1900 / 292 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 Dec 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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Kohlen. Aber immerhin will ich den Wunsch des Herrn Abg. Richter insoweit als berehtigt anerkennen und ihm nachkommen, als ich ver- suchen will, in dén „Nachrichten für Handel und Industrie“ in Zukunft monatliche eingehende Statistiken niht nur über Förderung von Kohle und über die Bewegung des inländishen Kohlenmarktes für ganz Deutschland zu geben, sondern auch über die Preise der Hauptmarkt- orte für Kohlen überhaupt, demnähst aber au über die Förderung und die Bewegung der Kohle im Auslande, besonders über die Ein- und Ausfuhr von und nah dem Auslande. (Sehr gut!)

Ich möchte den Herrn Abg. Richter indeß darauf aufmerksam machen, daß jeßt allerdings {on vielleicht ist ihm das nicht bekannt gewesen ähnliche Publikationen, wenn au nicht vollständige, bestehen. In der Zeitschrift „Glückauf* die in Essen erscheint, wird jeßt son für die drei großen Reviere Saar, Ruhr und Oberschlesien allmonat- lich der Eisenbahnversand veröffentliht, und auch die Förderung des

großen Reviere ebenfalls in dieser Zeitschrift mitgetheilt. Aber ich erkenne bei der Wichtigkeit, die die Kohlenfrage hat, und bei den ab- weihenden Ansichten, die sih bei der jeßigen Erörterung geltend ge- macht haben, als außerordentlih wichtig an, daß man zunächst einmal eine regelmäßig erscheinende und ich rechne dazu eine monatlihe genaue Statistik über die Bewegung des gesammten Kohlenmarkts für ganz Deuts(hland und, foweit möglih, auch des Auslands aufstellt, und ih werde suchea, {hon in allernächster Zeit eine solche Statistik zu veröffentlihen, wobei ich selbstverständlih auf die Mithilfe der verbündeten Regierungen angewiesen bin.

Nun geftatte ih mir, auf eine zweite Frage einzugehen, die {hon wiederholt berührt worden ift, auf die Frage der Syndikate. Ich er- innere in dieser Beziehung daran, daß der preußische Herr Handels- Minister im preußishen Abgeordnetenhause im Februar 1900 die Er- flärung abgegeben hat, daß die betheiligten Ressorts bereits zusammen- getreten seien, um hinsichtlih der Kartelle überhaupt in kommissarischer Berathung zu erwägen, in welher Weise bessere, sicherere und zuver- läffigere Grundlagen geschaffen werden könnten, um eine Uebersicht über die Gesammtheit der Bildung von Syndikaten zu finden, genau zu wissen, welhe Syndikate \sich gebildet haben, zu welchen Zwecken und in wel@en Bezirken, und wie ihr geschäftlihes Gebahren sei. Daraufhin hat das Reichsamt des Innern es übernommen, alles das Material, welches es bereits über die Syndikate, über die Preis- kTonventiouen, Kartelle u. \. w. besißt, übersihtlich zusammenzustellen und namentlih einen Fragebogen auszuarbeiten, welher der Unter- suhung zu Grunde gelegt werden soll über die Wirkungen und den Umfang der Kartelle im Deutshen Reih. Meine Herren, - diese Arbeiten werden in nächster Zeit beendet sein; dann werden die Ressorts von neuem zusammentreten, um die Frage zu entsheiden, ob das im Reichsamt des Jnnern ge- sammelte Material noch einer Ergänzung bedarf, und zwar einer Grgänzung nach der Richtung, erstens, wie die Kartelle wirken auf die Preisgeftaltung und den Werthbewerib der Exportindustrien, und zweitens, um Grundlagen zur Erörterung und Entscheidung der Frage zu finden, inwieweit die sogenannten internationalen Kartelle durh Regelung des Absatzes in der Lage sind, handelspolitishe Maßnahmen zu beeinflufsen.

Es wird si also zunächst darum handeln, überhaupt ein klares Bild über die wirthshaftliche Wirksamkeit der Kartelle zu gewinnen. Eine ganz andere Frage ift aber die, ob man auf Grund einer folchen Statistik irgend eine geseylihe Maßregel aufbaut. Da, wo man das bisher versucht hat, {eint man entweder davon abgestanden zu haben, oder der Grfolg ift ein ziemlich geringer gewesen. Im allgemeinen, glaube ih, wird man mit wirthshaftlihen Eingriffen nah dieser Richtung außerordentlih vo:sihtig sein müssen, um nicht die Wirkung zu erzielen, die der Herr Abg. Müller (Fulda) meines Erachtens mit cinem ge- wifsen Rechte hervorgehoben hat. Man wird sich aber überhaupt über die Frage, ob es mögli ift, irgend welche geseßlihen Maß- regeln zu ergreifen, um {ädliche Wirkungen der Syndikate zu ver- hindern, erft vollkommen klar werden können, wenn man genau weiß, welche Rolle überhaupt die Syndikate in unserem wirthschaftlichen Lebèn spielen, und dazu wird man die Erledigung der von mir an- gedeuteten Arbeit abwarten müssen, die, wie gesagt, in den be- theiligten Ressorts vorbereitet wird, (Beifall.)

Minister für Hañdel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Aus den Ausführungen des Herrn Abg. Müller (Fulda) habe ich entnommen, daß meine Darlegungen bei der ersten und zweiten Berathung der vorliegenden Interpellation doch nicht in allen Punkten vollkommen überzeugend gewirkt haben, und ich mödhte mir deshalb gestatten, auf diese Ausführungen noŸ mit einigen Worten zurückzukommen.

Zunächst aber darf ich mir wohl gestatten, einzugehen auf die Vertragsbedingungen, die den Verträgen der Händler bezw. der Gruben zu Grunde liegen, und die ja auch von dem Herrn Abg. Müller (Fulda) zum Gegenstande einer nit geräde sehr günstigen Beurtheilung gemacht sind. Wenn man diese Bedinzungen durchliest, dann gewinnt man allerdings sehr häufig den Eindruck, als handle es sich hier um Ver- träge, bei denen das Recht auf seiten des Händlers und der Grube und alle Verpflichtungen sich im wesentlihen auf seiten des anderen Theils befinden. Die Sache ist aber thatsächlih nicht so sehr \{limm und erklärt si wesentlich aus der ausnehmend ungünstigen Lage, in der ja die Gruben und auch die Händler, die von den Gruben wieder abhängig sind, sich befinden gegenüber den Lieferungsverpflichtungen, die sie übernehmen. Man hat es ja nit in der Gewalt, wie viel Kohle tägli fallen soll, und wie viel Kohle fallen von den einzelnen bestimmten Sorten. Die Quantität hängt aber von der jeweiligen intermiitierenden Aus- und Vorrichtung, die immer wieder die Förde- rung unterbriht, ab, und ob von diejer oder jener Sorte mehr fällt, weiß man auch nicht im voraus. Man i} also nicht in der Lage, die Besfteller zu bedienen genau nah dem, was sie in Bezug auf Quantität und Sorte wünschen.

