1877 / 127 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Jun 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Der zwischen Sr. Majestät dem Kaiser im Namen des Reichs und Sr. Majestät dem Könige von Tonga am 1. No- vember 1876 abgeschlossene und mit diesem Tage in Kraft ge- tretene Freundschaftsvertrag ist Allerhöchst ratifizirt, und die Auswechselung der Ratifikationsurkunden angeordnet worden. Der Vertrag wird durh die heute ausgegebene Nummer des „Reichsgeseßblattes“ publizirt.

Die „vereinigten Auss\schüsse des Bundesraths Fr Handel und Verkehr und für Justizwesen, sowie der Aus- chuß für Handel und Verkehr hielten heute Sißungen.

Der Bundesrathsaus\{uß für Handel und Verkehr hat beantragt: Der Bundesrath wolle beschließen: 1) der Reichskanzler sei zu ersuchen, den Entwurf eines Geseßes über die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen thunlichst bald vorzulegen; 2) wegen Aufstellung einer Viehseuchen- statistik seien die gutachtlichen Aeußerungen des Kaiserlichen statistischen Amtes und des Kaiserlihen Gesundheitsamtes einzuholen.

In den deutschen Münzstätten sind bis zum 26. Mai 1877 geprägt worden, an Goldmünzen : 1,097,726,155 4 Doppelkronen, 338,130,500 4 Kronen, 1,986,970 4 halbe Kro- nen ; hiervon auf Privatrehnung: 171,449,334 4; an Silber- münzen: 71,653,095 /6 5-Markstücke, 94,827,308 /6 2-Mark- stüde, 143,512,165 4 1-Marïstüde, 57,640,572 S 50- F 35,717,922 H 80 S 20-Pfenni stüke; an Nielmünzen: 23,502,530 #4 70 &HZ 10 - Pfennigstüe, 11,657,813 M 75 S 5-Pfennigstüke; an Kupfermünzen : 6211,177 6 44 5 2-Pfennigstüde, 3,382,722 M 43 S 1-Pfennigstücke. Gesammtausprägung an Goldmünzen: 1,437 843,625 4; an Silbermünzen: 403,351,062 4 80 S; an Nickelmünzen: 35,160,344 46 45 5 Z; an Kupfermünzen: 9,593,899 A6 87 S.

Die Meldungen zum Supernumerariat bei der Verwaltung der indirekten Steuern sind im vergan- genen und im laufenden Jahre in solchem Umfange erfolgt, daß ein Mangel an Supernumeraren im Allgemeinen nicht Ie vorhanden ist. Mit Rücfsiht auf die in den leßten Jahren wesentlich verbessertèn Einkommensverhältnisse und Avancementsaussihten der Supernumerare ist eine Abnahme der Meldungen auch für die Folge nicht zu erwarten, viel- mehr anzunehmen, daß dem in einzelnen Provinzen etwa her- vortretenden Mangel durch Ueberweisung derjenigen Kandi- daten, welche ih in anderen Provinzen über die vorschrifts- mäßige Zahl hinaus melden, oder dur einen entsprehenden Austausch der bereits angenommenen oder für die Anstellung geprüften Supernumerare abzuhelfen sein wird. Demnach hat der Finanz-Minister durch Cirkularerlaß vom 22. v. die den Provinzial-Steuerdirektoren in den Verfügungen vom 18. März 1874 und vom 15. Juni 1874 auf Grund Allerhöchster Ermächtigung bis auf Weiteres ertheilte Ermächtigung zur Annahme auch solcher jungen Leute, welche nur das Zeugniß der Reife für die Prima eines Gym- nasiums oder einer ‘Realschule 1, Ordnung oder das Zeugniß der Reife aus der Prima eines Progymnasiums oder einer ancrkannten höhern Bürgerschule besißen, aufgehoben und die Anforderung an die wissenschaftlihe Vorbildung der Kandi- daten für das Steuersupernumerariat fortan wieder auf das in der Verfügung vom 14. November 1859 vorgeschriebene Maß erhöht. Es können jedo solche junge Leute, welche vor dem Erlasse der Verfügung vom 22. v. M. die Lehranstalten mit den nach den Erlasscn vom 18. März und 15. Juni 1874 genügenden Schulzeugnissen in der ausgesprochenen Absicht des Eintritts bei der Steuerverwaltung verlassen haben und zur Zeit ihrer Militärpflicht genügen, noch als Supernumerare angenommen werden, sofern sie die übrigen dieserhalb be- stehenden Bedingungen erfüllen und als gute Erwerbungen für die Steuerverwaltung zu betrachten sind.

