1900 / 296 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Dec 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 18. Sigung vom 12. Dezember 1900. 1 Uhr.

: Fortseßung. der ersten Berathung. d Nei Auna Been rien SEAÏBUNG de,

(fr. Vgg.): Es i} mehrfah angedeutet worden,

Abg Nidert .) _Ut ( Ses daß die Einführung eines neuen Gewéhres “in der Arie" bevorstänbe,

und Deutschland damit abermals eine 100 Millionen-Ausgabe zu leisten hätte. Nach meinen Erkundigungen beruhen diefe Gerüchte auf einem Irrthum. Es wäre aber sehr verdienstlih, wenn der Kriegs- Minister auch. seinerseits eine beruhigende Erklärung abgäbe; denn

i der heutigen Leihtgläubigkeit des Publikums findet auch das Widersinnigfte sehr leiht Anklang. Was die Finanzlage betrifft, fo muß in der, That eine Reform ‘des Steuersystems Plaß greifen. Führen Sie eine Reichs-Erbschaftsfteuer ein, ih bin durhaus dafür ; ih sehe aber nit, wie bie dagegen vorhandenen“ Widerftände bet den MEE und bei den verbündeten Regierungen gebrohen werden ollen. Die Furht vor einer Erhöhung der Matrikularbeiträge. ist

mir ganz unverständlih. Man hat sich jeut viel zu sehr daran

gewöhnt, daß die Matrikularbeiträge durch die Ueberweisungen mindestens aufgewogen werden; und wir haben doh früher Matrikularbeiträge bis zu 90 Millionen ohne jede Ueberweisung gehabt. Auch für den neuen Zolltarif verlange ih volle Oeffentlichkeit; es darf die Bevölkerung nicht stückweise und auf dem Wege der Ver: hökerung, wie es leider immer beim Etat geschiebt, davon unterrichtet werden, dur Leute, die durch Verbindung mit Ministerien denn die Bundesrathsmitglieder sind ja zur Geheimhaltung verpflihtet in den Besiy dieser Aktenstücke kommen. Man braucht ja bloß die Zu- fammenseßung des withshaftlihen Ausschusses anzusehen, um dieses Verlangen gerechtfertigt zu finden. Graf Limburg freilich braucht die Oeffentlichkeit nicht, es stehen ja die H:rren des wirthschaftlichen Aus- {usses zur Verfügung. Handel und Industrie hätten längst ihre Stimme für die Erneuerung der Handelsverträge erheben müssen, wenn es au den Herren Agrariern nicht gefällt, -diè ja s{chon darüber sh aufregen, daß Herr Professor Shmoller vom Reichskanzler empfangen wird. Jn den Versammlungen des. Bundes der Land- wirthe fordert man, daß der Staat die kommunalen Steuern des Landes trage, das hetßt doch, daß die Städte auch noch die Kom- munalfteuern für das platte Land tragen sollen, Daß der Be- trieb der Landwirthshaft bei den j?higen Zollsäßen nicht mehr lohnend sei, wie es die Herren Agrarier behaupten, hat der preußishe landwirthschaftlihe Minifter in aller Form im preußishen Abgeordnetenhause für fals erklärt. Gewiß ift die Leute- noth eine sehr unerfreulihe Er|chcinung; aber dié Zölle sind nicht daran schuld. Die Herren. Agrarier. wissen heute den Bruder Bauer sehr gut zu nehmen ; das ift von ihnen sehr praktisch, und ih beklage, daß die Herren vom Handel und von der Industrie sih zu vornehm dazu dünken. Graf Kanit hat ja {hon die Meinung ausgesprochen, daß es zur Erneuerung der Handelsverträge nit kommen werde, weil die Zölle in den anderen Staaten in die Höhe geseßt seien. Ja, wer hat sie denn in die Höhe getrieben? Niemand anders als unsere Agrarier. Die Russen und ihre Vertreter sind doh auch fo klug, zu wissen, wie in Deutschland auf wirthshaftlihem Gebiete der Hase läuft. Die Anbaustatistik widerlegt ebenfalls die pessimistischen Ausf\treuungen der Agrarier. Das Veilangen nah einer gründlichen und umfafsenden landwirthscaftlihen Enquête habe ich meinerseits hon seit langen Jahren in Preußen erhoben, ohne daß man bis jeßt diefem Gedanken entsyrohen hätte. Jet soll eine solche stattgefunden haben, aber das Ergebniß bleibt geheim, und nur auf dem Umwege über die „Müntwener - Allgemeine Zeitung" erfährt man Einiges dataus. Baden hat eine derartige Enquête längst veranstaltet und der breiten Oeffentlichkeit überliefert. Aber selbs an jener Enquête, die zweifellos mángelhaft hergestellt ist, läßt ih erkennen, daß der Grundbesig ein viel größeres Interesse an der Viehhaltung hat als am Körnerbau. Die Erhebungen des Bauernvereins „Nord-Oft“ haben ebenfalls erwiesen, daß die meisten mittleren und kleinen Besitzer Getreide zukaufen müssen. An Getreide- zôllen hat nur ein ganz geringer- Prozentsag der agrarishen Be- völkerung Interesse. (Widerspruch rechts.) Sie verneinen bas, Herr Graf Limburg? Die Siemens’shen Zahlen haben bewiesen, daß es, ein ganz ungeheuerlihes Verlangen is, um diefer wenigen Tausend Grofßgrundbesißzer willen die Gescßgebungömaschine in Bewegung zu seyen, um Millionen und Millionen der unbemittelten Be- vôlkerung diese Zolllasten aufzuerlegen. Ist es wirklih geboten, die ganze deutshe Bevölkerung mit einem unerhörten Kornzoll zu belasten, nur um diese wenigen Tausende, die zum großen Theil sehr stark verschuldet sind, unter denen \sih viele Grandseigneurs befinden, über Waffer zu halten? Da wäre es doch viel praktishér, wenn man die Leute von Staatswegen einfah auskäufte. Der Bund der Landwirthe \spriht sich das Verdienst zu, durch den Abg. Roesicke, Kaiserslautern in der südafrikanishen Frage im Reichstage den einzig rihtigen Stand- punkt vertreten zu haben. Das muß ich entschieden bestreiten. Wenn die Herren in dieser Weise gegen unsere äußere Politik auftreten, fo find sie shlechte Stützen von Thron und Altar. Sie (nah rechts) verlangen geradezu von der Regierung, daß sie zu Gunsten der Buren etne Intervention eintreten läßt. Ih behaupte im Gegentheil: au der Nichtempfang des Präsidenten Krüger in Berlin war ganz korrekt und geboten, so \chmerz;lich das auch für marhe Kreise sein mag. Sollten fh etwa in Berlin dieselben Scenen wiederholen wie in Köln? Nachdem England ein Swhiedsgericht abgelehnt hat, können dié ver- schiedenen Nationen niht auf ein folhes Schiedsgericht dringen, da das nur zu Verwickelungen mit England führen müßte. Das wird auch im Ausland anerkannt. Die „Neue Zürcher Zeitung“, ein demokra- tishes Blatt (Zuruf links: Liberales!), nun ftréïten wir nicht dar- über, also éin ltberales Blatt, bezeihnet die Haltung unseres Kaisers ais vollständig richtig, Wenn die französishen Chauvinisten ih über etwas in Deutschland erhitzen, so i immer größte Vorsicht geboten. Krüger's Empfang in Berlin hätte weder ihm noch uns nützen können. Auw Fürst Bismarck hat seinec Zeit immer die Nothwendigkeit betont, daß wir mit England uns gut stehen. So wie Fürft Bismarck seiner Zeit praktische Real- politik getrieben bat im Interesse Deuischlands, îo mußte es auch jeßt weiter geshehen. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn die deutsdhe Regierung in einer Situation, die ohnehin hon eine Masse von Schwierigkeiten in sih birgt, fh j-t auch noch in den Transvöaal- konflfkt mishen wollte. Ih hoffe, daß die gréße Mehrheit des Reichstages hinter dem Reichskanzler ftehen wird, und ih habe auch die Hoffnung, daß der Reichskanzler 1roy aller gegentheiligen Strôd- mungen es fertig bringen wird, auch den wirth|\haftlidjen Frieden unter den Völkern zu erhalten.

Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:

Der Herr Abg. Rickert hat die Güte gehabt, mir zu versichern, ih glaubte nit, wie leichtgläubig das Publikum wäre. Das mag ja sein, aber ih hätte es doch niht für mögli gehalten, daß die Gerüchte von der Umberoaffaung der Infanterie und ‘Artillerie hier in diesem hohen Hause geglaubt werden könnten, wenn nicht der Herr Abg. Bebel ein derartiges Gerücht, das im „Vorwärts“ stand, und nah welchem eine Division des X. Armee - Korps umbewaffnet wecden solle, hier erwähnt bätte. Derartige Gerüchte finden sfih nach meinen Grfah- rungen übrigens regelmäßig im „Vorwärts“ dicht vor den Gtat8reden des Abg. Bebel, auf die er si dann in der Regel bezieht, die jedoch gewöhnlih unrichtig sind.

Die Thatsache bezüglih der Gewehre i} folgende: In den Zeitungen war die Rede von einem skandinavishen Gewehr mit auto- matischer Ladeeiurihtung. Die Gewehr-Prüfungskommission, die dazu da ist, sih über derartige Erfindungen auf dem Laufenden zu erhalten, beantragte infolgedessen, ein solhes Gewehr zu beshaffen. Es wurde deshalb bei dem Grfinder angefragt, und hat er die Weferung eines Gewehrs zugesagt. Bis zum heutigen Tage if es aller-

„Auch dieses. trifft. nicht. zu.

dings noch._ niht eingegangen. (Hört! bört!) Wie man mit diesem Gewehr, das niht vorhanden is, eine Division um- bewaffüen “folf, ist unerfindlih. (Heiterkeit) Was die Artillerie

-anbelangt;- so wurde: behauptet, unsere- jeßige Artilleriebewaffnung

wäre verworfen worden, und würde. ein neues. Geschüß eingeführt.

Fabriken Krupp und Ehrart eine bessere Vorrichtung zur Hemmung des Rüdklaufes angeboten, und is den genannten Fabriken anheim- gegeben worden, sie der Artillerte-Prüfungskommission, als der Ressortbehörde, zur Prüfung vorzulegen. Auch diese Geschüße sind noch nicht eingetroffen. (Große Heiterkeit.) N

Dem Herrn Abg. Liebermann von Sonnènberg erwidere ih, daß es nah den Ausführungen, die er gestern über einen Unteroffizier, dessen Versorgung ihm nicht ausreichend erschien, gemaht hat, doch den Eindruck gewinnen könnte, als ob das Versprehen, das unser verehrter alter Kaiser ihm seiner Zeit gegeben hat, nicht ge- balten worden wäre. Das trifft in keiner Weise zu. Die Tüchtigkeit dieses Unteroffiziers im Kriege erkenne ih durhaus an. Der Mann hat \sich das Militär-Ehbrenzcihen 1. Klasse und das Éiserne Kreuz 2. Klasse erworben. Infolgedessen wurde er in den Militär: Verroaltungsdienst übernommen, und hat er es in diesem bis zum Garnison-Verwaltungs-Inspeltor, * also zur Stelle eines oberen Beamten, gebracht. Im Jahre 1893 wurde er infolge etner Denunziation in eine gerihtliwe Untersuhung, verwickelt, aber freigesprohen, doch sucte er bald darauf seine Pensionierung wegen Blutandranges zum Kop‘e und Gedächtnißshwähe nah, die ihm im Jahre 1894 be- willigt wurde. Seinè Pension beträgt 1941, also annähernd 2000 (Heiterkeit.)

Abg. von Glebocki (Pole) führt aus, es sei von der großen Mehrheit des Haufes anerkannt, daß im Deutschen Reichstage auch die Angelegenheiten der polnischen Pceußen erörtert werden können, besonders wenn es fich um Reichstagswahlen handle. Von dieser Voraussetzung ausgehend, nimmt Redner das Verhalten des Erz- bishofs von Stablewski gegen den Propst von Krzesinski in Alt - Kloster nahdrücklich in Schuß. Die scharfen Angriffe, welche der Abg. Dr. Sattler gegen den Erzbischof aus

* diesem Anlaß gerichtet, seien ganz und gax nicht berechtigt gewesen.

Gegen einen folhen Ton, wie ihn der Abg. Dr. Sattler ohne alle Veranlassung in den Reichstag eingeführt habe, müßten die pols- ntscen Vertreter protestieren, insbesondere auh gegen derartige Aus- fälle auf die katholische oberste Kirhenbehörde, Der Abg. Dr, Sattler habe zu biesen ungqualifizierbaren Angriffen die Tribüne des Reichttags mißbraucht.

Präsident Graf von Ballestrem: Es steht dem Herrn Ab- geordneten nicht zu, einen folch:n Autdruckd zu gebrauchen. Dar- über zu entscheiden, ob ein Redner die Tribüne mißbraucht, steht mir allein zu.