Diejenigen Punkte aber, die von dem Herrn Abgeordneten speziell hervorgehoben find, find in der That folche, daß sie gar kein Be- fremden erregen können. Daß man einen Arbeiterausstand auf der Grube seitens der Verwaltung als forco majours betrahtet und für diesen Fall sih vertragsmäßig von der Verpflihtung zur Lieferung entbindet, ift an sih ganz selbftverständlih, natürlih und billig, und das hat au der Herr Abgeordnete selb nicht angegriffen. Er sagt nur, das muß man auch dem anderen Theile gewähren. Wenn eine Fabrik sich verpflihtet, Kohlen abzunehmen, dann muß sie auch von der Verpflihtung entbunden werden, wenn bei thr ein

Strike ausbriht. Die Auffaffung theile ich vollständig, und wenn die Fabrik an meine fiskalishe Verwaltung herantritt und sagt: ih bitte mich in diesem Fall auh von der vertragsmäßigen Verpflichtung zu entbinden, so würde ih ganz damit einverstanden sein, daß €s geschieht ; bisher ift es aber noch nicht gesehen, und meine Aufgabe ist es doeh nicht, den Herren diéjenigen Bedingungen zu suppeditieren, die sie ihrerseits für die Erfüllung ihrer Verträge nöthig haben. Sollten aber Wünsche nah der Richtung geäußert werden, so bin ih sehr gern bereit, dafür einzutreten.

Ferner beklagte der Herr Abg. Müller (Fulda), daß die Kohlen nicht weiter verkauft werden dürften von den Abnehmern, welche die Kohle für ihren eigenen Bedarf als Konsumenten bestellt haben. Ja, das ift do eigentlich ganz natürlich; denn wenn wir eine gerechte Vertheilung auf die Konsumenten vornehmen wollen, dann dürfen do die Koûsumenten mit den Kohlen, die sie erhalten, keinen Handel treiben, dann werden sie eben Händler und können nicht mehr als Konsumenten, sondern müssen als Händler behandelt werden. Das i der Grund, weshalb man überall in die Be- dingungen aufnimmt: der Konsument muß die Kohle für seinen eigenen Bedarf verwenden dethalb eben wird er als Konsument berüdsihtigt vor den Händlern. Sehen Sie einmal einen einzelnen Fall, wo das praktisch geworden ist! Eine hiesige Genossenschaft bestellte die Kohle für sich, und zwar zu dem Zweck, sie thren Genofsen als Konsumenten zu geben; -sie genoß daraufhin den Vorzug, den wir diesen Genossenschaften einräumen ; nahdem sie den so und so lange genofsen hatte, sagte sie: es ist mir doch fehr unangenehm, daß ih die Kohle immer nur an meine Genossen foll veikaufen dürfen, ih möchte lieber auch an Andere verkaufen, darauf lege ih folhen Werth, daß ih auf den Vorzugsrabatt, den ich bisher genossen habe, verzihten will. Da habe ih geantwortet : vollkommen in der Ordnung! wenn Du Kohlen ver- kaufen willst auch an Andere, so kannst Du das thun, dann hört aber der Vorzug, den Du bisher vor den Händlern genossen hast, auf. Das ist doch ganz in der Ordnung! Ich habe von da an die Ge- nossenschaft als Händler behandelt! das is doch vollkommen korrekt, und dabei muß es bleiben.

Sodann beklagt? sh der Herr Abgeordnete darüber, daß man in Saarbrücken die Kohlenbestelung gewerbliher Genossenschaften für dieses Jahr abgelehnt habe, das ftäade in Widerspru mit der von mir hier abgegebenen Erklärung. Das is doch eine unzutreffende Voraussezung. Meine hier abgegebene Erklärung bezieht {h auf das nächste Jahr; für das laufende Jahr hat der Herr Minister der öffentlihen Arbeiten die sämmtlichen Kohlen, die außer den bereits abgeshlossenen Verträgen noch zur Produktion kommen, für die Staatseisenbahnen mit Beschlag belegt, ih muß sie an ihn abliefern und kann sie niht an Andere geben.

Endlich sagte der Herr Abgeordnete, im Grunde genommen sei doch die Verwaltung des Kohlensyndikats eine bessere als die der fiskalishen Gruben, indem das Kohlensyndikat ein Verkaufsbureau in Düsseldorf eingerihtet habe. Ja, das Kohlensyndikat hat außer dem Verkaufsbureau in Düsseldorf noch fünf andere Kohlenhandelsgefell- haften ih glaube: in Dortmund, Hannover, Cassel u. |. w. —, an die es seine Kohlen verscleißt, und welhe nun die Kohlen weiter verkaufen an die Zwischenhändler, von denen sie dann weiter gehen an die Kleinhändler. Neben diesem Vertrieb ihrer Kohlen durch die Handelsgesellshaften hat das Syndikat nun au noch ein Verkaufsbureau in Düsseldorf eingerihtet. Sehr gut, sehr zweckmäßig, durhaus anzuerkennen! Daß das aber etwas Besseres wäre, als was der Staat gethan hat, kann ih durchaus niht onerkennen; denn der Staat hat für die Saarkohle in Saar- brücken und für die obershlesishe Kohle in Zabrze seine Bureaux eingerichtet, wo Jeder seine Bestellung machen und kaufen kann. Weshalb ih diese Einrichtung nit für die einzelnen Gruben mache, habe ich {hon gestern auseinandergeseßt; es liegt daran, daß die Dispositionen eines Bureaus für mehrere Gruben sehr viel besser sind als die einzelne Disposition jeder einzelnea Grube. Jch glaube also, daß die Einrichtung, die wir staatliherseits getroffen haben, mindestens vollkommen gleihwerthig ift derjenigen des Syndikats.