Nach einer Cirkularverfügung, welhe der Minister des Jnnern im Einverständnisse mit dem Reichskanzler unterm 22. v. M. erlassen hat, ist die Frage: ob die Oeffentlichkeit der Wahlhandlung nur bis präcis 6 Uhr Abends zu dauern habe, und der Wahlvorstand berechtigt sei, von da ab zur Feststellung des Resultates der Wahl das Wahllokal vom Publikum räumen zu lassen, resp. von 6 Uhr ab die Oeffentlichkeit auszuschließen sei, zu verneinen. Die Ermittelung des Abstim- mungs-Ergebnisses in den einzelnen Wahlbezirken, nämlich die in den 88. 17 u. ff. des Wahlreglements vom 28. Mai 1870 vorgeschriebene Eröffnung, Vorlesung, Zählung der Stimmzettel 2c. bilde einen wesentlichen Theil der Wahl- handlung im Sinne des §. 9 des Wahlgeseßes vom 31. Mai 1869 B: G. Bl. S. 145 —, d. h. des Fnbegriffs derjenigen Handlungen, auf Grund deren die in §8. 9 a. a. D. der Wahl- handlung gegenüberge?tellte Ermittelung des Wahlergeb- nisses in den Wahlkreisen (nah näherer Vorschrift der 88. 26 u. ff. des Reglements) zu erfolgen habe. Diese, aus der Natur der Sache und aus dem Gesetze sih ergebende Auslegung des Begriffs der Wahlhandlung würde auch durch einen, in dem vom Bundesrathe erlassenen Wahl- reglement etwa vorfindlichen abweihenden Sprachgebrauch hin- sihtlich des Ausdrucks „Wahlhandlung“, nicht beseitigt wer- den können. Eine solhe Abweichung liege aber in der That niht vor. Vielmehr finde jene Auslegung des Begriffs der Wahlhandlung ihre Bestätigung in §. 18 Absatz 2 des Regle- ments, wonach einer der Beisißer die nah geschlossener Ab- stimmung eröffneten Stimmzettel „bis zum Ende der Wahl- handlung“ aufzubewahren hat, ferner ia Abfayt 3 desselben Paragraphen, wonach die über die Ermittelung des Abstim- mungsergebnisses geführte Gegenliste „beim Schlusse der Wahlhandlung“ von dem Wahlvorstande zu unter- \chreiben ist, endlih in dem Texte des Formulars (Anlage B. zum Wahlreglement) zu dem nach 8. 22 a. a. D. über die Wahlhandlung aufzunehmenden Protokolle, in dessen Fnhalt die hier in Rede stehenden, auf die Ermittelung des Abstim- mungs-Ergebnisses bezüglichen Handlungen miteinbegrifsss seien. Demgegenüber könne es nicht in Beiracht Tommen, wenn nah dem Wortlaute des §8. 9 des Reglements (welcher dem 8. 9 der preußischen Reglements vom 30. Dezember 1866 und 1. Juli 1867 entlehnt ift) die Wahlhandlung um 6 Uhr Abends geschlossen werden jolle, da etwaige Zweifel über den Sinn, in welchem dieser Ausdruck hier gebraucht sei, dur die genauere Präzisirung jener Bestimmung in §. 17 a. a. O. ausges(lossen sei, wonach um 6 Uhr Nachmittags die Abstim- mung für geshlo}en erklärt wird. Die Frage, ob der Ter- min für die engere Wahl mindestens 8 Tage vorher öffentlich bekannt gemacht werden müsse, wie dies bezüglich des ersten Wahltermines (8. 8 des Reglements vom 28. Mai 1870) vorgeschrieben, sei zu verneinen. Die Vor- schrift des §. 8 des Wahlreglements, wonach Tag und Stunde 2c.

der Wahl mindestens 8 Tage vor dem Wahltermine zu ver- öffentlichen ist, finde nah der ausdrücklihen und einem Zweifel nicht Raum gebenden Bestimmung in §8. 31 Absag 3 a. a. O. auf die rüsihtlich der enge-en Wahlen erforder- lichen Bekanntmachungen fkéine Anwendung.

Der Transport der aus Großbritannien nah Deutschland auszuliefernden Verbrecher ist bisher in der Regel durch englische Polizeibeamte bis nach Hamburg er- folgt. Da es sih empfiehlt, an dieser Praxis als Regel fest- zuhalten, so hat der Justiz - Minister die D P an- gewiesen, in den Ausnahmefällen, in welchen die eas der Auszuliefernden durch preußishe Beamte räthlih erscheint, L deshalb Anträge bei dem Auswärtigen Amte zu stellen, damit vor der Absendung dieser Beamten eine Ver- ständigung mit der großbritannischen Regierung herbeigeführt werden kann.

Der Strafrichter ist, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 19. April 1877, befugt, ärztliche Atteste, daß der Angeklagte durch Krankheit am Erscheinen im Termine verhindert sei, nur dann für ausreichend zu erahten, wenn dieselben- von einem Kreisphysikus ausgestellt sind. Leistet der Angeklagte einer bezüglichen richterlichen Verwarnung keine Folge, Foudern reiht er zur Begründuna der beantragten Anseßung eines neuen Termines das E eines Privatarztes ein, so kann der Richter zu dem Kontumacial- verfahren übergehen.

Der Kaiserlihe Gesandte bei den Vereinigten Staaten von Nordamerika, von Schlözer, hat am 17. v. M. Washington mit längerem Urlaub verlassen. Als interimi- stisher Geschäftsführer fungirt während seiner Abwesenheit der Legations-Sekretär Freiherr von Thielmann.

u Folge Ablebens des Kaiserlichen Minister-Residenten bei der Republik Chile, Legations-Raths Mo , werden bis zur Ernennung eines Nachfolgers auf diejem Posten die Geschäfte der Kaiserlihen Mission in Santiago von dem General-Konsulat in Valparaiso, und zwar bis zu der binnen Kurzem zu erwartenden Rückkehr des beurlaubten General- Konsuls Schlubach, durch dessen Vertreter, den General- Konsulats-Kanzler Dr. juris Alt wahrgenommen werden.

S. M. S. „Victoria“ ist am 1. Juni cr., Nach-

mittags, in Malta eingetroffen und hat Abends die Reise nah E fortgesetßt.

M. S. „Hertha“ ist an demselben Tage Nachmit-

tags in Aden eingetroffen. An Bord Alles wohl.

Cassel, 1. Juni. 4. Sißung des Kommunal-Land- tags. Nach Mittheilung - der inzwischen erfolgten Eingänge und Ueberweisung an die betreffenden Ausschüsse erfolgte die vorläufige Beantwortung einer Frage über den Stand der Ver- handlungen in Betreff dér nah §. 22 des Fischereigeseßes vom 30. Mai 1874 zu erlassenden Verordnung. Hierauf erstattete der Eingabenaus\{huß.über mehrere Petitionen von kommunal- ständishen Beamten um Gehaltsverbesserung Bericht und wurden die gestellten Anträge genehmigt. ;

__ Der Antrag des Abgeordneten Bromm auf Verwendung bei der Königlichen Staatsregierung wegen thunlichster Erhal- tung der gegenwärtigen Amtsgerichté wurde einstimmig ange- nomen.