Abg. Graf von Schwerin-Löwiß (d. konf.): Nach den Aus- führungen des Abg. Rickert halte ih es bei der großen Bedeutung der Landwirthschaft für die Entwickelung des Reichs für nothwendig, hier auch einiges zur Frage der landwirthschaftlihen Zölle beizutragen. Fh halte es angesihts der Interefsengegensäße zwishen den ver- schiedenen Erwerbszweigen für geboten, daß bei dem Kampfe mit dem Auslande die verschiedenen Iateressengruppen zufsammengehen müssen, und daß dieses Zusammengehen auch bei der Vorbereitung des neuen Zolltarifs und der neuen Handelsverträge zum Aus- druck kommen muß. Es handelt sih hier um gemeinsame Arbeit bei gemein’amen Aufgaben. Diesem Eindruck hat - ich auch der Wirthschaftlihe Ausschuß nicht verschließen können. Auf allen Seiten macht ih die Erkeantniß geltend, daß die Gegensäte gemildert werden müssen. Die große Bedeutung der deutschzn Land- wirthschaft ist bereits von dem Abg. Grafen Limburg - Stirum her- vorgehoben worden; er hat dazu werthvolle statistishe Zahlen vor- geführt. die bis heute nicht widerlegt find. Unstreitig ift der volfs- wirthscchaftlihe Werthder landwirthschaftlichen gegenüber der industriellen Produktion ein höherer. Ja dieser Beziehung bat sich der Abg. Rickert bei seiner Berechnung der nationalen Produktion fehr geirrt. Von einer richtigen Verzinsurg. ber landwirthschaftlihen Kapitalien is \chon längst niht mehr die Rede. Es muß daher unbedingt durch Erhöhung der landwirthshaftlihen Zölle etwas geschehen. Da nach den bisherigen Grfahrungea das Ausland dea Zoll trägt, so ist eine Vertheuerung auszeschlossen. Wir beabsichtigen au gar keine Vatheuerung; wir wollen nur die Preise dec beiden Jahrzehnte von 1870 bis 1890 wiederherstellen. In den leßten 10 Jahren sind diese Pceise erheblich beruntergegangen, wobei noch ershwerend ins Gewicht fällt, daß in der Zwischenzeit die Arbeitslöhne erheblich gestiegen sind. Unsere Forde- rung ist deshalb niht unbillig; sie ist bescheiden. Ein Vergleich mit dem Steigen der Koblenpreise, den der Abg. Pachnicke neulich ver- sucht hat, ist unzutreffend; denn die Kohlenpreise find stetig gestiegen, die Getreidepreise dagegen gesunken Wir würden am liebsten auf jealihen ftaatlihen Schuß verzihten; aber die Landwirthschaft ift nit in der günstigen Lage, den Shuß entbehren zu können. Der Redner, welcher, in der zweiten Hälfte seiner Nede nur sehr {wer verständlich ist, füh1t weiter aus, daß das monarhische Negiment wesentlih mit von dem Gedeihen der Landwirthschaft abhänge. Er hoffe, daß Deutschland sih wirthschaftlich möglic)t vom Ausland un- abhängig mahèn und daß si Industrie und Landwirthschaft auf der Grundlage eines Maximal- und Minimaltarifs verständigen möchten.

Aba. Dr. Hasse (nl.): Der Abg. Richter hat gestern den Wunsch ausgesprohen, mi gestiefelt und gespornt, mit eingelegter Lanze in die Arena dieses Hauses einreiten zu sehen zum Kampf wegen des Nichtempfangs des Präsidenten Krüger. Ich kann ihm den Spaß nicht machen. Ih finde die ganze Angelegenheit überbaupt nicht |paßhaft. I kann den Geshmack des Abo. Richter nicht theilen, der es bei der Berathung des „Toleranzantrags“ für zweckmäß'g und geschmackvoll hielt, die ganze Angelegenheit mit einem Wiß, und noch dazu mit eintm niht guten Wiß, zu streifen. Jh kann auch den Geshmack derer nicht theilen, die diesen Wiß mit Lachsalv-en beantwoiteten. Diese An- gelegenheit ift, ih wiederhole es, zu ernst, um sie anders als ernft zu behandeln. Gs hätte auch niht ker Aufforderung des „Hamburgischen Correspondenten“ und anderer Blätter dieser Richtung bedurft, um mich an diese Stelle zu führen. Jst es sonderbar, wean man die alldeutshe Presse angreift, so if es noch viel foaderbarer, daß fast die ganze deutshe Presse denselben Standpunkt vertritt. Ih bin niht so unbescheiden, die ganze deutsche Presse, die ih in der Krüger-Frage auf denselben Standpunkt gestellt hat, als eine alldéutsde zu bezeichnen. Ih müßte dann unter anderen auch das „Berliner Tageblatt", das dem Abg. Nickert nahe- steht, als eine alldeutshe Zeitung betrahten. Er hat heute freilich einen anderen Standpunkt eingenommen als sein Blatt. (Abg. R iert: Mein Blait?) Dieses hat jüngst eine Reihe Artikel ver- öffentlicht, die ich ebensogut hätte s{hreibèn können, die aber merk- würdtgerweise damit endeten, daß die Alldeutshen natürlih etwas

anz Anderes wollten; was sie aber wollen, wurde nicht ge- agt. Es if mir und meinem Freunde Lehr in einem Theil dieser Presse vorgeworfen worden, daß wir am vorigen Montag in diesem Hause gefehlt hätten. Es if} eine merkwürdige Naivität, uns éïnen solchWea Vórwurf zu machen. Man scheint nicht zu roissen, daß hier nit jeder Beliebige zu jeder beliebigen Zeit zum Worte fommen kann. Wir roußten ganz genau, daß seitens der Fraktion als erster Fcaktionsredner der Abg. Sattlec \prechtn werde, und daß es für uns gánz ausgeschlossen war, an diesem Tage das Woit zu erhalten. Sie wissen übtigens,* daß «8 mir 1roy meiner gestrigen Anwesenheit eist heute gelungen ift, das Wort zu be: kommen. Uebrigens war für die Vertretung des Alldeutshen Ver- bándes auh am Montag gesorgt. Dié Hauptleikung dieses Ver- bandes besteht aus füñf Personen, und" nur zwei waren nicht