Wenn ich aber nun die Auffassung des Herrn Abgeordneten rihtig verstanden habe, so is er wieder auf den alten Gedanken zurückgekommen, es. .möclte dcch der Staat überhaupt statt des Ver- triebes durch die Händler folche Verkaufsbureaux in den einzelnen Bezug®gebieten einrihten. Da muß ih Bezug nehmen auf meine Ausführungen, die ich an dem zweiten und ersten Tage der Berathung hier gemacht habe, daß thatsächlich diese Unterbureaux, diese Unter- agenten, die unter dem Zentralbureau stehen würden, den Handel nicht erseyen können, und zwar deshalb nicht, weil sie nur Anmeldungen ent- gegennehmen, aber keinen Handel treiben, während der Händler \ich mit der ganzen niht direkt abseßbaren Produktion belastet und sie für seine Rechnung zu vertreiben übernimmt. Dadurch wird das er- füllt, was für die Gruben zunächft nothwendig is, daß die Kohle, sobald sie herauskommt, abgefahren wird und vershwindzt, daß sie nicht erst auf die Halde gestürzt zu werden braucht. y

Nun komme ih noch einmal auf den § 65 zurück. Da meinte der Herr Abgeordnete, es wäre doch für die Verhinderung der Kohlennoth sehr werthvoll gewesen, wenn davon rechtzeitig Gebrauch - gemacht worden wäre. Ja, meine Herren, die Ein- richtung einer neuen Kohblengrube dauert doch regelmäßig 3, 4, 5 Jahre, ih hätte also 3, 4, 5 Jahre lang vorher von diesem § 65 Gebrauh machen müssen, wenn er jet in der Zeit der Kohlennoth zur Geltung kommen soll. Nun h:be ih aber ausein- andergefeßt, daß bereits 72 neue Anlagen thatsächlich vorgesehen find, die sämmtlih im Laufe dec nähsten Jahre in Betrieb genommen werden können. Meinerseits if alfo doch in dieser Beziehung alles geshehen, was thatsählich geshehen kann. Hätten sih die Gruben- besißer geweigert und gesagt: wir wollen nur die und die Anlage in Betrieb nehmen, aber nicht die Anlagen, die Du verlangst, dann hätte der Fall vorgelegen, von dem § 65 Gebrauh zu machen. Der Fall hat aber nicht vorgelegen, weshalb soll ih da den § 65 zur An- wendung bringen ?

Nun möchte ih mir noch gestatten, auf eine Mittheilung zu kommen, die in einer Nummer der „Deutschen Agrar-Korrespondenz“ geftanden hat und einen Angriff gegen den Handels-Minister enthält, der fo beispielloser Art is, daß ich mih doch verpflichtet fühle, ihn kurz hier vorzutragen. Die „Deutsche Agrar-Korrespondenz* sagt:

„Die Debatte über die Kohlennoth hat in einem Punkt ein überaus betrübendes Ergebniß gezeitigt; sie hat bewiesen, daß es einen preußischen Staats-Minister giebt, der entweder über aus-

schlaggebende sahlihe Momente der Beurtheilung selber „4a Ÿ

ortentiert ist oder, wenn er richtig orientiert war, die Dinge unrihtig darstellt. Der preußishe Handels-Minister, der in Ver, tretung des Herrn Reichskanzlers die Interpellation beantwortete hat nah den übereinstimmenden parlamentarischen Berichten der Zeitungen behauptet: die Ursachen der Kohlentheuerung sind zu bekannt; es find dies: der Ausfall der englischen Kohlen, der Ays, fall der böhmischen Kohlen. Die englische Kohle wird an der Nord,

und Offseeküste verbrauht, dkingt auch bis nah Berlin, und die, Ï

jenigen, die bis dahin englishe Kohlen bezogen haben, wandten sih an die inländishen Zehen und Händler, Gegenüber dieser

ministeriellen Behauptung sind aus der amtlichen Handels statistz / folgende Thatsachen festzustellen. Es betrug die Einfuhr an

böhmisher Kohle 1897 81 Millionen Doppelzentner, 1898 g | 1899 86 Millionen Doppelzentner 1900 erwähnt fie niht mit j an englisher Kohle 1898 45 Millionen Doppelzentner, 1899 4 1900 51 Millionen Doppelzentner. z Unter C heißt es dann noch über Stein- und Braunkohlen überhaupt, * Das kann ih aber übergehen, weil es hier nit interessiert. 4 „Ebenso ist diese Einfuhr in den Monaten Januar bis D, * tober gestiegen gegen das Vorjahr von 124 auf 126 Millicnen,

Die Behauptung des Herrn Ministers, daß die von ihm angegeben, W

Ursachen der Kohlennoth, ein angebliher Ausfall im Import, that, sählich vorliegen und allgemein bekannt seien, ist eine {chlechthin unbegreifliße Unwahrheit. * j Nun bin ih do genöthigt, auf diese sehr weitgehende und, wenn 4

sie richtig wäre, mih {wer belastende Behauptung zunächst hervor, zuheben, daß ich ausdrücklich bei meiner Darlegung im Hause erklä habe, daß nicht allgemein, sondern nur zeitweise und ortsweise, bezw, | distriktsweise, also in zeitliher und örtliher Begrenzung, dieser Aus, \ fall an der Einfuhr fremder Kohlen stattgefunden hab: (sehr rihtig!), *

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also niht im ganzen Lande, sondern nur in enger Begrenzung. Daz kann ih Ihnen aber auh- nahweisen.

Zunächst, was die böhmische Braunkohle betrifft, so habe ih | hon hervorgehoben, daß die „Korrespondenz“ sie für 1900 wegläßt, Gerade im Jahre 1900 i} thatsählich die Einfuhr der böhmischen Braunkohle zurückgegangen um 815 816 t. Also thatsächlich ift eh Ausfall in dieser Höhe vorhanden.

