1907 / 10 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Jan 1907 18:00:01 GMT) scan diff

leistet hai, den Anspru hâtte, sagea zu können, wir mahen das sehr viel besser. Im Gegenteil, in mancher Beziehung, in wirt- \haftliher und sozialpolitisher Beziehung kann si die Privat- industrie mit den Staatswerken \szhr wohl messen. Ob im Justizetat die 145 neuen Stellen geeignet sind, mit dem Hilfsrihterwesen auf- ¿urâumen, lasse ich dahingestellt. Es drängt sih hier doch die Frage auf, ob bier niht gewisse Fehler in der Organisation der Gerichte vorhanden sind. Sehen Sie ih doch einzelne Bundesftaaten an; da enügt man mit einem kleinen Richterpersonal den Aufgaben der ustiz, wie das Herr Adick28 im Herrenhause ausgeführt hat. Eine andere Frage fann hierbei nicht umgangen werden: die bessere Be- soldung der Richter im allgemeinen, die Gleicstellung mit den Verwaltungébeamten und die Einführung der Alterszulage. __Die preußishe Justizverwaltung sollte dahin wirken, daß die Zuständig- Teit der Amtsgerichte wesentli erhöht wird. Von großer Wichtigkeit für die Bevölkerung ist die Art und Weise, wie Angeklagte und Zeugen von richterlichen Beamten behandelt werden. Es ist geradezu eine Sünde unserer Zeit, wenn Leute, die das Unglück gebabt haben, vorbestraft zu sein, so s{lecht behandelt werden. Es entspricht do nur der Logik und Billigkeit, daß ein Vergehen, das seine Sühne shon gefunden hat, damit abgetan ist. Unter Umständen mag es ja angebracht sein, auf die Vorstrafen der Zeugen und Beschuldigten zurückzukommen. Dann mag man aber die Stellung dieser Fragen einem Gerihtsbeschluß unterwerfen. Für die Strafregister sollte eine gewisse Verjährung eingeführt werden. Beim Etat des Ministeriums des Innern sind wir mit der Mehrausgabe für die Besserstellung der Beamten einverstanden, dagegen find wir mit der Verlegung des Oberpräsidiums von Stleëwig nah Kiel absolut nicht einverstanden. Die in der Denkschrift dafür aufgeführten Gründe sind na keiner Richtung dur{s{lagend. Wozu die Zentralisierung der Behörden ? Eine Dezentralisation wäre vorzuziehen, wie sie in meiner früheren Heimatprovinz Sachsen vorhanden ist; das Oberpräfidium befindet ih in Magdeburg, das Oberlandesgeriht in Naumburg und die covinzialverwaltung in Merseburg. Verzeihen Sie, wenn ih auf den viel mißbrauhten Hauptmann von Köpznick komme. Ich glaube, daß die Art und Weise, wie die Polizeiaufsiht von den Polizeibehörden durhgeführt wird, niht ganz rihtig ift. Im Falle des Hauptmanns von Köpenick ist nicht rihtig verfahren worden. Der Mann ift nicht nur aus Berlin, sondern auch aus 30 anderen Orten ausgewiesen, auch aus Wismar. Der Zweck der Maßregel kann do nicht der sein, den Leuten den Aufenthalt in einem Orte über- haupt unmögli zu mahen. Irgendwo müssen die Leute doch bleiben. In Preußen bestebt seit 1842 noch ein weiteres Geseß, welches durch das Freizügigkeitsgeseß nicht aufgehoben worden ift; es betrifft die Aufenthaltsbeschränkungen, wodurch der Polizei eine ungeheuere Machtfülle in bezug auf Ausweisungen eingeräumt ift. Djefe ganze Geseßgebung ift _ reformbedürftig. Aus Humanitäts- ründen und im Staatsinterefsse müssen wir wünschen, daß solche enschen wieder brauhbare Mitglieder der Gesellshaft werden. Wenn wir den Antrag eingebracht haben, daß ein neues Wahlgeseß eingeführt werde, so wollen wir den Minister des Innern daran erinnern, daß die Angelegenheit der Wahlreform mit dem neuen Geseß nit erfüllt ist, und daß das preußische Wahlgeseß in ver- nünftiger Weise reformiert werden müsse. W318 die Landwirtschaft anbetrifft, so find wir der Meinung, daß die innere Kolonisation ge- fördert werden müsse, dadurch würden die betreffenden Gegenden in die Lage verseßt werden, in intensiverer Weise ih einen Arbeiterstand zu erziehen. Au auf dem Gebiete der Melio- rationen könnte für die Landwirtshaft noch§ manhhes geschehen. Was s\{ließlich den Kultusetat betrifft, so ist es erfreulich, daß für Sghulbauten mehr gesehen ist. Dagegen hat uns etwas enttäusht: die geringe Förderung der faWmännishen Shulaufsicht. Der Kultusminister geht leider, wie wir es wiederholt beklagt baben, sehr zögernd mit der Anstellung von Kreisshulinspektoren im Hauptamt vor. Ih möte „nun zwei Fragen an den Kultus- minister rihten: Wie steht es mit dem