Es. haben. vielmehr nur die beiden. Gia H

anwesend. Die Abgg. Graf Stolberg, Graf Arnim und von Kar waren hier und Lten. wenn erei Tie Mel ‘gewesen erf Gelegenheit gehabt zu \prehen. u enrufe O l hat die „Kölnische Zeitung“ mir vorgeworfen, daß ih am vvrigen- | ag, tim Ausl Herren dem Pn Krüger eine Adresse üÜberreiht habe Die Darstellung dieser Vorfälle in der „Kölnischen Zeitung® if “üb abs irréführend. “Alles, was “fe des Alldeutshen Verbandes geschieht, wirkï auf die „Kölnische Zeitung“ wie das rothe Tuh auf den Stier. bedauere nur, daß der Reichskanzler dieses wetterwendishe Blatt auch noch zur Aufnahme offizidser Erklärungen zu bénußen scheint, ein Blatt, dag den Einflüssen der de Beers-Kompagnie und anderer kapitalistisher Gesellshaften Süd-Afrikas ofen steht, die, weiß Gott, niht an unserem Strange ziehen. Wenn behauptet worden ist, ih hätte am Montag einer Erörterung aus dem Wege gehen wollen, \o trifft das vicht zu. Dié, Kölnishe Zektüng“ sägt dünn, tch" hätte i mit Herrn Lehr nah dem Haag begeben, um dem Präsidenten Krüger eine Adresse zu überreichen, und der Alldeutshe Verband maße sih an, im Namen des deutschen Volkes über die auswärtige Politik tes Kaisers und seines Kanzlers den Stab zu brehèn. Daz ist wiederum eine vollständige Irreführung. Jh bin genöthigt, den Verlauf dieser Sache zu schildern. (Lachen links ) Wenn Ihnen das nicht angenehm ift... . (Rufe rechts: Sehr!) Schon am 15. No. vember hatte der Verband beshlofsen, dem Präsidenten Krüger beim Betreten des niederdeutshen Bodens im Haag eine Adresse ‘zu über- reihen. Wir gingen dabei von der Vorausseßung aus, daß Krüger von Frankreih zuerst seine Schritte nah den Niederlanden richten würde; wir können nichts dafür, daß es uns nichi möglih gemalt worden i, ‘dem Präsidenten Krüger unsére Adresse hier in Berlin zu überreichen. Der Haag ist allerdings, staatsrechtlih be- trachtet, Ausland; aber bedenken Sie gefälligst, daß der Alldeutsche Verband eine Körperschaft ist, deren Organisation über die ganze Erde verbreitet i. (Zuruf: International!) Nicht international, sondern national! Aber das deutsche Volk if nicht nur tnnerhalbh der Grenzen des Deutschen Reis angesiedelt, sondern auch außerhalb dieser Grenzen; der Haag gehört zum niederdeutschen Stamme, und wir koanten deshalb dort so auftreten, wie tim Deutshèn Reich. Es ift dann weiter behauptet worden, wir hätten dort im Namen des deutshen Volks gesprochen. Jch weise auf die \teno- graphischen Niederschriften dessen hin, was im Haag gesprochen worden ist. Meine wenigen Worte, die ih an den Präsidenten Krügér rihten durfte, begannen mit dem Saß: „Nicht im Auftrage des amtlichen Deu!schland.* Das ist selbstverständlich; ih habe vorausgesehen, daß terartige Angriffe kommen würden, und ich habe ihnen die Spiße abbrehen wollen. Ich habe ausdrücklih betont: „im Namen des Alldeutshen Verbandes" und allerdings hinzugefügt: „getragen von der großen Mehrheit des deutschen Volks“. Das wird ‘bestätigt durch die deutshe Prefse und die Aus. führungen der meisten Redner dieses Hauses. An einer anderen Stelle hätie id meinem Herzen mehr Luft gemacht; außerhalb der Grenzen Deutschlands babe ih mir die exforderltle Zurüd- baltung auferlegt. Ih befinde mich in Uebereinstimmung mit fast sämmtlichen Rednern dieses Hauses; zu meinem Bedauern nicht mit dem Abg. Rickert, wohl aber zu meiner Ueberrashung mit dem Aba. Bebel. Ih muß hier ganz offen aussprechen, daß ih alles das, was er in Bezug auf die. Behandlung des Präsidenten Krüger in Köln und im“ Deutschen Reiche ausgeführt hat, mit Ausnahme einiger Wendungen untershreibe. Db mir dies an- genehm ist oder niht, is etne andere Frage. Der Vorgänger des jeßigen Reichskanzlers, Graf Caprivi, hat einmal gesagt, alle Re- gierungsmaßnahmen müßten unter dem Gesichtspunkte betrachtet werden, welchen Einfluß sie auf die Soztaldemokratie ausübten. Ich möchte diesen Gedanken dahin variieren, daß ih es für im hohen Grade bedenklich halte, wenn die bürgerlichen Parteien mit der Sozialdemokratie sympathisieren und sich mit ihr in Uebereinstimmung befinden in der Kritik eintger Handlungen dieser Regierung. Wenn das der Fall is, so kann man wohl vermuthen, daß es doch nicht ganz rihtiz is im Deutschen Reich. Jch wende mich nun zu der Nede des Reichskanzlers vom vorigen Montag. Ich gehöre zu der großen Zahl von Kollegen, die darüber erfreut sind, daß wir in ihm endlih einen wirklichen Staatsmann besißen, der auch auf unsere Erörterungen einen persön- lihen Ainfluß übt. Aber wo viel Licht ist, ist auh viel Schatten, und ih meine, daß die glänzende Rhetorik des Reichskanzlers uns doch manchmal über aewisse Shwächen seiner Beweisführung hinweg- täush:n wird. Der Reichskanzler hat hier eine große Summe von einwandfreien Säßen vorgeführt, die selbstverständlih Beifall ge- funden haben. Aber ih glaube, daß er niht immer aus den Bordersäßen die enisprehenden Folgerungen abgeleitet hat. Wenn er gesagt hat: „Nachdem der Krieg ausgebrohen war, konnten wir im Hiablick auf die allgemeine Weltlage und vom Standpunkt des deutschen Gesammtinteresses aus keine andere Haltung ein- nebmen als \trikte Neutralität“, fo ist das an sich rihtig und wird au von niemand bestritten, au} yon mir nicht, Uber es fragt fi zur, ob diese Neutralität wirklich eingehalten ift, und ih be- haupte, daß wenigstens der Schein niht vermieden worden ift, daß diese Neutralität nur zu Ungunsten. der Buren und zu Gunsten Englands bethätigt worden ist. Für diese Behauptung find gestern und vorgestern verschiedene Beweise angefühct worden. Ich möchte nur auf den Fall hinweisen, wo ein deutsches Schiff der Woermann?-Linie \sih in der Beförderung englisher Soldaten an die Südküste Afrikas gegen die Neutralität vergangen hat, und es ift mir nicht bekannt geworden, ob seitens unserer Regierong ‘dagegen eîn- geschritten wordén if. Zu den allgemein richtigen Sätzen des Reichs- fanzlers geht au: „Die Politik eines großen Landes ' darf in einec kcitishen Stunde niht von Cingebungen des „Gefühls be- herrsht werden, soudern sie muß si möglichst rihten na den rubig und nüchtern erwogenen Interessen des Landes.“ Selbstverständ- li! E3 fragt sich nur, ob es z¡zweckmäßig “war, “in den Begleitersheinungen, welhe in dec Politik cine große Nolle spielen, die deutshen Empfindungen zu verlegen. Es können Fälle vorkommer, wo der leitende Staatsmann gezwungen ist, gegen die öffentliche Meinung zu shwimmen. Ich glaube, daß eine Ver- anlassung zu einem derartigen Hzroismus nicht vorlag. Was wollen wir denn? Man wirft uns vor, wir heßen zum Krieg gegen Enzland. Niemand hat einen Beweis für diese Behauptung er- bra(t, und ih fordere erneut dazu auf, hier und außerhalb des Haules diesen Beweis zu erbringen. Wir wollen in dem vorliegenden Falle weiter nichts, als daß wir von England und England von uns auf dem Fuße der Gleichberehtigung behandelt werden, und was den Pcäsidenten Krüger anbelangt, daß er in Deutschland ebcn)0 behandelt werde, wie es tn den Niederlanden geschehen ift. Man will dort bekanntlich auch keine Intervention, aber man hat den Präsideuten dort in einer Weise behandelt, die meinen Empfindungen befier enl- spricht. Der Reichskanzler hat nun zwar gesagt: wir ständen England gegenüber vollstäneig unabhängig da; wir seien. niht um cines Haares Breite mehr auf England angewtesen, alsEngland auf uns; wir seten bereit, auf dieser Basis'mit England in Frieden, Freundschait und Gintrachk ¡l leben, u. st.w. Ebenso selbstverständlich. Aber es fragt sich nur, ob dieselbe Meinung auch von der anderen Seite getheilt wird. "Gs ift do eigenttümlich, doß die „Times“ in der Lage war, vorher anzukündiger,