Was die englishe Kohle anbetrifft, so hat die Einfuhr betragen im August des Jahres 1899 5 612 600 dz. Sie ging dann im Sth- tember zurück auf die Ziffer von 4828 942 dz, im Oktober auf 4279 043, im November auf 4046 934, im Dezember auf 3 490 593, im Januar 1900 auf 2 801 636, im Februar beträgt sie 2 810 043 dz, Ich denke, daraus geht doch sehr deutlich hervor, daß die Kohleneinfuhr währénd dieser Zeit ganz beträhtlih zurückgegangen is und infolge dessen an einzelnen Stellen der Ostseeprovinzen that fächhlich die Leute: ketne englishe Kohle mehr bekommen baben. Das ist eine allgemein bekannte Thatsache, die niemand beftreitet, Ih glaube also, der Vorwurf, der mir gemacht ist, ist ganz unzutreffend, Daß aber die englishe Einfuhr im ganzen Jahre 1899 abgenommen habe gegen das Vorjahr, habe ih garnicht behauptet. Im Gegentheil, sie hat noch zugenommen; das erklärt sih daraus, daß gerade vom März dieses Jahres ab in den leßten Monaten die englische Einfuhr mit großen Summen eingeseßt hat; da ist natürli der frühere Ausfall wieder eingebraht worden.

Ich glaube, hiernach habe ih den Nachweis geführt, daß das was ih gesagt habe, rihtig ist, und daß das, was ih gesagt habe, von mir vertreten werden kann. Ich muß den Vorwurf der Un- wahrheit als vollständig unbegründet und unbegreiflih zurückweisen. (Vereinzeltes Bravo.) :

Direktor im Ministerium für. Handel und Gewerbe, Ober Berghauptmann von Velsen: Meine Herren, nur zwei kur Bemerkungen. Wenn ich den Herrn Abg. Müller (Fulda) richtig verstanden habe, meinte er, die von der Königlichen Bergwerks- Direktion Saarbrücken herausgegebenen Listen vershleierten gewisser maßen die Preise, die gefordert werden. Er bat, wenn ih richtig ge sehen habe, die rothe Liste gezeigt. Nicht wabr? Nun mödte id darauf aufmerksam machen, daß die Königliche Bergwerködirektion Saar brücken ¿weierlei Listen publiziert. Zunächst werden den Händlern, den Großkonsumenten Listen übersandt, die auch in sämmtlichen Zeitungen erscheinen. Sie stellen die Preise dar, die gefordert werden seitens der König lichen Bergwerksdirektion von den Großhändlern und den größeren Konsumenten. Außerdem s{chickt die Königlihe Bergwerisdirektion Saarbrücken rothe Listen heraus in späterer Zeit, welche die Preise angeben, die von den kleinen Händlern und kleinen Konsumenten für einzelne Wagen gefordert werden. Ieder, der kaufen will, weiß also genau, für welhe Preise der Großhändler bezieht, der größere Kor sument, und au welche Preise bei kleinen Verkäufen gefordert werden. Das is meines Erachtens vollkommen klargelegt. Ich bin gern bereit, vähere Erläuterungen zu geben. Was dann die zweite Bemerkung des Herrn Abg. Müller (Fulda) betrifft ich verstand es niht recht —, daf seitens der Königlichen Bergwerks-Direktion oder eines Beausftragiez derselben einem Konsumenten gewissermaßen die Pistole auf die Brust geseht sei, indem man mit der Anfrage ihn habe ungebührlich lang! warten lassen, ihm dann am 29. November geschrieben hätte, et hätte sih bis zum 1. Dezember zu entscheiden, ob er die Kohlen haben wolle oder riht, und gegebenen Falls könnte er nur so und so viel bekommen, so nehme ih feinen Anstand, wenn das Schreiben von der Königlichen Bergwerks-Direktion in Saarbrücken ergangtt ist, mit Eriaubniß meines Herrn Chefs da3 Verfahren als nit korrekt zu bezeihnen. Jf es aber von einem anderen ergangen, dant geht es uns toch nichts an

Abg. Dr. Roesicke- Kaiserslautern (b. k. F.): Ih würde nicht gewa! haben, das Wort zu ergreifen, wenn ih nit geglaubt bätte, daß diese populäre, das ganze Volk interessierende Frage gründlich *erörtetl werden müßte. Die Minister haben, wie so oft, Vectrauen und Glauben verlangt. Dieses Berlangen steht mit der Praxis in einen so großen Widerspruh, daß ih sagen muß, die Minifter urtheilen aus der Hôhe der Theorie heraus. Stets heißt es, die Sache sei niht so s{limm und die Thatsahe besteht: wir haben keine Kohlen, wenn sie gebrauWßt werden. Es wäre nicht | weit gekommen, wenn die Minister sih etwas früher um d Sache gekümmert hätten. Wir haben doch {on im vortgen Jahrt darüber gesprohen, und der Handels. Minister hat anerkannt, daf manches anders gemaht werden könnte. Nachdem zu Anfang d. F die Annäherung der Kalamität signalisiert war, is troy alletem den ersten zehn Monaten die Ausfuhr um 1 300000 t gestiegen. Bereits im vorigen Jahre hat die Landwirthschaft wegen des ohlen mangels nicht dreshen, nicht brennen oder die ‘Arbeiten 1! rechtzeitig beenden können. Die Kohle is das Brot des werblihen Arbeiters, War die Kohlenangst unbegründet, wae hat dann die Regierung nicht rechtzeitig eine beru Lite Erkläruna an die Oeffentlichkeit erlassen? Der preußiß Handele-Minister wälzt die Verantwortung von den Kohlen«rub" besiperu ab auf die zweite und dritte Hand. Sollten die Gutes esiger wirklih an dem Steigen der Preise so ganz unbetheiligt \{uldlos sein ?

(SchWhluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 292.

Berlin, Sounabend, den §8. Dezember

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Der Minister selbfi pceist do das Verdienft des Großbandels, durch den die obershlesishe Koble nah Berlin gckommen und die englische Koble in weiten Bezirken verdrängt worden