Lehrerbesoldungsgeseß, sind die Vorarbeiten gefördert worden? Und wie steht es mit der Frage der Reform der höheren Mädchenshulen? Es liegt eine Reihe von Beschwerden vor auf dem Gebiete der Unterrichtsverwaltung und namentlih Pegenlies der E ean Ven Art “auf dem Ge- biete der usverwaltung binfihtlich der Parteinahme für die orthodoxe Richtung. Was die erstere Beschwerde anlangt, so hatte ein Lehrerverband sich an den Kultusminister mit einer Denkschrift gewandt. Die Herren wollten sih gern über die Be- soldungsverbefserung mit dem Minister unterhalten. Darauf erbielten sie den Bescheid, der Minister könne ih von einer mündlichen Erörterung der Besoldungéfrage zur: Zeit nichts versprehen, der Standpunkt der Staatsregierung sei „aus den von ihr wieder- holt abgegebenen Erklärungen hinreihend bekannt. Eine \hroffere Ablehnung konnte kaum erfolgen. Das Kultus- ministerium sollte doch bedenken, daß bei seinem Verhältnis zu den Lebrern nicht bloß materielle Fragen_ entscheidend find, sondern daß au auf die Imponderabilien Rücksicht genommen werden muß. Große Mißstimmung hat auch die Nichtbestätigung des Dr. Penzig Mitglied dec Schuldeputation in Charlottenburg hervor- gerufen. Dr. Penzig i in Wort und Sthrift dafür eingetreten, daß der Religionsunterriht eigentlich aus der Volksschule berausmüsse und daß an dessen Stelle ein allgemeiner Moralunterricht treten solle. Jh teile diese Richtung nicht, aber ih meine, eine so rein theoretische Sade fann doch hier nicht entseidend sein. lt denn der Beweis erbracht worden , daß der Mann, der in die Sguldeputation eintreten oll, sih den bestehenden Geseßen nicht unterwerfen wolle, daß er seine Arbeit nicht mitleisten wolle, fo gut wie die anderen? Diese Nichtbestätigung is ein bureaukratischer e der na keiner Nichtun in zu billigen i un en Aft, der nah keiner Richtung hin zu billigen if und d ih im Namen meiner Freunde zu mißbilligen habe, troßdem es sih hier um parteiri tungen handelt, mit denen wir nichts gemein baben. un das stärkste bureaukratische Stück, das be den Kreisen der L-hrershaft große Erbitterung hervorgerufen "nfs ¡Es ift der sogeñannte Bremserlaß. Es werden dadurch folche Es rer bonn welche \ih für verpflihtet halten, ihre Volks[{ul- bindert E stellen, dur den Eingriff der Regierung daran He keinen Ei ist eine Bevormundung der Gemeinden. Diese ha man ihenfluß, sie baben nur das Recht zu bezahlen ; jeßt nimmt wollen. E das Recht zu bezahlen, selbst wenn sie bezahlen stehenden Ung] E ist aber au zweckwidrig, er hat die be- der Oberprähdent eten nur gefteigert. In einer Gemeinde hat t n die Gehaltserböhung ohne weiteres zugestanden, vollständig ähn E siglagt obwohl die äußeren Verhältnisse man die Erböbung zu, ei Veniger leistungsfähigen Gemeinden hat Naturgemäß hat tro zugestanden und [eistungsfähigen abgeschlagen. Ecmeflen loëgewirischaftet neur die Folge, daß nach diékretionärem Kultusminister könnte nichts. B was doch vermieden werden soll. Der wieder aufzuheben. Was nun di csseres tun, als den et schleunigst [leßten Zeit iwei Fälle vorgekomie ultusverwaltung betrifft, so sind in der Empörung bervorgerufen hake. „die inunserer Bevölkerung eine gewisse meiner dortigen Anwesenheit ‘elb eine Fall, von dem ih mich bei Römer. ' (Redner geht auf die E überzeugt habe, ist der Fall Gs ist in diesem Falle die Wahlfrezz rbeiten dieses Falles näher ein.) Weise beeinträhtigt worden. Weit der Gemeinde in unerhörter Konsistorium erklärt hat, daf, Wern Lee A man daju sagen, daß das scllte, er wiederum nit bestätigt were P farrer wiedergewählt werden kein Reht. Das war eine Uebershreit E: Dazu hatte es gar Konsistoriums. Die kirchliche Behörde hat si pècr,, Befugnisse des gefährlihen Boden begeben. Die Gärung ui auf einen sehr daß - nicht viel daran fehlt, daß boSangesel reits fo groß, eventuell vorziehen, aus der Kirchengemeinschaft E ZEuE 5 ihre . Gefühle und Rehte fo verleßt werden, aure O wegung einmal eintritt, dann reißt sie viele mit sih E Die Kirche sollte diese große Gefahr nicht übersehen. Der , all ift der Fall Céjar. (Redner schildert au diesen Fall.) , Dberkirhenrat wirft dem Konsistorium vor, daß es mit ciner gewissen Voreingenommenheit geprüft habe, troßdem gber hat {t verfügt, daß es bei der Entscheidung des Konsistoriums ver-

