1907 / 11 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Jan 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Slaatsanzeiger.

N 11.

Berlin, Montag, den 14. Januar

1907.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 3. Sißung vom 12. Zanuar 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus sett die erste Beratung des Staatshaus- haltdeta t E Rechnungsjahr 1907 fort.

Nah dem Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.), über dessen Ausführungen in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, nimmt das Wort der ;

Finanzminister Freiherr von Rheinbab en:

Meine Herren! Ich will auf die Frage von Trommel und Krückstock nit cingehen; es würde niht meines Amtes sein und auch etwas weit führen. Dagegen bitte ih um die Erlaubnis, mich zu den finanziellen Fragen äußern zu dürfen, die sowohl der Herr Vorredner als au eine Anzabl von Rednern des gestrigen Tages gestreift hat.

Der Herr Abg. Dr. Wiemer hat im Eingang seiner Aus- führungen die Behauptung aufgestellt, i hätte mich bei Schäßung des Etats 1905- um 40 Millionen geirrt; ich hätte angegeben, es würde nur ein Ueberschuß von 4 Millionen sein, und es habe sih tatsählich ein Ueberschuß von 46 Millionen ergeben. Wenn der Herr Abg. Dr. Wiemer die Güte haben will, meine damaligen Erklärungen naczulefen, fo wird er finden, daß ih fofort erklärt habe, daß ich meinerseits die Schäßung der anderen Verwaltungen für zu ungünstig erahte und auf einen größeren Ueberschuß rechne. Herr Dr. Wiemer sagte dánn, ih dürfe mich auf die Schäßungen der anderen Ver- waltungen nit “in dem Maße verlassen. Nun, meine Herren, es ist doch außerordentlich s{chwierig für den Finanzminister, ganz allein zu erklären, die Schäßungen aller übrigen Verwaltungen, die mitten im praktiscken Leben stehen und den Dingen jeden Tag genau nach- gehen können, seien unzutreffend, und er, der Finanzminister, mae eine ganz andere Shäßung. Wenn dann das Resultat nach der anderen Seite gehen würde und der Finanzminister zu günstig geschäßt hätte, dann würde derselbe Herr Abgeordnete Wiemer die s{wersten Vorwürfe gegen den Finanzminister rihten. (Sehr rihtig! rets),

Dann sagte der Herr Abgeordnete Dr. Wiemer, daß nach seiner Auffassung der Ausgleihsfonds 95 Millionen betrüge, während ih nur 65 Millionen angegeben hätte. Meine Herren, das ist nur ein sheinbarer Widerspru. Herr Dr. Wiemer hat insofern recht, als der Ausgleihsfonds 95 Millionen beträgt; aber aus ihm müssen ju- nähst die 30 Millionen Dispositionsfonds des Ministers der öffent- lihen Arbeiten für das Jahr 1906 gespeist werden, sodaß also dauernd in dem Ausgleihfonds nur 65 Millionen bleiben, wie ih angegeben babe. Ih glaube, damit erledigt fich dieser \{heinbare Widerspruch.

Weiter hat der Herr Abg. Dr. Wiemer heute wieder die von jener Seite so oft gehörte Behauptung der Thesaurierung wiederholt. Soweit meine bescheidenenen Erinnerungen aus der Schulzeit reichen, verstz2ht man unter „thesaurus“ einen Schaß, unter Thesaurierung also die Anhäufung von Sägen. Nun habe ich im Jahre 1906 genau das Gegenteil gemacht; ich habe nämli nit an- gebäuft, sondern habe dem Minister der öffentlihen Arbeiten aus dem, was ih bätte anhäufen können, 50 Millionen zur Verfügung gestellt, um Betriebsmittel anzushaffen. Also ih glaube, der Vorwurf der Thesaurierung ift in diesem Falle vollkommen unzutreffend.