sei. Und hat nit der Oder-Spree- Kanal jene Thätigk-it des Groß-

handels außerordentli erleihterl? Gewiß bat im Februar und März ein- Ausfall an der Einfuhr böhmischer Kohle si bemerkbar gemacht; dieser Ausfall hat in den zwei Monaten niht mehr als 1 Million Tonnen betragen. Diese Summe stellt der Minister plôplih als sehr bedeutend und bedenklih dar, aver die Mehransfahr von 1 300 000 Tonnen läßt er gleidzeitig als Bagatelle arsheinen. Diese Auffassungen stehen in |chroffem Widerspruch mit einander. Es teht auch tro der Fr1Ÿttarife, welhe der Gisenbahn- Minifter angeführt hat, fest, daß die SHweiz die deutsche2 Kohle billiger hat, als wir diesseits der Grenze. Wird doch fogar die deutsche Koble aus der Schweiz wieder nah Deutschland importtert! Die Auéfuhr i der Schuß für das Privatmonopol des Großhandels, für vie Syndikate. Eine vernünftige Wirtbschaftspolitik muß do im Lande zurück- und parathalten, was für die Beyölkerung gebrancht wird. Welcher Widerspru, auf Kosten des JInlandes die Ausfuhr zu ftetgern und dann auf die Zunahme der Einfuhr zu vertrösten! Und dieses ganze Mißverhältatß ift veran!aßt und gefleizert worden dur die Handelé verträge, die kein Ausfubrverbot gestatten. Der Minifter von Thielen hat si ja direkt in diesem Sinne au3gesprohea. Jch muß doch fagen, wenn es sih um eine solche Kalamität handelt, sollten wir doch nicht erst ins Ausland gehen und die Herren Aus- länder frazen, ob sie erlauben wollen, daß wir dieser Kalamität ent- egentreten. MWirthschaftlißhe Unabhängigkeit, das muß Prinzip für die Regierung fein, Rohstoffe dürfen nur als Ausnahme, nicht als Regel ins Ausland ausgeführt werden. Die Genofsenshaften haben auch nit das von den fiskalischen Gruben bekommen, was sie berechtigter Weise verlangen konnten, gewisse land- wirthshaftlih2 Genossenschaften sind augensheinlich benachtheiligt worden. Wir müssen die gänzliche Ausshaltung des Zwischenhandels verlangen. . Der Fiskus muß ih den Vechältnissen auh scinerse!ts anpafsen. Genossenschaften helfen niht, wenn die Preise zu boch find. Der Minister verlangt Glauben und Veitrauen. Die Syndikate verlangen aber - Ausfuhroergütung. Das bedeutet eine Förderung der Judustrie auf Kosten der Kohlen- verbrauder. Ih göônne der . Industrie alles Gute, aber wenn ih eine Prämte zaklen soll, so will ih sie lieber direkt bezahlen. Man hat neuerdings sogar gebört, daß die Koble nah Holland zu billigen Preifen geliefert wird. Jedenfalls ift schaelle Hilfe nothwendig; wir dürfen nicht warten, bis das Kiad in den Brunnen gefallen ift. Die Syndikate find eine Fortentwickelung des sozialdemokratisien Gedankens, allerdings lafsen si: wie die Genossenschaften die Selbständigkeit des Einzelnen unanzetastet. Eine geleglihe Regelung des Syndikatäwesens halte ih für nothwendig und darum freue ich mi über * den Antrag des Abg. Freiverrn von Heyl. Die Vorwürfe des Abg. Richter gegen die Zuckerringe 2c. find ganz unbegründet. Das i} ganz etwas Anderes, Der Zucker ift nicht ein folher Berbrauchéariilel wie die Kohle, und das Spiritussyndikat bat die Preise niedrig gehalten. Wir find nur gegen übermäßig hobe Preise, wie es bei dezr Kohle der Fall ift. Wenn wir auf anderen Gebieten höhere Preise haben wollen, fo handelt es'sich da um Existenzfragen. Wir wollen voin Auslande unabhängig fein. Wohin wir kommen mit der Furht und Ab- bängi„keit vor dem Auslande, das zeigen ret deutli die Vorgänge in der letßtea Zeit. Ein tiefer Schmerz geht durch das deutsch: Volk, weil das Oberhaupt eines für seine Freiheit kämpfenden Volkes von unserem Kaiser niht empfangen wurde. Jh muß erneut tem iKeichs- fan;ler den Vorwurt machen, daß er es niht verstanden hat, Seine Majeftät von den tiefs{chmer;lihen Empfindungen des deutschen V51ks zu unterrihten, sons davon bin ih überzeugt wäre diese Zurük- fezung der Gefühle des deutsden Volks nicht erfolgt Z Geh:cimer Ober-Bergrath im Ministerium für Handel und Gewerbe von Ammon: Meine Herren, auf die leßten Aus- führungen kann ih natürli niht eingehen. Sie werden mir aber - gestalten, einige sehr nüchterne und einfahe Richtig- stellungen vorzunchmen, die doch den Auffassungen, welhe nah der Rede des H.rrn Dr. Noesiccke Platz greifen könnten, entgegengeftellt werden müssen. Es handelt sih um die Frage, wte im Uuslands- handel die Kohblenpreise gestellt werden, und ich ann Jhnen versichern, daß von seiten der fiskalishen Werke alles geschieht, um vie In- landsversorgung möglichst zu begünstigen. Gestatten Ste, daß ih einige Zahlen anführe, Die oberschlesi‘hen fi kalishen Gruben führten in den ersten ¿chn Monaten im Jahre 1897 nah Oesterreich und Rußland aus 575581 t, im Jahre 1898 548399 t, 1899 911 068 t und 1900 262483 t. Wir sind alfo in dea zehn Monaten dieses Jahres gerade auf die Hälfte der Autfahr zurückgegangen, die wir im vergangenen Jahre nothgedrungen durch die Vergzältaisse des Marktes und durch die Lage der Gruben machen mußten. Ebenso, wenn au nit ia der gleihea Weise, sind die Verhältniffe an der Saar. Jh will Sie nicht mit Zablen ermüden, aber darauf möchte ich doch aufmerksam machen, day tie Behauptung, daß die Koblenpieise nah dem Auslande niedriger gestellt würden als die für das Inland, wenigstens für die Staatswerke nicht zutrifft, da die Preise für Kohlen, die nah Oefterreich und Rußland gehen, um 50 „Z bis 1 für die Tonne böber sind, als sie im Inlande gefordert werden, und die Preise bei dem Handel aus dem Saarbezirk nah Frankreih und der Schwetz 4 bis 5 M hôher gehalten w:rden als im Inlande. Untir diesen Umständen glaube ih nit, daß die Staatsregierung der Vor- wurf trifft, in irgend welher Wiise das Ausland begünstigt zu haben. Wenn der Herr Abg. Dr. Nocsike sodann darauf aufme:ksam gemalt hat, daß die landwirth|schaftlihen Genossen- schaften bisher nicht in genügender Weise berückichtigt worden seien, so erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß wir in der That auch keine fehr guten Erfahrungen mit den landwiith- [haftlihen Genossenschaften gemabt haben. Darüber liegeu schr ein- gehende und sehr sorgfältige Berichte vor, niht Berichte, die davon ¡èugen, daß ein verknôöcher!tec Geist bei dem alten Fiskus #sch ein- geniftet bat, sondern daß die Verwalturg ausdrücklih bemüht ist, allen Anforderungen der modernen Zeit entgegenzukommen, wie e irgendwie au Fie herantreten fônnen. Aber die Ecr- fahrungen waren meiner Ansicht nach auch ziemlich naturgemäß. Wir mußten sie machen, weil ein vollständiger und enger Zusammen- {luß der landivirthschaftlihen Genossenschaften biöher tbaisählich uicht vorhanden war. (Zwischenruf rechts.) Wenn der Herr Abg. Dr. Hahn lagt, der Zufammenshluß wäre jeßt da, so muß der preußische Hecr iniftec für Handel und Gewerbe jür si das Verdi-nst in Anspruch nebmen, daï er die W-isungen hat ergehen lassen, diefen Zusammen- {luß der Verbände thatsählich herbeizuführen. Die V ‘rhandlungen, die unter Zuziehung des preußtshea Herrn Ministers tür Landwirth- schaft, Domän?n und Forsten stattgefunden habe: mit den beide Vertretera der beiden größten landwirtbshafilihen Verbände, aben zu einer vollständigen Einigung in Bezuz auf die einem andelsabs{luß zu Grunde zu le,enden Bedingungen geführt. enn gejagt worden is, daß die Bedingungen des Fikus tigorose und zu witgehende seien, so mx2he i1ch darauf auf- meilsam, daß diese Bedingungen ohne j:-den Widerspruh sammt und