bleiben müsse, denn er glaubt nur eingreifen zu kônnen, wenn die Entscheidung jeder objektiven Grundlage entbehre. Ih frage, wozu ist die kirchliche Oberaufsihtsbebörde denn da? Wenn derartige \chwere Vorwürfe dem Konsistorium gemaht werden, und die Ober- aufsihtsbehörde erklärt, zum Eingreifen habe sie keine Ver- anlassung, so entbehrt das für einen gewöhnlichen Sterblichen eigentlich der Logik. Das Konsistorium hat sich ¿um Träger der- jenigen Bestrebungen gemalt, die einseitig darauf hinauslaufen, die positive Nichtung zu fördern. Cs wird über das eigentliche Be- dürfnis der Gemeinde, den Pfarrer so zu wählen, wie es ihrem Ge- wissen entspriht, einfach aus formalifstishen Gründen hinweg- gegangen. Ih glaube, daß die Bewegung weite Wellen {lagen wird, und geschädigt würde dadurch die evangelishe Landeskirche, die nicht von den rihtigen Männern vertreten wird. Der Kultusminister wird vielleicht, wie hon öfter, sagen, er habe auf innerkirchlihe Angelegenheiten keinen Einfluß. Das ist formal durch- aus richtig. Aber wer ist es denn, der dazu beigetragen hat, daß die Konsistorien in derartig einseitiger Weise vorgehen ? Sind denn die Ernennungen der Mitglieder der Konfistorien nicht von ihm gegen- gezeihnet? Es wäre seine Aufgabe als Hüter der Staatsautorität, daß nicht der Geist der Engherzigkeit in den Konsistorien Play greife. Das hat er versäumt, und wenn man sich die leßten Ecieitilget ansieht, so findet man, daß die positive Richtung auf Kosten der anderen uno: ist. Dieser selbe Geist macht sich auch geltend bei der Beseßung der theologishen Lehrftühle. Für mich ift überzzugend dargelegt, daß das Verhältnis der Be- rufungen der kritishen Nichtung und der positiven Richtung 1 : 2,69 ist. In neuerer Zeit find allerdings chige Berufungen von Pro- fefsoren der fkritishen Richtung erfolgt, aber es handelt fich dabei meist um Extraordinariate. Es dürfte für die Verwaltung überhaupt nicht e end sein, welher Schule der betreffende Professor an-