daß Krüger in Berlin nicht empfangen werden würde, Es scheinen d ret inn!‘g2 Beziehungen zwishen der Wilhelmstraße und der „Times* zu bestehen. Bei allen Abmachungen mit England, v0 Sansibar - Vertrag ‘ab, sind wir immer übers Ohr gehauen worden. Wo blieb die Gegenleistung für den Delagoabay - Vertrag? E „Frankrurter Zeilüng“ und die „Hamburger Nachrichten“ ha i ausdrüdcklih anze fannt, daß wir dabei übers Ohr gehduen worden find. Aehnlich ‘liegt es mit dem deutsch - englischen Yangtsekians Abkommen. Offiziell und offiziös ist gesagt worden, tec Vas enthalte nihts ais was in ihm stehe. Der „Lokal-Anzeiger“, der f, auch offizióser Beziebungen rühmt, hat die Saché aber in (la d wütdiges Licht gerlckt. “Er ‘sagt, daß eine spätere Zeit über S zösische Einflüsse Aufklärungên bringen werde. Der Retichskans

tag tue ande, ‘gewesen"fetund“ dort" neben“ etntgen" dieren G

tenz -

ob er sich hierüber äußern kann. Jedenfalls er-

jüngsten Ereignisse in einem merk-

l Lichte. Wir wünschen, von “England auf dem Fuß wit Gleichberehtigung behandelt zu werden. Hättea wir erger empfangen, so würden die friedlihen korrekten Be-

Lungen zu England keineswegs erschüttert werden sein, Die englische

resse hat gelagt der ‘Reichékanzler wolle dèn gegenwärtigen Lihwächezustand nglands nit mißbrauhen. Gerade jet sollten wir bessere Beziehungen zu England herzustellen suchen. Später ift es vielleicht zu spät. Jun Deutschland sind die Ereignisse der letzten

ode fast überall als Konnivenz gegen England aufgefaßt worden, Die ‘Kreuzzeitung*“ und die „Hamburger Nachrichten“ haben sich in dieser Weise ausgesprohen. Der Reichskanzler hat gesagt, Kcüger's Empfang durh den Kaiser würde garnihts genügt haben. Er exemplifiziert dabei auf Frankreih. Es würde uns jedenfalls sehr genügt haben, wenn wir dem alten Herrn in seinem Unglück wenigftens die Hand gedrückt hätten, und niht nur solchen Leuten wie Cecil Rhodes, dessen Hand, wenn auch vergoldet, doch immer heshmußt ift. Wir sind den Buren zu Dank verpflichtet. Indem sie für die Zukunft ihrer niederdeutshen Rasse kämpfen, sichern sie für jet unseren s\üdafrikanishen Besiß. Ohne die Buren hätten wir Samox noch nicht bekommen. Der Reichskanzler hofft, daß der Ausgang des südafrikanishen Krieges unsere Jnterefsen nit \chädigen werde. Wir werden das abwarten müssen. Jedenfalls wäre die Zukunft unseres afrikanishen Bi sißes für uns eine günstigere, wenn die Burenstaaten erhalten biieben. Ich lann nit so rosig in die Zukunft blicken, wie der Reichskanzler. Die Ansiedelungsfrage dürfte uns noch manchès zu säen machen, namentlich die Interessen des Großkapitals, der Herren Scharlach und Cecil Rhodes. Der Reichskanzler mag die Empfindungen der deutschen Volksseele zwar kennen, aber er weiß sie niht zu würdigen. Was in den lezten Wochen in Deutschland geschehen ift, das is empor- gestiegen aus der deutschen Bolksseele, aus allen ihren Schattierungen. Ich erinnere an den großartigen Empfang Krüger?s in Köln. Die dabei vor- gefommenen kleinen Ausschreitungen sind niht nennen8werth. Jn Köln ift der Präsident Krüger mit einer Begeisterung empfangen worden wie kein Kaiser und kein König. In München hat jüngst eine Volks- versammlung stattgefunden, besucht von 7000 Petfonen, welche in der begeistertften Weise Kundgebungen für den Präsidenten Krüger veranstalteten. Nicht meine Freunde waren die Verxanstaiter, sondern der Münchener Freisinn "und die Münchener Demo- fratie in allen ihren Abstufungen. (Zuruf des Abg. Ridert.) Ja, Sie halten doch Ihre Freunde nicht für eine quantité négligeable? (Abg. Rickert: Ich habe ja garnichts gesagt!) Ja, gejagt haben Ste nichts, Sie haben mich nur unterbrohen; Sie haben auch vorhin eine lange Rede gehalten und sehr wenig gesagt! Die englishen Brutalitäten gegen Deutsche aus Süd: Afrika auf eng? lischen Schiffen und an Ort und Stelle sind no heute nicht gesühnt. Franzosen, Amerikaner, selbft Griehen kamen recht gut davon; aber bei den Deutschen hieß es: „Only a German!“ „Nur ein Deutscher!“ Das Wort brennt, bejonders wenn man es dem „civis Germanus sum“ gegenüberftellt. Seit 1890 überseßen wir dieses Wort dahta: „Bedenke, daß Du ein Deutscher bist; benimm Dich auch dana, und erfülle auch die Pflicht jedes Volksgenossen!* Diese sung hat der Alldeutshe Verband nicht von Don Quixote, sondern von dem Realpolitiker Friedri Wilhelm dem Großen Kurfürsten übernommen. Das rufe ih Denen zu, tie die Krüger-Frage mit Wißen belahen und abthun wollen, aber auch Denen, ‘die das freche Wort „Only a German“ gesprohen; es wird die Zeit kommen, wo der furor teutonicus darauf die rihttge Antwort giebt.

