1877 / 162 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Jul 1877 18:00:01 GMT) scan diff

„die von einem Dritten mit dem Namen der Prozeßpartci unterschriebene Anmeldung eines Rechtsmittels für wirksam erklärt, wenn der Dritte nur mit Wissen und Willen der Partei gehandelt hat.“

Nah .8. 16 des Holzdiebstahlgeseßzes vom 2. Juni 1852 wird der eines Holz- oder Harzdiebstahls Schuldige im dritten oder ferneren Rüfalle als Dieb auf Grund des §. 242 des Strafgesezbuches bestraft. Jn Beziehung auf diese Be- stimmung hat das Ober-Tribunal, im Gegensaß zu dem Kammergerickt, in einem Erkenntniß vom 8. Juni 1877 aus- gesprochen, daß die Entwendung von Laub, selbst wenn dasselbe von stehenden Bäumen geschnitten wird, niemals zu einer Bestrafung wegen Diebstahls auf Grund des §. 242 des Strafgeseßbuches führt, sondern im dritten Rükfalle, ebenso wie im zweiten, nur als Uebertretung, in der Regel mit Geld- buße bestraft wird. : i

S. M. S, „Luise“ ist, telegraphischer Nachricht zu- folge, am 11. Juni cr. in Aden eingetroffen.

Hessen. Mainz, 13. Juli. (W. T. B.) Der Bischof Freiherr von Ketteler ist heute Vormittag in Burghaufsen gestorben.

Oesterreich-Ungarn. Pest, 11. Juli. Dem „Pesti Naplo“ zufolge soll die ungarische Rente erst im erde emittirt werden. Der „Ellenör“ dementirt die Nach- riht, daß im gestrigen Ministerrathe über die Finanzlage oder das Budget verhandelt worden wäre. Der Finanz- Minister wird das Budget erst Mitte August vorlegen. Es wurden außer dem Militärbequartierungsgeseße nur laufende Angelegenheiten verhandelt. Der Ministerrath wird morgen Fortgeseßt.

Großbritannien und Jrland. London, 11. Juli. (E. C.) Die Königin hielt gestern im Windsor-Park eine Truppenschau über das in Aldershot für die Sommer- manöver zusammengezogene Armeecorps, etwa 15,000 Mann aller Waffengattungen, unter dem Kommando des Ge- neral-Lieutenants Sir T. Steele, ab. Jn der gestri- gen Unterhaussißzung kündigte Mr. Jenkins an, er werde bei Beantragung der Comitéberathung des süd- afrikanishen Konföderationsgeseßes seinerseits be- antragen, daß das Haus zwar den Grundsaß einer Födera- tion der Kolonien, welche örtlih und durh Jnteressengemein- schaft mit einander in Verbindung stehen, billige, aber der Ansicht sei, daß die Entwerfung von Plänen von den Kolonien selbst und niht von der Reichsregierung auszugehen habe. Das Haus beschäftigte sich darauf mit verschiedenen zum Unter- richtswesen gehörigen Fragen. Demnächst legte der Unterrichts-Minister-das Elementar-Unterrichtsbudget für England und Wales vor. Die Ausgabeforderung, 1,910,000 Pfd. Sterl., übersteigt die des vorigen FFahres um 213,000 Pfd. Sterl. Die Hos der Elementarschulen in England und Wales ist, dem Budget zufolge, auf 14,273 (Zu- nahme 1056) angewachsen, die Zahl der S et auf 3,426,000 (Zunahme 280,000); der Durchschnittsshulbejuh ist um 150,000 Kinder gestiegen. Lord Sandon sprach zugleich Jeine Freude darüber aus, daß ein freundschaftliches Zusammenwirken zwishen den Schulämtern und den Beloats@ulen zum Vortheile der nationalen Erziehung stattgefunden habe. Mr. Forster (liberaler Vorgänger Vis- count Sandons) billigte die Darlegung des Ministers und ersuhte um Annahme der Forderung, welche auch erfolgte. Ebenso wurde eine Forderung von 224,789 Pfd. Sterl. für „Kunst und Wissenschaft“ angenommen. Auf Antrag Dr. Playfairs wurde die Berathung des Unterrihhtsbudgets für Schottland verschoben. Mr. BVirley (konservativer Abgeord- neter für Manchester) lenkte darauf die Aufmerksamkeit auf den indischen Zolltarif, besonders hinsichtlich der Bau m- wollfabrikate, und beantragte eine Resolution : „daß der An- sicht des Hauses zufolge die jeßt auf Baumwollwaaren gelegten Einfuhrzölle in Jndien, da sie ihrer Natur nah shußzöllnerish sind, einer gesunden Handelspolitik zuwiderlaufen und ohne Verzug élfgeboben werden müssen.“ Der Redner führte Klage darüber, daß England, nachdem es vor 30 Fahren bereits das FFreihandelsprinzip angenommen, jezt daheim atis vid in Jndien aber Schußzoll ausübe. Mr. Jakob

right unterstüßte den Antrag. Sir G. Campbell- brachte eine Gegenresolution ein, „daß Angesichts der gegenwärtigen S rnamlage Indiens es unmöglich ist, den größeren Theil der Finfuhrzölle aufzugeben, ohne eine dur{greifende Umgestaltung

des Gan Ste in angemessener Beachtung anderer An-

sprüche auf Steuerermäßigung.“ Der Unter-Staatssekretär für Indien, Lord G. Hamilton, bestritt die Möglichkeit, sofort die Baumwollzölle aufzuheben, erklärte sih aber für die Auf- hebung, so bald sie thunlih sei, und beantragte deshalb zu dem Birley'’shen Urantrage das Amendement „so bald die Finanzverhältnisse Jndiens es gestatten.“ Sir G. Campbell zog Tau seinen Gegenantrag zurück, und der Antrag Bir- ley's wurde mit dem Amendement Lord G. Hamiltons ange- nommen.

12. Juli. (W. T. B.) Der - „Globe“ erklärt die Meldung der „Daily News“ von einem beabsichtigten Rük- tritt des Premiers Lord Beaconsfield auf das Entschie- denste für unbegründet ; es sei eine solche Eventualität niemals in Erwägung gezogen worden. Jn der heutigen Sißzung des Unterhauses erklärte der Unter-Staatssekretär Bourke auf eine Anfrage Baxrters, die Regierung sei gegenwärtig nicht geneigt, ein Protektorat über die Samoainseln zu über- nehmen. Der Ober-Sekretär und Geheim-Siegelbewahrer für Jrland, Hicks-Beach, erwiderte auf eine Anfrage Nolans, es jei mcht wahr, daß der Koloradokäfer in Jrland auf- getreten sei. :

13. Juli. (W. T. B.) Die Kanonenboote „Flamingo“ und „Condor“ sind zum Schute der englischen Znteressen nah der Donau beordert worden. Der „Condor“ hat einen Torpedo-Apparat an Bord. Wie die „Morning- post“ meldet, würde der Schluß des Parlamentes. am 10. Augujt erfolgen. ?

