1922 / 271 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Nov 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmatbung.

Dem Althändler Christovh Kastner, geboren am %. Dezember 1885 in Kuluiann, wohnhaft in Frankfur t a. M, Sindlinger Straße Nr. 5, Geschäftslokal ebenda, wird hierdurch der Handel mit Gegenständen des täglichen Be- darfs, insbesondere Altmetallen, Nahrungs- und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz, und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchèn Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diejen Gewerbebetrieb untersagt.

Frankfurt a. M., den 24. November 1922.

Der Polizeipräsident. E hrlexr.

Bekanntmachung. i Dem Althändler August Röhrig, geboren am 14. September 1892 in Rödelheim, wohnhaft in Frankfpvrta. M., Adalbertstr. 6 b, Geschäftslokal ebenda, wird hierdurh der Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere Altmetallen, Nahrungs- und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz- und Leuchtstoffen fowie jeglihe mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solhen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt. Frankfurt a. M, den 24. November 1922.

Der Polizeipräsident. E hrler.

aid

BekanntmaMGung-. A em Althändler Friy Schenk, geboren am 21. Sep- aide 1839 in Fraufkfurt a. M. wobnbaft in Frankfurta. M, Oppenheimer Landstraße 54, Geschäftslokal ebenda, wird hierdurch der andel mit Gegenständen des täglichen Bedarts, sbesondere Altmetallen, Nahrungs- und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz- und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem folchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt. Frankfurt a. M., den 24. November 1922. Der Polizeipräsident. C hrler.

S

Bekanntmachung. A Dem Wirt Andreas Wegmann, geboren am 18. De- ember 1865 in Thalhenn, wohnhaft in Frankfurt a M., Mojel- traße Nr. 45, Geschättslofal „Cafs Franfkturt“, Moselstraße Nr. 45, wird hierdurch der Handel mit Gegenständen des täg- lihen Bedarfs, insbesondere Nahrungs- und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heîz- und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Bandei wegen Unzuverlässigfkeit in bezug auf diesen Gewerbe- betrieb untersagt und seine Wirtschaft geschlossen. Trankjurt a. M., den 24. November 1922. Der Polizeipräsident. E hrler.

erat eei

Bekanntmachung. Dem Althändler Erwin Lieser, geboren am 20. No- vember 1900 in Altenwaid, wohnlaft in R a. M,, aidestraße 56, Geschäfts1okal Haidestraße 34, wird hiermit der L mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, inébesondere Altmetallen, Nahrungs- und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiîz- und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt. Frankfurt a, M., den 24. November 1922. Der Polizeipräsident. Ghrlert.

Bekanntmachung.

Althändler Sally Stern, geboren am 11. De-

ember 1870 R Friedberg, wohnhaft in Frankfurt a. M,

Mainzer Landstraße Nr. 284, Geschäftslokal ebenda, wird hierdurch der

Handel mit Gegenständen des täglichen Bedar?ts,

insbesondere Altmetallen, Nahrungs- und Futtermitteln allec Art,

ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz- und Leuchtstoffen sowie jegliche

mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen

Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt.

Frankfurt a. M,, den 27. November 1922. Der Polizeipräsident. Ehrler.

E E S S I Nichtamtliches.

Deutsches. Reich.

er Reichsrat versammelte sich heute zu einer Voll-

Ms E hielten die vereinigten Ausschüsse für Volfs3- wirtishaft und für Haushalt und Rechnungswesen, die ver- einigten Ausschüsse für Rechtspflege und für Volkswirtschaft, der Aus\chuß für Verfassung und Geschäftsordnung, die ver- einigten Ausschüsse für Haushalt und Re en und für innere Verwaltung sowie die vereinigten Ausschüsse für Steuer- und Zollwesen und für Volkswirtschaft Sizung ab. Nach der Vollsizung fand eine Sizung des Ausschusses für Verfassung und Geschäftsordnung statt.

Preußischer Landtag. 187. Sizung vom 28. November 192A. Nachtrag.

n Beantwortung der Großen Anfrage der Demo- kratif Mg nis über die Zuschläge zur Grundmiete und der Großen Anfrage der Deutschnationalen Partei über Aenderung der bestehenden Wohn- und Miet- vor\hriften hat der Minister für Volkswohlfahri Hirtsiefer folgendes ausgeführt:

Meine seßr verehrten Damen und Herren! Ih möchte die

Beantwortung der leßten Anfrage, die sih allerdings au zu

unserm Bedauern sehx weit hinausgezögert hat, vorwegnehmen

und sagen, daß ‘die preußische Staatsregierung seit mehr als zwei

Jahren dahin gewirkt hat, daß eine Revisionsinstanz gegen die

j Entscheidungen der Mieteinigungsämter geschaffen wird. Wird der T gegenwärtig vom Reichstag beratene Gesegentwurf über Mieter- &{huy und Mieteinigungsämter angenommen, so werden die gegen-

wärtig teilweise gewiß als nicht unberechtigt anzuerkennenden

Beschwerden wohl im größten Umfange behoben werden können,

an unserer Mitwirkung dabei hat es wirklih nicht gefehlt; wir

müssen die Schuld dafür ablehnen, daß dieser Geseyentwurf so

lange beraten wird.