Reichskanzler Graf von Bülow:

Meine Herren! Der Herr Abg. Hasse hat niht ohne eine gewisse Erregung gesprohen, auh nicht ohne Pathos, mit s{chônem Pathos. Ih werde mich bemühen, so. ruhig und nüchtera als möglich zu reden ; denn meine verantwortliche Stellung legt mir die Pflicht auf, mich ledigli von der Staatsraisfon leiten zu lassen. Es hat mich auch interessiert, zu seben, wie muntec der Herr Abg. Hasse herumplätsherte in den blauen Wellen des unbegrenzten ODzeans der Konjekturalyolitik. (Heiter- keit.) Auch an diesem Vergnügen kann ih mich nit betheiligen. Jch muß auf der terra firma der Wirklichkeit bleiben. Jh zweifle ja niht daran, daß der Herr Abg. Hasse mir an diplomatischer Ge- hicklihkeit, an fstaatsmännisher Erfahrung und Einsicht, an WVillenskraft weit überlegen i (Heiterkeit), ih bin aber doch überzeugt, daß, wenn er an meiner Stelle fände das glaube und erwarte ich von feinem Patriotismus und wenn er die Ver- kâltnifse in der Welt und in Europa so kennte, wie ih sie kenne, er dann ganz genau dieselbe Politik machen würde wie ich. Der Herr Abg. Hasse hat selbst erwähnt, daß er am vergangenen Montag bei der Einleitung der Etatsdebatte hier niht zugegen war. Ich denke nicht dacan, ihm daraus einen Vorwnrf zu machen, aber ih kann niht bloß seinetwegen alles wiederholen, was ih {hon vor- gestern gesagt habe. Jh ' gehe also nicht ein auf denjenigen Theil meiner damaligen Ausführungen, dur die ih, wie ih glaube, vieles bon dem, was der Herr Abg. Hasse heute sagte, {hon im voraus widerlegt habe. Jh wende mich zu dem, was ex neues gesagt hat.

Der Herr Abg. Hasse hat sh gewandt gegen unsere Art und Weise des Vorgehens, gegen unseren modus procedendi gegenüber dem Herrn Präsidenten Krüger. Die Sache lag einfah so. Als wir hörten, daß der Präsident Krüger die Absihht habe, nah Berlin zu kommen, diese Nachricht war für uns überraschend, diese Nachricht bekamen wir 24, böôdhstens 48 Stunden, bevor die Abreise stattfinden sollte. Visher war allgemein angenommen worden, der Präsident Keüger würde fh von Paris nah Holland beg:ben. Worauf die Sinnesänderung des Herrn Präsidenten Krüger zurückzuführen war, das will ih hier unerörtert lassen. (Hört, hört! links.) Aber, als wir börten, der Präsident Krüger wolle sich in kleinen Etappen über Köln und Magde- burg na Berlin begeben, da haben wir ihn in der höflihsten und rück- sihtévollsten Weise durch die Vermittelung unserer Botschaft in Paris und des Herrn Dr. Leyds darauf aufmecksam machen lassen, daß Seine Ma- le\tat der Kaiser 1u Seinem Bedauern nichi in der Lage wäre, jetzt den Herrn Präsidenten Krüger zu empfangen, und daß Er ihn deshalb bâte, von seiner Reise Abstand zu nehmen. Als darauf der Präsident Krüger do seine Reise ins Werk seßte, da ift ihm in Köln, wiederum in der allerücksichts-olsten Weise, durh den Kaiserlichen Gesandten in Laremburg nohmals gesagt worden, Seine Majestät sei außer stande, ihn jeyt zu sehen, und bäte ihn deshalb, von etner Reise nah hier abzusehen. Ueberrumpeln lassen wir uns niht, und verge- waltigen lafsen wir uns auch niht. (Sehr gut! links.)

Nun hat der Herr Abg. Hasse und er is darin ja, wie er \ih selbst rühmt, in die Fußstapfen des Herrn Abg. Bebel getreten ge]agt, daß uosere Haltung gegenüber der Reise des Präsidenten Krüger kerborginge aus Rücksichten auf das Ausland, und in seinen offiziösen Blättern habe ih sogar den Autdruck gelesen, aus Liebe- dienerei gegen das Ausland das bemerke ich auch gegenüber dem

eren, der soeben „sehr richtig!* rief. User Verhalten gégen den räsidenten Krüger ging nur hervor aus der Wahßrung unserer genen Interessen, Wir haben das gethan, was für uns nühlich war, und was uns die Erhaltung des Weltfriedens erleichterte. bei war uns der Beifall der Ginen ih sprehe von unseren

Nachbarn in Europa ebenso gleihgültig wie der Aerger der Anderen.

Dann hat der Herr Abg. Hasse, gerade so, wie gestern der Herr Abg. Bebel, auch angedeutet, daß unsere Haltung gegenüber der Reise des Präsidenten Krüger oder überhaupt unsere Haltung gegenüber dem südafrikanishen Kriege zurückzuführen wäre auf die verwandtshaftlihen Beziehungen des Trägers der Krone. (Zuruf.) Das hat gestern der Abg. Bebel gesagt; ih habe verstanden, Herr Hasse, daß Ste ih wie in dem übrigen Theil der auf Transvaal bezüglihen Ausführungen des Herrn Abg. Bebel auch diesen Vorwurf zu etgen gemacht hätten. (Zuruf.) Wenn Sie das nicht gethan haben, \o konftatiere ich das mit Vergnügen und antworte zunächst nur dem Herrn Abg. Bebel.

Wie die englishe Regierung und wie der englishe Hof zur Reise des Präsidenten Krüger stehen, das weiß ih nicht. Das“ erkläre ih aber auf das allerentshiedenste, daß von seiten des englischen Hofes oder von seiten der englischen Regierung weder an Seine Majestät den Kaiser, noch an mich als den verantwortlihen Reichskanzler hinsihtlih der Reise des Präsidenten Krüger oder hinsihtlich unserer Haltung im südafrikanishen Kri-ge weder ein Wunsch noch irgend ein Antrag herangetreten is. Anzunehmen, daß Seine Majestät der Kaiser Sih dur verwandtschaftliße Beziehungen beeinflussen [lafsen könnte, das zeigi wenig Kenntniß des Charakters Seiner Majestät des Kaisers und der Vaterlandsliebe Seiner Majestät des Kaisers. (Bravo!) Für Seine Majestät den Kaiser find lediglich nationale und deutshe Gesichtspunkte maßgebend, und wenn dem andecs wäre, wenn irgend welche verwandtshaftlißen Beziehungen, wenn irgend welche dynastischen Rücksihten Einfluß hätten auf unsere auswärtige Politik, dann würde ih nicht einen Tag länger Minister bleiben. (Lebhaftes Bravo!)

