Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 29. Mai. (Th. C.) Das Steuergef eß für die nächste Finanzpériode ist entsprehend den Beschlüssen des Landtages sanktionirt und publizirt worden; nah demselben beträgt die Einkommen- steuer drei Pfennige von der Mark. — Für das Großherzog- thum Sachsen ist eine Gewerbekammer in das Leben ge- rufen worden. Die Mitglieder derselben werden in der Mehr: heit Gwölh) von den Gewerbevereinen, fünf von den Bezirks- ausscüssen gewählt, drei von der Regierung ernannt, welch leßtere auch den die Geschäfte führenden Kommissar ernennt. Durch diese Schöpfung ist ein Mittelpunkt gewonnen, der ge: eignet ist, die Jnteressen der gewerblic;en Thätigkeit nachhaltig zu fördern und den engeren ÄAnschluß der zunächst betheiligten Kreise zu gemeinsamem Wirken zu ermöglihen. Die zahl- reihen Gewerbevereine im Großherzogthum, welche schon jeßt zum Theil eine ret erfreuliche Thätigkeit entfalteten, werden an Bedeutung und Anschen durch ihre Einflußnahme auf die Wirksamkeit der Gewerbekammer gewinnen. Die Kammer tritt in der Regel vier Mal jährli, wenn nöthig au öfter,
E, Die Errichtung einer Handelskammer is vorbe- alten.
Hesterreih-Ungarn. Wien, 30. Mai. Der neue Hofstaat des Kronprinzen wird Mitte August sein Amt antreten. Wie bereits gemeldet, wird Linienschiffs-Kapitän Graf Bombelles, bisher Dienstkämmerer des Erzherzogs Franz Karl, die Stelle des Oberst-Hofmeisters des Kronprinzen über- nehmen. Major Ritter v. Eschenbacher ist zum Flügel-Adju- tanten und der der Militärkanzlei des Kaisers zugetheilte S des Generalstabes, Markus Bacalovih, zum Ordonnanz-Offizier designirt. Der bisherige Erzieher des Kronprinzen, Feldmarschall - Lieutenant v. Latour, tritt in den Ruhestand. Wie die „Prag. Z.“ meldet, werde die für den Sommer projektirte Reise des Kronprinzen nah Miramar und der Ausflug nah Pola unterbleiben und begiebt sich Se. Kaiserliche Hoheit Anfangs Juni nach Js{l, um dort wäh- rend des Sommers zu verbleiben. Für den Monat Sep- tember is}, wie die „Presse“ meldet, eine kleine Reise des Kronprinzen nach dem Ausland in Aussicht genommen, do ist das Programm - derselben mit Rücksiht auf die politische Situation noch nicht festgestellt, Wie verlautet, wird der Kronprinz das nächste Fahr benußen, um den administrativen Ms in einer Statthalterei aus eigener Anschauung kennen zu lernen.
Schweiz. Bern, 30. Mai. (N. Zürch. Ztg.) Nachdem die Redaktion des dee a elaffen betreffend die politischen Rechte der Niedergelassenen und Aufenthalter und den Verlust der politischen Rechte der Schweizerbürger auch für die französishe Ausgabe beendigt is , hat der Bundesrath die Bekanntmachung desselben in der nächsten Nummer des Bundesblattes angeordnet. Die Frist für Ein- reihung von Abstimmungsbegehren wird naa mit dem 31. August zu Ende gehen. Nach Eingang des Berichtes der
eidgenössishen Eisenbahninspektoren über die am 25. d. M. vollzogene Untersuhung und Erprobung der Eisenbahn zwischen Siders und Leuk hat der Bundesrath auf Grund des isttae a Befundes die Eröffnung des Betriebes
dieser B e auf den 1. Juni bewilligt. — Jn. der estrigen Abendfißung des Großen Raths machte dèr egierungs - Präsident die offizielle Mittheilung von der Annahme des Schulgeseßes und der Verwerfung des Wr O Aa Trurch das Volk. — 31. Mai. (Köln. Ztg.) Der Solothurner Kan- tonsrath hat die Petitionen um Zulassung des gewesenen Bischofs Lachat zu kirhlihen Funktionen abgewiesen.
Niederlande. Haag, 1. Juni. (W. T. B.) Der
R der Königin ist so bedenklich geworden, daß der
önig noch heute Vorinittag von dem Schlosse Le Loo hier erwartet wird.
Frankreih. Paris, 30. Mai. Das „Echo universel“ erhält von Herrn Jules Simon folgendes Schreiben, welches an die Administration des Blattes gerichtet ist:
„An demselben Tage, da ih von der Regierung zurücktrat, trugen Sie mir Ihr Blatt an. Ich nehme es an; nicht um das gefallene Kabinet zu vertheidigen: angesichts der Sympathien, die es auf sei- nem Rüttritte begleiteten, bedarf es dessen nicht; auch nicht, um Licht über die Ursachen seines Sturzes zu verbreiten. Jedermann weiß, daß es sih zurückgezogen hat, weil es nit zugeben wollte, daß eine autoritäre Regierung die parlamentarische verdrängte, und weil es versprochen hatte, den Staatsgefeßen unnachsichtlich bei allen Bürgern und bei allen Bekenntnissen Achtung zu verschaffen ; aber ich nehme es an, um mit einigem Ansehen in der Presse die Politik zu vertheidigen, welche wir durch fünf Monate unter unerhörten Schwierigkeiten geübt haben, und um für die fonservativ-republikanishe Partei ein Drgan mehr zu gewinnen... Wir werden die Republik gegen die Koalition der Monarchisten vertheidi- gen, die einander noch gestern als erbitlerte Feinde gegenüber standen und heute in gemeinfsamem Hasse vereinigt sind, um sich morgen wieder zu bekämpfen, wenn es thnen gegen alle Möglichkeit gelingen follte, die republikanishe Verfassung umzustürzen, — der Monarchisften, welche \sih den Namen Konservative anmaßen, während sie in Wahr- heit alle Interessen beunruhigen und nicht einen Augenblick obsiegen können, ohne gleih in allen Geiftern die Grinnerung an Staatsftreiche und Bürgerkriege wachzurx fen. Wir werden das parlamentarische Re- gime gegen den Anspruch vertheidigen, den Kammern Minister und den Wählern Abgeordnete aufzuzwingen. Wir werden Frankreich gegen die Gelüfte einer Partei vertheidigen, welhe der Erbfeind der Gefeh- lichkeit und Freiheit ist und die uns zweimal der Invasion preis- 14 tate hat. Wir werden die Vernunft und sogar dié Religion gegen
lôden Aberglauben vertheidigen, gegen die so sellsam auferweckten theokratishen Lehren, deren Nichtigkeit von allen klaren Köpfen {on längst erkannt ist, die aber in dieser verwirrten Zeit die Unwissenden täusen und den Listigen zum Vorwande dienen. Wir werden zu uns alle diejenigen rufen, welche einèn gleiwen Abscheu vor dem Bürgerkriege und dem Kriege mit Europa ‘ schen und die Republik liebenswerth. machen wollen, auf daß fie stark werde. Seien Sie meiner dankbaren Ergebenheit versichert, Jules Simon.“
— (Köln. Ztg.) „Der Herzog von Montpensier ist eute in Paris angekommen. — Die Revue, wel{he alljähr- ih um diese Zeit im Boulogner Géhölz abgehalten wird, ist diesmal auf den 17. e den Tag nach der Wiedereröffnung der Kammern, ängeseßt worden.