gehört, sondern nur die wissenshaftlißhe Befähigung und diejenige für das Lehramt dürfen den Ausschlag __ geben. Nun will ich nicht bezweifeln, daß die Vorshläge der

Saiten manchmal derartig sind, daß das Ministerium ihnen nit olgen kann. Das beruht aber darauf, daß durch das System, in Fakultäten mit bisber e Richtung positive Elemente ein- zuschieben, die Fakultäten wesentlich verändert sind, daß sich das kollegiale Verhältnis unter den Mitgliedern geändert hat, und daß ver- fut werden muß, Kompromifse abzuschließen. “Derselbe Geist, der in dieser Frage zu beobachten ist, mat sich auch auf einem anderen Gebiete bemerkbar: in der Polenpolitik. Namens meiner sämtlichen politishen Freunde habe ich das Versprehen abzugeben, daß wir die Staatsregierung in dem Kampfe, in dem jeßt das Deutshtum mit dem Polentum fteht, bei allen Maßregeln unterstüßen werden, die im Interesse der A des Deutshtums notwendig erscheinen. Aber wir wollen selbstverständlih nicht eine Politik unter- stügen, die durch gewisse. Maßnahmen des Kultusminijteriums wieder wett gemacht wird. Zu solhen Maßnahmen renen wir in erster Linie die Genehmigung der Franziskanerniederlafsung_ in Borek. Als die Schlesische Zeitung diese zum ersten Male erwähnte, erließ der Kustos der Niederlassung eine Erklärung, worin er sagte, die Franziskaner wollen weder germanifieren noch polonisieren, sie ver- richten ihren Kultus zu Gunsten sowobl der deutschen wie der polni- schen Bevölkerung ine bestimmte Erklärung darüber aber, daß die Franziskaner gewillt find, deuts{h-nationale Politik zu treiben, haben die a nit abgegeben und wollen und können sie niht ab- geben. eßt besuchen gemeinshaftli®ß Polen aus Preußen und solche, die anderen Staaten angehören, den Wallfahrtsort. Sie singen polnishe Lieder, und es werden oe Predigten gehalten. Die Abhaltung dieses Kultus wirkt aljo tatsählih dahin, daß eine Zusammenshweißung der Elemente polnischer Zunge, die verschiedenen Staaten an ehôren, stattfindet; gerade das Gegen- teil von dem, was wir im Intereffe der nationalen Stärke des Deutschs tums wünschen müssen! Auf einem \o exponterten- Posten eine solche Niederlassung zuzulassen, ist unbegreiflich. Wenn das die Polen- politik der Regierung sein soll, dann machen wir eine folhe nicht mit. Wir haben die energischen Beteuerungen des Minister- räsidenten gehört, aber wenn -der Kultusminister ein Pferd inter den Wagen spannt, dann geht der Wagen allerdings nit vorwärts. Man fragt sich: wo bleibt eigentlich der inister- PEREn Dieser hat fih bei vershiedenen Gelegenheiten als ein

ann der modernen Zeit geriert, er unterstüßt alle Friedens- bestrebungen mit Wort und Tat, und unter den Augen desselben Ministerpräsidenten spielen si solhe Vorgänge ab. Dabei wir denn überhaupt ein einh-itlihes Ministerium, as, was man in anderen Ländern ein Kabinett nennt, oder handelt jedes Refsort auf seine eigene Faust? Man hat beinahe diefen Eindruck, denn sonst könnte ih mir nit erklären, wie der Kultusminister zu einer derartigen Maßnahme gelangt. Wir verlangen von ihm weni stens eine nationale Festigkeit: ih weiß sonst nit, wie das Ministerium sonst noch zusammen arbeiten will. Der Reichskanzler spricht gern von den Sünden der Parteien, ih habe aber noch nit gehört, daß er von den Sünden der Regierungen gesprochen hätte. Zu denen gehört vor allem der Mangel an Einheitlihkeit im