H Was dann die zweite Anfrage, die große Anfrage Nr. 171, H anlangt, so habe ih dazu zu bemerken: es ist zutreffend, daß ih

Grunbmlete die îv dex großen Anfrage angegebenen Hundertsähe | im wesentlihen nicht zu überschreiren. Selbstverständlich sind die im Juni 1922 gezogenen Grenzen heute nicht mehr zutreffend und waren auch bei Stellung der großen Anfrage am 24. Oktober niht mehx zutreffend. M Preisen unter dem 10. August 1922 die Regierungspräsidenten er- mächtigt, sür die laufenden Justandseßungsarbeiten 100 vH und für die großen Justandscpungsarbeiten in einzelnen Fâllen Zu- schläge bis zu 150 vH zuzulassen. Einzelfällen auf Bericht der Regierungspräsidenten andere An- ordnungen von mir genehmigt, die die Festjezung der Zuschläge anderweit regeln oder die Festseßung von Zuschlägen dur Ge» meinde- oder Kommunalaufsihtsbehörden im wesentlihen un-

Fch habe entsprechend den gestiegenen

Ferner sind in zahlreihen

nötig machen. Eine allgemeine Anordnung ist aber seit dem 10. August nicht mehr hinausgegangen, das möchte ih ausdrüdlich feststellen. Aber weit über einen Monat verhandeln wir mit Mietern und Vermietern, und ih kann Fhnen, meine Damen und Herren, gleih die Zuschläge bekanntgeben, die Neuregelung der Dinge, die heute noch den Regierungspräsidenten bekannt» gegeben werden soll. J habe bereits angeordnet, wenn ih das kurz sagen darf, daß eine allgémeine Heraufsezung der Sähe stattfindet, und zwar mie folgt: für Zinsensteigerungen sollen zugelassen werden bis zu 40 vH (hört, hört! links), weil insbesondere in der leßten Zeit tatsählih eine wesentliche Heraufsegung der Hypothekenzinsen stattgefunden hot. Diejenigen Stadtgemeinden, auch Land- gemeinden und Landkreise, die glauben, mit einer Zinsensteige- rung von 40 vH nicht auskommen zu können, sollen das Recht haben, die Zinsen einfach umzulegen, genau so, wie die Betriceh3- kosten umgelegt werden. Fch hoffe, daß auf diese Weise dieser Stveitpunkt endgültig beseitigt sein wird. Für laufende Jnstandsezungsarbeiten sollen bei der An- wendung unserer Auffangverordnung, auf die ih mir erlauben werde, gleich noch kurz einzugehen, bis zu 200 vH, da, wo diese Auffangverordnung niht angewandt wird, bis zu 300 vH zu- gelassen werden. Für große Jnstandseßungen sollen nach wie vor im allgemeinen bis 150 vH zugelassen werden. Ver- \chiebungen innerhalb der Hundertsäße je nah der Abgrenzung der laufenden und großen Znstandsezungsarbeiten sind ebenfalls zu- gelassen. Für Verwaltungskosten haben wir bis zu 200 vH der Grundmiete zugelassen. (Hört, hört! links.) Dann ist in unserer Anordnung, die wir und ih glaube, da darf ih wohl sagen: den Wünschen des größten Teiles des hohen Hauses entsprehend erlassen haben, gesagt, daß wir möglihs wenig zwangsweise eingreifen wollen, sondern den großen Kommunen in großem Umfange das Recht lassen, selbst die Dinge zu regeln; so haben wir diese sogenannte Auffang- verordnung nicht zwangsweise eingeführt, sondern den Kom- munen anheimgegeben, sie einzuführen, Dadurch werden im §1 den Mietern sämtliche ZFnstandsezungskosten innerhalb der Woh- nung aufgebürdet, so daß sie zunächst einmal die Jnstandseßung3- losten innerhalb der Wohnung selbst zu iragen haben. Sie haben dann weiter die gesamten Betriebskosten zu tragen, die ja nach unserer Ausführung8anweisung ebenfalls einfach umgelegt werden. Bezüglich der laufenden und großen Fnstandsezungskosten Haben wix folgende Anordnung getrossen: Die laufenden Jn» standseßungskosten gehen bis zu 200 vH., und was an JFnstand- seßungen aller Art über den zweijährigen Saß von 200 vH. hinausgeht, soll dann ohne weiteres ohne Begrenzung große {Fn- standsezung sein. Jh weiß nicht, was dann noch für große Streitpunkte übrig bleiben sollen. Zu welchen Ergebnissen wir dabei kommen, zeigt Jhnen Berlin. Ohne diese neue Anordnung würden wir nah den Vorschlägen in Berlin mehr als die 30fache Grundmiete bekommen. Dazu kommt die Wohnungsbau- abgabe. Jh glaube, daß dann hon in außerordentlich großem Umfang den tatsählihen Verhältnissen wirklich Rechnung ge- tragen ist, Jch möchte noGmals bitten, doch die Dinge, die im Juni oder August gemaht worden sind, niht zum Gegenstand der Debatte zu machen, sondern das, was tatsählich gegenwärtig ist. Das ist doch im leßten Grunde entscheidend. (Zuruf bei den Deutschen Demokraten.) Wenn der Erlaß nicht ausgeübt wird, bedarf es nur irgendeiner Beschwerde an das Ministerium, um zu erreichen, daß er ausgeübt wird. (Zuruf bei den Deutschen Demokraten: Der Erlaß geht doch erst morgen hinaus!) Fn- folgedessen konnte der bisher überhaupt nicht ausgeübt werden. (Heiterkeit und Zuruf: Dann ist do die Anfrage zeitgemäß!) Jh darf aber doch sagen, was ih bereits im Oktober gesagt habe, daß wir bestrebt sind, den Dingen nachzukommen, daß aber niemand diese ungeheure Geldentwertung voraussehen konnte, daß wir jedenfalls im Juli oder August auch nicht vorauswissen konnten, daß der Dollar gestern auf über 8000 stand; sonst würden wir auh den Dingen mehr Rechnung getragen haben. i Jch kann aber weiter darauf hinweisen, daß ih durchaus dem Hausbesiyz das geben will, was er haben muß, was Herr Abg. Dr. Höpke-Aschoff von mir verlangi hat. Strittig ist aber, was es sein muß. Daß darüber die Meinungen auseinander- gehen, wird auch in absehbarer Zeit so bleiben. Jch kanu unmöglih alles, was von mir verlangt worden ist, auh nur einigermaßen genehmigen, selbst dann, wenn Mieter und Vermieter sih einig geworden sind. Jch darf Jhnen mitteilen, daß vor vier Wochen aus einer großen westdeutschen Stadt Mieter und Vermieter nah Angabe der- Betreffenden, was aber nachher von den Mietern ‘der betreffenden Stadt bestritten worden ist, dahiu einig geworden sind und folgenden Vorschlag dem Mini- sterium zur Genehmigung eingereiht haben: Für Zinssteigerung 69 vH., für Verwaltungskosten 226 vH., für laufende Instand- haltung 550 vH. und- für große Fnstandseßung 1100 vH. Damit wären wix auf die 194 fache Friedensmiete gekommen. Daß das niht in einer Stadt ohne weiteres festgeseßt werden kann, das sollten Sie doch im leyten Grunde auch verstehen. Dann möchte ih dringend bitten, daß endlih das Schlagwort von dem Geheimerlaß begraben wird. Jch habe {hon am 95. Oktober 1922, also vor einem Monat, hier im Hause aus- eführt: i: De E Dann darf ih noch kurz auf die berühmten, oder ih möchte beinahe sagen: berüchtigten Geheimerlasse eingehen, die in der leßten Zeit in der Agitation der Hausbesißer gegen das Wohl-