Canada. Montreal, 9. Juli. (A. A. C.) Da an- läßlich des am 12. d. M. in fige: Stadt stattfindenden Orangijtenaufzuges Ruhestörungen besorgt werden, habèn die Freiwilligen die Weisung erhalten, die Waffen- magazine Pu bewachen, und die Mitglieder der verschiedenen Corps sind ersucht worden, ihre Waffen im Hauptquartier abzuliefern.

Frankreich. Paris, 11. Juli. (Fr. C. montanen Blätter melden ebenfalls die

4

Die ultra- ildung eines

katholischen Muptcomigfs mit Zweigcomités in der Provinz, weldbe nur für solche Kandidaten wirken wollen, die „muthig die fkatholishe Fahne aufpflanzen, die überzeugt sind, daß in unseren stürmishen Zeiten die Kirche mit ihren unfehlbaren Lehren für Frankreich der nothwendige Mittelpunkt des vereinigten Widerstandes und der Weg zum Heile ist; die sih nicht fürchten, Klerikale ge- nannt zu werden, und eben so wenig ob des Syllabus als weaen ihres Credos erröthen“. Jnsbesondere müssen diese fatholischen Kandidaten sih zu folgenden Punkten bekennen : Freiheit der Kirche in ihrer Unterweisung, ihrem Amte, ihren Einrichtungen, ihrem Kultus; Aufrechterhaltung der Geseße über die Feldgeistlichkeit und den katholischen Universitäts- unterriht, Heiligung des Sonntags, Schuß der geistlichen Körperschaften, unverkürzte Bewilligung des Kultusbudgets, Das- „Fournal officiel“ veröffentliht den amtlichen Ausweis über die Erträgnisse der direkten und in- direkten Steuern in den ersten sechs Monaten des Jahres 1877. Die direkten Steuern sind danach in Höhe von 339,272,800 Frs. eingegangen, so daß über die fälligen Be- träge hinaus noch 46,943,400 Frs. gezahlt worden waren. Die Steuer auf das Einkommen von den beweglichen E welche für das ganze Jahr auf 35,076,000 Frs. veranschlagt worden war, hat in dem ersten Halbjahr 18,011,000 Frs., also ein Mehr von 346,000 Frs., ergeben. Die indirekten Steuern endlich haben mit einem Gesammtbetrage von 980,869 000 Frs. die Voranschläge um 26,266,000 Frs. und das erste Halbjahr 1876 um 2,400,000 Frs. übekstiegen. Das Ergebniß wäre ein noch gers gewesen, wenn sih niht die Zuer- roduktion in einer Krisis befände, in Folge deren die ver- FBicdenin Zuckerzölle um 13,804,000 Frs. weniger abgeworfen haben, als im ersten Halbjahr 1876. Desgleichen find die Einfuhrzölle um 5,731,000 Frs., die Steuer auf die gewöhn- lichen Eisenbahnfrahten um 681,000 Frs. und die auf den Personenverkehr und die Eilfrachten um 441,000 Frs. zurüdck- gegangen. Jm ersten Halbjahr 1876 hatte das Gesammt- erträgniß der indirekten Steuern die Voranschläge niht blos wie diesmal, um 26, sondern um 70 Millionen hinter si gelassen. Das amtliche Blatt bringt ferner eine Darstellung des der Korvette „Reine- Blanche“ bei den hyerischen Fnseln am 3. d. M. zugestoßenen Unfalles und meldet dann, daß das Schiff glücklih auf die Rhede von Toulon und am 7. d. M- in das Dock gebracht worden sei, wo es ausgebessert werden foll.

Spanien. Madrid, 12. Juli. (W. T. B.) Der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten begiebt sih heute Abend nah Paris.

Türkei. Aus Belgrad meldet die „Pol. Korr.“ unterm 12. : Die jüngst aus der Kammer ausgetretenen Deputirten werden wegen Beleidigung der Skupschtina und wegen Verleumdung des Kabinets gerichtlich verfolgt, sind somit nicht wieder wähl- bar. Der konservative politische Klub in Belgrad is polizei- lih aufgelöst worden ; in Kragujewaß und Jagodina wurden zahlreiche Parteigänger der Minorität verhaftet. Fürst Milan hat den Empfang einer Deputation der Opposition abgelehnt. Die mit dem heutigen Tage ablaufenden Verord- nungen über den Ausnahmezustand sind prolongirt wo rden.

“Der rufsisch-türkische Krieg, 4

Wien, 12.“ Juli. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ bezeichnet die HeiFvnen der Blätter über die Aufhebung der Sperre des Hafens von Klek, sowie über Pourparlers mit der Pforte, England oder überhaupt betreffs einer eventuellen Ofkupation Bosniens als vollkommen unbegründet. Jn einem Tolegramm desselben Blattes aus Bukarest werden alle Gerüchte über einen Donauübergang der rumänischen Truppen und den Abschluß einer Konvention Rumäniens mit Serbien dementirt; Rumänien bleibe defensiv.

London, 12. Juli. (W. T. B.) Jm Unterhause gab auf eine Anfrage Baxters Bourke zur Antwort, er be- dauere, daß die gefangen gehaltenen Bulgarier noch nicht auf freien Fuß geseßt worden seien. Lord Derby habe vor etwa 14 Tagen der Pforte deshalb neue Vorstellungen machen lassen und erklärt, daß die bezügliche Zusicherung des Sultans ohne Verzug erfüllt werden müsse. Er werde die bege Korrespondenz dem Hause vorlegen. Auf eine Frage Ritchie's erwiderte Bourke, dem englischen Konsul in Trapezunt sei ein Privatbrief aus Suchum-Kaleh zugegangen, in welchem Grausamkeiten, die angeblih die Russen begangen haben soll- ten, zusammengestellt seien. Es ständen der Regierung aber feine Mittel zu Gebote, die Wahrheit dieser Behauptungen festzu- stellen. Der Deputirte Jenkins zeigte an, er werde morgen oder am Montag die Frage an die Regierung richten, ob dieselbe die Proklamation des Kaisers von Rußland an die Bulgaren dem Hause vorlegen werde, ferner ob es wahr sei, daß in Bulgarien russishe Civilverwaltung und der Gebrauch der russishen Sprahe im Wege des Zwanges eingeführt worden sei, endli, ob, wenn dies der Fall, die Regierung dagegen zu protestiren beabsichtige, da es mit den von dem Kaiser von Rußland vor dem Kriege gegebenen Zusicherungen im Wider-

spruch stehe. Europäischer Kriegsschauplaß.