— 31. Mai. (W. T. B.) Der „Moniteur“ komnit nochmals aue Gerüchte von einem Rüktritte des ‘Mar- shall-Präsidenten zurück und erklärt, er sehe nicht ein, welche Gründe den Marschall bestimmen könnten, in seiner wiederholt ausgedrückten Absicht, vor Ablauf seiner Amtsdauer im Jahre 1880 von feinem Posten nicht zurücßzutreten, eine Aenderung eintreten zu ‘Tassen. «Lediglich in dem Falle, däß beide Kammern gegen den Präsidenten sein scllten, würde der Lettere dazu veranlaßt sein können, mit sich darüber zu Rathe
Im Uebtigen
der „Moni:eur“ ein günstigès Ergebniß der künstigen
jo gehen, ob er sein Amt uiederlegen solle. i f de
Jtalien. Rom, 25. Mai. Die gegenwärtigen Minister hatten, während sie in der Opposition waren, die Forderung aufgestellt, daß alle von der Regierung abhängigen Elemente von dem Parlamente ausgeschlossen und dementsprehende Bestimmungen dem Wahlgeseße hinzugefügt werden sollten. Sie haben diese Forderung jeßt selbst erfüllt durch-Vorlegung eines Geséßes über die parlamentarishen Fnkom- patibilitäten, welhes ohne wesentlihe Abänderungen an- genóminen worden ist.
Jn ten Motiven und in den Kammerverhandlungen wurde u. A. hervorgehoben, daß Staatsdiener und Professoren, welche ohnehin schon im öffentlichen Jnteresse zu wirken berufen seien, dieser Wirksamkeit umso weniger durch Betheiligung an den Parlamentsarbeiten entzogen werden dürsten, als vermöge des unvermeidlihen Parteigetriebes die Objektivität ihrer Auf- fassungen gestört und wenigstens in gegnerischen Kreisen ihr Ansehen geshmälert zu werden pflege. :
Was den Jnhalt des Seltues betrifft, so wird im §8. 1 als Regel vorangestellt, daß Beamte, die direkt oder indirekt
aus Staatsfonds besoldet werden, niht wählbar sein sollen.
Bedingungslos hiervon ausgenommen sind nur die Minister, die General-Sekretäre der Ministerien und der erste Sekretär des St. Mauritius- und Lazarus-Ordens. Ausgenommen, aber mit der Einschränkung, daß zusammen niht mehr als 40 ge- wählt werden dürfen , lind ferner sechs Beamtenklassen, darunter die Präsidenten und Mitglieder des Staatsraths, #o- wie der höheren Gerichtshöfe, Universitäts-Professoren, Generale und Stabsoffiziere, mit der weiteren Modifikation, daß “sih unter den gewählten 40 nicht mehr als 10 Professoren und nicht mehr als 10 höhere rihterlihe Beamte befinden dürfen. Etwa überschießende Wahlen werden annullirt, wobei das Loos bestimmt, wer auszuscheiden hat. Für die Offiziere und Mitglieder der Appellhöfe gilt noch die besondere Beschränkung, daß sie in ihrem gegenwärtigen Amtsbezirke, Piébitngtweise in einem früheren Amtsbezirke, den ste vor weniger als 6 Monaten verlassen haben, niht gewählt werden dürfen.
Den Staatsbeamten gleichgestellt sind alle Personen, welche vom Staâte Konzessionen erhalten oder für den Staat kon- traitlihe Leistungen übernommen haben, fowie Perfonen, welche im Dienste vom Staate subventionirter Gesellschaften oder Unternehmungen für industrielle und F (Eisenbahn-, Dampfschiffahrtsgesellschaften 2c.) stehen. Außer- dem wird das passive t E italienishen Staatsangehörigen entzogen, welche als Diplomaten und Konsuln oder sonst in fremde Dienste ‘getreten sind.
Zu erwähnen ist endlih die Bestimmung, daß Deputir- ten während der Ausübung ihres Mandats und sechs Monate hinterher kein besoldetes Staatsamt übertragen, und Beamten, welche Deputirte sind, während gleicher Frist keine, ihnen ihrer Anciennetät nach nicht unbedingt zustehende Beförderung zu Theil werden darf.
Ausnahmen in beiden Beziehungen sind wiederum nur u Gunsten der Ministér und General-Sekretäre, sowie hin- Ltli der Beförderungen in Kriegszeiten zu Gunsten der Offiziere gemacht.
Man’ darf einigérmäßen gespannt auf die Wirkung dieses Experiinentes sei, welches -eoah#scheinlih deny advokatischen Elemente ein noch größeres Gewicht in der Volksvertretung verschaffen wird. |
— 98. Mai. Der König empfing gestern in feier- liher Audienz die neuen Gesandten der Nieder- lande und Portugals, de Wertenberg und Vasconcellos. — Die Deputirtenkammer hat gestern das Gesetz, betreffend die Mehrbésteuerung des Zuckers, des Kaffees, des Cacaos und der Mineral-Dele mit 232 gegen 109 Stimmen genehmigt. — Aus Genua ist dem Ministerium des Fnnern berichtet worden, daß dieser Tage ein Straßenauflauf daselbst statt- gefunden und das Volk die Entlassung des klerikalen Munizipal- Kollegiums verlangt habe.