bleibenden Gebiete festzuseßen. Yn einer einfachen Nensk- anweisung habe ih den Regierungspräsidenten mitgeteilt: bis zu der und der Höhe könnt ihr ohne weiteres genehmigen, darüber hinaus behalte ich mir das Genehmigungsrecht vor. Wie sollie ih das sonst machen? Das ift der ganze Gehéim- erlaß mit all dem, nas man- daraus und darum gemacht hat. Das unterstreihe ich auch heute. Des\wegen darf ih bitten, daß nun diese Geheimerlasse endlih das Begräbnis erster Klasse be- kommen, das sie tatsählih verdienen. (Abg. Ladendorff: Na, na!) Herr Ladendorff, darüber werden wir höchstwahrscheinlich nie» mals einig werden. Das nehme ih Fhnen aber nicht übel. Damit können Sie ruhig weiter krebsen gehen. Sie können die Geheim- erlasse weiter gegen das Wohlfahrtsministerium ausspielen, das nehme ih Jhnen nicht krumm. Ta darf ih hier weiter darauf hinweisen, daß Herr Ab- geordneter Dr. Höpker-Aschoff sagte, die Verwaltungskosten spielten in der Provinz nicht die große Rolle. Jch muß ihm mitteilen, daß mix leider gerade immer aus der Provinz das Gegenteil mitgeteilt wird, daß ih die Verwaltungskosten nicht hoch genug seßen kann. Hier flafft also ein Widerspruch, den ih mir nicht ohne weiteres erklären fann. : : Dann sollten wir endlich die Debatte darüber fließen, welchen Teil seines Einkommens jemand für die Miete ausgibt, denn wir haben überhaupt nicht eine Möglichkeit, Vergleiche zwischen den gegenwärtigen Zuständen und denen vor dem Krieg herzustellen. Das sollte endlih einmal Gemeingut geworden sein. Denn wenn Herr Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff sagt: Es ist gleichgültig, ob jemand das vierzig-, fünfzig- oder sechgig-fache der Friedensmiete bezahlt, dann sage ih: nein, das ist niht gleih- gültig, sondern das hat unsere gesamte Volkswirtschaft zu tragen, das muß wieder herausgeholt werden. Deshalb ist es fo gleid- gültig, wie es Herr Abgeordneter Dr. Höpker-A schoff hinzustellen versucht hat, doh nicht. Das geschieht nicht auf Kosten des Haus- besißes, sondern ih soge noch einmal, verehrter Herr Abgeordneter, ih will dem Hausbesiy durhaus das zukommen lassen, was er für die Rente seines Kapitals, für die Jnstandseßung und JInstand- haltung seines Hauses nötig hat. (Zuruf.) Seine Arbeit liegt in den Verwaltungskosten, da habe ih sie ihm schon zugelassen; Sie werden zugeben, daß das bei manchen einen ganz erheblichen Betrag ausmachen wird. Jh sage: auch das soll er haben. Da sind wir auch wohl alle einig. Aber daß ih da den Interessen der- jenigen Hausbesiger, die sich als die Führer der Hausbesitzer auf- gespielt haben oder gerieren, und allen ihren Wünschen nachkommen kann, das halte ih für ausgeschlossen, und ih sage noch einmal: das wird unsere Volkswirtschaft nicht tragen können. E JFch darf nun auch noh auf folgenden Widerspruch hinweisen. Herr Abgeordneter Dallmer sagte heute wieder, sie hâtten im Osten viele Reparaturen, die die westlihen Länder nicht hätten. Jch muß leider auch da feststellen, daß von den Vertretern der westlichen Länder immer das Gegenteil gesagt wird. Jch stelle. nux die Tatsache fest, ih will nicht sagen, daß Sie Unrecht haben, Byr Abgeordneter Dallmer; ih will das nicht untersuchen. Die Vers treter der westlihen Länder sagen immer, bei hnen würde leichter gebaut, und deshalb hätten sie viel größere Reparaturen als im Osten. FeltausteLew, S da richtig ist, das muß ih den Herren : ib übevlassen. i « E ales O mit den berühmten Einzelbeispieken do sehr vorsichtig zu sein. Jh kann mix. # B. denken, daß in einem Hause der Lichthof verkehrt angelegt ist, und deshalb dort größere Unkosten vorhanden sind, als da, wo der Lichthof richtig angelegt ist. Wir können aber unmöglich unsere gange Mieten- gesepgebung lediglih darauf einstellen, ob die Anlagen richtig angelegt sind. Lassen Sie also bitte die Einzelbeispiele fort, damit fommen wir niht weiter. Wir können niht anders handeln als mit den Durchschnittswerten, die in Frage kommen, zu renen. Und da sage ih nohmals3: ich werde gern bereit sein, nah Möge lihkeit den wirklichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, und habe auch die Dinge jeßt in außerordentlich großem Umfange geregelt. Genügend oder allen Wünschen entsprechend die Regelung gu ge- stalten, das werde ih nie können. Jchch kann nux dew durchschnitt- lichen Bedürfnissen Rechnung tragen.