Konstantinopel, 12. Juli. (W. T. B.) Die Militär- und Civilkommandanten von Sistowa, Tirnowa und Osmanbazar sind nah Konstantinopel berufen worden und sollen dort vor ein Kriegsgericht gestellt werden.

Konstan tinopel, 12. Juli. (L. H. T. B.) Der Marine-Minister Reuf Pascha erhielt den Austrag, die Jn- spizirung der Befestigungen von Adria nopel vorzunehmen. Bisher sind dort die fünf Punkte : Arnautkoei, Fazjuk, Demirdes, Hadirlik und Dn tepe befestigt. Der VBalkanpaß Ga- browa-Kazunlik erhielt 9 Bastionen.

Konstantinopel, 13. Juli. (W. T. B.) Der Kom- mandant der türkischen Flotte im Schwarzen Meere meldet, daß am Sonntag mit einer dre atte und drei Kor- vetten eine Rekognoszirung bis zur Einfahrt in den Hafen von Sebastopol vorgenommen worden sei. Die türkischen Schiffe bombardirten sodann Eupatoria, wo sie troß des Feuers aus den Befestigungen ein mit Salz beladenes russi- Fhes Schiff erbeuteten und hierauf nah der Sulinamündung zurücfkehrten. Regierungsseitig wird gemeldet, die Russen jeien aus Plewna vertrieben worden. Ebenso wird offiziell bestätigt, daß die Kommandanten von Sistowa und FTirnowa vor ein E gestellt werden sollen.

Der W. „Presse“ wird aus Konstantinopel, 10. d. gemeldet: Das Hauptquartier der egyptischen Hülfstrup-

pen unter Prinz Hassan befindet sich in Medschidie am Trajans- walle. Der Prinz selbst hat sich zum Kriegsrath nah Schumla be- geben. Drei kleine zerlegbare Kanonenboote, welche die Egyptier mit ih führten, - sollen bei Nassowa in die Donau abgelassen worden sein. A

Aus Konstantinopel, 4. Juli, wird der „Pol. Korr.“ u. A. geschrieben : n einem Kriegsrathe wurde die Entsendung des Kriegs-Ministers Redif Pascha, begleitet von dem chemaligen Kriegs-Minister Namyk Pascha und Mehemed Pascha, dem ersten Adjutanten des Sultans, zur Donau- Armee beschlossen. Die Mission Redif Paschas erstreckt fich auf die Jnspizirung der Armee, der Festungen und auf die Betheiligun an den- Kriegs - Conseils des Serdar Ekrem. Während seiner bwesenheit wird er vo: dem Schwager des Sultans Mahmud Damat Pascha in der Leitung des Kriegs - Ministeriums vertreten.

Auf erneuertes und dringendes Ersuchen Abdul Kerim Paschas hat die Regierung alle in Konstantinopel dis- poniblen Truppen infierhaib der leßten sechs Tage in der beiläufigen Stärke von 12 bis 15,000 Mann nah Varngs ex- pedirt. Gestern ist au die Kaiserlihe Garde per Bahn nah Adrianopel abgegangen. Ein Theil derselben wird nah Schumla, der andere nah Sofia geschickt. Vier Transport- dampfer sind nach Antivari abgegangen, um dort einen Theil der Truppen Suleiman und Ali Saib Paschas einzuschiffen und nah Konstantinopel zu führen, von wo aus sie unver- züglich zur Veitheidigung der Balkan-Pässe wieder abgehen werden.“

Wie der „Vakit“ anzeigt, ist Mehemed Ali Pascha, Divisions-Kommandant in Novi-Bazar, nah Konstantinopel berufen worden, was auc schon telegraphish gemeldet worden ist. Jun Anerkennung seiner militärishen Tüchtigkeit wird ihm der Sultan ein wichtiges Kommando an der Donau oder in Anatolien mit dem Range eines Muschir übertragen. Jn Konstantinopel wird kraft einer Jrade des Sultans in der nächsten Zeit die Ziehung der Militärpflichtigen der Hauptstadt, sowohl der mohamedanischen, wie der nicht- mohamedanischen, vorgenommen werden. Fn den Provinzen findet vorläufig das Militär-Reglement auf die ristlihe Be- völkerung noch keine Anwendung.

Ueber die Operationen an der Donau veröffcnt- licht der „Russische Jnvalide“ den Rapport des Ober- Kommandirenden der aktiven Armee an den Kaiser vom 18. Juni (30. Juni). Der Rapport lautet im Wesent- lichen:

Indem ih in meinem gegenwärtigen Rapport alle Maßnahmen zur Vorbereitung und Bewerkitelligung des Ueberganges der Armee über die Donau darlege, will ih mit einer kurzen aligemeinen Veber- ht aller vorhergegangenen Ereignisse seit dem Tage der Kriegserflä- rung beginnen. - In Folge des ungewöhnlich starken Austretens der

[üsse und der anhaltenden Regengüsse waren die Wege {wer pasf- irbar geworden und mehrere Brücken sowohl auf diesen Wegen als auch auf den Eifenbahnén wurden wiederholt durch den Andrang des Wassers fortgerissen. Es erwies si, daß die rumänischen Eisen- bahnen noch s{lechter gebaut, als ich erwartet hatte und dabei unge- nügend mit Dienstpersonal und Betriebsmateriak versorgt waren. Der \{lcchte Bau der Bahnen war zum Tgil auch die Ursache des beständigen Eir.sturzes der Brücken.