Dann hat der Herr Aktg. Wiemer gesagt, man solle bei solhen Anlagen, wie bei der Beschaffung der Betriebsmittel, niht die Gegen- wart belasten zu Gunsten der Zukunft, sondern diese Ausgaben auf Anleihen übernehmen. Ih weiche in dieser Beziehung außerordentli weit von ihm ab. Die Beschreitung ‘des Anleiheweges ist das aller- bequemste Mittel für \chlechte Haushalter (sehr richtig! rechts), für schlechte Haushalter im Leben des einzelnen, im Leben der Kommune und des Staats. Ez ist ja überaus bequem, sich die Sorgen des Tages dadurch vom Halse zu halten, daß man sie auf die Zukunft vershiebt, daß man die gegenwärtigen Ausgaben nit aus Steuern oder sonstigen Einnahmen deckt, sondern sie auf Anleihen verweist. Aber ich verweise den Abg. Wiemer auf alle die Aus- gaben und Aufgaben, die uns bevorstehen werden, und“ gerade auf “dem Gebiete der Eisenbahnen. Die Technik “mit ihrzn Fortschritten, beispielsweise die Elektrotechnik, klopft lo, fark an die Pforten der Eisenbahnverwaltung, daß wir uns- ganz außerordentlihen Anforderungen in dieser Beziehung in der Zukunft gegenüber sehen werden, und man würde der Gegenwart die shwersten Vorwürfe machen, wenn sie ' die Zukunft belastet, ja überlastet bätte, um si die Gegenwart bequem zu mahcn. (Sehr rihtig! rets.) Ic habe {on einmal {weren Herzens den Weg

ihritten, 100 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen aus An- leibemitteln, um die großen Lüden auszufüllen, die in puncto Be- triebsmittel bestanden ; aber ih möhte dringend warnen, den Weg de3 Abg. Wiemer zu gehen und ihn zu einer dauernden Einrichtung ¿u maten. ¿Lf Ds hat der Abg. Wiemer gesagt, der Etat solle nah Mög- lichkeit innegehaltea werden, und hat die Ankäufe in der Dorotheenstraße _ bemängelt. Ih kann ihm im Prinzip darin E E der Etat innegehalten werden foll, und habe meinerseits felbst Fürzlih ausgesprohen, daß fich der Finanz- minister immer in einem gewissen Könflickt der Pflichten befindet. Allein fo liegt die Sage nit : ¿ Ankäufen warten kann, bi ; daß man mit diesen 1 , bis der Etat vorliegt und das hohe Haus ge- sprochen hat, sondern plöblih tritt ein günstiges An ebot eines Maklers beran, das von heute auf g . As morgen angenommen oder ab- gelebnt werden muß, und wenn ih ihn vertrösten will, bis die Ent- scheidung nah 6 Monaten gefallen ist, so sind die Grundsiücke verkauft. Hier lagen geradezu dringende Arrondierungsinteressen vor.

Mit einigen Worten darf iG noch eingehen auf die Fraçe der Aufbesserung der Beamtengehälter. Es ist .von verschiedenen Seiten bemängelt worden, daß die geringst befoldeten Beamten nicht dur den Etat von 1907 au eine Aufbesserung erfahren. Jch kann das !

În gewissem Sinne verstehen, und ih bedaure es au, daß es nicht mögli ist, alles auf einmal zu maßen. Die Belastung um 23 Millionen für die Aufbesserung der- Beamtengehälter ist in der Tat ein sehr ernstes Wort, und es wird doppelt ern werden, wenn wir eine rückläufize Konjunktur haben. Es ließ fich eben nit alles auf einmal machen, und deswegen müssen wir es auf eine Reihe von Etatsjahren verschieben. Aber ih glaube, es walten gewisse irrtümlihe Vorstellungen ob hinfihtlich des Dispositionsfonds von 3 Millionen Mark. Es wurde gesagt, es würde eine gewisse Willkür, es würde ein Kampf aller gegen alle entstehen. Das is nicht die Absicht. Dieser Fonds von 3 Millionen Mark soll auf alle cinzelnen Verwaltungen nach der Kopfzahl der Beamten verteilt werden, und es sollen feste Grundsäße zwischen den einzelnen Ressorts verceinbart werden über die Verwendung der Fonds. Dabei werden diejentzen, die die geringsten Gehälter beziehen, berüdcksihtigt wecden, es wird die Teuerkeit des Ortes, es wird der größere Familienstand berüdcksihtigt werden. Deshalb haben wir Besprehungen mit anderen Ressorts eingeleitet, um eine gewisse Gleihmäßigkeit nah dieser Richtung hin herbeizuführen. Es handelt fich um eine gewissermaßen vorshußweise Leistung auf die Gehaltsaufbefserung, die wir auch diesen Beamten zuteil werden laffen wollen. (Bravo!)