sonders von seiten der Vertreter der beiden landwirth\{chaftl!chen Verbände anzenommen worden find, und daß in dieser Bezlehung auÿh von ander’:r Sèite im Handel8verkeht Klagen niht geführt worden sind. Allerdings wird es niht mögli sein, auf einmal mit dem System der Bergang?nheit zu brehea und die Forderungen der landwirth- {haftiihen Genossenschaften voll und ganz zu befriedigen. Das bezieht ih namentli auf den obecschlesishen Bezirk. Wir wollen aber hoffen, daß die Handelsveziehungen zwischen den Staatshergwerken un» den landwirtßshaftlih:n Beecbänden sich immer freundlicher gestalten mögen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Roesicke hat seine Rede, der ih mit dem größten Interesse gefolgt bin, mit einer Abs{weifung auf das Gebiet der äußeren Politik ges{lossen. Jh bedauere ganz un- endlich, daß der verehrte Herr Abgeordnete mir nicht mindestens eine Andeutung von dieser Absicht hat zugehen lassen. (Sehr richtig!) Dann würde ih nicht ermangelt haben, den Herrn Reichskanzler Grafen Bülow zu bitten, hier in dieser {wterigen Frage selbst zu er- scheinen und Antwort zu geben. Jh babe aber bisher angenommen, daß cs in allen Parlamenten der Welt Sitte ift, die glühend heißen Fragen der äußeren Politik auch formal etwas anders zu be- handela als die Fragen der inneren Politik, welhe niht zu fol schwerwicgenden Konsequenzen Anlaß geben können, wie Aeußerungen auf dem Gebiet der auswärtigen Politik, (Sehr rihtiz!) Fär einen unverantwortlihen Reiêtags: Abgeordreten i} es ziemli leiht, einer gewissen populären Strömung Ausdruk zu geben; aber für einen Mann, dtr an einer fo verantwortlihen Sielle steht wie der Kanzler des Deutschen Reichs, der die Verantwortung trägt für den Frieden nicht nur Deutschlands, sondern unter Umständen für den Frieden der ganzen Welt für den dürfen populäre und feniimentale Strömungen unter keinen Umständen den Ausschlag geben, für ibn giebt es nur einen Kurs: und das ist die Ruhe, die Sicherheit und die Wohlfahrt des eigenen Vaterlandes.“ (Lebhaftes Bravo.)

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (ul.): Das Kohlensyndikat hat insofern fchon gefündigt, als cs unter Begünstigung des Rohlen- exports dazu beigetragen hat, daß die Bergarbeiterzahl im Ruhrrevier ganz außerordentlich vermehrt wurde, sodaß bei rückläufizer Kon- junktur Tausende von Arbeitern überflüssig werden. Das -Kohlen- syndikat, und nicht die Xohlenhändler, ift în erster Linie für diz Preis- steigerung der Kohlen und die dazurh verursahte Panik verant- wortlih. Das Koßlensyndikat ist gegründet, um au bct rück,ängiger Konjunktur die hohen Preise aufrecht zu erhalten. Koblen und Petroleum sind fo hohwichtige Artikel, daß derartige U?-bercinlomimnen wi? beim Kohlensyndikat auf die Dauer niht zugelass:n werden tönnen, Diese Mecnopole entsprechen niht einer gesunden Volksz- wirthschaft, und in weiten Vollskreisen betrachtet man es geradezu als eine Ucberhebung, roenn Gruppen von Finanzleuten derartige Monopole ausliben. Indem das Syndikat von den Aufträgen der Hindler 10 bis 20/9 abfirih, jagte es den Betheilizten Angst ein. Diese 20 9% fiad voa dem legitimen Konsum der Händler gestrihezn worden. Als dann die Häudler neue BesteZurgen matten, wurden natürli höhere Preise gefordert, Daraus folgt, daß das Kohlensyndikat den Jalandsverbrauch einshrän?t. E3 ist auch uicht richtig, daß das Syntikat höhere Löhne eingeführt hat. Das Syndikat hat damit garnichts zu thus. Bei dieser Gelegenheit muß ih zu meinem Be- dauern hervorheben, daß fowohl in Döershlesien wie im Saarrebier die Löhne noch rückständig siand. G3 wäre erwünscht, daß si: tea jeßigen Koßblenpreisen entspr-chend erhöht werden. Vom Standpunkte des Eisen- bab1-Minifters von Preußen könnte ih mir denken, daß das Syndikat an der Nuhr cine niht unerwünschte Einrichtung ift. Mir ift mitgetheilt worden, daß er mit dem Syndikat etnen großen Abshluß aematht hat in dem Augenvlick, wo wir, die Privatlkäufer, höhere Syndikatspreise haben zahlen müssen. Welches Eadziel verfolgt dieses Syndikat ? ‘Mit seiner monopolisierenden Tendenz, mit seinem Z veck, hohe Preise au bet rüdckgängtigen Konjunkturen aufrecht zu erhalten, fällt es unter die Gnischeidung des Reichsgerihts vox 1890 und 97 über die ungesunden Kartelle. Ich bin überzeuct, daß das Kohblen!yndikat com deutschen Volke ebenso w-nîa ertragen werden tann, wie das Petroleumsyndikat des Herrn Nockefiller. Es muß den Mißbräuchen, die hervorgetreten sind, auf beiden Seiten gebieterisch entgegengetr:ten werden.