Das Alles zusammengenommen, verzögerte in dem Maße das Vorrücken unserer Armee, insbesondere den Eisenbahntransport der Belagerungsartillerie, der Pontonparks, der Dampfschaluppen und der anderen Hülfsmittel zur Bewerkstelligung des Ueberganges, wie auch die Weiterbeförderung der Proviantvorräthe, daß die Truppen an den ihnen angewiesenen Sammelpunkten einige Tage später ein- t:afen, als man berechnet hatte. j Vie Konzentri- rung der Armee verzögerte sich durchs{hnittlich um fech8 Tage, bei einzelnen Theilen weniger, bei anderen mehr. Ganz besonders wurde aber der Transport der Pontonparks und der Belagerungsartillerie auf der Eisenbahn verzögert. Ueberdiez war das Austreten der Donau in diesem Jahre ganz besonders stark und anhaltend. Das Wasser zog sich ungewöhnlich kangfam zurü, so daß es z. B. an der unteren Donau noch in den ersten Tagen des Juni 15 Fuß über der Normalhèéhe stand. : : Y

Alle diese Umstände waren die Ursache, daß der ursprüng- lich um den 25. Mai (6. Juni) in Aussicht genommene Ueber- gang übr die Donau von Tag zu Tag vershoben werden mußte. Der Kampf mit der Natur und dem {l:chten Zustande der rumänischen Bahnen dauerte fast bis zum leßten Tage. An- fangs Juni, als die Truppen bereits zum Uebergang vorgerückt waren und die Entscheidung getroffen war, daß der Uebergang am 12. (24.) Juni stattfinden follte, stellte es sich heraus, daß die Pontonparks sich nach der Marschroute wegen der Unzulänglichkeit der Eisenbahnen um drei Tage verspäteten. Der Vormar]ch der gayzen Armee auf der Linie des Flusses Wede (bei Rusche de Wede, Alexandria und Beju) mußte daher drei Tage aufgehalten und der Uebergang fozusagen im leßten Augenblick vom 12./24. auf den 15./27. Juni verlegt werden.

Die Vorbereitungen zum Neergaig waren folgende :

1) Außer den 4 Pontonparks, welche zum Bestande der Armee ehörten, wurden in Galaß und Slatina Holzpontons gebaut; die löße zum Brückenschlagen und die übrigen Brücktenattribute wurden

in Slatina allein hergerichtet. Die in Galaß gezimmerten Pontons wurden pec Eisenbahn bis Slatina transportirt. Man mußte alle Vorrichtungen zum Uebergang bei Slatina konzentriren, um sie von hier auf der Olta u..d dann die Donau abwärts an den Befestigun- gen von Nikopol vorüber weiterzuflößen, weil eine andere Wahl ein- fach nit möglich war. Außer der Olta giebt es auf dem Raume zwischen Nikopol und Sistowa keinen anderen flößbaren Fluß, der fich in die Donau ergießt; wollte man das Uebergangématerial auf dem nächsten flößbaren Fluß, dem Ardshis, bereit machen, so hätte man dassclbe die Donau aufwärts an ter nod stärkeren Festung Rustschuk vorüber weiter \caffen und bis Sistowa s{leppen müssen. Dieses Unternehmen hielt i für total unausführbar Die Pontonparks wurden bis zur Sta- tion Banjas (zwischen Bukarest und Giurgewo) auf der Eijenbahn transportirt und von dort auf gewöhnliche Feldzug8weise nah Beju eschaft.

y 105 Die Dampsschaluppen mit den submarinen Minen wurden gleichfalls auf der Eisenbahn nach Slatina, theils zur Station Fra- teschti geschaft (vor Giurgewo), von hier zu Lande nah Flamunda (unterhalb Turnu) und Malu (oberhalb Giurge:ro) weitertranéportirt und dann in die Donau gesfett. J : 2

3) Als Uebergangspunkte warea vorläufig zwei ausgewä-[t : an der unteren Donau bei Braila und an der mittleren Dongu untec- halb Nikopol. Meine ursprüngliche Absicht war, bei Sistowa den Vebergang zu bewerkstelligen, da dieser Punkt in militärischer Hinsicht die meisten Vortheile bietet, die Umgegend von Simniza war aber so sehr überschwemmt, daß man an einen Uebergang an dieser Stelle nicht denken konnte. Wider Willen mußte man den Uebergang nah Nikopol vorbereiten, wo die Donau in einem Bette fließt und keine bedeutenden Strömungen und Krümmungen hat. Dem entspcechend traf ih alle Anordnungen zur Konzentrirung der Truppen und gab den Befehl, die Donau an mehreren Stellen durch Minen zu sperren. An der unteren Donau waren die Minensperrunge. {hon ¿u Beginn des Feld- zuges ausgeführt, um den türkishen Schiffen sowohl den Eingang, als auch den Ausgang aus dem Hauptbette und aus dem Matschin- Arm zu verlegen. Dieses Unternehmen gelang vollklommen. Gegen Ende April hatten wir, ohne eine Flotte zu pel Nat die Donau von Reni bis Braila in unserer Gewalt und Ende Mai war die ganze

in -Flamunda nur 5 Minen

untere Donau von Reni bis Hirsowa voa der türkischen Flotte ge- säubert und rollständig in unseren S: Diesem Umstande war es zu danken, daß die Brücke von Braila nach Getschet ganz unbe- hindert geschlagen werden konnte; dagegen stand das Wasser in der unteren Donau so hoch, daß General-Lieutenant Zimmermann den Uebergang an dem von mir bestimmten Tage, dem ‘10./22. Juni, für unmöglich hielt, und um die Erlaubniß bat, warten zu dürfen, bis das Wasser gefallen. Als ich aber meinen Befehl wiederholte mit dem Bemerken, es fei für mich unbedingt nothwendig, daß der Uebergang bei Braila entsh:eden am 10./22. Juni stattfinde, traf General Zimmermann alle Vorkehrungen, um diese äußerst shwierige Zu be auszuführen, und löste sie mit glänzendem Erfolge. Am 10./22. Juni ging General-Major Shukow mit den Regiwentern Rjasan und Riash k von Galaz nach Budshak ab, und seßte sih nach tartnäckigem Kampfe in den Besiß der Höhen von Budshak. Nach diesem Erfolg zogen sich die Türken auf der ganzen Linie der unteren Donau zurück, und unfere Truppen rückten ohne Schuß in Matschin, Tultscha, Isaktscha und Hirsowa ein. Ge- genwärtig fahren sie fort, in das Innere der Dobrudsha vorzu- dringen. Somit waren nsere Truppen am 12./24. Juni an der unte- ren Donau bereits im Besiß beider Ufer. Dieser Uebergang war um den Preis verhältnißmäßig geringer Verluste erkauft: gefallen waren: drei Offiziere und 41 Mann; verwundet: zwei Offiziere und 96 Mann. Es muß hierbei jedoch bemerkt werden, daß troß der vorhandenen Brückten alle Truppen des Detachements der unteren Donau nicht über die Brücke gingen, sondern auf Dampfern, Barken und Flößen übergeseßt wurden, da das ganze Ufer von Getschet fast bis Matschin noch übers{hwemmt war und die Brücke bei Get- schet an das Hochwasser |tieg.