Es erfolgte sodann Uebergang zum ersten Gegenstande der Tagesordnung: Berathung des Entwurfs eines Pensions- reglements für die ständishen Beamten. Das Reglement wurde im Wesentlichen nah dem Antrage des Hauptaus- schusses genehmigt. Fedoh wurde ein Zusaß zu §. 20 dahin beschlossen, daß dem betreffenden Beamten der Rechtsweg zu- stehe, soweit es sich um die Höhe der Pension handle.

Das Regulativ betreffend die Tagegelder und Reisekosten der kommunalständishen Beamten wurde in der vom Haupt- ausschusse beantragten Weise und zwar en þbloc genehmigt.

Ebenso wurde das Regulativ über die innere Einrichtung und Verwaltung des kommunalständishen Landarmenhauses zu Breitenau mit einer geringen Abänderung genehmigt.

Bayern. München, 31. Mai. Wie die „Allg. Ztg.“ vernimmt, ist die Einberufung des Landtages auf den 2. Juli nur zu dem Zwecke beabsichtigt, um den Kammern das ordentlihe Militärbudget zur Vereinbarung in Vorlage zu bringen. Es wird sich hierbei um zwei getrennte Vor- lagen handeln, um den Etat für die Monate Fanuar bis März d. J., dann um den Etat für das neue ReGmungziahr 1877/78. Sn leßterer Beziehung wird es erforderlich sein: eine Konformität mit dem Rehnungsjahr des Reihshaushalts herbeizuführen. Zum ersten Präsidenten der Kammer der Reichsräthe ist der erbliche Reichsrath Graf Franz Schenk von Stauffenberg wieder ernannt worden.

_ Vaden. Baden-Baden, 31. Mai. Vorgestern traf die Großfürstin Marie Vaulowna Wladimir von Rußland hier ein. Heute begab fich dieselbe zum Besuche der Prinzessin Carl nah Darmstadt und kehrte am Abend wieder hierher zurüdck.

Hesterreich-Ungarn. Wien, 1. Juni. (W. T. B.) Von der „Presse“ wird den über die Rü- kehr des Reichs - Kriegsministers nah Wien zirkuliren- den verschiedenen Gerüchten gegenüber O daß der Reichs-Kriegs-Minister Graf Bylandt- Rheydt nicht plöglih aus seinem Urlaube nah Wien zurück- berufen worden sci, jondern seinen Urlaub dem vorher auf- gestellten Programm gemäß ausgenußt habe. Daß die viel- besprochene Konferenz des österreichischen und des ungarischen Ministers für Landesvertheidigung sich nicht mit Mobil- machungsmaßregeln befaßt habe, gehe aus der That- sache hervor, daß der Reichs-Kriegs-Minister den Tag, wo jene S stattgefunden, auf der Reise in Prag zugebracht abe.

Prag, 31. Mai. Auf die Konfiskationen der czechi- schen Adresse an die russishen Slavencomités in den Blät- tern ist nunmehr, wie dem „Pester Lloyd“ von hier telegrä- phish gemeldet wird, die Einleitung einer gerihtlihen Unter- suhung gegen Dr. Rieger, als den Verfasser und Absender der Adresse, und gegen die Genossen, in deren Namen er dabei handelte, gefolgt. Die Konfiskation der Adresse erfolgte wegen des Thatbestandes des Hochverraths.

Niederlande. Haag, 1. Juni. (W. T. B.) Jm Befinden der Königin ist gegen heute früh eine kleine Besserung eingetreten.

Velgien. Brüssel, 1. Juni. (W. T. B.) Jn' der heutigen Sißung der Kammer zeigte der Abgeordnete Frère- Orban an, daß er die Regierung am nächsten Dienstag wegen der Ansprache interpelliren werde, die der hiesige päpst- lihe Nuntius jüngst an frühere päpstlihe Zuaven ge- halten habe.

Großbritannien und Jrland. London, 30. Mai. (A. A. C.) Die Königin hat den Earl von Coventry zum Capitän des Corps der Gentlemen-at-Arms an Stelle des verstorbenen Grafen von Shrewsbury er- nannt. —- Eine Supplementausgabe der amtlichen „London Gazette“ enthält eine Königliche Kabinetsordre, welche die Statuten des St. Michael- und Georg-Ordens dahin abändert, daß künftighin Prinzen von Geblüt, die Abkömm- linge König Georgs I. sind, sowie auch auswärtige Fürsten und Personen von Auszeihnung zu Ehreninhabern dieses Ordens ernannt werden können. Die Königin hat demgemäß dem Prinzen von Wales das Großkreuz des genannten Ordens verliehen und den Herzog von Cambridge als Groß- meister des Ordens bestätigt. Fn der Kabinetsordre heißt es, daß das Wachsthum sowie der Fortschritt des Kolonialreiches die Veränderungen in den Statuten erforderlich machen.

(E. Ee Am 28. d. Mts. starb der Admiral Sir Stephen Lufshington. Am 29. d. Mts. ist der Historiker John Motley gestorben. Er war in Massachusetts geboren und schrieb im Jahre 1856 den ersten Theil feiner „History of the Rise of the Dutch Repablic“, die viele Auflagen erlebte und in das Deutsche, Holländische, Russische, und durch Guizot ins Französische überseßt worden ist. Die erste Hälfte des zweiten Theiles, die vom Tode Wilhelms des Oraniers bis zur Dort= rechter Synode reicht, erschien 1860, die leßte Hälfte 1865. John Motley war Mitglied der bedeutendsten europäischen und amerikanischen Gesellschaften, Ehrendoktor der Rechte von Oxford und der Philosophie von Cambridge, New-York, Har- vard, Leyden und Groningen. Von 1861—1867 war er Gesandter der Vereinigten Staaten am Wiener Hofe. Beï Uebernahme der Präsidentschaft durch Grant erhielt er den Posten des Gesandten in London, trat aber im November 1870 zurück. 1872 ließ er sich in England nieder. Ende des Jahres 1874 ließ er ein Werk über „Leben und Tod Barne- velds““ erscheinen. Der General Grant kam gestern in Manchester an, besichtigte mehrere Fabriken und nahm eine Adresse des Stadtrathes entgegen. Er wird heute nach London fommen und unterwegs in Bedford ebenfalls mit einer Adresse der städtishen Behörde begrüßt werden. Die City von London wird dem General Grant das Ehrenbürgerrecht überreichen und ihm zu Ehren in der Guildhall ein Fest veranstalten.