Meine Herren, nun is der Herr Abg. Hasse auch zu sprechen gekommen auf das deutsch-englische Abkommen, und er hat in sehr schwarzen Farben alle Folgen geschildert, die dieses Abkommen für uns haben müßte. Das hat mich insofern etwas erstaunt, als der Herr Abg. Hafse ja garniht weiß, was in dem Abkommen steht (Hiiterkeit und sehr richtig! links), und ich werde es ihm auch jeßt nit sagen, denn ih darf es niht sagen. Die deutsche Regierung und die englishe Regierung sind übereingekommen, dieses Abkommen bis auf weiteres und bis zum Eintritt bestimmter Umstände nicht der Oeffentlichkeit zu übergeben. Solche Zusagen von Regierung zu Regierung muß man halten. Wenn ih nicht s{chweigen könnte, so würden wir das Bertrauen der übrigen Regierungen verlieren, dann würde kein Mensch mehr mit uns unterhandeln wollen, und damit wäre aud) Ihnen nicht gedient. Das kann ih aber mit aller Bestimmtheit sagen, daß das deutsch-englische Abkommen keinen Artikel, keinen Paragraphen, keine Bestimmung enthält, die fih bezöge auf einen Konflikt ¿zwisWhen England und den südafrikanishen Republiken, Unsere Haltung gegenüber dem s\üdafrikanishen Kriege würde genau dieselbe von beiden Seiten unabhängige und gegenüber beiden Theilen neutrale Haltung gewesen sein, wenn das teuts{ch-englishe Abkommen nit existierte; denn dieses Abkommen ging nicht hervor aus irgend- welchen von uns übernommenen Verpflichtungen, sondern lediglih aus unserem wohlverstandenen Interesse, aus der europäischezn Gesammt- lage wie aus unserem speziellen deutshen Interesse.

Das Samoa-Abkommen und das VYangtse-Abkommen, über welhe der Herr Abg. Hasse, wie ih glaube, mit großem Unreht das wird die Zukunft zeigen fo abgünstig urtheilt, enthalten überhaupt keine geheime Bestimmung, keine geheime Klausel, enthalten garnichts, was dieses hohe Haus nihi wüßte, und was nicht die ganze Welt wüßte.

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Hasse ja au, wenn ich ihn recht verstanden habe oder war es gestern der Abg. Bebel ? erinnert an das Telegramm, welches Seine Majestät der Kaiser im Fahre 1896 (Zuruf) ich glaube, indirekt erinnerte der Herr Abg, Hasse doch daran, es lag im ganzen Geist seiner Ausführungen —, also er hat erinnert an das Telegramm, welhes Seine Majestät der Kaiser nah Neujahr 1896 an den Präsidenten Krüger gerichtet hat, als es fi nit um einen regulären Krieg zwischen ¡wi Staatswesen, fondern um ein Flibuftierunternehmen handelte. Jh denke garnitt daran, dieses Telegramm zu verleugnen, durch welches Seine Majestät der Kaiser Seinem rihtigen Empfinden für das Völkerrecht korrekten Ausdruck gegeben hat. Aber ebensowenig haben wir beabsihtigt, durch jenes Telegramm unsere Politik für immer in omnes casus et eventus, in saecula saeculorum festzulegen, und das Tonnten wir um so weniger, als sich die Verhältnisse seitdem geändert haben. Jch begehe

feine diplomatishe Indiskretion, wenn ih sage, daß diefes Telegramm

jedenfalls das Verdienst geh2bt hat, darch die Aufnahme, welhe es fand, niht in Deutschland, sondern außerhalb Deutschlands, die Situation für uns insofern aufzuklären, als diese Aufnahme keinen Zweifel darüber ließ, daß wir im Falle eines Konflikts mit Eagland in Afrika auf unsere eigenen Kräfte, allein auf unsere eigenen Kräfte angewiesen sein würden. (Hört! hört!) Daraus mußte eine gewifsen- hafte Regierung ihre Schlüsse ziehen, und daraus haben wir unsere Shlüsse gezogen.

Die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Hasse kamen im Großen und Ganzen darauf hinaus, daß er uns den Vorwurf macht, wir hätten die Buren preisgegeben ; gerade diefen Ausdruck habe ih auh in einer Reibe ibm nabestehender Blätter gefunden. Von einer Preisgebung der Buren kann {hon deshalb niht die Rede sein, weil wir nie ein Protektorat über die [südaftikanishen Re- publiken ausgeübi oder auch nur erstrebt haben. , E fkann von einer folchen Preisgebung aber vor allem deshalb nicht die Rede sein, weil wir nur deutshe Interessen in der Welt zu wahren haben. Transvaal und die südafrikanishen Republiken können nit zum Angelpunkt unserer ganzen Politik werden. Das Hemd liegt näher als der Rol, und jedenfalls liegt es mir näher, der ih deutsher Minister des Aeußern bin und uiht Minifter in und für Pretoria.

Weun aber der Herr Abg. Dr. Hafse unter Berufung auf Adressen wie auf Volksversammlunzen gesagt hat, daß die öffentliche Meinung für seine Auffaffung ginge und gegen die von mir ver- tretene, so maht mi auch das nicht irre. Nicht, als ob ih nicht sehr wohl die Macht und die Bedeutung der öffentlihen Meinung kennte. Die dffentlihe Meinung ist der starke Strom, der die Räder der staatlihen Mühle treiben sol. Wenn aber dieser Strom Gefahr droht, die Räder in eine falsde Richtung zu treiben oder gar zu zerstören, so ift es die Pflicht einer Regierung, die diesen Namen verdient, sih einem solen Strom entgegenzustellen, unbekümmert um etwatge Unpopularität. Es giebt noch höhere Kränze als die-

jenigen, die der Alldeutshe Verband auszutheilen hat, nämlih tas Bewußtsein, sich lediglich und auss{ließlich leiten zu lassen von den wirklihen und dauernden Nationalinteressen. (Bravo!) Die deuishe öffentlihe Meinung hat auch gerade in Fragen der auswärtigen Politik ich scheue mich nicht, dies ofen zu sagen durh- aus nicht immer das Richtige getroffen. Sich für: die Interessen fremder Völker einzuseßen und zu erhißen, wie- das jegt in einem Theile von Deutschland geschieht, eirzuseßen und zu erhizen bis zur Gefährdung deutscher Interessen, das ist ein menschlich s{chöner Zug des deutshen Volkes, politish jedoch ein Fehler, der fich in der Ver- gangenheit oft genug an uns gerächt hat. (Sehr richtig! links.) Es macht dem guten Herzen des Herrn Abg. Dr. Hasse Ehre, wenn er die Aufgabe unserer Politik vor allem darin sieht, fremde Völker zu retten, Das ist aber nur im Privatleben {sn; im internationalen Verkehr kommt man nit weit damit. Fremde Völker retten zu wollen, hat nicht immer Glü gebrahi. Dafür bietet die Geschichte [lehrreihe Beispiele,