Au der mittleren Donau war die Vorbereitung der komplizirten Operation des Bange ungleich“ s{chwieriger. Wie bereits erwähnt, bing der Zeitpunkt der Arsführung vor allen Dingen von“ den Eisen- bahnen ab, welche sich in sehr \{chlechtem Zustande zeigten. Ferner hatten si in der mittleren Donau alle türfkishen Monitors gesam- melt (mit Ausnahme der beiden, welche bei Braila untergingen). Die Ausführung der Minensperrungen war daher ein sehr \{chwieriges und gefährliches Ding. Die Wachsamkeit der Türken war eine sehr gespannte; nach allen Anzeichen wußten sie \chon mehrere Tage vorher, daß der Uebergang unterhalb Nikopol stattfinden sollte, und außerdem erwarteten sie offenbar einen glei- zeitigen Uebergang noch bei Giurgewo und Oltenita. Der Feind zog daher eiligst an M uten Truppen zusammen und arbeitete emsig an der Anlage von Befestigungen. So befanden sich z. B. bei Nikopol Anfangs Mai, als unser Vortrab an der Donau anlangte, nur zwei einzelne Befestigungen ; Anfangs Juni waren ihrer schon 13. Während des ganzen Monats verfolgten die Türken aufmerksam alle Bewegungen unserer Truppen; auf jede am Ufer auftauchende auch nech fo kleine-Truppenabtheilung, auf jedes abgehende Boot eröffneten sie das Feuer. Als aber der entscheidende Augenblick nahte, war die Aufmerksamkeit des Feindes, wie man unten sehen wird, offenbar \{chon ermüdet und die Vorbereitung aller Mittel zum Uebergang wurde dadurch bedeutend erleichtert.

Zum 13./25, Juni sollten alle Truppen an den ihnen ange- wiesenen Orten sein. Doch sagte ih s{chon, G; infolge der Ver- zögerung beim Transport der Pontonparks die Armee auf der Linie des Flusses Wede, bei Rusche de W-de, Alexandria und Beju aufze- halten werden mußte. Nach dieser Diéposition konnten die Truppea je nah den Umständen mit gleicher Bequemlichkeit und Schnellig- keit nach Turnu Magurelli, Simniza oder Giurgewo dirigirt wer- den. Die Zeit des Vorrüctens der Truppen von ihren Stand-

uartieren an die Linie des Flusses Wede wurde benußt, um. die onau abzusperren und endgültig zu rekognosziren, damit der Haupt- punkt des Ueberganges bestimmt werden könnte.

Die Sperrungen wurden ausgeführt in dem Zeitraum zwischen d:m 8. /20. und 12./24. Juni.

Am 8./20. Juni wurde unsere, aus 10 Dampfkuttern bestehende Minenkorvette auf großen Frahtwagen na Malu-de-Jof gebracht, fuhr von dort Donauabwärts und fing um 4 Uhr an Sperrungen bei Parayan anzulegen. Um 5 Uhr Morgens bemerkten die Türken daë, eröffneten vom Ufer aus ein Flintenfeuer und sandten darauf einen mit Blindagen geshüßten Dampfer gegen unsere Kutter aus, der Kartätschenshüsse gegen unsere Arbeiten richtete. Der Leiter der Arbeiten, Kapitän 1. Ranges Nowikow, sandte den Lieutenant Skrydlow auf der Schaluppe „Schutka“ gegen ihn aus. Skrydlow fuhr dicht an den Monitor heran und griff ihn mit ciner Mine an, doch wurde der Leitungsdraht von Kugeln zerrissen und die „Schutka“ mußte zurückgehen, nachdem sie Beschädigungen erli:ten und drei Matrofen verwundet waren z auch Lieutenant Skrydlow und der Künstler Wereschtagin, welcher O als Freiwilliger auf der Scha- luppe befand, wurden verwundet. Aber auch der feindlihe Dampfer wih zurück. Dank dem selbstverleugnenden Angriff Skrydlows der Lohn des Tapferen war das Georgenkreuz gelang es, die Sperrungqsarbeiten zu vollenden. Kaum hatte fich die Flotille zur Erholung am Ufer aufgestellt, als von Parapan her der General- Major Skobelew von der Suite Eurer Majestät, mein Adjutant Oberst Strukow und der Generalstabs-Kapitän Ssacharow mit der Nachricht herbeicilten, daß eine ganze türkische Feldbatterie gegen die Schaluppen ausrücke und sich am Ufer aufstelle. Sofort vertheilten sid die Schaluppen: 5 gingen unter der Führung des Kapitän- Lieutenants Tuder stromabwärts und die übrigen 5 unter dem per- fönlihen Kommando des Kapitäns 1. Ranges Nowikow \tromauf- wärts. Auf diese Weise gelang es allen unseren Schaluppen, wohl- behalten dem ¡Feuer zu entkommen, aber drei von ihnen waren durch türkishe Schüsse mährend der Ausführung der Arbeit bedeutend be- schädigt worden.

Nach Einrichtung der Sperrungen bei Parapan, welche den bei Rust uk aufgestellten türkishen Monitoren die Möglichkeit nehmen, oberhalb Ruftschuks die Donau aufwärts zu befahren, war es nöthig, den türkischen Schiffen die freie Schiffahrt von Parapan bis Turnu zu versperren. Dazu war es in Anbetracht der ursprünglichen Dis- position über den Donauübergang bei Nikepolis nothwendig, die Donau oberhalb dieser E zu sperren, nachdem zuerst der ganze Lauf der Donau von Parapan bis Nikopolis von Monitors gesäubert wor- den. Die leßtere Aufgabe war nur durch Vernichtung der Monitors zu erfüllen, und das konnte einzig durch Dampfschaluppen und nur bei einer glücklihen Gelegenheit ausgeführt werden. Diese Gelegen- heit bot sih nicht und zwei Monitors blieben bei Nikopolis; aber die Aufgabe der Herrichtung der Sperrungen gelang vollständig.

Die Dampfschaluppen waren am 12./24. Juni fast alle bei Fla- munda konzentrirt, da die bei Nalu zurückgebliebenen zu Lande dort- hin gebracht worden waren. Der Kapitän ersten Ranges, Nowikow, entshloß sich aber in Anbetracht der geringen Zahl unserer Dampf- schaluppen und ihrer äußersten Nothwendigkeit beim Uebergang, sie zu s{chonen und machte sih an die s{hwierige Arbeit der Sperrungen cinzig mit Ruderkuttern. In der Nacht vom 11./23, auf den 12./24. Juni ließ er sie zu Lande nah Karabia transportiren, ließ sie dort ins Wasser und versenkte glücklih am 12./24. Juni um 7 Uhr Abends auf dem bestimmten Orte unter dem Wasser liegende Minen. An dieser shwêren und gefährlihen Affaire nahm mein Adjutant Oberst Strukow als Freiwilliger Theil, indem er die Arbeiten mit frei- willigen Schüßen deckte. Die Türken wandten diesen Arbeiten ihre Aufmerksamkeit zu spät zu, so daß die Sperrungen bereits versenkt waren und die Kutter sich wohlbehalten entfernt hatten, als die Türken ihre Schüßen zum Ufer sandten.