Wenn die gesamten Betriebskosten von den Mietern getragen werden, wenn vie Zinsen, sobald sie 40 Prozent übersteigen, ebenso umgelegt werden, dann bleiben nur die Verwaltungskosten und die JIastandseßungs3arbeiten strittig. Da haben wir die Auffang- vorrichtung, die wir in jeder großen Kommune einrichten können; kommen die Hausbesiß® damit in zwei Fahren nicht aus, dann ist alles darüber hinaus große Fnstandseßung. Wie es da noch möglich sein soll, daß Vermieter nicht ausfommen, ist mir vor= läufig nicht klar; jedenfalls müssen wir uns darüber in dem leßten Grunde verständigen, müssen aber die Auswirkung dieser Ane ordnung zunöchst einmal abwarten. i

Daß a Vie in der lebten Zeit infolge der Reichsmietengesezgebung, wegen der Festseßung der geseßzlihen Miete und was damit zusammenhängt, stark in Anspruch ge- nommen waren, gebe ih ohne weiteres zu. Jeßt müssen wir aber zunächst abwarten, in welchem Umfange diese neue Anordnung überhaupt die Mieteinigungsämter beeinflußt. Fch stehe selbst- verständlich zu jeder Zeit zu neuen Verhandlungen darüber zux Verfügung. Das muß ih aber doch Herrn Abgeordneter Dallmer gegenüber sagen, wir haben über die Kosten der Mieteinigungs ämter und der Wohnungsämter bisher keine Uebersicht. Jch möchte aber doch hinzufügen: daß sind Einrichtungen, die sich nit einfach nach Mark und Pfennig bewerten lassen. Das möchte ih unter allen Umständen unterstreichen. Wenn wir bisher den Mieter- \chuß durhgeführt haben, dann müssen wir das auch in Zukunff vorläufig beibehalten. Daran werden wir nicht vorbeikommen, nicht weil dadurch Kosten entstehen, sondern obgleich Kosten dadur entstehen. Wir haben ja unsere Stadtverwaltungen und sonstige Verwaltungen, obgleich dadurch - auch Kosten entstehen; wir müßten ja sonst diese alle auch abschaffen, weil dadurch Kosten entstehen. Das kann man niht machen. Wir können in gegew- wärtiger Zeit niht an eine Beseitigung des Mieterschutzes denken, das ist absolut ausges{!lossen. Wir können nur erreichen, daß ein möglihst vernünftiger Ausgleih zwischen den Fnteressen der Mieter und Vermieter herbeigeführt wird. Fch sage noch einmal: ih bin bisher bestrebt gewesen, das zu tun, und ich werde auch bestrebt sein, das in Zuknuft zu tun. . Leider habe ich nicht dié

fahrtsministerium eine so große Rolle gespielt haben. Auf Grund des Reich8mietengeseßes hat die oberste Landesbehörde

S HR

dur eine innere Dienstanweisung ‘vom 16. Juni 1922 die Re-

î

gierungspräsidenten angewiesen habe, bei den Zuschlägen zux l

das Recht, Zuschläge in Hundertsägen füx die uoch übrig-

Aussicht, daß ih das zur Zufriedenheit beider Teile machen kann. e Sli R

| m

188. Sißung vom 29. November 1922, Mittags 12 Uhr. {Bericht des Nahrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *®).)

Präsident Leinert eröffnet die Sibung um 12% Uhr. Der Antrag der Kommunisten, die gestern abgeseßte Beratung über die Ausweisung des italienischen Kommunisten GHezzi usw. heute an erster Sielle vorzunehmen, damit das Parlament noch vor der Auslieferung Stellung nehmen könne, wird gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.

Auf Antrag des Abg. Müller - Hannover (Soz.) wird vorweg der Gesegentwurf wegen Aenderung des Beamtendiensteinkommengeseyes in allen drci Lesungen ohne Aussprache verabschiedet. Es soll dadur ermöglicht werden, den Beamten die erhöhten Bezüge hon zum 1. Dezember auszuzahlen.

Die Deutschnationalen haben eine große An- frage über die Einwanderung der Ostjuden nah Deutschland eingebraht und fragen das Staats- ministerium, was es zu tun gedenkt, um unerwünschte Gäste abzuschieben und eine s{härfere Kontrolle durchzuführen.

Abg. Dr. Kähler - Greifswald (D. Nat.): Die Ostiuden- [rage ist seit der Revolution niht zur Ruhe gekommen. Es ist eine politische, sondern eine wirtschaftliche und fulturelle, jogar eine hygienische Cra, Der ganzen Bevölkerung hat sih über die in den legten Wochen und Monaten überaus stark an- geswollene Einwanderung dieser sremdländishen Elemente eine grobe Erregung bemähtigt. Die „Deutsche Tageszeitung“ meint, Wien sei jeßt nicht mehr das Ausfallstor für die Juden nah dem Orient, sondern dic Einfallspforte nach Deutschland. Die

