet ist seit dieser Zeit auch die Ruhe vollkommen wieder hergestellt worden.“

Wien, 29. Mai. (W. T. B.) Telegrainm des „Neuen Wiener Tageblattes“: Agram, 28. d. Die Fnsurgenten stürmten ein türkishes Blockhaus bei Topola; die Besaßung floh und verlor 30 Mann. E L

Belgrad, 27. Mai. (W. „Pr.“) Offizieller Versiche- rung gemäß ist der Verireter Serbiens in Konstantinopel be- auftragt worden, der Pforte zu erklären, daß Serbien neutral bleiben wolle und daß keinerlei Truppenansamm- lungen an der serbish-türkishen Grenze statt- gefunden haben.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Wien, Dienstag, 29. Mai. Telegramme des „Neuen Wiener Tageblattes“: Turnseverin, 29. d. Angesichts der Bewegung der Russen in der kleinen Walachei beabsichtigen die Türken, das serbische Donauufer zu beseßen; die Pforte habe dieserhalb bereits Schritte bei der serbishen Regierung

ethan. Konstantinopel, 29. d. Es ist ein Komplot ent- eckt worden, welches die Abseßung des Sultans zum Zweck hatte. Zahlreiche Verhaftungen find vorgenommen worden, ein großes Waffendepot ist aufgefunden. Viele Anhänger der jungtürkischen Partei verlassen die Stadt.

Paris, Dienstag, 29. Mai, Vormittags. Der Minister- Präsident Herzog von Broglie hat ein Rundschreiben an die General - Prokuratoren gerichtet, in welhem ausgeführt wird, der Marschall Mac Mahon habe bei FJnauguri- rung der neuen Richtung seiner Politik dem Um- sihgreifen radikaler Theorien Einhalt thun wollen, welche unverträglich seien mit dem inneren Frieden und der Größe Frankreihs. Der Minisier fordert die General-Proku- ratoren auf, ihre Wachsamkeit und Energie zu verdoppeln, um den Geseßen Achtung zu verschaffen, welche die Moral, die Re- ligion und das Eigenthum insbesondere gegen die Angriffe der Presse schüßen sollen. Besonders sei den Kundgebungen zuGunsten der Kommune und den Beleidigungen des Staatsoberhauptes entgegenzutreten. Ebenso sei die Verbreitung falscher Nach- rihten zu ahnden, welche darauf abzielten, die öffentlihe Mei- nung zu verwirren, das Land zu beunruhigen und den Glau- ben zu erwecken, daß in Frankreih eine Partei eristire, die frevelhaft genug sei, um einen Krieg herbeiführen zu wollen. Die Lüge müsse bestraft werden, unter welher Form sie auch austrete.

Nr. 21 des „Central - Blatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Reichskanzler-Amt, hat folgenden Fn- hast: 1) Allgemeine Verwaltungssachen: Verbot der ferneren Ver- breitung der periodishen Oruckschrift: „Der Glöckner im Eril“; Verweisung von Ausländern aus dem Reichsgebi:t. 2) Finanz- wesen: Goldankäufe Seitens der Reichsbank; Nachweisung der Ein- nahmen an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern, sowie anderer Einnahmen im Deutschen Reih für die Zeit vom 1. April 1877 bis zum S&lufie des Monats April 1877; Statistik der deut- \{hen Banknoten für Ende April 1877. 3) Münzwesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reich8münzen. 4) Marine und Sciff- fahrt: Abänderung des Verzeichnisses der Strandämter, Strandvögte und der den Strandämtern vorgesetzten Aufsichtsbehörden ; Ertheilung eines Flaggenattestes. 5) Eisenbahnwesen: Eröffnung der Bahn- strecken Königsberg i. N. Stettin und Sorgau— Friedland Reich8- grenze. 6) Konsulatwesen: Ernennung 2c. 7) Personal-Verän- derungen 2c.: Ernennungen bei der Admiralität.

Nr. 20 des „Justiz-Ministerial-Blatt“ hat folzenden Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 18. Mai 1877, betreffcnd das Grundbuchwesen in den Bezirken der App. llationsgerihte zu Kiel und Celle und des Justizsenats zu Ehrenbreitftein. Erkenntniß des Königlichen Ober-Tribunals vom 15, März 1877.