2. Juni. (W. T. B.) Die amtliche „Gazette“ ver- öffentlicht die Ernennung der Generale Rowan, Yorke und Strathnairn zu Feldmarschällen.

Frankreich. Paris, 30. Mai. Der „Moniteur“ ent- hält heute folgende Note: „Einige Zeitungen versichern, daß die bonapartistishe Partei in gewissen Regierungskreisen einen vorherrschenden Einfluß ausübe. Wenn diese Gerüchte Glauben finden sollten, so würden sie die konservativen Konsti= tutionellen beunruhigen; man muß sie deshalb für falsch erklären. Der Marschall Mac Mahon hat auf das Bestimmteste erklärt, daß er auf dem Boden der Verfassung bleiben wird. Da wir vollständiges Vertrauen in seine Erklärungen haben, fo vertheidigen wir die Politik des Präsidenten der Republik. Wir haben auch die Ueberzeugung, daß keines der Mitglieder des Kabinets andere Ansichten hat, als das Staatsoberhaupt, und daß sie alle auf dem Boden der Verfassung bleiben wol- len. Auf diesem Boden giebt es Raum für die konservativen Konstitutionellen ; keine Partei kann dort cinen vorherrschen- den Einfluß ausüben. Dies ist die einzige Politik, die wir vertheidigen, wie sie au die einzige ist, welhe der Marschall und seine Minister verfolgen wollen.“ Jn einem „Les Droits du Maréchal“ überschriebenen Artikel droht heute der

„Figaro“ mit der Verhängung des Belagerungszustan=-

des, da es nothwendig sei, der maßlosen Sprache der radi- kalen Blätter Schranken zu seßen. Zugleih kündigt er an, daß man Maßregeln gegen die meutrishen Gemeinde- räthe, namentlich gegen die von Paris, Lyon und Marseille ergreifen werde. i

(K. Ztg.) Das Amtsblatt bringt eine Reihe Ernen-= nungen von Gerichtspersonen erster Fnstanz und von Friedensrihtern. Die Gemeinde- und Arrondisse- mentsrathswahlen, welhe am leßten Sonntag in FranE= reich stattfanden,- fielen alle im ‘republifänishen Sinne aus.

(C. L.) 31. Mai. Der Marschall Bac Mahon und seine Gemahlin erschienen gestern in einer Soirée bei dem spanishen Botsckaster, Marquis von Molins. Wie das „Journal officiel“ meldet, hat der Herzog von Broglie in seiner Eigenschaft als Fustiz-Minister gestern einer Sißung des“ Gnadenausschusses präsidirt und bei dieser Gele- genheit angezeigt, daß die Gesinnungen des Präsidenten der Republik hinsihtlich der Verurtheilten sich nicht geändert hätten, daß er also noch immer bereit, sei, gegen die irregelei- teten Jndividuen, die ihren Fehltritt einsehen, und dur gute Aufführung einen Beweis ‘“thker Reue gäben, Milde walten zu lassen. Die namhasftesten Persönlichkeiten des rechten Centrums des Senats und der Gruppe der sogenannten Verfassungstreuen hielten gestern eine Berathung. Der Herzog von Audiffret-Pasquier, welchexr derselben beiwohnte, sprach \sih sehr entschieden gegen ein Bündniß mit den Bona- partisten aus; daæwegen war er dárüber mit feinen Freunden vom rechten Centrum ‘einig, daß man, sobald der Marschall die Kammerauflösung beäntrage, sie auch bewilligen müsse.

(Köln. Ztg.) Die „France“ theilt mit, daß der Herzog Decazes ais Senatskandidat für den durh Tod crledigten Siß Picards auftreten werde. Gestern war großer Empfang bei dem spanischen Botschafter, welhem der Marschall Mac Mahon nebst Gemahlin, der Kaiser und die Kaiserin von Brasilien, Don Francisco Assisi, mehrere Prinzen von Orleans und französishe Minister anwohnten. Der „Français“ meldet, der Minister des Fnnern habe den Maire von Nemours, sowie mehrere andere Ma ires abgeseßt, weil sie das Manifest der Linken unterzeichnet hätten. Heute wurde im Elysée Ministerrath gehalten. Der „Moni=- teur“ ertheilt die Versicherung, daß die Regierung noch feinen Beschluß über die Auflösung der Deputirten - kammer und die neuen Wahlen gefaßt habe. Zugleich zeigt deé „Moniteur“ an, daß der Minister des Jnnern jede poli- tishe Versammlung, welhe die vom Geseß vorgeschrie- bene Zahl von Theilnehmern übersteige, verbieten werde.

Î. Juni. (W. T. B.) Von unterrichteter Seite wer= den die umlaufenden Gerüchte über eine bevorstehende Aen -

derung in der Zusammenseßung des Kabinets als unbe- gründet bezeihnet. Der Präsident des Muni- ipalrathes von Paris, Bonnet Duverdier, ist in olge der Untersuchung wegen einer von ihm in einer Versamm- lung in St. Denis gehaltenen Rede gestern verhaftet worden.

Spanien. Vigo, 1. Juni. (W. T. B.) Das rus- sishe Panzerschiff „Petropawlosk“ ist auf der Fahrt von Cartagena nah Cherbourg hier angekommen.