ölnische Zeitung“ hat in diesem Jahre schon zweimal die Frage ehandelt, sie hat von der doppelten Einwanderung nach Berlin, der russishen und der ostjüdischen, gesprochen und die lebtere als die gefährlichere erklärt. Schon die ¿Ea ler lam ing in Weimar hat 1919 eine sehr scharfe Entschließung gegen diese Ein- wanderung angenommen. Es handelt sich in eminentestem Sinne um ein preußisches, ja um ein Berliner Problem, aber nit bloß um ein Berliner Problem, denn auch zum Veispiel in Pommern e sih diese außerordentlich bedenk- lihe Einwanderung bemerkbar. Zegzt is die Frage auch ein bayerises Problem geworden. Wir machen aber einen Unter- schied zwischen Ausländern und Au3ländern. So wünschen wir nit, daß z. B. die Wolgadeutschen mit den ostjüdishen Ein- wanderern auf eine Stufe gestellt werden. (Lebhaftes Sehr rihtig! vehts.) Daß andererseits Leute, die sih gegen die Meldepolizei- bestimmungen vergehen, ausgewiesen werden müssen, îst troß der Einwendungen des Sozialdemokraten Limberß im add A des Staates selbstverständlih. Recht lehrreih ist das Beispiel, wie die Ostjuden. denen die Einwanderung nah Danzig nicht gelingt, den Weg über Preußen nehmen und dann ihr Ziel erreichen. (Hört, hört! rets.) Von antisemitisher Heße kann bei unserer Forderung keine Rede sein. Dicse Forderung wird weit über unsere Partei hinaus von den weitesten Kreisen vertreten. Diese Kreise lehnen eben den „hygienishen Bolschewismu3“ ab. Hat doch selbst Dr. August Müller im „Achtuhr-Abendblatt“ treffend eschildert, wie diese „Aasgeier“ aus dem Osten immer neue ; ahrung in Deutschland finden. (Unruhe bei den Kommunisten.) Die We tjuden shaden ihren eigenen Fnteressen, wenn sie restlos für die Ostjuden eintreten. Als Arbeiter betätigen si die Ost- fuden nur zu einem vershwindenden Tan Die Presse, auch der „Vorwärts“, hat der Frage längere Artikel gewidmet. Es bestätigt sich das Wort von Karl Emil Franzos8: Jedes Land hat die Juden, die es verdient. Wir wünschen a Ann daß die Juden auf der Ausreise nah Amerika bei uns hän bleiben, Sie sollen dahin gehen, wo sie vielleiht mehr Ver- wandtschaft finden. Aus kulturellen, völkishen, wirtshaftlihen und hygienishen Gründen, so wiederhole ih, erhellt die Be- rechtigung unsever Forderung. (Lebhaster Beifall rets.)

Minister des Innern Severing: Meine Damen und Herren! Jch bin mit dem Herrn Vorredner der Mein ung, daß es sich bei der Erörterung des Fremdenproblems um eine ernste Sache handelt, die bie Beahtung der Staatsregierung im Höchsten Maße verdient. Aber gerade weil ich dieser Meinung bin, kann ih mich der Argumentation meines Herrn Vorredners nit anschließen.

Der Herr Vorredner leitete die Begründung der großen Anfrage mit dem Hinocis auf Stimmungen und Verstimmungen ein, denen man heute in den weitesten Volksshichten begegnen könne. Ich bin der legte, der die große psychologische Bedeutung von Stim- mungen und Vers! immungen in der Politik verkennt. Stimmungen im Volksleben find ein Faktor, der in der Politik auêgewertet werden muß, aber doch nur dann, wenn diese Stimmungen natürlih sind und nit unnatürlih angefaht werden. (Heiterkeit rechts. Zuruf: Glementares Gefühl.) Wenn man aber weiß, meine Damen und Herren, daß viele Zeitungen und viele Versammlungs- redner, besonders solche Redner, die in den rechtsradikalen Organi- sationen ihre politishe und völkishe Interessenvertretung erblidcken, alles darauf anlegen, um die Juden für das wirtshaftlihe und polî- tishe Elend verantwortlich zu machen, unter dem wir heute leiden, dann, glaube ih, darf man diese Stimmungen nicht allzu hoh werten. {Sehr richtig! links.)

Und wenn sie auf die Eisenbabnfahrten verweisen, dann mae id darauf aufmerksam, daß es nicht allein D-Züge gibt, die von Wien nach Berlin kommen, sondern es kommen D-Züge auch aus dem Westen noch Berlin, und in diesen Zügen spielt sich ungefähr dasselbe Bild ab, das in der Tat wenig erfreulich ist, das Bilv, das Sie auf der Route Wien—Berlin wahrgenommen haben, das scheint mir ein Beweis dafür zu sein, daß es niht Erscheinungen, auétschließlih durch Juden hervorgerufen, sind, sondern daß auch washechte Arier sich an diesen Dingen beteiligen. (Sehr gut ! links.) Jch weiß, daß in D-Zügen in der Tat schon auf der Fahrt um Deutschlands Wirtschaft sozusagen gewürfelt wird, daß son auf der Fahrt zahlreihe Aasgeier si be- mühen, große Gewinne einzuheimsen. Aber ich füge hinzu: das ist keine Spezialität der Juden, sondern daran sind auG Arier in hervor- ragendem Maße beteiligt, (Zuruf rechts: Au !) Ja, meinen Sie, meine Herren, ih wäre so tehr in die Auden verliebt und vernarrt, daß ich in Abrete stellen möchte, daß au Juden dabei sind ? „Sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms . .“ (Sehr wahr! links.)

Es will auch nit viel sagen, was der Herr Vorredner an Heitungsslimmen hier vorgetragen hat. Diese Zeitungsstimmen sind nur der Niederschlag der Stimmurg, die wir jet häufig in ver- schiedenen Volkês\chichten, au in Arbeitershihten, antreffen. Meine Damen und Herren, die Volksvertretung und die Regierung hat aber die Verpflichtung, sich auf einen streng sachlichen Standpunkt zu stellen.