Brindisi, 31. Mai. (W. T. B.) Die Prinzessin La Wales ist auf der Rücceise von Athen hier ange- ommen.
Griechenland. Athen, 31. Mai. (W. T. B.) Das neue Ministerium hat sih definitiv konstituirt, Comunduros hat die Präsidentschaft und das Portefeuille der Auswärtigen Angelegenheiten, Papamichalopulos ‘das Mini- sterium des Jnnern, Condostavolos das Justiz, Sotiropulos das Finanz-, Notaxos das Kultus-, Bouboulis das Marine- und Petmezas das Kriegs:Ministerium übernommen. Die Trikupis und Delijannis folgenden Parteien haben dem neuen Ministerium ihre Unterstüßung zugesagt.
— Wie dem „Reutershen Bureau“ in London aus Athen vom 31. Mai ‘gemeldet wird, ist in der Vertheilung der Portefeuilles insofern noh eine Aenderung eingetreten, als Condostavolos es abgelehnt hat, das Justiz-Ministerium zu übernehmen und statt dessen das Ministerium der Aus- wärtigen Ängelegenheiten übernommen hat. Jn Folge -dessen übernahm Comunduros das Ministerium des Buméen und der
Justiz.
Türkei. Belgrad, 1. Juni. (W. T. B.) Dem „N. W. T.“ wird telegraphisch gemeldet : Das Moratorium ist bis zum 4. Juli c. verlängert, die Skupschtina ist zum 15. Juni einberufen. Als Nachfolger des Kriegs-Ministers Gruics, der sein Amt niedergelegt hat, wird Alimpics p: Die österreichischen onitors, welche vor der
iesigen Stadt liegen, haben die ufgabe, den Schiffen als Convoi zu dienen. ;
_ — Die „Pol. Korr.“ bringt einen Bericht aus Serbisch Albanien, d. d. 17. Mai, in welcheni es heißt:
„Nach Beendigung des Krieges mit Serbien athmete Alles hier, wo im Grunde genommen“ wenig Sympathien - für das benachbarte Parstenen vorh:nden waren, frei auf. Man gab fich der Hoffnung
in, daß sich nun normale Verhältnisse entwileln dürften, welche eine Entfaltung der Arbeitskräfte gestatten werden. Leider zog man die Eventualitäten eines neuen Krieges nicht in Betracht, unter dessen Konsequenzen- ünsere Provinz nunmehr viel zu leiden hat. Die Regierung branht niht nur Geld, fondern auch Proviant, Transportmittel und Schlachtvieh ; sie kann alles das nicht Täuflih erwerben, weil sie über keine Mittel verfügt. Eine auswärtige Anleihe is jeßt {wer zu kontrahiren, und der Aus\chrei- bung eines inneren Zwangsanlehens steht der gewaltig in der Türkei um sih greifende Pauperismus im Wege. Man nimmt also “seine SeluRt zu ewigen Kontributionen, die das Volk buchstäblich an den
eitelstab bringen. Wenigstens ist dies in Alt-Serbien der gar Vom Getreide wurde bereits eiu Zehent gleich nah der vorjährigen Ernte erho- ben; nnnmehrläßt der Muütefsarif abermals den Zehent von allên noch vor- handenen Vorräthen cinheben. Ueberdies verfügten sich Beamte un-
e IeB nt in pie Dörfer des ada a for en ; Hau]jexu- ein engespann ein. Je äuser muß- ten eîn Pferd liefern. Wia tbâtlichon Widerstande war nir e die Rede, wohl aber flossen reichlich Thränen. Die Bauern sehen sih genöthigt, der Erntezeit ohne Zugvieh entgegenzugehen. Die Mohamedaner werden in diesem Grade zur Entrichtung von Ab- ges nicht herangezogen, dafür aber müssen sie sämmtlich, inso- ern sie waffenfähig find, Haus und Hof verlassen und nach der Herzegowina marschiren Wiewohl die Pforte die un- erhörtesten Anstrengungen um die Militärkraft des Reiches auf eine noch niht dagewesene Höhe zu bringen, fo verhehlt man sih do nicht, daß auch diese Macht unzulängli fein werde, um die Gefahren zu bannen. Auch hat sich aller mohamedanischen Kreise in Altserbien der tiefste Pessimismus bemächtigt. Die an- eifernden und aufmunternden Predigten der Hodschas in den Moscheen Fönnen die Stimmung nicht ändern. Selbst die Verkündigung, daß der Sultan als „Ghazi“ unbesiegbar sei, ließ die Leute kalt. Dieser Zustand der Gemüther beunruhigt selbst die Vilajetsregier .:ng, welche besorgt, daß die Verzweiflung die Mohamedaner neuerlich zu gefähr- lihen Erzessen treiben könne.“
— Ueber die Zustände auf Kreta, telegraphirt man dem „Observer“ unterm 26. d. aus Canea: „Jn Kreta herrsht große Aufregung; die Türken geben den Einwohnern pt Anlaß zum Verdruß. Neulich wurde ein christlicher Abgeordneter von türkischen Offizieren öffentlih insultirt und Seitens der Regierung wurde seiner Beschwerde keine Auf- merksamkeit ae Es verlautet, daß in dcn ländlichen Kreisen türkishe Truppen große Grausamkeiten gezen die Bevölkerung sowie viele Ausschreitungen gegen Frauen verüben. — Am Donnerstag machte eine Deputation der kretanischen Legislatur dem britischen Konsul zu Ehren des Geburtstages der Königin Victoria ihre Aufwartung. Es herrscht unter den Christen eine starke Bewegung zu Gun- sten Englands und es verlautet allgemein, daß die britische Regierung formell angegangen werden wird, ein Protektorat über die Jnsel herzustellen.“ :
Sehweden und Norwegen. Stockholm, 28. Mai, (H. N.) „Stocholm. Korr.“ widerlegt die beunruhigenden Ge- rüchte, welche neuerdings über den Gesundheitszustand der Königin in Umlauf geseßt worden sind und theilt aus voll- ständig zuverlässiger Quelle mit, daß der Zustand der hohen Patientin in der leßten Zeit im Gegentheil viel besser ge- wesen ist, weshalb auch kein Grund vorhanden sein dürste, die Rückreise von Heidelberg nah Schweden auf einen andern als den bisher bestimmten Zeitpunkt, nämlich Mitsommer, hinauszuschieben. — Der Überstkommandirende im ersten Militärdistrikt, General-Lieutenant Eric Magnus af Klint, ist am 26. d. M. verstorben.