Herr Graf Prashma hat in seinen gestrigen Ausführungen ge- sagt, es ließe sich aus dem Eisenbahnetat noch sehr viel mehr heraus- holen. Ja, meine Herren, aus dem Eisenbahnetat vielleicht für das Jahr 1907; aber ih möhte den Herrn. Grafen Praschma fragen, ob er mir auch die Garantie gibt für die Jahre 1908, 1909 usw. Herr von Erffa hat mit Ret darauf hingewiesen, daß man nihtdauernde Ausgaben auf s{wankende Einnahmen basieren \oll; und daß fo glänzende Einnahmen wie im Jahre 1907 s{chwankende sind, das kann, glaube ich, doch keinem Zweifel unterliegen. (Sehr rihtig! rets.) Ich glaube, cs würde sehr bedenklich scin, diese Belastung des Jahres 1907 noh über tas Maß dessen, was wir für 1907 vorgesehen haben, zu steigern.

Herr Graf Praschma sfagte dann: die Beamten verlieren die Stellenzulagen und würden sich zum Teil vershlechtern. Meine

Herren, das is ja selbstverständlich ausgeschlossen, daß wir eine Maßregel treffen, bei der die Beamten ih nicht nur nicht verbessern, sondern vershlechtern. Wir werden

natürlich zum Teil die Stellenzulagen zurückziehen, wo sie lediglich im voraus als Gehaltsaufbefserungen gegeben waren, aber wir werden sie da belafsen, wo sie als Entgelt für besondere Dienstleistungen, für ausnahm8weise ungünstige Lebensbedingungen gegeben waren. Beispielsweise betragen bei den gesamten Shußleuten und Gendarmen die Gehaltsaufbefserungen 4,5 Millionen Mark; es sollen an Stellens ¡ulagen zurüdckgezogen werden 1228 000 4, sodaß reine Gehalts- aufbesserungen von 3 272000 verbleiben. Und ähnlih verhält es sich auch in den übrigen Verwaltungen.

Dann hat der Herr Abg. Dr. Friedberg und auch heute der Abg. Dr. Wiemer die Frage des § 23 des Einkommensteuergesezes gestreift, und der Abg. Dr. Friedberg hat an mich die Frage gerichtet, ob ih diesen § 23 aufrehtizuerhalten gedenke. Meine Herren, ih beantworte diese Frage durhaus mit Ja und hoffe, daß der Herr Abg. Dr. Friedberg das doch auch tun wird, denn er wird dohch niht das Werk seiner cigenen Parteifreunde zerstören wollen. Seine Parteifreunde sind es doch gewesen, die die, wie ih glaube und ich werde es nahweisen —, sachlich durchaus gerechtfertigte Bestimmung des § 23 in die Vorlage hineingebracht haben. Meine Herren, bei einer Versammlung, die in Essen statt- fand, sagte einer der Herren, die Frage sei in der Oeffentlichkeit ganz über Gebühr aufgebauscht worden. Es ist so dargestellt worden, als ob es sich um eine unerträglihe Belastung der Arbeitgeber handelt. Demgegenüber weise ich nur darauf hin, daß diese Bestimmung, wie sie jet in unserem Gesetze enthaltèn ist, Rechtens ist in Sachsen, in Württemberg und in Baden, Ih habe mich an die betreffenden Ministerien gewandt und von ihnen die Auskunft bekommen, daß die Bestimmung \ih durchaus eingebürgert habe und ohne jede Beschwer toto dis gehandhabt wird.

Nun, meine Herren, so zu operieren, wie wir operiert haben, war notwendig; denn allein fo ist es mögliß das war doch die Tendenz der Parteifreunde des Abgeordneten Dr. Friedberg der steuerliGen Wahrheit und steuerlichen Gerechtigkeit nahezukommen (sehr richtig! rechts), und das muß do das Ziel niht nur der Re- gierung, sondern wie ich meine, aller Parteien dieses hohen Hauses sein. (Sehr richtig! rechts.) K :

Der Abg. Dr. Wiemer sagte, es würde diese Heranziehung er- bitternd auf die Arbeiterkreise wirken, und er {lug vor, statt dessen die Deklarationspfliht noch weiter herabzuseßen. Meine Herren, ih halte das leßtere für gar nit mögli. Stellen Sie si die einfachen Verhältnisse eines Arbeiters vor mit 900 , 1000 4 oder auch 1500 «4 Einkommen, der gar kein Bu führt, der zum Teil nur mangelhaft shreiben kann; der soll eine Deklaration abgeben! Ich möchte einmal sehen, was aus diesen Deklarationen herauékäme !