Im Zusammenhang mit Pressemeldungen möhte ih auf eine Mitteilung aufmerksam machen, die in den legten Tagen hier bekannt- geworden ist. Jüdische Zeitungen berihien, daß die ungarische Regierung die Absicht habe, eine größere Anzahl von jüdischen

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

Familien aus Ungarn aus8zuwefsen. (Zuruf rechts.) E3 wird an dfese Meldung die weitere Mitteilung geknüpft, daß in diesem Falle ein größerer Teil der Ausgewiesenen sch nach Deutschland und besonders nah Preußen wenden würde. JIch möhte an dieser Stelle den Völkerbund darauf aufmerksam machen (Heiterkeit und Zurufe rets), daß Deutschland und Preußen nit in der Lage ist, diesen Flüchtlings- strom aufzunehmen. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Ja, da sind wir ja einig. Wenn die Einrichtung des Völkerbundes überhaupt einen Sinn haben soll (Zurufe rechts: Hat sie niht! Hat sie nie gehabt !) dann müßte sich der Völkerbund mit dieser eminent praktischen Auf- gabe jezt beschâftigen.

Jedenfalls find die. derzeitige Ernährungllage, die derzeitigen Er- scheinungen auf dem deutschen Wohnung8markt und die augenblicklihe Ausficht auf den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt nit dazu angetan, daß wir noch Ausländer zu uns bereinnehmen können. (Sehr richtig! bei d. D.-Nat. V.-P.) Sie sehen, meine Herren, wenn wir sachlih diskutieren, dann finden \sih mindestens viele Berüßrungspunkte. JIch bîn froh darüber, daß wir mit Ungarn keine politishen Grenzen haben, daß, wenn sich wirkli Ungarn nach Deutschland begeben follten, fie ni@t zunächst preußisches Gebiet berühren. Es wird sich dann herausftellen, ob andere Länder wacsamer sind und sich besser gegen diesen Fremdenzustrom abschließen können, den Sie besonders Preußen zugeschrieben haben.

Mein Herr Vorredner wies darauf hin, daß der kleine Gesetz- entwurf, der jeßt dem Hause vorliegt und der die Einrichtung der Grenz- kommissariate bezweckt, ein Eingeständnis dafür sei, daß die preußische Negierung über Mittel verfüge, um den Fremdenzustrom hintanzu- halten. Er bemängelte aber, daß diese Einrihtung niht s{hon früher getroffen sei. Der Herr Vorredner weiß ebenso gut wie ih, daß die Grenzen Preußens im Osten eigentlih jeßt erst gezogen find. Was Oberschlesien anlangt, so haben wir infolge der durch die Abstimmung eingeleiteten Entscheidung der Entente jetzt erst fertige preußische Grenzen; ja, sie sind noch nit einmal ganz gezogen. Auch an der Weichsel sind noch einige Linien zu berichtigen. Die Grenz- fommissariate als Dauereinrihtung mußten selbstverständlih auf die endgültigen Grenzen Bezug nehmen. Sie hätten recht, Herr Ab- geordneter Dr. Kaehler, wenn in dieser ganzen Zeit eine Abs{hnürung der Grenzen unterblieben wäre, wenn nicht andere behördliche Organe

vorübergehend diejenigen Funktionen übernommen hätten, die jeßt den Grenzkommissariaten zuges{chrieben werden. In dieser Beziehung is aber nichts versäumt worden. Sie alle

wissen, daß wir aus finanzielen Gründen und dur die Diktate der Entente verpflichtet sind, unsere Polizeiziffer möglichst niedrig zu halten. Nun kann man mit dem Polizeisäbel gewiß vieles ausricten, aber bei solhen Eruptionen, wie sie der Weitkrieg gebracht hat auch Herr Professor Kaehler ist darauf eingegangen —, ist der Polizeisäbel kein Allheilmittel. Die lange grüne Grenze von Ostpreußen bis nah Oberschlesien kana nicht dauernd dur einen festen Kordon von Polizeibeamten abgesperrt werden. Ih habe mih darüber gefreut, daß Herr Dr. Kaehler den Erlaß meines Herrn Amtsvorgängers als brauchbares Mittel bezeihnet hat, um des Fremdenunwesens Herr zu werden oder dieses Un- wesen doch erheblich einzuschränken. Wenn er gewußt hätte, daß mein erster Herr Amtsvorgänger, Herr Minister Heine, diesen Erlaß in seinen Grundzügen festgelegt hat und daß Herr Dominicus nur einige ganz fleine Abänderungen getroffen hat, dann wäre er glaube ih, nit so objektiv gewesen, zu sagen, daß auch ein sozial- demokratischer Minister ein brauhbares Abwehrmittel (Zuruf des Abg. Dr. Kaehler [Greiféwald]). Sie haben zum Schluß Ihrer Ausführungen einen Gegensaß zwishen dem amerikanischen Ein- wanderungskommissar und dem preußishen Jnnenuninister fonstruiert. Ich habe den Erlaß meines Amtsvorgängers Heine verschärft. Nur einige ganz kleine Abänderungen sind durch meinen Amtsvorgänger Dominicus hinzugekommen, die niht durhweg Verschärfungen, sondern in einigen Punkten Milderungen gewesen find. Deg- halb wundere ich mich einigermaßen, daß Sie diesen Ein- wanderungékommissar in einen Gegensaß zu mir gestellt haben. Soweit das deutsche und das preußische Interesse eine Abschnürung unserer Grenzen erforderli macht, und soweit wir die Bestimmungen der fremden Erlasse mit allgemein menschlihen Grundsäßen in Einklang bringen können, soweit bin ih gern bereit, alles, was Sie gefordert haben die strengste Jnnehaliung der Meldevorschristen und auh die Kontrolle darüber, durhzujühren. (Zuruf rechts: Dann sind wir wieder einmal einig !)