— (H. C.) Der am 25. geschlossene Neichsta g hat in seiner diesmaligen Session niht viele Geseße von größerer Bedeu- tung angenommen. Die wichtigste Frage, welche vorlag, war die Militärfrage, hinsichtlich welher die Regierung mit pee Mäßigung und Vorsicht vorgegangen ist, und es hat tiefes Bedauern in den gebildeten Kreisen der Bevölkerung erregt, daß der Regierungsantrag auf Erweiterung der Wehr- pflicht u. s. w. mit geringer Majorität von der Zweiten Kammer verworfen worden ist. Die Forderungen, welche von der Re- gierung zu Vertheidigungszwecken - verlangt wurden, sind da- gegen — mit Ausnahme einer Forderung zu Marinezwecken — angenommen worden, gleichwie der Reichstag au den Re- gierungsvorlagen in Betreff der Pensionirung der Armee- befehlshaber, des Schußes des literarishen Eigenthumsrechtes und der Nachbildung von Kunstwerken, fowie in Betreff des Landpostwesens, der Stockholmer Kommunalverwaltung, des Vollzugs der Todesstrafe u. st. w., seine Zustimmung gab. Die von der Regierung pro 1878 verlangten 6 Millionen Kronen zum Bau neuer Eisenbahnen sind ebenfalls bewilligt worden und sollen zur Fo -tsezung der Arbeiten der Bahn von Torpshammer bis zur Reichsgrenze und der nördlichen Stammbahn verwendet werden.
Amerika. Aus Washington wird dem Reuterschen Bureau unterm 29. d. M. per Kabel gemeldet: Der Präsident Hayes hat ein Schreiben an den Sekretär des Schatßzamtes, Mr. Sherman, gerichtet, worin er Einschränkungen in den Staatsausgaben empfiehlt und die Nothwendigkeit einer Reform des Zollamtsdienstes auf einer geschäst- licheii Basis, frei von parteigängerischer Kontrole oder poli- tischer Einmischung, betont. Mr. Sherman hat demgemäß Verordnungen erlassen, welche diese Prinzipien unverzüglich auf das New-Yorker Zollamt in Anwendung bringen. — Es hat ein Gefecht zwischen Jndianern und Bun- destruppen slattgefunden, in welhem eine Anzahl der ersteren getödtet wurde. Ein amerikanischer Offizier und sieben Soldaten wurden verwundet, und vier Soldaten blieben todt auf dem Plage.
Afrika. (A. A. C.) Aus der Kapstadt wird unterm 18. d. M. übex Madeira gemeldet: Cetewayo, der König der Zulus, hat die Armee zurückberufen, mit welcher er Transvaal bedrohte. Ein Telegramm der „Cape Times“ meldet die Ankunft von 1000 Mann britischer Truppen in Prätoria, der Hauptstadt von Transvaal. Jn Bloen- O im Orange-Freistaat, wurde das Bildniß des edacteurs t es „Expreß“ verbrannt, auf Grund eines anti- eitglischen Artikels in seiner Zeitung über die Annexio:1 von Transvaal.
Der russisch-tärkische Krieg.
S.t. Petersburg, 31. Mai. (W. T. B.) Nah einer Méldung der „Agence Russe“ würde Fürst Milan von Serbien den Kaiser Alexander in Bukarest begrüßen, eine Begegnung des leßteren mit dem Kaiser von Dester- rei sei niht in Frage gekommen.
London, 31. Mai. (W. T. B.) Jm Unterhause erklärte auf einé Anfrage Sandfords Unter-Staatssekretär Bourke, die zukünftige Politik Englands hänge voll- ständig von den Umständen ab, die englishe Regierung habe jedoh Grund zu glauben, daß weder Rußland noch eine an- dere Macht der Meinung sei, daß die Friedensbedingungen andere fein könnten, als solche, denen Europa überhaupt bei- pflihten würde. Die diplomatischen Aktenstücke über die Unterredungen des Marquis von Salisbury mit dem Herzog Decazes und mit dem Fürsten von Bismarck könne er nmcht vorlegen, weil solhe durchaus vertraulicher Natur seien. Was die rage anbelange, ob Rußland Vorschläge in Bezug auf die Lokalisirung des Krieges gemacht habe, so könne er nur sagen, er wisse von keinen Mittheilungen solcher Art von Seiten Rußlands, die dur die englishe Regierung abgelehnt worden wären. Sandford zog nach dieser Erklärung den Antrag auf Vorlegung der gedachten diplomatischen Aktenstücke zurück. —
Jm Fortgange der Sitzung richtete Elcho die Anfrage an die Regierung, ob dieselbe auf die Eventualitäten eines Krieges vorbereitet sei. Der Staats-Sekretär des Krieges, Hardy, erklärte, es wäre zweckmäßiger gewesen, eine olche Frage zu unterlassen. Da dieselbe aber einmal estellt sei, so erkläre er, es sei Pflicht der Regierung auf jeden Nothfall vorbereitet zu sein und obschon sie die Streit- fräfte Englands auf dem Friedensfuße erhalte, habe sie do mögliche, aber, wie er hoffe, niht wahrscheinliche Eventualitäten nit außer Acht gelassen.
London, 31. Mai. (W. T. B.) Bei einer in Bir- mingham zu Ehren Gladstone's stattgehabten Demonstration, an welcher si gegen 30,000 Personen A geen, ielt Gladstone eine Rede, in welcher er die Politik der Ne -
ierung angriff, welche das Einvernehmen der europäischen Mächte gestört habe und daher für den Krieg verantwortlih emacht werden müsse. Gladstone rechtfertigte die Agitation in der Bevölkerung und verlangte die Auflösung des Parla- mentes, damit das Volk den Beweis liefern könne, daß es mit der liberalen Partei \sympathisire. Der Redner wandte sih \{ließlih auf das Entschiedenste gegen das von der Pforte be- folgte System.
Europäischer Kriegsschauplaßt.