Ftalien. Rom, 1. Juni. (W. T. B.) Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Melegari, gab gestern zu Ehren des Präsidenten des preußischen Abgeordnetenhauses, von Bennigsen, ein Diner, an welchem der deutsche Bot- schafter von Keudell, die Präsidenten der Deputirtenkammer und verschiedene Minister Theil nahmen. Herr von Bennigsen, welcher während seines hiesigen Aufenthalts auch von dem Kronprinzen Humbert empfangen wurde, ist nah Neapel ab- gereist. Die Kammer hat den Antrag, aus Anlaß des am 3. d. wiederkehrenden (dreißigsten) Jahrestages der Ver- öffentlihung der Verfassung eine Danfk- und Glü dck- wunsch-Adresse an den König zu richten, ange- nommen. Der Papst hat gestern wieder eine

rößere Anzahl von Pilgern empfangen. Jm nächsten S anf istorium sollen die Erzbischöfe von Wien und Agram, sowie ein Franzose und ein Ftaliener zu Kardinälen er- nannt werden.

Griechenland. Athen, 1. Juni. (W. T. B.) Fn der heutigen Sißung der Deputirtenkammer legte Ko- munduros das Programm des neuen Kabinets dar; u demselben gehört die Verdoppelung des Bestandes der rmee, sowie die Enrolirung der Reserven und von Frei- willigen, was die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Er- höhung der Steuerlast nothwendig machen werde.

Türkei. Konstantinopel, 1. Juni. (L. H. T.B.) Heute Mittag fand in allen Moscheen ein feierlicher Gottes- dienst anläßlih der Zurückeroberung Ardahans statt. Die That verrichtete Fsmail Pascha mit seinen kurdishen Schaaren. Die Anzahl der bei den hiesigen Befestigungsarbeiten beschäftigten Arbeiter wurde auf 2000 erhöht. Das tür- kishe Papiergeld ist nunmehr auch in Tunis und Tripolis eingeführt.

Rumänien. Bukarest, 1. Juni. (W. T. B.) Die Kammer hat den Geseßentwurf, betreffend die Emission von 30 Millionen Hypothekarnoten, die durch Domänengüter im Werthe von 60 Millionen unter der Kontrole eines Ueber- wachungscomités garantirt sind, einstimmig angenommen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 29. Mai. Der Antrag der norwegischen Regierung, betreffend den Beschluß des Storthings auf Grundgeseßverände- rung über den Zutritt der Staatsräthe zum Storthing, ist am Donnerstag nah Stockholm abgegangen. F. Sverdrup hat den Antrag gestellt, daß die Staatsabrehnungen

nach dem Finanzjahre, anstatt nach dem Kalenderjahre, aus

gefertigt werden sollen.

Dänemark. Kopenhagen, 30. Mai. (H. N.) Die Allianz zwischen der Linken und den Sozialisten wird einen öffentlihen Ausdruck durch ein gemeinschastliches Grundgeseßfest erhalten, indem der Vorstand des Kopenhage- ner Grundgeseßwahrungsvereins die Mitglieder auffdrderte, an dem von sozialistishen Vereinen crrangirten Grund- gesebßfeste im Thiergarten Theil zu nehmen.

1. Juni. (W. T. B.) - Der bisherige Führer der Linken, J. A. Hansen, ist heute gestorben.

Amerika. Washington, 1. Juni. (W. T. B.) Die Staatsschuld der Vereinigten Staaten hat im Monat Mai um 6,981,000 Doll. abgenommen. Fm Staatsschaße be- fanden sich am 831. Mai 108,137,000 Doll. in Gold und 12,278,000 Doll. in Papiergeld.

(A. A. C) Jm Senat der Legislatut : des Staates JFllinois passirte am 16. Mai die vom Hause be- reits früher angenommene Bill, durh welche Silbermünze zum geseblihen Zahlungsmittel (legal tender) für sämmtliche öffentlihe und Privatshulden im Staate Fllinois gemacht wird. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob der Gou- verneur des Staates sein Veto gegen diese Bill einlegen wird.

Mexiko. (A. A. C.) Am 4. Mai wurde die Erwäh- lung VPorsirio Diaz’ zum Präsidenten unter großer Feierlichkeit offiziell verkündigt. Am nächsten Tage fand die Jnauguration statt. Die Prozession war imposant; sié bestand aus sämmtlichen Civil - Beamten des Staates und der Stadt, den Distrikts - Regierungen und 5000 gut uniformirten und wohlbewaffneten Soldaten. In seiner kurzen FJnauguralrede wieder- holte der Präsident seinen Entschluß, eine Wiederwahl abzu- lehnen, und sprach die Hoffnung aus, durch sein Beispiel ein Amendement zur Konstitution zu veranlassen, das die Wieder- wahl des Präsidenten verbietet. Der Kongreß hat sih für gesezmäßig erklärt und seinen Bestand bis zum September 1878 ausgedehnt. Die Partei des Jglesias hat sih aufgelöst, und viele Anhänger derselben unterstüßen jeßt den Präsidenten Diaz. Die Lerdisten sind allem Anschein nach unthätig und zer- sprengt. - Die Diazsche Regierung gewinnt, verschiedenen Be- rihten zufolge, an Stärke. Dagegen melden andere Quellen, daß Escobedo und andere Generale beschäftigt sein sollen, an der Rio-Grande-Grenze eine Fnsurrektion im Interesse Lerdo's zu organisiren.

__ Afffrikxa. Egypten. Kairo, 1. Juni. (W. T. B.) Hier eingegangene Berichte aus Khartum bestätigen das Gerücht von einer in Därfur ausgebrochenen Revolution. Gor- don Pascha wird sih in einigen Tagen nah den insur- girten Distrikten begeben.