Herr Abg. Kaehler hat mir dann unterstellt, daß ic, vielleicht nur um freundliche Gesichter der auswärtigen Diplomaten zu bekommen, zu einer Praxis gekommen sei, die doch mindestens sehr milde genannt zu werden verdient. Meine Ausführungen, die ih gelegentlich anderer Erörterungen in diesem hohen Hause zu dem gleichen Gegenstand gemacht hätte, daß man das Ausland animos machen wünde, wenn wir shärsere Prafktiken einführten, hat er so gedeutet, als ob sic diktiert seien von dem Haschen nah Wohlwollen des Aus- landes. Das is durchaus irrig, Herr Kollege! (Abg. Dr. Kaehler [Grei{8wald]: Das freut mich!) Wir sind aber trogdem verpflichtet, auf das Ausland gebührend Nücksicht zu nehmen. Wir haben in der Kriegszeit und ih habe in der Nachkriegszeit darauf hingewiesen, daß, wenn es uns nit gelänge, die wirtshaftlihe Entwicklung Deutsch- lands wieder zum Besseren zu lenken, dauernd Aufträge vom Ausland zur Ausfuhr industrieller Produkte zu bekommen, wir für | Waren Menschen austühren müßten, daß ih ferner in der Sorge bliebe, daß, wenn die exsten Anzeichen auf dem Arbeits- markt, die sich jegt schon zeigen Anzeichen, die darauf schließen lassen, daß wir in den nähsten Monaten mit einer größeren Arbeitslosigkeit zu rechnen haben —, wenn diese Anzeichen nicht trügen, jondern sich weiter in derselben Schwere zeigten, wir in einigen Jahren ernsthaft daran denken müssen, Millionen von deutschen Arbeitern durh Auswanderung zu verlieren. (Zuruf rets.) Wohin fich die deutschen Arbeiter dann wenden werden, weiß ih niht. Ich wünschte, daß ih zu s{hwarz \ähe. Aber wenn wir nicht in der Lage sind, mehr Waren zu produzieren uud auszu/ühren, müssen wir Meuschen ausführen; darüber besteht wohl gar kein Zweifel im Hause. Und glauben Sie nun, wenn wir jetzt in dieser Zeit dur eine Härte in der Fremdenpolizei uns das Odium der Barbaren zuziehen (Widerspruh rechts), glauben Sie, daß dann unsece Landsleute anders behandelt werden? (Sehr gut! links.) Es leben heute noch gute Deuische, Zehntausende, in den Landesteilen, die wir an Polen abtreten mußten, Glauben Sie, das wir, wenn wir die in Berlin lebenden Polen und die im Ruhrrevier arbeitenden polnischen Bergarbeiter ausweisen würden (Zuruf rets:

dex Hexren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind,

gegeben werden, dann don den Polen eîne glimpfli&ere Behandlung für unsere Arbeiter, unsere Stammesangehörigen zu erwarten hätten ?

Das ist das, was mich veranlaßt, auch auf das Ausland Rücksicht zu nehmen.

Dann gibt es noch so etwas wie einen Versailler Friedensvertrag. Wie man s\ih zu seinen Bestimmungen stellt, ist ganz gleidgültig, Tatsache ist, daß er au in bezug auf die Handhabung des Fremden- rechts einige Vorschriften enthält, die wir beobachten müssen, wenn wir nicht neue Repressalien über unser ganzes Land und besonders über die im Ausland lebenden Deutschen heraufbeshwören wollen.

Vrd nun, Herr Dr. August Müller! Wenn Sie Dr. August Müller als Kronzeugen der Sozialdemokratie anführen ih weiß, daß ih diese Ausführung gegen einen Parteigenossen mahe —, dann muß ih aber doch fagen: Den Dr. August Müller, de n {enke ich Ihnen! (Sehr gut! links. Hört, bört ! rechts.) Ich bin der Meinung, daß das, was prominente politishe Persönlichkeiten in Zeitungsartikeln einer größeren Oeffentlichkeit zum besten geben, sie auch im einzelnen behaupten und verteidigen müssen. Sie müssen zu dem stehen, was sie schreiben. Diesen Artikel, den

Stellen zstiert hat, habe ih mit Aufmerksamkeit gelesen. Wenn iF nicht irre, war in ihm auch eine der „Kapitalshyänen“ genannt, der Jtaiiener Castiglioni. Stimmt das? (Abg. Dr. Kaehler : Fawohl !) Als vor einigen Wochen nah einem neuen Marksturz die Behaup- tung au*gestellt wurde, daß Wiener Spekulanten sih in großen Scharen nah Deutschland begeben hätten, wurde unter anderen ah der Name Castiglioni genannt. Diese Behauptung, daß eben dic Wiener Schieber nah Berlin kommen würden oder gekommen feicn, trat so häufig auf und wurde so lebhaft weitergetragen, daß ich mich bemüht habe, einige dieser sogenannten Kapitalsbyänen fennen zu lernen. Sie dürfen überzeugt sein, ih hätte sie gern ausgewiesen, um zu beweisen, daß die preußische Polizei keinen Respekt vor decn Geldjäcken dieser Herren hat. Um festzustellen, was dieser Castiglicni auf dem Gewissen bätte und ob er si tatsählich an den Schiebungen beteiligt bätte, die ihm in dem Artifel von Herrn Dr. Müller zur Last gelegt waren, habe ih mi telephonisch und brieflih an Herrn Dr. August Müller gewandt mit der Bitte, mir alles, was er über Castiglioni wisse, mitzuteilen. Jch habe bis heute keine Antwort erhalten. (Hört, hört!) Wenn man fo vorgeht, können leiht Artikel geschrieben werden, die Stimmung oder Mißstimmung erregen, aber man trägt niht dazu bei, diejes schwierige Problem seiner Lösung entgegenzuführen. (Sehr gut! bei der V. Soz. P.)