Wenn dec Abg. Dr. Wiemer sagt, daß diese Heranziehung der Arbeiterkreise erbitternd wirken würde, so kann ih nur erklären, daß eine dem Geseß entsprechende billige Heranziehung nah Maßgabe der Leistungsfähigkeit des Einzelnen keinen Menschen erbittern kann (sehr rihtig! rechts), aber umgekehrt es andere Tausende erbittert, tie jeßt zahlen, während Tausende frei ausgehen.

Der § 23 in der Fassung, wie das Abgeordnetenhaus ihn mit großer Mehrheit beshlofsen hat, ist-bestimmt, die jezigen Fehlgriffe nah unten und ich betone das ausdrücklich und werde darauf hernah noch zurückommen noch oben zu beseitigen. Bet den Kategorien über 3000 A Einkommen sind wir auf Grund der Deklaration in der Lage, einigermaßen der \teuerlihen Wahrheit nahezukommen; aber bei den Einkommen bis 3000 ( fehlen uns vollkommen die Handhaben, und die Folge war, daß wir große Kreise der Bevölkerung, die einkommensteuerpflihtig waren, sreigelassen haken, und andere Kreise der Bevölkerung, namentlich der arbeitenden

Klassen, viel zu hoch herangezogen haben. (Sehr richtig! rechts.) Wir wollen also suchen, die fteuerlißze Gerechtigkeit na unten wie nah oben in höherem Maße gewährleisten, als das gegenwärtig der Fall ist. Meine Herren, daß dahin auch die Absicht der Bestimmung des § 23 gegangen ist, kann, glaube i, gar nit zweifelhaft sein; denn in dem Kommissionsbericht ist ausdrücklich auf den Vorgang des Königreihs Sachsen hingewiesen worden. Es heißt in dem Kommissionsbericht :

Die vorgeschlagenen Bestimmungen sind na den Ausführungen eines Mitantragsstellers dem sächsischen Einkommensteuergesetz cnt- nommen und sollen dazu dienen, die Veranlagung zu erleihtern und gerechter zu gestalten.

Es ist also hier ausdrüdcklich auf das sächsische Einkommensteuergesez hingewiesen, das nicht nur die Verpflihtung, das Einkommen, sondern auch den Namen des Zensiten anzugeben, enthält. Und in der Plenar- beratung ist das auch von einem der Parteifreunde des Herrn Abg. Dr. Friedberg ausdrücklich ausgesprochen worden :

Meine Herren, die beiden jeßt angefohtenen Zusäße zu § 23, welche die Kommission mit großer Mehrheit angenommen hat, entftammen dem \äch&sishen Einkommensteuergeseß vom Jahre 1872 und haben \ich im Königreich Sachsen in einer mehr als 30 jährigen Praxis bisher durchaus bewährt.

Wir waren also in der Lage, uns hierauf stüzend, so vorzugehen, daß die Arbeitgeber nicht nur das Einkommen, sondern auch den einzelnen Einkommenträger anzugeben unserer Ansicht nah verpflichtet sind; denn begrifflih läßt sich das Einkommen nit angeben, wenn man den nit nennt, der das Einkommen bezieht.

Meine Herren, wenn Sie uns, wie das in Handelskreisen be- hauptet ift, das Necht bestreiten wollten, au die Namensangabe des betreffenden Arbeiters vom Arbeitgeber zu verlangen, \o würde die ganze Maßregel in allem Wesentlichen ein toter Buchstabe bleiben und ¿war eine Prägravation des Landes und der kleinen Städte zu Gunsten der großen Städte und der Industriearbeiter herbeiführen. (Sehr ritig!)

Meine Herren, wie liegen denn die Verhältnisse in den Lands gemeinden und in der kleinen Stadt, wo 1, 2, 3 industrielle Betriebe find? Da weiß die Veranlagungsbehörde genau die Verhältnisse, kann sie übersehen, weiß, was der einzelne Arbeiter für ein Eins kommen hat. Und nun vergleihen Sie damit die Verhältnisse einer Großstadt wie Berlin, Frankfurt a. M., Cöla oder einer sonstigen großen Stadt, wo die Veranlagungsbehörde {chlechterdings niht wissen kann, was der einzelne Arbeiter für ein Einkommen hat. Da stehen in einer Hausliste tausend Arbeiter, Meyer, Schulze oder sonst mit Namen, alle nur mit der Angabe: Beruf Arbeiter, und keine Ver- anlagungsbehörde hat auch nur eine Ahnung, wo der Mann arbeitet, weiß nit, ist er in der Eisenindustrie, in der Textilindustrie be- schäftigt, ist er Schneeschipper oder sons was? und weiß nit, was die Beireffenden für ein Einkommen haben, Wenn uns nun die Möglichkeit nicht gegeben wird, die Lohnlisten vom Arbeit- geber zu bekommen, so wird unzweifelhaft der Effekt eintreten, daß der Arbeiter auf dem Lande und in der kleinen Stadt höher