Bukarest, 31. Mai. (W. T. B.) - Die von dem türki- sh:n O erhobene Béschuldigung, daß das H90- \spital von Widdin durch die rumänischen Batterien von Kalafat bombardirt worden sei, wird von rumä- nischer Seite auf das Entschiedenste als unrichtig bezei ch- ñet, das Feuer der rumänischen Batterien sei dur die Obersten Gaillard und Doctoroff e und lediglih gegen die Forts der Citadelle und gegen das türkische Lager gerichtet worden. Auch hätten Berichterstatter der verschiedensten Län- der dem Bombardement beigewohnt und könnten bezeugen, daß die türkischerseits “vfgcielite Behauptung jedweder Be- gründung entbehre. ;
Konstantinopel, 31. Mai. (W. T. B.) Die Pforte
“ hat bekannt gegeben, daß sie beabsichtige, demnächst an ver-
chiedenen Punkten der Dardanellen und in der Bay von Smyrna Torpedos legen zu lassen.
Wien, 1. Juni. (W. T. B.) Telegramme des „Neuen Wiener Tageblattes“/: Kladowa. Der größte Theil der rumänischen Armee is in der Umgebung Kalafats ko n- entrirt. Das Bombardement auf Widdin hat die
ortige türkische Militär-Dampfbäerei zerstört. Jn Folge der bei Adakaleh dur die Türken erfolgten Donausperre soll demnächst auch Adakahleh bombardirt werden.
— Wie die „Pol. Corr.“ meldet, finden in der Umge- bung von Adrianopel fortwährend Aufnahmen durch Genie- Offiziere statt, welche die Anlage von einer Reihe von Be- festigungen aller Balkanpässe bezwecken. Auch eine andere militärische Vorsihtsmaßregel, welche mit Nücksicht auf die Unverläßlichkeit des bulgarishen Elementes gerechtfertigt erscheint, ist der Erwähnung werth. Jn Folge des Brandes einer Eisenbahnbrücke bei Yeni-Mahalè wurde die Verfügung getroffen, daß alle größeren Eisenbahnbrücken permanent mi- litärish ofkfupirt werden. Einstweilen wird dieser Dienst, ebenso wie dex Garnisonsdienst in Adrianopel und in anderen Punkten des n von den Mustehafiz versehen, da Alles, was Nizam und Redif heißt, zur Donau-Armee -abgegeben werden. mußte.
— Ueber die Zerstörung des zweiten türkischen Monitors veröffentlicht der „St. Pet. Herold“ vom 29. Mai folgendes Telegramm des Großfürsten- ber-Kon:mandirenden vom 28. Mai:
„Heute legte ih selbst den Lieutenants Dubassoff und Scheftakoff Georgsfkreuze ‘an. Diese beiden Tapferen und mit ihnen Lieutenant Petroff, die Midshipmans Persfin, Bal und der rumänische Major Murshe|ko gingen in den sicheren Tod: nur Gott rettete sie vor dem Untergange. Den ersten Schlag verseßte Lieutenant Dubassoff von dem Kutter „Zesarewits{h“, über den fofort die Wellen \{chlugen; den zweiten Schlag, der den Untergang des Monitors definitiv nate, verseßte Lieutenant Schestaklof von dem Kutter „Ksenia“; beide Schläge wurden unter einem agel von Bomben und Kugeln der türkischen dieselben fäft berührenden 3 Monitors bewerkstelligt. Der Kutter „Ksenia“ wurde mit Bruch- stücken. des Monitors derart überschüttet, daß selbe die Schrauben verstopften und es nothwendig wurde, denselben knapp am Bord des sinkenden Monitors, aus dessen Thurm die Türken das Feuer fort- seßten, zu reinigen. Der Kutter des Midshipman Perssin „Dshigit“, dessen Hintertheil von einer Kanonenkugel durchlöchert und der dur® eine zweite knapp vor dem Schnabel gefallene Kanonenkugel mit Wasser gefüllt wurde, mußte zum feindlichen Ufer abgehen, um die nöthige Auébesserung und das Wasserausscöpfen vorzunehmen. Der Kutter des Midshipmans Bal „Zesarewna“ hielt sihch die ganze Zeit hindurch bereit, die Bemannung des Kutters „Zesarewitsch“, dem jeden Augenblick das volle Untersinken drohte, an Bord zu nehmen. Major Murshesko und Lieutenant Petrow waren die ganze Zeit hindurch die thätigsten Gehülfen von Dubassoff und Schestakoff, und befanden sih ungefähr 20 Minuten unter dem Feuer von Geschüßen, deren Mündung sie fast berührte. Unsere Helden verloren durch Willen der allmächtigen Vorsehung auch nicht einen Mann und kehrten bei anbrechender Morgendämme- rung nah Braila zurück. Nah Entfernung der übrigen türkischen Monitore richteten Dubassoff, Perssin und Bal neuerdings ihre 3 Kutler gegen den gesunkenen Monitor und nahmen von demselben die Flagge herunter. Die dein zeigten sich als wahre Helden: da war nicht die mindeste Aengstlichkeit zu sehen, gar kein Gespräch, als wie wenn sie beim Unterricht wären. Auf den 4 Kuttern befan- den fich 40 Personen.“
E, Bs Danilograd in Montenegro telegraphirt ein Korrespondent der „Times“ unter dem 27. d. M.: „Alle Angaben, daß montenegrinische oder russische Offiziere an den aufständishen Bewegungen in Bosnien Theil nehmen, sind unbegründet. Montenegro wird keinen Schritt thun, welcher Oesterreich unangenehm berühren könnte, und ih erfahre aus hochoffizieller Quelle, daß kein einziger russischer Offizier näch Bosnien entsendet worden ist.“
_Cettinje, 22. Mai. Der „Pol. Korr.“ wird von hier geschrieben : j
Es scheint, daß die vor drei Tagen erfolgte Abreise des Fürsten Nikolaus von Orja-Luka als das Signal zum Beginne der Opera- tionen in der nächsten Zeit zu betrachten sein dürfte. Am 19. d. M. bekam das Fürstlihe Hauptquartier ganz unerwartet den Befehl, nach dem Duga-Passe aufzubrehen. Man überseßte auf kleinen Nachen die Zeta, während der Train den Weg über Danilov-Grad nahm, wo dieser Fluß überbrüct ist. Der Marsch nach der Herzego- winer Grenze war, wie der Sekretär _ des Fürsten Popovich hierher meldet, sehr beshwerlich, In Ostrog, an der Grenze, hielt sih der Fürst nur aht Stunden auf und begab si darauf in ung des Personals des Hauptquartiers über die Grenze nah Lukowo, wohin der Kommandaut des herzegowinishen Corps Peter Vukotits berufen wurde. Der Fürst passirte Povije, Planinica und
hart bei Nifksic vorbei, wo die Türken wahrscheinlich die Nähe des Parhen nicht vermutheten. “Wie és heißt, wird Fürst Nikolaus ein N Matter in Lukowo aufs{lagen und bis zur eventuellen Eröffnung einer Aktion gegen Niksic dort verbleiben. Allem Anscheine nach dürfte es mit leßterer Anfangs Juni voller Ernst werden. Die Stärke des Corps Vukotits ist eine folche, daß sie eine Operation in größerem Style gestattet. Vorige Woche erhielt dieses Corps einen neuen Zuwachs durch drei Bataillone, welche neuerlich aus Herzegowinern formirt worden sind. Im Ganzen dürfte dieses Corps bei 12,000 Mann mit 16 Geschüßen und einer Bergbatterie stark sein. Die Türken unter Suleiman Pascha verfügen nach ganz verläßlihen Daten über 30 Bataillone, zu 500 Mann das Bataillon dur{chs{nittlich gerechnet, was die montenegrinishen Hoffnungen auf neue Erfolge nit herabzustimmen geeignet ist. Um die Montenegriner mit Erfolg in Scha halten zu können, müßte bei den gegebenen Terrain- verhältnissen mindestens eine dreifache türkische Uebermacht vorhanden scin, was eben nicht der Fall ist. In Ostrog, am Eingange in den Duga-Paß, sind beträchtliche Quantitäten an Munition und Pro- viant aufgestapelt worden. Bis zum Spätherbste sind die Monte- negriner mit Allem versehen. Auch an guten Waffen ist kein Mangel. Der Fürst ließ an alle jene Montenegriner, welche noch in der vor- jährigen Campagne si alter Vorderlader bedienen mußten, nunmehr Hinterlader vertheilen.