Fast gleichzeitig damit bedeckten sich unsere Seeleute mit neuem Ruhm. Am 21. Juni mate einer der bei Nikopolis stehenden tür- kischen Monitors Dampf und fing an rasch stromabwärts zu fahren. Der Chef der Flamundaschen Abtheiluna, General-Major Leonow, bemerkte das, benachrichtigte unsere Minenflotille und {hob zuglei 4 Kanonen der 15. reitenden Batterie unter dem Kommando des Stabskapitän Kolomeizew auf die Position vor. Zu der Zeit waren \chaluppen, von denen drei beschädigt ih soglei, troß des starken ngriff gegen den Monitor in

rens auf der Schaluppe

waren. Die übrigen beiden seßten linten- und Kartätschenfeuers zum ewegung. Zuerst griff Gardemarin

„Mine“ an, doch wurde die Minenleitung durch cine Bombe zer- rissen, die Schalurpe beschädigt und zum Rückzug gezwungen. Nach Arens griff 7 E Nilow auf der Schaluppe „Schutka“ an. Am Swnabel des Monitors auf eine Shußmine stoßend, mußte Midschipman Nilow im Abstand eines Fadens dem Feinde das Steuer abschneiden (d. h., um das Hintertheil des feindlichen Sviffes herumfahren), wobei er drei Revolvershüsse auf den Kapitän abschoß und dur einen Bombensplitter ein Leck in der Wasserlinie des Kutters erhielt. Der Monitor legte rechts um und wandte E Steuerseite von der Mine ab; da fuhr Nilow an den linken Bord, konnte aber, da sein Boot halb voll Wasser war und nicht den früheren Gang hatte, den Monitor nicht mehr treffen, welcher eilig na Nikopolis abdampfte. Für diese glänzende That sind Mitship- man Nilow mit dem St. Georgsorden 1V. Klasse und Gardemarin Arens mit dem Verdienstzeichen des Militär-Ordens belohnt worden. Zum Rückzuge des Feindes trug auch das wohlgezielte Feuer aus den 4 Kanoren der 15. reitenden Batterie bei. Nur die ersten drei Schüsse trafen nit; die übrigen explodirten fast alle auf dem Verdeck. Außerdem wurde der Schornstein des Dampfers dur- \chossen und verbogen.

_Am 12./24. Juni, Abends, fuhr der Dampfer abermals aus

Nikopolis aus, und fuhr dieses Mal die Donau aufwärts; aber vom Feuer unserer Belagerungsbatterie empfangen, kehrte er nah Niko- polis zurück. Seitdem hat das Befahren der Mi.tel-Donau zwischen S ibzei und Nustschuk Seitens der türkischen Flotille vollständig aufgehöri; beide auf dieser Strecke nahgebliebenea Monitors liegen bis jeßt unbeweglih bei Nikopolis. Ob sie beshädigt sind, oder sich einfa fürchten, auszufahren, ift unbekannt. __ In demselben Zeitraum, vom 8./20. bis zum 12./24. Juni reiste ih heimlich mit dem Stabëc{ef und seinem Gehülfen, dem Geueral- Major à la suite Ew. Majestät Lewizki aus Plojesti und führte eine persönliche Rekognoszirung der Donau-Ufer von Simnißta bis Turnu aus. Nachdem ih mi persöulih von den Schwierigkeiten und Ge- fahren überzeugt, mit denen die Forcirung des Uebergangs in der Umgegend von Nifkopolis verbunden und mich andererseits selbst dessen vergewissert hatte, daß der Wasserstand bei Simnita die Veranstal- tung des Uebergangs gestatte, wählte ih endgültig den Ort bei Sim- nißa, etwas unterhalb Sistowa. Dank der Plößlichkeit und Heim- lihkeit meiner Abreis- wußte selbst im Hauptquartier Niemand, wohin und weswegen ih abgereist war; die Türken hatten, wenig- stens danach zu urtheilen, daß sie nicht s{hossen, niht einmal eine Ahnung davon, daß ich persönlich das Ufer besichtigte.

Am- 14./26. Juni war die ganze Arme* an den angegebenc.1 Drten konzentrirt. Mein Hauptquartier war am 13./25. Juni aus Slatina auf das Bivouak bein Dorf Dratscha am Fluß Kalmazui gegangen, wohin am 14./26. Juni aub das Hauptquartier Ew. Ma- jestät folgte.

Am 14./26. Juni Abends sammelten sih die zum Uebergang bestimmten Truppen und mit ihnen die Pontonparks in voll- kommener Stille auf dem Wiesenufer der Donau, am Fuße Simnitas, stellten \sich in Reih und Glied, ließen die Böte ins Wasser und schritten unter der Führung des General- Majors von der Suite Ew. Majestät Dragomirow, Com- mandeurs der 14. Infanterie-Division und des Chefs der 3. Sappeur-Brigade Richter zum Ueberseßen. Um 2 Uhr nch Mitternacht fuhr die erste Partie der Pontonböte ab: das Wolhynishe Infanterie - Regiment meines Namens, eine Ssotnie Fußkosafe1 und 60 Kosaken des Donschen Regiments Nr, 23, unter Ob-rleitung des General-Majors Jolshin. Um 2 Uhr 45 Mi- nuten stiegen diese Abtheilungen auf dem feindlichen Ufer aus und wurden nur von vereinzelten Schüssen einer Postenkette empfangen (das dient als Beweis für die außerordentliche Stille, mit welcher die Böte abfuhren), so daß sie ohne große Verluste das recht steile Ufer erklettern konnten. Die *darauf folgenden Abtheilungen wurden {on mit stärkerem Flinten- und Artilleriefeuer begrüßt ; es war augenscheinlich, daß die in Sivilistoma und Umgege.id befindlih-n Truppen sich auf den Alarm versammelt hatten. Nichtsdestoweniger ging das Ueberseßen auf Pontons die ganze Zeit über ohne Aufenthalt weiter; es gelang dem Feinde indeß während der Ueberfahrt 5 Pontons (3 gesonderte und zwei durch ein Floß miteinander verbundene) durch seine Schüsse zu ver- senken. Die Zahl der bei dieser Gelegenheit Umgekommenen ist noch nicht genau bekannt; ih weiß nur, daß mit diesen Pontons der Commandeur einer der Bergbatterien, Oberst-Lieutena1t Strelbizki, der Lieutenant der Garde-Fuß-Artillerie Türbert und zwei Berg- kanonen mit der ganzen Bemannung versunken sind. Mit der dritten Ueberfahrt ging der General-Major Dragomirow selbs aufs feind- liche Ufer hinüber, und fing an, persönlih das Gefecht zu leiten. Meinem Sohne, welchen ih ihm während des Uebergangs zur Dik- position gestellt, trug er auf, das Einsteigen und Abfahren der übrigen Truppen der 14 Division zu überwachen; zusammen mit dem leßten Theile derselben ging auch mein Sohn hinüber.