inisterium, die Verärgerung ganzer Parteien dur Eingriffe in die Kommunalverwaltungen, wie fie seitens des Kultusministeriums ver- suht wird in einer Zeit, wo man auf ein Zusammenarbeiten der Parteien in nationalen Fragea den größten Wert legen sollte. Jch glau! ; wir können zum mindesten verlangen, daß das Staatsministerium in dieser Richtung eine einheitlihe Politik treibt ; will es oder kann es dieje nicht befolgen, so trete es lieber von dem {weren Kampfe zurück, denn dann wird es nur. mit stumpfen Waffen kämpfen. Der Finanzminister sagte, Pünktlichkeit sei die Höflichkeit der Könige, er Lee daß au das Parlament diese Höflichkeit übe und den Etat rehtzeitig fertigstelle. Gr hat fiheclich mit dieser Forderung ret, aber er weiß so gut wie wir, daß dies mit Rücksiht auf die besonderen Umstände nicht mögli fein wird. Wenn unsere Höflichkeit aus- allen muß, sind wir nit unhöflich, fondern die Verhältnisse sind stärker als wir; jedenfalls können wir uns dur diese Erwägungen, o rihtig sie an fi sind, nit dazu veranlaßt fühlen, auf eine ein- gehende Kritik bei der Beratung des Etats zu verzihten. _Wenn das Reich es fertig bringt, den Etat früher vorzulegen, fo wäre das in Preußen auch nit unmöglih. Für uns ist in vieler Beziehung die Beratung des Etats die éingige Gelegenheit zur Aussprache und zur Kritik, und dafür, daß die Kritik an der Regierung berechtigt ist, werden hoffentlich auch. meine Ausführungen einen Beweis geliefert

aben.

Abg. von Pappenheim (konf.): Mein Freund Herr von Erffa hat {on S Debatte Ee daß wir uns bei der ersten e des Etats auf das Allernotwendigste, und zwar auf das beschränken werden, was unmittelbar zum Ctat gehört, und insbesondere alle

olitishen Momente, soweit irgend mögli, aus der Diskussion fern alten würden. Wir werden uns danah auch in der weiteren Dis- fussion verhalten und werden insbesondere so wichtige Fragen wie die Lehrerbesoldungsfrage, die zu eingehender Beratung bei Gelegenheit der Interpellation des Herrn Vorredners Veranla ung- geben wird, nit hier nebenbei erlébigen; sondern wir halten es für richtiger, sie dort de profundo zu erórtern, weil sie uns- viel zu wichtig fft, als sie hier nebenbei bei der ersten Lesung zu beraten. Ebenso halten wir die von dem Herrn Vorredner berührten anderen politishen Momente für fo bedeutungsvoll und so wichtig, daß, wenn wir Fe in extenso beraten wollten, wie er fie begründet hat, lee eit so sehr in Anspru genommen würde, daß von einem Shluß der ersten Lesung morgen gar nit die Rede sein könnte. Wir werden also nah wie vor alles, was nicht unmittelbar zur ersten Beratung des Etats gehört, unserseits von der Debatte ausschließen.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) : Ich kann mich diesen Erklärungen voll- ständig anschließen: Den Wünschen des Seniorenkonvents entsprechend hat fih der Redner meiner Partei bei seinen Ausführungen Be- s{ränkung auferlegt, und wir wollen diesem Grundsaß treu bleiben, weil meine Freunde den dringenden Wunsch haben, zur Wahl- bewegung zurückzukehren. Wir behalten uns aber vor, bei der zweiten Lesung auf die Rede des Abg. Dr. Friedberg und insbesondere auf die Franziskanerniederlassung zurückzukommen,