Australien. Sandwich-Fnseln. (Wes. Ztg.) Die aus Honolulu eingetroffene Post meldet das Ableben des Prinzen William Pitt Leleiohoku Kalahoolewa, Bruders des regierenden Königs Kalakaua 1. und Thronfolgers. Am 10. Januar 1855 geboren, erreichte der Prinz das Alter von nur 22 Jahren, und verschied mit ihm der leßte männliche Sprosse der gegenwärtigen Dynastie. Am 11. April wurde die?Schwester des Königs, Lydia Kamakaeha, unter dem üblichen Ceremonial als muthmaßlihe Thronfolgerin proklamirt. Diese Prinzessin ist am 2. September 1838 geboren und kinderlos. Außer E nent die Königliche Familie von Hamaii aus einer Schwester des Königs und deren sehr junger Tochter.

Der rusfis{ch-türkische Krieg.

Ueber die Reise des Grafen Shuwaloff schreibt der Brüsseler „Nord“:

„Auch steht es außer Zweifel, daß die Antwort, welche Graf Schuwaloff nah London zurückbringen wird, geeignet sein dürfte, das britishe Kabinct ganz und gar zu beruhigen. Das Gelingen der Sendung , welche der am englishen Hofe beglaubigte russishe Botschafter auf sich genommen, scheint daher gefichert, es sei denn, daß im Busen des Kabinets von St. James die Tendenzen jenes Theiles des Ministeriums obsiegten, der um jeden Preis zum Bruche drängt. Angesichts der Energie jedoch, womit die ungeheure Mehrzahl des eng- lischen Volkes, unter der Bedingung, daß die Lebensinteressen des Landes aus dem Spiele bleiben, sich für Beibehaltung der Neutralität ausspricht, scheint der Eintritt der gedachten Even- tualität ziemlich unwahrscheinlich. Was nun diesen Punkt anlangt, so wird das Londoner Kabinet alle die Zugeständ- nisse erhalten, die es gerechterweise verlangen kann.“

Die W. „Presse“ vom 1. Juni schreibt: „Nachdem die Gerüchte über Mobilisirungen Oefterreichs in Ber- lin und Paris schon verstummt sind, weiß nun der „Peters- burger Herold“ wieder zu berichten, die Kooperation Oester- reihs mit Rußland sei eine beschlossene Sache und es wären drei Armee-Corps unter den Generalen Rodi, Szapáry und Ringelsheim ‘zur Aktion gegen Bosnien bestimmt. Wir brauchen kaum zu bemerken, daß an der ganzen Nachricht kein wahres Wort ist.“

Bukare|, 31. Mai. (Tel. d. W. „Pr.“) Wie verlautet, ist die Ankunft des Czars um einige Tage verschoben. Die Nachricht von einem österreichishen Protest ist umso- weniger wahr, als Rumäniens Stellung diplomatish noh nicht definirt, also auch kein Anlaß für Erhebung eines Protestes vorhanden ist. : a

Wie das „Eastern Budget“ erfährt, hat die russische Negierung in Wien die befriedigendsten Versicherungen mit Bezug auf die Störungen ertheilt, welche der Donau- \chiffabrt dur die russishen militärischen Operationen ver- ursaht worden. Die österreich - ungarische Regierung hatte dieserhalb auch Vorstellungen nah Konstantinopel und Bukarest gerichtet.

Europäischer Kriegsschauplaß8.

Ssewastopol, 31. Mai. (L. H. T. B.) Zur Be- o der hiesigen Einwohner wird offiziell versichert, daß die Küstenbefestigungen Ssewastopols niht nur zur Abwehr der türkischen, sondern auch einer englischen Floite ausreichen. Außer den in einer bedeutenden Entfernung vor dem Eingang in die Ssewastopoler Bucht versenkten Torpedos, wird der Eingang in die Bucht selbst durh zwei Befestigungs- linien vertheidigt, die zu beiden Seiten des Hafens, im Nor- den und Süden gelegen, mit Batterien {weren Kalibers ver- sehen sind. Uebrigens werden weitere Besfestigungsarbeiten vorgenommen. Die vorhandene Truppenzahl genügt, um einen eventuellen Landungsversuh zurückzuschlagen. O

Jassy, 1. Juni. (L. H. T. B.) Großfürst Wladimir traf, von Kischeneff kommend, hier ein und seßte seine Reise nah Bukarest fort. j i

Bukarest, 31. Mai. (Tel. d. W. „Pr.“) Ein Theil der an der Donau aufgestellten {weren Geshügte foll auch in der Zukunft in den bisherigen Positionen verbleiben. Zur Ergänzung der Belagerungsparks wird der Nachsch ub aus den Artilleriedepots von Krementschug erfolgen.

Konstantinopel, 31. Mai. (Tel. d. W. „Fremdenbl.“) Sämmtliche Ober-Kommandanten der türkischen Truppen in Europa und Asien haben detaillirte Vorschriften über die Behandlung der Kriegsgefangenen erhalten. Wie verlautet, werde Egypten sür jeßt 5000 Mann Hülfs- truppen hierher shicken, um sein in Bulgarien schon stehendes Truppencorps, das 9000 Mann zählt, auf 14,000 Mann zu vermehren. Die mit der Ueberwachung der hiesigen Befesti- qungsarbeiten betraute Militärkommission wird dieser Tage vom Sultan in Audienz empfangen werden, um dem- selben einen Plan von diesen Befestigungen zu unterbreiten.

Wien, 1. Juni. (W. T. B.) Die „Politische Korrespon- denz“ meldet telegraphish aus Bukarest von gestern, das IX. russishe Armee-Corps beziehe, in der Stärke von 25,000 Mann, im Laufe dieser Woche ein Lager bei Du- desti in der Nähe von Bukarest. Kaiser Alexander werde, falls die Eisenbahnlinien bis dahin wieder praktikabel seien, am Abend des 6. d. in Plojesti eintreffen ; das Hoflager des Kaisers werde in dem Sommerpalais des Fürsten zu Kotrotscheni fein. i

Wien, 1. Zuni. (W. T. B.) Die „Presse“ meldet aus Bukarest, während der ganzen leßten Nacht habe an derSulina- mündung eine heftige Kanonade stattgefunden, man vermuthe, daß die Einfahrt dur russische Schiffe forcirt werde.