Und nun ein paar Ziffern. Ueber die Zahl der nach dem Kriege zugewanderten Ost iuden konnte der Polizeipräsident von Berlin, an den ih mich gewandt habe, keine genauen Angaben machen (hört, hôrt! rechts), weil bei den Anmeldungen nicht das Glaubensbekenntnis angegeben wird. Die Ziffern, die ich Ihnen mit- teilen kann, beziehen sih deswegen nur darauf, ob die Zugewanderten Ostausländer oder Ausländer s{chlechthin sind. Jch will dabei gern zugeben, daß die vom Polizeipräsidenten geführte Statistik, aus der ih Ihnen einige Zahlen mitteilen werde, einen Anspruch auf absolute Genauigkeit niht macht, weil ih stimme dem durchaus zu, was der Herr Vorreduer gesagt hat ein Teil der Zugereisten sih nicht anmeldet und ein Teil der Abgereisten sih nicht abmeldet; aber mehx als um 10 vH werden die Ziffern nicht differieren nah der einen oder anderen Seite. Das ist ein Erfahrungsgrundsat.

Nach dem Stande vom 3. Juni 1922 waren von Ostausländern als anwesend gemeldet: Finnländer 1140, Lettländer 3125, Litauer 2963, Polen 26 305, Russen 16 668, Ufrainer 3631, Estländer 1759, Georgier 237, insgesamt 55 482 (Zuruf rechts), in Berlin. Jns- gesamt sind von der Statistik des Berliner Polizeipräsidenten cm 31. Mai 1922 141 222 Ausländer überhaupt erfaßt worden. Wenu man nun der Veinung ist, daß diese Ziffer zu niedrig gegriffen fei und sih für berechtigt hält, 10 his 15 vH hinzuzuzählen, so bleibt auch diese Ziffer wesentlih hiuter den Angaben zurü, die geslissentlih in der Presse wiederkehren und die die Stimuiung oder Versttmmung erregen, von der mein Herr Vorredner wiederholt gesprochen hat.

Ich bin der Meinung, daß man von den Verhältnissen in Berlin niht auf ganz Preußen schließen darf. Ih gebe Ihnen als Stiche piobe für die Dinge in der Provinz au noch einige Zahlen. Nach einer Meldung des Polizeipräsidenten ia Königsberg vom 23. Juni 1922 sind seit Kriegéende der Stadt Königsberg 268 Ostiuden und 688 andere Osterropäer zugewandert. Ncch dem Bericht des Regierungspräsidenten in Bres!au vorr 10. Juli sind im Re- gierungsbezirk Breslau außerhalb der Stadt Breélau seit Kriegsende 296 Ostjuden un% 3191 andere Osteuropäer eingewandert. In der Stadt Breslau find gezählt worden in diesem Jahre 2229 Ostjuden und 907 Osteuropäer. Ja der Provinz Ostpreußen bielten ih im März d. J. 19 238 Ausländer, darunter 1712 Ostjuden, auf. Zuruf rechts: Und in Beuthen ?) Ich bin gefragt, ob ih auc Ziffern aus Beuthen habe. (Zuruf links: Knüppelkunze hat sie alle erschlagen! Heiterkeit.) Nein, das ist nicht richtig, erschlagen hat Herr Kunze die Juden niht. Aber Herr Kunze bat in Oberschlesien eine Saat gesät, die sehr üble Früchte zeitigen kann. (Sehr wahr!) Gestern war eine Deputation aus Beuthen bei mir und maddte darauf aufmerksam, daß in Beuthen und Hindenburg si jeßt etwas wie eine Judenprogromstimmung bemerkbar mache. (Zuruf rets.) Ih bin der leßte, der Herrn Kunze der Deutscnationalen Volks- partei an die Rockshöße hängen will, und ih erkenne sehr gern an daß der Herr Vorredner \sih bemüht hat, mit aller Sachlichkeit sih mit dem Problem auseinanderzuseyen. Aber darauf darf ih ausmerk« sam machen, daß auch in zahlreichen Versammlungen der Deutsch- nationalen und in zahlreihen Organen der Deutschnationalen diesc Lesart wiederkehrt, als ob für alles wirtscaftlide Elend die Juden verantwortlih seien. Und diese Heye trägt zu der Stimmung bei, die sich, wenn wir nicht Militär und Schußpolizei in stärkerem Maße nah Oberschlesien entsenden, sicherlich in Ausschreitungen entladen wird, wie wir sie früher in Rußland und in Polen in größerem Umfange gewohnt wareu.

Herr Dr. Kähler hat dann ein Bild herangezogen, indem er sagte, daß nah dem Ausdruck ih weiß nicht, ob des Dr. Nathan oder des „Vorwärts* Deutschland die „Brüde“ bilde für den Zuzug der Oft- europäer nah dem Westen. (Zuruf rechts.) Ih akzeptiere dieses Bild im Augenblick. Aber Sie haben nicht recht, Herr Kollege Dr. Kählicr, : wenn Sie glauben, daß die Behörden und die jüdischen Organisationen nicht für eine Zirkulation der Brückenpassanten gesorgt hätten. Die Passanten bewegen ih sehr erheblih, wie einige Zahlen beweisen mögen. Nach einer Statistik des Arbeiterfürsorgeamts einer jüdisGen

Darum handelt es sich nit !), nah deu Rezepten, die uus so oft

Organisation, die anzuzweifeln ih keinen Anlaß habe nah meiuncn Erfahrungen mit dieser Organisation, haben sich 1921 3810 ueu ein,

Herr Abg. ‘Dr, Kaehler hier vorgelesen hat, oder aus dem er einige

E S