Asiatischer Kriegsschauplaßt.
St. Petersburg, 31. Mai. (W. T. B.) De von der türktishen Regierung mittelst Fe egramut an ihre Vertreter im Auslande gemeldete Wiedereinnahme von Ardahan ist augenscheinlich unrihtig, da noch heute und zwar vom heutigen Tage datirte Telegramme aus Tiflis hier eingegangen sind, welche dieses Ereigni”es keine Erwähnung thun.
St:. Petersburg, 31. Mai. (L. H. T. B.) Aus Tiflis wird hierher berichtet, daß dort Armenier aus Wan in \chrecklich elendem Zustande eingetroffen sind. Die Erzäh- lung der türkishen Gräuel is schauderhaft. Vor den Augen des Einen wurden zwei Söhne getödtet, die Frau und Töchter entehrt und erdrosselt. Die Türken rauben, plündern und morden in Wan. — Die Türken verloren bei Ardahan 4000 Mann; 1500 Mann wurden beerdigt, 2 Bataillone er- tranken in der Kura. — Die Leitung der in dem Ardahan- schen Bezirke cingesührten russishen Verwaltung übernahm General Popfko.
St. Petersburg, 1. Juni. (W. T. B.) Telegramm des Ober-Kommandirenden der Kaukasusarmee vom31. Mai: Bei der Bevölkerung von Kabuleti macht sich eine fried- lihere St mmung bemerkbar. Jn einigen Dörfern haben die Einwohner die Waffen aus eigenem Antriebe ausgeliefert, andere haben ihre Unterwerfung erklärt. — Das anhaltende Regenwetter verhindert noch immer größere Bewegungen. Die Hauptkräfte unserer Armee stehen bei Kars. Eine Ko- lonne ist südwestlich dirigirt, um die bei Soghanligh erschie- nenen Türken zu beobachten. — Jn einigen Dörfern des Tere k- gebietes brach ein neuer Aufstand aus; es wurden des- halb zwei Kolonnen dorthin gesandt, welche die Fnsurgenten zerstreuten und die Ansiedelung des Hauptanführers des Auf- standes, Alibk, zerstörten. Eine der Kolonnen unter Oberst Nakaschidse stieß bei Siuch auf eine Schaar von circa 500 bewaffneten Einwohnern, von denen 80 getödtet, 100 ge- fangen genommen wurden. Die aufständischen Aulen Artluch und Danuch wurden zerstört. Die Bevölkerung der übrigen Aulen verhält sih ruhig.
Tiflis, 29. Mai. (Tel. d. W.„Pr.“) General T\cher- najeff hat seine Eintheilung als zweiter Brigadier bei der 21. Jnfanterie-Division, General-Lieutenant Petrow, Ee — Drei der hervorragendsten Mitglieder der Gesellschaft vom „Rothen Kreuz“ sind hier eingetroffen, um die Direk- tion des Feld-Sanitätswesens zu übernehmen. — Von der Armee werden nur unbedeutende Rekognoszirungs- Gefechte der drei vorrücenden russishen Kolonnen gemeldet.
Varna, 30. Mai. (Tel. d. „Fremden-Bl.“) Wie ver- lautet, habe der Serdar Ekrem verordnet, daß alle T\scher- kessen, welche die russishe Armee verlassen und sich nah Bulgarien flüchten, hierher geschickt, und von hier darin per Schiff nach dem Kaukasus zur Verstärkung des Auf- standes daselbst gebracht werden sollen.
— Die „Pol. Korr.“ veröffentlicht den ersten aus amt- licher russischer Quelle stammenden Bericht aus dem Haupt- quartier des Alexandropoler Corps der Kaukasus- Armee, dem wir Folgendes über den Einmarsch der Russen in das türkische Gebiet entnehmen :
: Lager vor Saim, 30. (18.) April.