Als General-Major Dragomirow das Ufer hinanstieg, bemerkte er, daß unsere bei den ersten Fahrten gelandeten Truppen die Türken uf fünf Werst vom Ufer abzudrängen vermocht hatten. Daher diri- girte General-Major Dragomirow die nach ihm _ landende Brigad? des General-Majors Petruschewski direki nach Sistowa, und gab den Befehl, anzugreifen; der noch später anlangenden 4. Schüten- brigade befahl er, einen Bergrücken zu ersteigen, der sich oberhalb Sistowas parallel dem. Ufer hinzog. Der hartaäckige und blu- tige Kampf zog sih von 3 Uhr Morgens bis Mittag hin; die leßten Schüsse verstummten um 2 Uhr Nachmittag. Die Türken vertheidigten si mit verzweifelter Hartnäckigkeit; fast aus jeder Deckung mußten sie mit dem Bajonnet herausgetrieben werden. Zwei türkische Kanonen, welche bei Sistowa eine beherrschende Höhe beseßt hielten, gelang es faum zum Schweigen zu bringen uud zu demontiren, troß des un- unterbrochenen Feuers ciniger unserer Batterien am rumänischen Ufer. Endlich wichen die Türken in der Richtung nah Tirnowa und Nikopol zurück und unsere Truppen setzten sich in Sistowa und allen umgebenden Höhen fest. Unser Verlust war für ein so bedeu- tendes Gefecht niht groß. Gefallen: 9 Offiziere und 291 Unter- militärs; verwundet: 22 Offiziere und 446 Untermilitärs; ohne Nachricht verschollen: 53 Mann. Einige Offiziere und Untermilitärs haben mehrere Wunden sowohl von Feuerwaffen als von Bajonneten. Die Liste der getödteten und verwundeten Offiziere werde ih ergän- zend einreichen, : S

Die Truppen Ew. Kaiserlichen Majestät haben sich an MO denkwürdigen Tage mit unverwelklihem Ruhm bedeckt. Alle ohne Ausnahme bewiesen, daß sie die glänzenden Kampfestraditionen der tapferen russischen Armee aufrecht zu erhalten wissen. Nicht zu reden von den Truppen, welche eine auf einander folgende Reihe starker feindlicher Positionen erstürmt haben und unaufhaltsam dort mit dem Bajonnet angriffen, wo es unmöglich war, den Feind mit der Schieß- waffe fortzutreiben, haben alle Chargen ohne Ausnahme ihre Pflicht mit musterhafter Selbstverleugnung gethan. Die Pontonmann- schaften, die ‘Ruderer- der uralshen Kosfaken-Ssfotnie und e h ruhmreichen Seeleute fuhren troß des schrecklichen Feuers, ohne durch den Untergang von fünf Pontons, die durch feindliches R ener vor aller Augen auf den Grund gingen, ruhig und ohne

ufenthalt fort, die Truppen überzuseßen. Unsere Artillerie kämpfte die ganze Zeit über mit der feindlichen, welche auf einer beherrschen- den Höhe stand und zwang schließlich die türkische Batterie, die Po- sition zu räumen. Die Aerzte, Feldscheerer und Krankenpfleger trugen mit ruhiger Furchtlosigkeit die Verwundeten fort, gaben ihnen die erste Hülfe und fertigten sie unter starkem fcindlichen Feuer in das Feldlazareth ab. Ueber die Einzclheiten dieses ruhmreihen Ge- fechts werde ih noch das Glück haben, Ew. Majestät Bericht zu er- statten, wenn ih die Rapporte der Commandeure erhalten habe.

Gegenwärtig sind gelandet und haben sih auf türkishem Boden festgeseßt: das ganze VIII, Corps mit dem ihm beigegebenen Donschen Regiment Nr. 23, die 4. Schütßenbrigade und die 35. Infanterie- Division. Das Ueberfeßen auf Pontonböten dauert oÿne- Aufenthalt fort und zugl-ich sind am 16./28. Juni die Arbeiten am Brückenbau,

der am 18./30. oder 19. Juni (1. Juli) ganz fertig sein wird, be- gonnen. Dann werden wir Herr über eine völlig gesiche.te Ueber-

R e welcher

gangsftelle sein; es wird möglich sein den Train aller gelandeten Truppentheile und ferner die Kavallerie in b deutender Stärke hin- überzubringen und einen weiteren Angriff zu beginnen.