Abg. Dr. Friedberg: Wir haben uns ausdrücklih vorbehalten, auf die preußische Politik einzugehen. bg. Hobrecht (nl.): Im Seniorenkonvent wurde von der Linken ausdrücklich hervorgehoben, daß man damit einverstanden sei, die Besprehung auf die preußische Politik zu beschränken, dagegen auf die übrigen politischen Differenzen und Fragen, soweit sie ih nicht auf Lf beziehen, nit einzugehen. Abg. von Pappenheim (kons.): Ich glaube, daß die Herren Vor- redner sich aus meinen Ausführungen nit herausziehen können, daß i etwa dem Abg. Dr. Friedberg den Vorwurf gemacht hätte, daß er si mit dem Beschluß des Seniorenkonvents in Widerspruch befände; das ift durchaus nicht der Fall. Ih habe nur gesagt, daß wir, die konser- vative Fraktion, die Debatte mit Nüksicht auf die Geschäftslage zu aen wünschen, und warum wir auf diese Ausführungen des Abg. Dr. Friedberg in der weiteren Debatte nit eingehen werden. Wenn der Abg. Dr. Friedberg daraus für ih irgend einen Vorwurf herauszieht, so muß ih“ ihm das überlassen. Jedenfalls i meiner

einung nach von unserer Seite ein solcher Vorwurf nicht erhoben worden.

Minister der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal- angelegenheiten Dr. von Studt:

Meine Herren! Nah den soeben stattgehabten Erörterungen halte ich mich für verpflichtet, in tunlihster Kürze zu antworten. Immerhin muß ih, um nicht in der öffentliGen Meinung gewisse Irrtümer auf- kommen ju laffen, die dann als fablo convenue dur weite Kreise der Tagespresse gehen, dem Herrn Abgeordneten auf einige tatsächlihe Ausführungen erwidern und dabei den Beweis führen, daß dieselben im wesentlihen auf unzutreffenden Voraussezungen beruhen. Die Angriffe, die gegen mih gerichtet worden sind, wundern mi an sid nicht; sie sind in verschiedenen Versammlungen der Partei des Herrn Abgeordneten {hon wiederholt vorgebraht worden, und zwar unter den lebhaftesten Anfeindungen meiner Person.

Ih komme zunächst auf die Frage der Beseßung evangelis{ch- theologisher Lehrstühle. Die Vorwürfe, die der Herr Abg. Friedberg. in dieser Beziehung gegen mi erhoben hat, sind nicht gerechtfertigt.. Ich könnte im einzelnen statistish nachweisen, daß ich eine einseitige Begünstigung orthodoxer Richtungen nit habe eintreten lassen. Wenn Sie die programmatishe Erklärung hören, die ich am 7. Mai 1902 im Herrenhause abgegeben habe, \so werden Sie ‘daraus entnehmen können, daß mein Standpunkt bei der Besezung der evangelish-theo- logischen Lehrstühle vollständig korrekt ist. Wenn der Herr Abgeordnete- die Freundlichkeit haben wollte, si die Preßorgane der sogenannten positiven Richtung anzusehen, \0 würde - er finden, daß gegen mi lebhafte Vorwürfe wegen Berüksichtigung au der anderen Richtungen: erhoben worden sind. Was meine persönliche Stellungnahme betrifft, so braudje ih nit zu betonen, daß ih der positiven Richtung an- gehôre ih habe daraus niemals ein Hehl gemaht —, und werde mi darin bis an mein Lebensende nit ändern lassen. (Bravo! rets.) Ich bitte, die programmatische Erklärung vom 7. Mai 1902, die id im Herrenhause abgegeben habe, verlesen zu dürfen, sie lautete:

Wie mein Herr Amtsvorgänger halte auch ih an dem Grund- saß fest, daß den verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen in der evangelischen Theologie Luft und Licht an den Universitäten niht verwehrt werden darf. Das erfordert die ausgleihende Gerechtigkeit und dient auch dem Wohl unserer evangelishen Kirche, die zweifel - [Tos stark genug ist, aus si selbst heraus alle Irrtümer zu über- winden.