Am 24. April überschritten bei Tagesanbruch die ersten Abthei- lungen der russischen Kavallerie gleichzeitig an mehreren Stellen ben die Grcnze zwischen Rußland und der Türkei bild-nden Fluß Ar- patschaj. Die nichts ahnenden türkisben Grenz-Kordons wurden so- fort gefangen genomme... Es folgten zwei kombivirte Kavallerie- Divisionen unter Kommando des Generals Fürsten Tschawtschawadse. JIngenieur-Oberst Bulmering \ch{chlug inzwischen bei Bajandura eine Brücke nach Kapelshem Systein über den Arpatschaj. Die erste und zweite Brigade der kaukasishen Grenadier-Division waren die ersten, welbe die Brücke passirten und die Straße nah Kars einshlugen. Das ganze Thal des Arpatschaj bei der Qua- rantaine war mit Lastwagen, Geschüßen, Munitions- und Proviantkarren, Irfanterie- und Kavallerie - Abtheilungen, in augenscheinlich buntem Durcheinander und doch in größter Ordnung vorwärts\chreitend, gedrängt voll. Regiment nah Regiment zog an der Quarantaine, wo sich der Corps-Kommandirende postirt hatte, vorbei, passirte die einige Stunden vorher geschlagene Brücke und betrat das feindliche Land. Fortwährend brahte man neue Ge- fangene, die dem General vorgestellt und sodann weitergebracht wurden. Hinter der Brücke begann ein steiler Aufgang zum türki- schen Lager. Tausende von Bewohnern Alexandropols halfen der Be- inannung die Lastwagen und Geschüße zu dem steilen Ufer fortzu- bringen. Knapp daneben bereiteten inzwischen Sappeurs einen neuen, leichter zugänglihen Aufgang. Auf der Karsschen Chaussee zeigte sih eine Kavallerie-Abtheilung. Es waren dies russische Dragoner, die eine Partie türkischer Reiter eskortirten. Den Dragonern folgten türkische Kurden und Karapachen, die dem „weißen Czar* ihre Dienste anbieten wollten. Die Gefangenen wurden in die Stadt gebracht, die neuen Milizen blieben bei den Truppen. Die gefangenen Suwaren hatten cin kräftiges gesundes Autsehen und gute Pferde, doch s{lechte Equipirung. Ihre „Magazingewehre“ waren sämmtlich noch geladen, da die Türken in Folge des plöblihen Ueberfalles gar niht zum Schuß gekommen waren. Das Corps zog längs ‘der Heerstraße, deren beide Seiten durch Infanterie-Abtheilungen, Tirailleursketten und Rekognoszirungs- Detachements der irregulären | Kavall.rie gedeckt wurden, in der Richtung nah Mollah-Mufssa hin, wo auch etwa 6 Werst von dem Uebergangspunkte das erste Bivouak aufgeschlagen wurde. Die Truppen lagerten sich in dem breiten Bergkessel längs des Dorfflusses. Der Stab placirte sih in Erdhütten rings um den Corps-Kommandirenden. In der Nacht hatte die russishe Ka- vallerie eine kühné Rekognoszirung vergenommen, bei der es ihr ge- lungen war, durch einen überrashenden Ueberfall den en tür- fishen Grenzcordon sammt Pferden und Waffen ohne jegliches Blutvergießen aufzuheben. Die irreguläre Kavallerie trieb den Feind
haufenweise vor sich her und verbreitete ringsum panischen Schrecken. Die Kavallerie brate am folgenden Morgen 177 türfkfishe Gefangene ein, die von Mollah-Mussa über Alexandropol nach Tiflis weiter befördert wurden. Im Gegensaßtze zu den am vorhergegangenen Tage Eingebrachten waren diese türkischen Gefangenen recht ‘gut ‘gekleidet und keineswegs entmuthigt. Bereits um 5 Uhr Morgens-war-Alles zum Aufbruche bereit. Die Avantgarde zog längs "der breiten Peer, straße. Die Infanterie vewegte sich, beiderseits dur Tirailleurketten gedeckt, vorwärts. Zwischen den einzelnen Regimentern zogen \chwere Geschütze, und rückwärts die Daghestansche irreguläre Kavallerie. Die Abtheilung seßte sih langsam und vorsichtig in Bewegung. Die in der Zwischenzeit fortwährend eingebrahten Gefangenen wurden längs des Zuges, unter freudigem Zuruf der marschirenden Soldaten, weiter befördert. Der große Train machte ein rasches Vorwärtsgehen unmöglich. Das in zwei Kolonnen mar- \chirende Corps legte am 25. nur 7 Werft und am 26. 9 Werft zurü. Unendlih schien die Reihe der je mit 4 kräftigen Pferden bespannten und mit Leichtigkeit 60 Pud ziehenden Lastwagen. Am 27. rückten die Truppen, von dem Feinde vollständig unbelästigt, da die weit vorwärt8gegangene Kavallerie einem jeden eventuellen Angriffe vor- beugte, in der bereits erwähnten Ordnung von Kisil-Tshachtschach in der Richtung gegen Dshamusli aus; der Stab blieb in Kisil-Tschach- tshach bis 12 Uhr Mittags, wo erst der Corps-Kommandirende auf- brach. Die Kolonne überschritt den in den Arpatschaj mündenden Gs Karachantschaj (auch Kars-Tschaj genannt). Die Ufer desselben ind nicht sehr steil; die Breite beträgt 6 bis 7 Faden, nnd das Wasser reiht bis zum Gürtel. Eine Brücke wurde nicht geschlagen. Die Kavallerie, Artillerie und- der Train zogen direkt durch das Wasser, die Infanterie passirte den Fluß mit Entledigung der Unter- fleider, die an die Bajonnete . gehängt wurden. Für die Nachhut wurde durch den Oberst Bulmering in der Nähe des Dorfes Dshamusli binnen drei Stunden eine Brücke ge- \{lagen. Die Truppen passirten die Brücke und lagerten \sich an dem linken Ufer des Kars-Tschaj. Mit der Uebertragung des Kom- mandos des Hauptcorps der Kaukasuë-Armee an den General Loris- Melikoff ist ein glücklicher Griff gemacht worden. Das Territorium, durch welches derselbe sein Corps gegen den Feind führt, ist dem General in allen seinen Details bekannt. Melikof} kommandirte während des Krimkrieges eine besondere, aus allen möglichen Ele- menten formirte Abtheilung; in derselben waren Armenier, Grusinen, russische und türkische Unterthanen, die aus beiden Lagern defertirt waren, Karapachen, Griechen 2c. zu finden. Melikoff zeichnete si mit seiner Legion in der Folge bei der Erstürmung von Kars aus. Demselben wurde nach der Einnahme der Festung und der Beseßung des ganzen Kars\{hen Paschaliks die Verwaltung von Kars übertragen. Troß der in das benachbarte - Dorf Schachnadar gesandten Proklamation waren viele Bewohner desselben in der Zwischenzeit geflohen. General Melikoff ertheilte den Befehl, die Häuser der Geflohenen zu demoliren, und wurde leßterer mit aller Strenge ausgeführt. Ein Türke und ein Armenier gingen den Truppen mit ihren Aussagen an die Hand. An die Hâujer der Zurückgebliebenen wurden Wachposten gestellt ; der Rest des Dorfes wurde zum abscreckenden Beispiel der Ver- nihtung anheimgegeben. Um 3 Uhr Nachmittags traten die Truppen neuerdings den Marsch an. Der Weg wurde felsig und steil. Links erhob sich der Berg Kara-Gusy mit dem Dorse Indshy-Dara am Fuße. Weiter zog sih der Berg Karajal, der eine wichtige Rolle in der Schlacht bei Kuruk-Dara spielte. Die Truppen passirten eine felsige und stark gewundene Scblucht, aus der ein heller und klarer Bach entsprang, und betraten das berühmte Kuruk-Dara’sche Schlacht- feld. Hier hatte im Jahre 1854 eine Handvoll Nufsen einen vier- mal stärkeren Feind aufs Haupt geschlagen. Auf dieser Stelle wurde das Bivouak aufgeschlagen und der Feldtelegroph gelegt. An diesem Tage legten die rufsishen Truppen zehn Werft zurück,. Am 28. um 8 Uhr Morgens wurde das Lager bei Paldyrwan abgebrochen und die Kolonne nahm den Weg nach Saim an.