Wien, 2. Juni. (W. T. B.) Die „Presse“ meldet be- stätigend aus Bukarest von gestern, die heftige Kano- nade bei Sulina, die von Donnerstag Nachmittags 5 Uhr bis Freitag früh 3 Ühr gedauert habe, sei durch einen ru}}ti- hen Monitor veranlaßt worden, der den Eingang in die Sulinamündung forcirt u |

Wien, 2. Juni. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Deutschen Zeitung“ aus Bukarest vom gestrigen Tage wären die russishen Monitors, welche in der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni die Einfahrt in die Donau bei Sulina zu forciren versuhten, nah achtstündigem Geschüßkampfe mit den türkischen Monitors und den Strandbatterien zurüdck- gewiesen worden.

Wien, 2. Juni. (W. T. B.) Telegramme des „Neuen Wiener Tageblattes“: Belgrad, 1. d. Es verlautet, Für st Milan werde si nicht nah Rumänien zur Begrüßung des Czaren begeben, sondern sich durch Marinowics vertzeten lassen. Das Pionier-Corps ist zum Marsche nah der türkishen GrenFe bereit. Die Türken haben eine große Anzahl Truppen nah Travnik gesandt. Gerüchtweise ver- lautet von einem bedeutenderen Treffen mit den Fnsur- genten bei Livno. Turnsever1in. Der öste rrei ch1 che Monitor „Leitha“ ist bei Orsowa eingetroffen. : L

Lemberg, 31. Mai. (Tel. d. „Presse“.) Bei der hie- sigen Bahndireftion sind via Brody und Podwoloczyska- Lemberg 30 Waggons Konserven und 160 Waggons Zwieback zum Durchzug nah Rumänien angemeldet. j

„Daily News“ meldet aus Bukarest vom 30. Mai: „Baschibozuks gingen zwische Kalarash und Jalomigza über die Donau, nahmen 14 drttte: Milizfoldaten ge- fangen, verstümmelten die Beine derselben, und überließen fie dann der Strömung.“ ;

Das „Journal de Bukarest“ meldet, daß der Brigade- General Alexander Zefcari und Oberst Basil Gherghel zu

Attachés bei dem Großfürsten Nikolaus und der De- putirte Aristark Celibidaki zum Spezial-Kommis}är für Bessarabien ernannt wurden. :

Der Spezial-Korrespondent der „Daily News“ in Galas telegraphirt vom 28. d. M.: „Das Wasser steigt noch immer. Die Eisenbahnverbindung zwischen Roman und Barboschi ist unterbrochen und ein Oberbau in der Nähe der Station Preval wegges{hwemmt. Zwei große Eisenbahn- züge voll Jnfanterie werden in Barboschi zurückgehalten, weit man die Passage über die Serethbrücke für gefährlich hält. Der Postverkehr hat aufgehört. Die Russen haben die Batterien bei der Barboschibrücke und an der Mündung des Sereth wieder mit Kanonen beseßt 2

Der im Matschinkanal zum Sinken ge-

brahte türkishe Monitor hieß, wie der „R. Jnv.“ mittheilt , „Chiwsi - Rahman“ (nah der „J. T. Ag.“ „Chemsi - Choroman“) und glich, was die Konstruktion betrifft, dem in die Luft gesprengten „Ljutfi Dshelil“. Die Equipage betrug 219 (nah Angabe der „Z. T. Ag.“ 250) Nann. Die Armirung bestand aus 5 Geschüßen großen Ka- libers, von denen zwei 9zöllige im hinteren Thurn, zwet 7zöllige Geshüße im vorderen Thurm und ein 40pfündiges Armstrong-Geschüß hinter der Blindage am Schnabel plazirt war. Der „Chiwsi-Rahman“ war mit einem Panzer gedect, der in der Mitte 4,63 Zoll, an der Schnabel-Blindage 3 Zoll Die hatte. Z

Der bereits in Kürze erwähnte Tagesbefehl des Fürsten von Rumänien an seine Truppen hat folgenden Wortlaut :

„Offiziere, Unteroffiziere, Korporäle und Soldaten! In den {weren Momenten, die wir jeßt durhleben, hat ganz Rumänien seine Blicke auf euch gerichtet, alle seine Hoffnungen auf euch gesetzt. Habet in der Stunde des Kampfes die Thaten der alten rumäni- chen Krieger vor euch; erinnert euch daran, daß ihr die Nabfolger der Helden von Racova und von Calugareni scid. Das Banner, unter welchem ihr kämpfet, ist in eurer Mitte selbst: Es ist das Bild des Vaterlandes. Vorwärts also, muthig und tapfer! Und wenn die Palme des Friedens wieder ergrünen wird auf den Bergen und in den Thälern Rumäniens, so wird das Vaterland auf die Vorderseite des Gebäudes der rumänischen Unabhängigkeit die Namen jener Helden verzeichnen, die dieses Vaterland vertheidigt haben. Offiziere, Unteroffiziere, Korporäle und Soldaten! Euer Fürst blickt mit Stolz auf euch. Bald wird Er in eurer Mitte, an eurer Spitze sein. Die euch anvertraute Sache ist eine heilige Sache. Gott wird also mit uns sein, mit uns wird der Sieg sein. Gegeben in Bukarest heute am 10. (22) Mai 1877. Carol.“ Der Kriegs8- Minister: Brigade-General ‘Cernat. : :

Ueber das Aussehen der russishen und der rumänt- hen Armee wird der W. „Presse“ ihrem hiesigen Spezial- Berichterstatter geschrieben : :