Blicken wir in unsere eigene deutshe Geschichte. Als Fürst Bismarck in den 60er Jahren nicht für die Polen eintreten wollte gegen Rußland, da hieß es, er habe fih erniedrigt zum Schergen russisher Henker und Gendarmen. Und als derselbe große Staats- mann 20 oder 22 Jahre später ih gehörte damals {on der aus- wärtigen Carrière an und erinnere mih sehr wohl dieser Periode ih niht mit Nußland brouillieren wollte wegen der {chönen Augen der Bulgaren und der \{önen Augen des Prinzen Battenberg, da wurden dieselben Borwürfe laut. Damals ging fast die ganze deutsche öffentliche Meinung ganz entschieden in den 60er Jahren für die Polen und in den 80er Jahren für bie Bulgaren. Damals waren die Helden der polnishen Insurrektion, war später der Fürst Alexander ebenso populär, wie es heute der Präsident Krüger ist. Es wird aber niemand im Zweifel darüber sein, daß Fürst Bismarck in beiden Fällen das Richtige getroffen hat, und daß er einen großen, einen garnicht wieder gut zu mahenden Fehler gemacht hätte, wenn er unsere Politik anders inftradiert, anders mandvriert hätte. Wir werden niemals durch Preisgebung deutscher Interessen fremde Zustimmung erfaufen, für fremde Interessen dürfen deutsche Interessen nicht prei- gegeben werden. (Bravo!)

Ich habe in den leßten Tagen immer wieder gehört und immer roieder gelesen, daß das Recht auf seiten der Buren ftünde. Ich scheue mich nicht, auch hier ganz ofen zu sagen, daß das niht das Entscheidende für uns sein kann. Wir können das sage ich nicht bloß für dieses hohe Haus, ih sage es auch für das deutshe Volk, dessen Rechts- finn so ausgebildet i wir dürfen bei Streitigkeiten zwishen fremden Völkern nicht fragen, wo das Recht liegt und wo das Unrecht liegt. Der Politiker if kein Sittenrichter, er hat lediglich die Interessen und Rechte seines eigenen Landes zu wahren. Vom Standpunkte der reinen Moralphilosophie kann ih auswärtige Politik niht treiben das hat auch Fürft Bismarck nicht gethan und vom Standpunkt der Bierbank auch nicht. (Heiterkeit und sehr gut! links.)

Meine Herren, als ih bier am vergangenen Montag an die politishe Vernunft dieses bohen Hauses appellierte, an die man sh ja zum Aerger mancher Leute nicht umsonst! wendet, da befand st|h der Herc Abg. Dr. Hafse im Haag. Ich denke niht daran, ibm daraus einen Vorwurf zu machen. Ich achte den Idealismus, der in dem Herrn Abg. Dr. Haffe steckt. Das ift ein {öônes Erbtheil des deutschen Volks, und den wollen wir alle unserem Volk erhalten. Aber die Kreise unserer auswärtigen Politik darf dieser Jdealismus nicht stören, das Wohl und die Zukunft der Nation daf er niht gefährden, und so lange ih hier stehe, muß ih den Frieden und die Wohlfahrt des deutshen Voiks gegen alle Störungen und Gefahren in Schuß nehmen, von welher Seite fie auch kommen mögen, wie das meine verdammte Pflicht und Schuldig- keit ist. (Lebhafter Beifall.)

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen:

Es sei mir gestattet, einige thatsählihe Bemerkungen fowohl zu der Rede des Herrn Abg. Dr. Hasse als auch zu der geftirigen Rede des Herrn Abg. Liebermann von Sonnenberg zu machen. Von beiden Stellen aus ift gegen die Reichsregierung der Vorwurf er- hoben worden, daß fie in dem gegenwärtigen english-südafrikanishen Kriege die Pflichten der Neutralität nicht streng gereht gewahrt, vielmehr mit ungleihem Maß gemessen und die englische Seite bevorzugt habe. Es find hierfür nua zwei Punkte angeführt worden. Der Herr Abg. Dr. Hafse hat cinen Vorfall zitiert, der sih auf die Walfisch - Bay bezog. Sobald es bekannt geworden war, daß auf einem deutschen Schiffe ein britishes Ablösungékommando eingeschifft war, welches Trupyen von der Kapstadt nach der Walfish-Bay führte, um die dort in der Walfish-Bay befindlichen etwa 70 Mann nah Kapstadt zurück- zuführen, so haben wir fofort der betreffenden deutschen Rhederei mitgetheilt, daß wir auÿh eine solche Ueberführung von Ablösungs3« mannschaften als nicht im Einklang mit unserer Neutralität ftehend erachten, und die Rhederei hat sofort Maßnahmen getroffen, damit Aehnliches fih niht wiederhole. Wir haben aber auch gleichzeitig in Loadon Vorstellungen erhoben und der englischen Regierung die gleiche Ansicht kundgegeben, worauf dieselbe ihrerseits sofort die Anordnung hat ergehen laffen, daß derartige Kommandotransporte niht auf anderen als auf englishen Schiffen zu geschehen hätten.

Der zweite Fall betrifft die von Herrn Abg. Liebermann von Sonnenberg erwähnte Lieferung von Geshüzen durch eine rheinische Fabrik. Am 7. d. M. ift zur amtlichen Kenntniß des auswärtigen Amtes durch eine Zeitungsmeldung gelangt, daß die Rheinische Maschinen- und Metallwoaarenfabrik eine größere Bestellung auf Ge- \shütze von der englishen Regierung erhalten und dieselbe theilweise ausgeführt habe. Infolge dessen ist auf Weisung des Herrn Reichskanzlers der Regierungs-Präfident in Düsseldorf sogleih angewiesen: worden, die Sachlage aufzuklären. Es ergab si aus seinen Mittheilungen, daß der Sachverhalt richtig dargestellt sei, daß die englische Regierung eine größere Anzahl von Feldbatterien bei der gedahten Gesellschaft bestellt habe, und ein Theil derselben bereits abgeliefert worden sei. Da eine solche Lieferung als wit den Pflichten der Neutralität nicht in Einklang stehend betrachtet werden könnte und wir der Ansiht waren, daß derartiges nah Möglichkeit zu verhindern sei, so hat der Herr Reichskanzler in ganz der gleichen Weise, wie seinerseits eine Anregung an die Firma Krupp bein Beginn des Krieges. ers gaugen war, so auh jeyt an die Rheinishe Maschinen» und Metalle

Ì waarenfabrik das dringende Ersuchen gerichtet, aus Rücksicht auf die