— Ueber das Wesen und die Wirkungsfähigkeit der Tor- pedos enthält cin Artikel der „Rep. Frans.“ _niht ganz all- R bekannte einzelne Details. Derselbe lautet auszugs- wen)e:
„Obwohl die Torpedos vorzugsweise eine Defensivwaffe und deshalb auf dem Schwarzen Meere für die Russen, die dort auf die Vertheidigung angewiesen sind, von großer Bedeutung ist, spielen die Torpedos auch eine mächtige Rolle .als Angriffswaffen bei Kämpfen auf offenem Meere und bei der Küstenvertheidigung. Alle Marinen Europas haben mit den Torpedos eingehende Versuche an- gestellt und sind so ziemlich alle zu denselben Resul- taten, zu demselben Grade der Vollkommenheit in dieser furchtbaren Waffe gelangt. Die - Russen waren die ersten, die im Krimkriege von den Torpedos Gebrau} machten, als die Engländer und Franzosen durch die Ostsee heranrücken wollten. Der Torpedo, der zur Defensive gebraucht wird, ist ein rundes Gefäß aus hartem Metall, welches mit einem erplodirenden Stoffe, meist mit Nitro-Glycerin, gefüllt ist. Er ruht auf dem Meeresgrunde an einem Orte, dessen Lage ganz genau bekannt ift. Die Torpedolinien laufen gewöhnlich miteinander parällel oder fie passen sih der Gestalt der Küsten an, die si: zu vertheidigen haben. Jeder Torpedo steht mit dem Ufer durch einen Faden in Verbindung, der mtt einer starken elektrischen Batterie zusammenhängtk. Alle Fäden find in dieser Batterie an einem Orte vereinigt, der vor den feindlichen Geschossen sicher ist. Rückt ein feindlihes Geschwader an die Küste heran, fo beobachten zwei Mann genau die Bewegungen der feind- lichen Schiffe. Sind die Beobachter sicher, daß sih ein Schiff über einem Torpedo oder im Bereich seiner Na befindet, fo seßen sie den Torpedo durch den elektrischen Funken in Brand. Die Wirkung ist blitzartig. Jn tausend Atome zerschmettert versinkt das Schiff mit der Mannschaft. Da es keinen b:sonderen Schwierig- keiten unterliegt, die Fäden, welche die Toryedos mit dem Ufer ver- binder, abzuschneiden, sind natürlich noch starke Batterien an den Ufern nöthig, um die Annäherung feindlicher Boote zu hindern. Die Angriffs-Torpedos werden gewöhnlich im Vordertheile leichter Fahrzeuge angebraht, deren Fahrgeshwindigkeit 18 Knoten in der Stunde beträgt, eine Geschwindigkeit, die bisher fein Kriegs\chif erreiht hat. Kühne Seeleute müssen ih tazu hergeben, um die Torpedos in die Mitte der Feinde zu bringen. Daneben giebt es auch \ich selbst bewegende Tor- pedos, welche ihre Fortbewegung komprimirter Luft verdanken, die eine oder zwei Schrauben treibt. Sie sind so konstruirt, daß sie im Stande sind, die Richtung innezu“ alten, die ihnen vom Ufer aus ge- geben worden ist. Der Erfinder der Torpedoschiffe, deren Schnellig- feit vordem niemals erreiht worden war, heißt Tornicrofft. Ein folches Boot kostet 80,000 Francs. Drei Mann genügen zu seiner Bedienung. Sobald ein Geschwader von Panzerschiffen einen Hafen rekognosziren will, oder sich dem Ufer nähert, um eine günstige Gelegenheit zur Landung zu suchen, werden die Torni- croffts, die sih in den kleinsten Einschnitten des Ufers verbergen éfönnen, sofort ins Meer gelassen. Sie fliegen mit fabelhaft:r Schnelligkeit auf das Geschwader, das nicht cinmal mehr im Stande ist, zu fliehen. Jedes Boot hat si seinen Gegner ausgesucht, auf den es losftürzt. Sicher wird mehr als eines im Kampfe nnterlie- gen, aber der Verlust is ein verhältnißmäßig geringer. Gelingt es nur einem, seinen Torpedo anzubringen, so verschwindet ein Sbiff von 12 oder 14 Millionen Werth mit 609 Mann in den Fluthen des Meeres. Die Nacht und das neblige Wetter sind für die An- griffe der Torpedoboote besouders günstig. Die Vertheidigungs- mittel, welche die Panzerschiffe bisher angewendet haben, haben si als unzureichend erwiesen. Sobald aber do die Torpedoboote zurück- ewichen find, beginnen die sih selbst b-wegenden Torpedos ihr furht- bares Werk, dem Niemand entrinnen kann. Ein solcher Torpedo vermag bei einer Schnelligkeit von 8 bis 10 Knoten 800 Meter zu durhmessen. Hat er fein Ziel verfehlt, und ist seine Bewegungs- kraft erschöpft, so steigt er an die Oberfläche und bildet noch ein ge- I Hinderniß, welches der Feind niht ohne Schaden über- winden kann.“