„Ich l;abe sowohl von den russischen als von den rumänischen Truppen ziemli viele geschen und kann Sie versichern , daß in beiden Heereskörpern ein vorzüglihes Material vorhanden ist. Die russishen Truppen haben bei den Riesenmärschen, die sie mituuter entgegen den s{chwierigsten Hindernissen ausführen mußten, eine große Mars\chfähigkeit, Zähigkeit, Nüchternheit und Ausdauer bewiesen. Dabei ift noch in Betracht zu ziehen, daß die Soldaten in Folze der lokalen Verhältnisse auf dem bulgarishen Kriegsschauplabe {wer bepactt sind, s{chwerer, als dies in anderen Ländern sonst ' der Fall ist. Alle Truppen, die ih hier marschiren sah, zogen singend vorwärts und in der Wirklichkeit fand ih nichts von dem vorhanden, was in diversen Berichten von der Mattigkeit und Unlust der russishen Truppen geschrieben wurde. Daß sie in Folge der Märsche durch Dick und Düny, durch Staub und Schmutz, bei Re- gen und Wind nicht varademäßig aussehen und defekt ersbeinen, daß fie nah tagelangen Märschen ndlich doch müde werden, ift selbstver- ständlih. Was ih von russischen Truppen sah, und es zog mehr als ein Armeecorps bis jeßt an mir vorüber, repräsentirte fic zumeifi als stattlihe Mannschaft. Hochgewachsene kräftige Männer, tveiter- gebräunt und wohlgenährt. Mit Ausnahme der Tscherkessen, die allerdings einen nicht sehr gemüthlihen Eindruck machen, boten die anderen Truppen kein besonderes Merkmal, das sie von unseren gälizischen, ungarischen, kroatischen und böhmischen Regimentern unter- scheiden würde. Selbst die Kosaken entsprechen durchaus nicht jenem Bilde, das man von ihnen entworfen. Es war für mich in dieser Be- ziehung eine Ueberraschung, als ih den Lagerplatß von Banjaza, wo die Truppen kommen, rasten und alsbald wieder gehen, besuchend, die Kosaken gemüthlich auf dem Boden hocktend, ihre Kleider flickend, Hemden weiße Hemden nähend sah. Im Streite sah ih sie nur, wenn sie auf dem Futterplaß standen und Fourage für ihre Pferde holten; da hatte feiner von ihnen genug, jeder wollte mehr haben für sein Pferd. Diese Pferde, klein und unansehnlich, haben ihre Ausdauer auch jeßt wieder erwiesen, indem sie beim ersten Eilmarsh 100 Werst an Einem Tage zurücktlegten. Als eine besonders \{öne Truppe muß ich die russishen Ulanen be- zeichnen, Haltung und Kleidung ift gleich schön. Die Axr- tillerie hat vorzüglihe Bespannung und bestes Geschirr; die Waffen sind bekannt, und daß die Offiziere und die Mannschaft damit gut umzugehen wissen, haben sie schon be- wiesen. Auch die rumänischen Truppen habe ich_jeßt [bon genauer kennen gelernt und darf wohl sa en, sie sind besser als ihr Nuf. Denn was junge, weiche Truppen zu leisten vermögen, das haben die Rumänen gethan. Die Hauptsache, sie haben Ausdauer vor dem Feinde, Aufmerksamkeit in der Beobachtung, Verläßlichkeit im Dienste gezeigt und das verdient Anerkennung. Gerade die Do- robanzen haben sih als brave Truppe erwiesen. Daß fie den in Booten berrannahenden Baschibozuks gegenüber troß der Minderzahl, in der sie sih befanden, Stand hielten und sih tapfer wehrten, war gewiß eine ehrenvolle Leistung. Die rumänischen Batterien, an Kaliber wie an Zahl chwäer als die der Türken, haben in Oltenitza wie in Kalafat dem Feinde manchen Schaden zugefügt, die Positionen festgehalten und die Landungsversuche abgewehrt. Die Ausrüstung der Mann- schaft ist im Ganzen genommen eine entsprehende, wenn es au nit gebilligt werden kann, daß ein Theil mit Peabody-, ein anderer mit Zündnadelgewehren bewaffnet ist. Eine solche Doppelwirthscaft erschwert die Aktion und sollte je eher je licber abgeschafft werden. Die Bekleidung, Schuhwerk und Riemen- zeug sind durchgängig aus gutem Material; der Pferdestand ist ein ausreichender; der Pferdeschlag ist ein kleiner und d.m Aeußern nah nicht sehr ansehnlich, aber man rühmt dieser Race Genüg- samkeit und A-sdauer nah und das ist allerdings dem Zwecke entsprechend. An Verpflegsmitteln sol kein Mangel sein, wie aber die Intendanz beschaffen ist, habe ih now nicht kennen gelernt und enthalte mich deshalb des Urtheils. Der Sanitätstrain 1, 10 viel ih davon sah, komplet. Die Zahl der Aerzte und der ärztlichen Gehülfen eine ziemlich bedeutende. Die Sanität:trains sind naH dem Muster ausgestattet wie die des deutschen Ordens in Wien, einen Sanitäts-Eisenbahuzug von denen der Jobanniter in Wien habe ich aber hier noch nit gesehen. Es heißt, die Nussen werden solche Züge einrihten. Ihre eigenen können fie wegen der zu großen Spurweite ihrer Räder hier nicht verwenden.

Wie der „Times“ unterm 30. v. M. aus Belgrad telegraphirt wird, haben die Predigten fanatischer Derwische ur Entzündung eines heiligen Krieges in Bosnien bereits Früchte getragen, indem eine ernstliche Verleßung der ser- bischen Grenze gemeldet wird. Einige türkische irreguläre Truppen griffen eine Jnsel auf dem Flusse Drina, zum ser: bischen Territorium gehörig, an, während die Einwohner