erfaßt wird als der Arbeiter in der Großstadt, und Sie schaffen

wiederum eine Disparität zwischen den kleinen gewerblihen und länd- lihen Verhältnissen auf der einen Seite und den großgewerblihen auf der anderen Seite, und dazu liegt, glaube ih, keine Veranlassung vor. (Sehr richtig!)

Nun, meine Herren, lassen Sie mi aber noch einen Blick auf die kommunale Seite dieser ganzen Frage werfen! Jst die Gleich- mäßigkeit der Veranlagungen für die Staatssteuer von Wichtigkeit, so ist sie von noch viel größerer Wichtigkeit für die Frage der Leistungs- fähigkeit der Kommunen. (Sehr richtig! links.) Das ist eins der ernstesten Kapitel unserer modernen Entwicklung: die hohe Belastung, die hohe Verschuldung der Städte, überhaupt der Kommunen (sehr richtig !), über das in diesem hohen Hause sehr oft gesprochen worden ist, und das ih mit einigen wenigen, wie ich glaube, außerordentli interessanten Daten belegen kann.

Meine Herren, der Finanzbedarf der preußishen Städte ab- gesehen von Berlin (leider haben wir eine solche Statistik für die Landgemeinden nicht) hat \ich von 187 Millionen im Jahre 1895 auf 378 Millionen im Jahre 1905 erhöht, die Einkommensteuerzuschläge sind von 84 Millionen auf 167 Millionen gestiegen, und die Real- steuern von 62 Millionen auf 116 Millionen; es ist also die Summe der ‘durch Einkommensteuerzushläge aufzubringenden Mittel um 87% in dieser 10 jährigen Periode, von 1895 bis 1905, gesteigert worden. (Hört! Hört!) Und was die prozentuale Belastung betrifft, so hatten wir bis zum Jahre 1895 noch 467 Städte, die weniger als 100 9/6 Einkommensteuerzuschläge erhoben, und die Zahl ist 1905 auf 272 gesunken. An Städten, die 101 bis 105% Kommunalsteuern erhoben, hatten wir im Jahre 1895 383 und 1905 nux noh 362, Dagegen ift die Zahl der Städte, die über 150 bis 2000/6 Ein- kommensteuerzushläge erhoben, von 192 auf 354 in dieser zehnjährigen Periode“ gewa{sen, und die Zahl der Städte, die über 2000/9 Ein- kommensteuerzushläge erhoben, von 100 auf 189 gestiegen, hat \ich also nahezu verdoppelt.

Noch stärker find die Gemeinderealsteuern gewachsen. Wir hatten im Jahre 1895 noch 291 Städte, die nicht mehr als 1009/0 Zu- schläge zu den ftaatlihen Realsteuern erhoben ; die Zahl sank im Jahre 1905 auf 157. An Städten, die 101 bis 150 9/% Kommunalfteuern erhoben, waren 1895 noch 439 vorhanden, im Jahre 1905 nur 289, und dementsprechend sind wieder die Städte mit den höheren Kommunal- steuerzuschlägen von über 150 9/6 bis 200 9/6 von 386 auf 510, und die Städte, die mehr als 200 9/9 Realsteuerzushläge erhoben, sogar von 44 auf 221 emporgeschnellt, sodaß also seit den 10 Jahren fünfmal so viel Slädte mehr als 200 %/6 Kommunalsteuerzushläge existieren. Meine Herren, das ist ein sehr ernstes Kapitel, und ih glaube, daß es für den Staatshaushalt der Kommunen von der größten Wichtigkeit ist, au diejenigen weiten Kreise steuerlih zu erfassen, die h bisher wegen der Mangelhaftigkeit der Handhabung dieser Steuerpflicht ent- zogen haben.

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