Heft V. des fünften Jahrganges der Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, Organ des

vdrographischen Bureaus und der Deutschen Seewarte, heraus- gegeben von der Kaiserlichen Admiralität, hat folgenden Inhalt: Einige Bemerkungen über die Vorausberechnung von Chronometer- ständen. Von Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Winterreisen zwischen Europa und Nordamerika (Mittheilung von der Deutschen Seewarte, von P. F. A. Hegenann, Assistent bei der Deutschen Seewarte). Eingänge von meteorologishen Journalen bei der Deutschen See- warte im Monat März 1877. Aus den Reiseberihten S. M. Kbt. „Nautilus“, Korvo.-Kapt. Valois. Ansegelung der Hainanstraße. Die Hâfen von Hoi-how (Hai-kao) und Pak-hoi. -— Aus den Reife- berichten S. M. S. „Hertha“, Kapt. z. See Knorr. Samoa- und Tonga- Inseln. Orkane i. J. 1875 bei den Tonga-Inseln mit Skizze. (Mit- theilungen von Kapt.-Lieut. Kuhn). Vergleichende Uebersicht der Witterung des Monats Februar 1877 in Nordamerika und Central- europa. (Mittheilung von der Deutschen Seewarte). Die Prüfung von SchiffsPositions-Laternen, ausgeführt von der Kommission der Deutschen Seewarte bei Glückstadt auf der Elbe, 1875 und 1876. Er- läuterungen zu der Skizze des Hafens von Yokoska. Meteorologische und magnetische Beobachtungen, angestellt auf dem Kaiserlichen Obser- vatorium zu Wilhelmshaven in dem Monat April 1877. Karten: Skizze zu dem Aufsaß: „Hertha“. Die Tonga-Orkane im Jahr 1875. Sfizze des Hafens von Yokoska.

Statistische Nachrichten.

Sterblichkeits- und Gesundheitsverhältnisse. Ge- mäß den Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundhe its- amts sind bis zu der am 19. Maîi cr. beendeten zwanzigsten Jahreswoche von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchs{nitt b:- rechnet, gestorben: in Berlin 27,8, in Breslau 30,4, in Königs- berg 32,9, in Cöln 22,2, in Frankfurt a. M. 23,3, in Hannover 28,4, in Cassel 25,9, in Magdeburg 26,8, in Stettin 24,9, in Altona 28,4, in Straßburg 31,7, in München 33,3, in Augsburg 51,7, in Dresden 25,9, in Leipzig 23,8, in Stuttgart 27,4, in Braunschweig 36,7, in Karlsruhe 20,3, in Betneg 29,6, in Wien 34,3, in Buda- pest 43,7, in Prag 40,1, in Basel 29,7, in Brüssel 25,6, in Paris 27,2, in Amsterdam 29,8, in Rotterdam 33,5, im Haag. 205, in Kopenhagen 30,8, in Christiania 23,0, in Rom 22,6, in Neapel 30,4, in Turin 25,5, in Warschau 18,4, in Odessa 22,8, in Bukarest 21,1, in Athen 17,6, in London 23,1, in Glasgow 29,4, in Liverpool 28,5, in Dublin 23,7, in Edinburgh 24,4, in Alexandria (Egypten) 45,8, in New-York 23,2, in Philadelphia 18,2, in Boston 22,8, in San igte 16,8, in Calcutta 29,5, in Madras 144,5, in Bombay 69,8.

ie im Anfang der Woche in ganz Deutschland vorherrschenden südöstlihen und südwestlihen Luftströmungen gingen allmählich in mehr nördliche über; in Folge dessen sank die Temperatur, die in den ersten Tagen der Woche, besonders in den nördlichen Stationen, eine höhere war. Die relative Feuchtigkeit der Luft war cine nur mäßige, reihlichere Nicdersbläge fanden nur im Süden, in Folge L Gewitter statt. Der Luftdruck war, wie in der vorher- gehenden Woche, ein im Ganzen niedriger.- Die Gefammtsterb- D sank in den deutschen Städtegruppen von 29,5 der Vorwoche auf 28,5 (auf 1000 Bewohner und aufs Jahr ge- rechnet) und kam diese Abnahme meist dem höheren, namentli dem Greisenalter zu Gute, während die Kindersterblihkeit eine höhere war (in München 53,0 der Gestorbenen), nur in der ober- rheinishen Niederung hat au diese etwas abgenommen. Unter den Todesursachen zeigen vorzugsweise die Lur@snphthisen und akuten Prozesse der Athmungsorgane erwähnenswerthe Nachläsfe (von 675 resp. 504 auf 601 resp. 424) während Schlagflüsse häufiger zum Vor- schein kamen. Unter den Infektionskrankheiten haben Masern, Scharlach etwas zu-, die Diphtherie etwas abgenommen (erstere in der Ostseeküstengruppe, leßtere namentli im süddeutschen Hochlande). Die Typhen erscheinen nur wenig vermehrt; aus Dberschlesien (Kö4 nigshütte und Beuthen) ist nur 1 Todesfall an Unter- leibs- und 1 Fall von Flecktyphus gemeldet, dagegen aus Posen 7 Todesfälle an Unterleibêstyphus. Die Pockenepidemie in Prag und London hat sich gegen die vorhergegangene Woche wenige eändert, in Wien ist die Zahl der Todesfälle eine geringere. Aus Sottbus ift 1 Todesfall an Blattern zur Kenntniß gekommen. Die Nachrichten aus Bagdad über den Stand der Pest [auten etwas günstiger, die Zahl der Todesfälle hat in der ersten Hälfte des Mai