Die Stellung aller Mittel zum Brückenbau nach Simnitza ist

ebenfalls eine kühne That der Truppen Ew. Majestät. Alle hölzernen Pontons und die Flôöfse mit den Holzdielen und den scnstigen Brücken- attributen lagen in der Mündung des Oltaflusses, Man mußte sie von dort in die Donau hinabbringez und unter den Schüssen der Nikopolschen Festungswerke bis Simnißa stromabwärts fahren. Dieses gefährlihe Unternehmen wurde in 3 Entreprisen, in der Nacht auf den 15./27., 16.28. und 17 /29. Juni mit großer Kühn- heit ausgeführt. “Die erste Abtheilung von 100 Holzpontons leitete der Kapitän 1. Ranges Nowossilski, indem er selbst in der Arrièregarde auf dem leßten Ponton fuhr. Das Ponton an der Spiße, auf welhem sich der Chef der Ingenieure der Armee, General-Major Depp mit der Fahne des 5. Sappeur-Bataillons im Arm und der Commandeur dieses Bataillons, Oberst Swisch- tshewski befanden, führte Lieutenant Lohmann. Die Türken bemerkten diese kühne Bewegung èrst, als das leßte Ende der Abtheilung Nikopoli vorüber {wamm; sie eröffneten ein Artil- [erie- und Flintenfeuer, verursachten aber keinen Schadezs. Die Pontous gelangten glüdcklich bis Flamunda und kamen dann in der folgenden Nacht unter der persönlichen Führung des Groß- fürsten Alexei Alexandrowitsch von Flamunda nach Simnita. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni ging die zweite Ab- theilung, aus 50 Pontons und 34 Flößen bestehend, unter dem Kommando des Kapitän-Lieutenants Subow, welcher selbs auf dem Ponton an der Spitze fuhr, den Strom abwärts; auf dem letz- ten Ponton fuhr Lieutenant Makarow. Der Feind bemerkte diese Bewegung um 25 Uhr Nachts, und eröffnete das Feuer von allen Nikopolischben Batterien. Einer der örtlihen Lootsen wurde verwun- det und sprang ans Ufer; seinem Beispiel folgten auch die übrigen Lootsen von den fünf nähsten Flößen. Die auf den Flößen zurüd- ebliebenen Sappeure konnten wegen ihrer geringen Zahl mit der eitung der sechs Flöße nicht fertig werden, verloren aber nit den Kopf, sondern landeten am Ufer, banden unter starkem Feuer zwei Flöße aneinander, und fuhren, in die Linie ei tretend, ruhig foct, ihrec Bestimmung gemäß, weiter zu {wimmen. Auf den Flöfßen befanden sich der Mid:hipman Iwakowski und der Lieut.nant Moschtscinki. Endlich wurden in der Nacht vom 16./28 den 17./29, Juni die übrigen 30 Flöße Nikopol vorübergebracht. __ Aus Allem oben Dargelegten geruht Ew. Majestät zu ersehen, daß der Uebergang über die Donau über alle Erwartung gelungen ist, Ich bin glücklich, Ew. Majestät zu dem wohlbehaltenen Aus- gang aus dieser so s{chwierigen Unternehmung beglückwünschen zu önnen.

Der Oberkommandirende der aktiven Armee, General-Inspektor der Kavallerie und des Ingenieurwesens, General - Adjutant

Nikolai.

Aus Fbkani wird den „Daily News“ unterm 7. d. M. telegraphirt: „Die Truppen fahren fort, in großer Anzahl den Fluß zu überschreiten. Die Hauptmachht wird nah links dirigirt zu dem Zweck, die Türken in ihren M zu blokiren. Gegen diese Festungen nähert sich Seneral Zimmermann, der bereits Medschidshe okkupirt, von Osten. Die zweite Armee is in der Bildung begriffen. Sie wird von dem Großfürsten Wladimir, zweiten Sohn des Czaren, kommandirt werden, und General Zamoiskfi wird der Chef des Generalstabes sein. Diese Armee wird nah Westen zu gegen Sofia vorrücken. Zwischen den zwei Armeen w.rd eine große Streitmacht Kavallerie

| passiren, die der bereits vorausgezogenen folgen und rasch auf

Adrianopel und Konstantinopel marschiren wird. Der Kaiser kehrte gestern nah Sistowa zurück. Einige von den Türken verstümmelte Bulgaren wurden ihm vorgeführt. Jn dem Augenblick, als der Czar sic) zur Tafel seßte, zog das Be- gräbniß eines Kapitäns vorüber, der beim Uebergang über die Donau ertrunken war. Der Kaiser erhob sich unverzüglich und folgte der Leiche mit seiner gesammten Suite von 150 Personen. Fürst Wittgenstein verläßt heute Abend das Hauptquartier; er ist der Träger von Befehlen an die auf Adrianopel marschirende Kavallerie, rash vorzudringen.“

Aus Schumla, 8. Juli, wird der „Times“ tele- graphisch berichtet :

„E8 liegen 88 Verwundete in Rustschuk, und den englischen Doktoren wird niht gesta:tet, denselben beizusteh:n. Alle werden mit gebrohenen Beinen und Armen ohne Verband in einem \chreck- lichen Zustande nach Konstantinopel gesandt. Verwundete Soldaten beschwören die englischen Aerzte, ihnen die Kugeln herauszuziehen, aber dieselben sind hülflos, da 28 Kisten mit medizinischen Vorräthen, welche das Staffard House-Comité sandte, von dem türkischen Ober- arzt in Rustshuk troß der Proteste der englischen Doktoren mit Be- \chlag belegt wurden. Die Vorräthe sind nicht vertheilt worden und hie sind thatsächlih nut:los. Ganze Bataillone marschiren ohne Medi- kamente und chirurgische Instrumente ab, während dieser Mann alles unter S{loß und Riegel hält.“

London, 12. Juli. (W. T. B.) Dem „Reuterschen Bureau“ wird .aus Skutari vom 11. d. gemeldet, der dortige englische Konsul habe sich nah Cettinje begeben, um den Abschluß eines Wasfenstillstandes zwishen Monte- negro und der Türkei vorzuschlagen.

Asiatischer Kriegsschauplaß.

St. Petersburg, 12. Juli. (W. T. B.) Telegramm der „Jnternatidnalen Telegraphen-Agentur“ aus Tiflis von heute: Die russishe Garnison, die 23 Tage hindur in Ba- jazid eingeschlossen war, ist dur die Truppen des Generals Tergukassoff, die über die 30,000, die Citadelle blokirenden Türken einen vollständigen Sieg daoontrugen, befreit. Von den russishen Truppen wurden 4 Geshüße genommen und 80 Gefangene gemacht. Bajazid ist zerstört.

St. Petersburg, 13. Juli. (W. T. B.) General wie türkishe Nachrichten behaupten, fapitulirt haben sollte, hat die Garnison von Bajazid ent- seßt, die Türken geschlagen und 4 Geschüße genommen.

Konstantinopel, 12. Juli. (W. L. B.) Eine Depesche Moukhtar Paschas vom 11. d. meldet: Der Feind hat heute sein Lager vor Kars verlassen und sih auf Cheipakil, Karayal und Kedikdire zurückgezogen. Wir haben das Lager beseßt. Die bei Bajazid operirende türkishe Division hat Ekdir an

der Grenze beseßt. :

Erzerum, 12. Juli. (W. T. B.) Jsmail Pascha hat seine Verbindung nit Faik Pascha bei “O er- estellt. Da die Pest in Bagdad aufgehört hat, so sind as dort stehende Armee-Corps und die Abtheilungen Frei- williger von Bagdad nah Mofssul aufgebrochen, um nah

Erzerum zu marschiren.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Wien, Freitag, 13. Juli. Wie der „Presse“ aus Bu- karest gemeldet wird, wurde Fürst Tscherkaskij mit der Bildung

einer bulgarischen Nationalmiliz betraut, für welche jeder waffenfähige Bulgare dienstpflichtig sein soll.