Das is denn auch der Standpunkt, den alle die früheren Unterrihtsminister, insbesondere auch der bekannte Minister von Altenstein, auf diesem wichtigen Gebiete vertreten haben.

Nun, meine Herren, das ist, wie ih glaube, auch von dem poli- tishen Standpunkte des Herrn Abgeordneten aus ein einwandfretes. Programm. Jh habe dasselbe konsequent durchgeführt, selbftverständlich- unter gewissenhafter Prüfung der Vorschläge, die mir von den theologischen: Fakultäten eingereiht find, und selbstverständlih auch unter Prüfung der fonstigen wissenschaftlichen Qualifikation der Vorgeschlagenen für: das Amt, in das sie berufen werden sollen. Die Heftigkeit, mit der der der Herr Abgeordnete mi gerade in diesem Punkte angegriffen: hat, erweckt mir den Eindruck, daß der Herr Abgeordnete einseitig Partei nimmt für eine politische Richtung, die ih leider so vielfa» in der evangelishen Kirhe geltend macht, und zwar wahrlih nit zum Vorteil ihrer Interessen. (Sehr richtig! rechts.)

Was die evangelischen Konsistorien betrifft, so dürfte dem Herrn Abgeordneten doch nicht unbekannt sein, daß die Beseßung der Stellen auf Grund einer Tollegialea Beschlußfaffung und eines

Immediatberihtes des evangelishen Oberkirhenrats erfolgt. Die Mitwirkung des Kultusministers beschränkt sich darauf, bei dieser Einholung der landesherrlichen Genehmigung,

in dem der Staatsbehörde zustehenden Umfang mitzuwirken. Meine Herren, ih habe den Grundsaß. stets befolgt, der instanzen- mäßigen Beschlußfafsung der zur selbständigen Entschließung berufenen kirhlihen Kollegialbehörden gegenüber die tunlihste Zurückhaltung meinerseits zu üben, und der Herr Abgeordnete wird niht den: Nah-- weis führen können, daß ih in irgend einem Falle dur persönlije' Einwirkung einen Einfluß auf die Entschließungen der zuständigen: Behörden geübt habe, die den Vorwurf begründen könnte, einfeitige- politische Interessen oder einseitige Richtungen in den. Vordergrund- gestellt zn haben. Jh möchte noch binzufügen, daß der Herr Ab- geordnete, wie ich glaube, auch aus der bisherigen Haltung der- Konsistorien den Schluß einer einseitigen, engherzigen Begünstigung: der orthodoxen Richtung absolut nicht ziehen kann. (Zurufe: links.) Absolut nit ziehen kann! Die Beschlüsse des eyan- gelishen Oberkirhenrats sind von den Positiven in ein-- zelnen Fällen mindestens ebenso lebhaft angegriffen worden: wie von der liberalen Seite. (Sehr richtig! rets.) Ich muß es mir versagen, auf die Einzelfälle hier näher einzugehen,

die der Herr Abgeordnete erwähnt hat. Die Angelegenheiten gehören /

das habe ich {on wiederholt bei ähnlihen Auseinanderseßungen, die in diesem hohen Hause stattgefunden haben, meinerseits betont vor das Forum der Selbstverwaltungskörpershaften der evangelischen Landeskirche (sehr richtig! rechts) und nicht in diese politis: Körper- schaft hinein. Das würde heißen, unter politishen Gesichtspunkten kirhlihe Fragen behandeln, wahrlich nicht zum Vorteil unserer evangelishen Kirhe. (Sehr rihtig! rechts.) Mir in dieser Beziehung Vorwürfe zu machen, ist meiner Ansicht nah durchaus ungerechtfertigt. Es muß dabei berüdcksihtigt werden, daß die Beschlußfassung des Oberkirhenrats in gewissen Fällen au abhängig ist von der Mitwirkung des Generalsynodalvorstandes. Schon hieraus ergibt sich, daß ein Einfluß seitens des Ressortchefs dex staatlichen Kultusverwaltung nicht wohl geübt werden kann Ich säße au die Freiheit der einzelnen verantwortlichen kirhlihen