Abg. Lenzmann (fr. Bolksp.): Ein Kohlenmangel hat vor- gelegen, eiae Kohlennoth hat existiert, und fie kann wieder kommen um Schaden der wetten Massen der Bevölkerung. Von den vor- geshlazgenen Abhilfsmitteln ist die Ausdehnung des Kohlenfelder- Abbaues auf Grund des Zwanzes nah § 65 des Berggaesetßzes nicht ohne weiteres und uneingeshräukt zu empfehlen. Im Rußhrrevtier rwoicd auch ohne Staatfzwang jedes nur einkgermaßen erzievige Feld abzebaut. Am linken Rheinufer find allerdings noch zahlreihe, nicht augenußte Muthungen vorhanden, wo der Zwang vielleicht am Ploye wäre; an der Ruhr aber würde ein solher Zwang direkt zum Nachtheil der Acbeiter ausshlagen. Herr Hilbck hat auf den Arbcitermangel bingewiesen, der an der Koblennoth s{chuld sei. Das ist nur in gewissem Sinne richtig. Der Militarismus entzieht dem Volk eine größere Zahl seiner kräftigfsten und leistungsfäßigften Arbeiter; tewmgegenüber verlangt man die Eiafuhr von Galiziern, ja man macht nihr ütel Miene, sich die chinesijhen Kriegoftea durch die Einfuhr von gelbem Mens@eanfl'isch bezahlen zu lafsen. Man ¡lagt über den Arbeitermangel im Rußrrevier, und gleichzeitig gedt man mit ter Breutalität vor, den dort beschä*tigten polnis@en Arbeitern ihre Sprache und die Pflege des GSottes- dienstes in ihrec Sprache zu nehmen. Das ist doch kein Mittel, dem Arbeitermangel abzuhelfen. Für meine Person bin ich kin Freund der Syndikate. ver das kann man dem Kohlensyndikat nicht streitig machen, taß es die Stetigkeit der Preise herbeigeführt hat; die von dem preußishen Herrn Handels. Miniffer uns zur Verfligung ge- flellte graphishe Daiftelung der Preisbewegung if dafür völlig durchschlagend. Daß das Ruhrsyndikat andererseits ih direkt ge- weigert hat, an Kobleneinkaufsgenofsenshaften Kohlen abzugeben, kann ich urfundlih bestätigen. Nux wenn der Vorftand der Genossen- schaft als Selbstverbraucher sich koaftituiert und für feine Perfon jährlich mindestens 6000 t gebraucht, dann will ihm das Syadikat Offerten machen. Das ift Mißbrauch der brutalen Uebermacht. Ob das Neich dagegen einschreiten kann, ijt mir nicht klar; jedenfalls ift mit dem Antrôg Heyl direkt nihts zu machen; dazu ift der ganze Antrag in seinem Woaitlaut viel zu dehnhbar Das freie Nechk der Assoziation haben \chließlich au die Ardei!geber. Bedenklih erscheint es mir, daß in dem Antrage Heyl unter- schieden wird zwishen Syadikaten, welhe bedrängten nothleidenden Indusftriczweizen beisprin„en wollen, und folchén, welhe im Fett sigen. Hier roird cine Unterscheidung sich shwer treffen lassen. Statt die Syndikate für die Köblennoth veraatwoortlih zu machea, macht man den Zwischenhandel zum Prügelkuaben und überhäuft die Händler mit Shmätungen. Aber nicht auf dem Wege der Gesey- gebung follte man den Sya1dikatea zu Letbe gehen, sonderu auf dem Wege der Selbsthilfe, auf dem Wege dec freien Afloziation.

Aba. Franken (nl.): Jh besitze weder Aktien noch Kuxe, fann also únbefangen urtheilen. Mohlen:oth hat es {hon oft gegeben, aber fie hat st# tröher nicht so geltend arat als diesmal. Redner giebt cinen bistorishen Ueberblick über di: Entw‘ckelung des rheinish- westfälishen Kokblensyadikats und beleucht:t dessen Thätigkeit. Dem Köohlenfyndikat alleia die Shuld an der Koblennoth auftuhalsen, geh‘ niht an, auch der Zwischenbandel trage cinen guten Theil der Schuld. Im allzemeinen hakte das Koblensyndikat sehr rüglich gewirkt.

Abg. Dr. Stephan. Beuthen (Zentr.): Der foztaldemokratis&e Redner hat behauptet. daß die Produktion in Oberschlesien vorwiegend in den Händen von Mitgliedern meiner Partei licgt. Das tft nicht der Fall. Nut etwa 1/7 der Produktion is in katholischen Händen. Die anderen 6/7 \iad im Besiy des Fiskus u. \. w. Die aroßen Aktiengesellshaften tusbesondece sind in den Händen von Nchckt- kathólifen. Die Anwendung des § 65 wäre doch schr bedenklich ; sie würde auch für den Augenblick niht wirken, da die Kohlenfördetüng etner neuen Grube ers in 4 bis 5 JFaßren stattfinden kann. Dte oberschlesisGhe Koblenindustrie ift auh obne den Zwang des Ministers bestrebt gewesen, die Produktion möglichst zu ver- mehren, und zwar von 1888 bis 1899 um 49 Prozent. Die obershlesche Kohlenausfuhr hat \sih allerdings au vermehrt. Große Q aantitäten find aber nit nach Böhmen exportiert worten. Ganz abgeschritten konnte der Export nicht werden, weil die Verträge eingehaltzn werden mußiean. Nicht unbedeutende Quantitäten wurden von kleinen Händlern zu außerordentliÞh tohen Preisen ia das Strikegebiet befördert. Das ist aber nicht die Schuld des legitimen Zwischenhandels uud dec Gruben. Ein Ausfuhr- verbot wäre für die obershlesishe Kohleninduftrie von den verhängniß- vollsten Folgen, denn der Export ist gerade in den Z-iten des Nieder- ganas für Dbershlefien von großec Wichtigkeit gew-sen. Gerade die Rücksicht auf den Frport hat die overschlesische Koblenindustrie zu Betrteb8verstärkungen verarlaßt, die es ibr später ecrmözlihten, auch den stärkeren Anforderungen des JInlandes zu genügen. Die tarifarischea Vergünftizungen, deren Aufhebung man verlangt hat, find für Dbershlesien wirkli minimal; nach Rußland z. B. haben wir überhaupt keine Ecmäßigung, Wir sind in einer [{chwizrigen geographishen Lage, wir haben kein Hinterland, und man follt: uns deshalb die nah langen Kämpfen errungenen Ausraïöme- tarife belassen. Die obecshlesishen Gruben und Großhärdler haben ungewöhnlich hohe Kohlenpreise auch während der Kohblenknavvheit nit genommen. Es wäre den Grube: und dem Großhandel ei Leichtes gewesen, in der Zit der Kohlerkuappheit die Preise um 30% und mehr zu erhöhen, wie es im Auslande der Fall war, z. B. in Belgien. Selbft ia Niederschlesien haben viel größere Preis- steigerungen stattgefunden als in Oberschlesien. Dea Ärbeitern gönne ih von Herzen bessere Lözne, und ih zweifle niht, daß fie erhöht werden, wezn die günfttge Konjunktur anhält. Die eigentlichen Berg- arbeitec, niht die Schlepper, haven jeyt hon nicht geringe Löhne. Den Durcschnitt darf man nit zu Grunde legen. Die Koßhlen- knappheit scheint bereits überwunven zu sein; zu einshneidenden geseygs gebertihen Vafnahmen ltegt keine Veranlaffung vor.

Die Diskussion wird geschlossen. Auch wird ein Anirag auf Vertagung angenommen.

Persönlich bemerkt der

‘Abg. Dr. R ocfide- Kaiserslautern : Der Herr Staatssekretär hat es getadelt, daß ih dadur gegen die Sitten des Parlaments verftoßen hätte, daß ' ih den abwesenden Reitbskanzler in die Debatte gezozen habe. Ich habé den H?rrn Reichskanzler nur auf die Volksftimmung wegen des Nidhtempfa=nges des Präsidenten Krüger aufzerksam machen wollen. Dazu hielt ih mih als Abgeordneter des deutschen Volkes für verpflichtet.

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sizung Montag 2 Uhr (Erste Lesung des Etats.)

Literatur.

Kommentar ¡zum Reichsgesey über die Angelegen - heiten der freiwnilligen Gerihts8barfeit vom 17. Wai 1898 von Adolf Weißler, Rechtsanwalt und Notar in Halle a. d. S. Verlag von Otto Liebmann, Berlin. Geh 7,50 4 Dieses Buch hält formell und materiell die Grenzen eines dem Text fih eng anschließenden Kommentars inne, der gleichwohl. den Ansprüchen an eine gründliche Erörterung gereht wird. Der Verfasser begnügt fi nicht damit, die Materialien des Gesetzes zu verwertben, sondern legt in selbft- ständiger wifsenshaftlihze Bearbeitung des Nechtsstoffs den Sinn der einzelnen Bestimmungen nach allen in Betracht kommenden Be- ziehungen dar. Hervorzuheb:n find besonders die umfassende Be- rüdfsihtigung des materiellen Rechts, namentlich des Bürgerlichen Geseybuchs und des Handelsgefezbuch, die forgfältige Prü- fung der Anwendbarkeit der einzelnen Bestimmungen des kommentierten Gesehes auf die im V. G.-B. und in anderen Reichsgefeyen geordneten Materien, die Erörterung des einsch ägigen preußischen Rechts bei den meiften Vorschriften des Reich3geseues und die Berwerthung der bisherigen Rechtsprehung. In einem Anhang sind das preußische Geseg über die freiwillige Gerichtsbarkett vom 21, September 1899, tie Allgemeinen Verfügungen über die Führung des Handels-, Genofsenschafts-, Vereins-, Güterrechts» und des Shifföregisters, die Bekanntmachungen des R-ichskanzlers über die Führung des Genossenfschaft3-, Vereins» und GUgarre(htsregisters sowi? zu § 25 des Flaggengescßes vom 22. Junt 1899 Fn Wortläute wiedergegeben.

Derseibe Verfasser hat auch ÔHilse’s Formularduch für freiwillige Gerihtsbarkeit neu bearbeitet, das jegt in neuuter Auflage vorliegt (Karl Heymanu's Verlag, Berlin; geb. § 46). Er theilt zunähft die Vorschriften über die Form der gerichtlichen und nota:iellen Urkunde im Wortlaut mit und läßt dann in fünf Ab- s{nitten (Grundbuhreht; Vertrazsreht; Regtster, Gesellschafts-, Wechsclredt; Familtenreht ; Erbrecht), die wieder in 178 Kapitel zer- fallen, die aus .efüllten Mufterformulare mit Hinweisen auf die Geseye und kurzen Anmerkungen ' und in einem Anhange die amtlichen preußishen Gcundbuhmust!r folgen. Die Beiipiele find mit vollem Verständnisse für die Bedürfn fe der Praxis gewählt. Den Ur- kunden, die sämmtlih in vollstandiger gerictliher oder notarieller, fehr bäufiz zugleih iu vollftr:ckbzrer Form wiedergegeben werden, fiad die Stempel- und Gebühr-enberehnunger, zum theil au die erforderli werdenden Mittheilungen und Anträge, sowie die darauf ergebenden rihterligden Verfügungen beigefügt. Ja nicht wenigen Kapîitela fiad die Muster, um die allmähliche Gntwickelung einer Rechtsangzlegendeit, z. B. die nah dem neuen bürgerlichen Rechte so \hwierigen Ecdbregelungen, besser zu veranschaulichen, aktenheft» artig angelegt. So fiadet ih auf S. 243 bis 259 eine eGrbaudeinandersezung* in neun Gatwickelungsstadien (Antraz, Ueber weisung an den Notar, Ladung, Termin, Versäumnißverfahten, Zwiichenipiel, vormundschaftögerichtiihe Genebmigung, Uezbderweisungs» zeugniß, Auzsführuas), auf S. 231 bis 243 „beschränkte Grhzns daftung, etae Novelle in Briefen und Aktenstücken“. Zameist hat der Verfasser dea Grundsay befolgt, einen einfachen, nicht verwickelten Sacheerhalt zu Geunde zu legen, nur die wesertlicen und regel» mäßigen Bestandtheile des Rechtögeschäfts z4 berücksichtigen; doch ift