1907 / 12 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Jan 1907 18:00:01 GMT) scan diff

die Speisung Tangeiner Sgulfinder unter Miihilfe von Privat-

wohltätigkeit mit Erfolg eintritt. Jm Jahre 1994/05 wurden von Vereinen in London 26 951 SWulkinder regelmäßig gespeist, außerdem

hat die Heilsarmee im Winter des genannten Jahres etwa 750 000 Mahlzeiten an Schulkinder verabreicht. . Eine Relhe

angesehener Londoner Vereine hat ih. deren Speisung als. aus- \clicßlichen Zweck gesetzt, andere Vereine suchen ihn Ae Deren Aufgaben zu fördern. In manqhen englischen S, 10 Lithazane Eltera zu den Kosten der Speisung threr K f er S Bie zuziehen. Die Auswahl der bedürftigen Kinder iff ict Lebrer wird von der genannten ÜUntersuhungstom e N emvfoblen, sondern siz will die Auswahl einem FueldeN ps ea Ein gut E H tp t Daß die empsi? e aber die {hon ara eD der örtlichen Schül: UntersuHungskommission das Zusammenarbeiten der E

behörden ckreinen für Schulspeisungen fordert, is ganz natürlich ebenso Vé8 Nerlangen, wenn man einmal eine Pflicht uh Notwendigkeit derartiger Speisungen dur die Allgemeinheit anerkennt, daß diese das ganze Jahr hindurch und mindestens einmal an jedem

ultage erfolgen. z

i; n Staaten von Amerika ist {hon sehr frübzi e E für die Speisung hungriger Schulkinder gegeben L worden, aber dieser Zweig der Wohltätigkeit ist troßdem bis heute über einzelne Versuh- niht hinaus- gekommen, obglei. nah _den in einzelnen Städten angestellten Er- bebunaen das Elend der Schulkinder in den großen Mittelpunkten der neuen Welt noch ärger als in der alten Welt zu sein heint. Nah einer von ärztlicher Seite in Chicago, Philadelphia, Buffalo und New-York vorgenommenen Untersuchung waren von 40 746 Shul- Xindérn 34,65 9/0 hie jedes oder do ohne ausreihendes Frühstüdck. Sn den Schulen der ärmsten Gegenden von New York stieg diese ZBabl auf 82 9/9 der Schulkinder.

In Frankrei gibt es seit eiwa 25 Jahren Einrichtungen zur Speifung derartiger Kinder. Heute bestehen dort zahlreiche cantines scolaires, die als mustergültig angesehen werden. Sie“ ruhen matetiell auf den caisses d’écoles, den S@ulfasset, deren Be- gründung dur Geseg aus dem Jahre 1882 den Gemeinden zur Pit gemaht wird. Die Verwendung der Beträge dieser Kafsen

eht im Belieben der Gemeinden, die mit ihnen vielfah jene Schul- speisungen unterstüßen. Es hat sih dabei die Regel herausgebildët, daß die Speisung gegen Marken erfolgt, für die das Kind 15 Cents zu hlen bat. Sind diè Eltern bedürftig, so erhalten die Kinder sie zu einem ermäßigten Preis; find sie gänzlih arm, so gibt man die Marken unentgeltlih. Dur dieses Marken]ystem erreicht man, daß es unter den Kindern niht bekannt wird, welches von ihnen bezahlt und welches umsonst speist. Das verabreihte Essen besteht aus Suppe, reihlichem Gemüse und Fleis; etwa 9209/9 der Lehrer nehmen an den Shulspeisungen freiwillig teil. Fehlbeträge der Shulkantinen werden durch“ Zuschüsse der Gemeindebehörden gededt; in Paris Lr Sie S einer Reihe von Jahren regelmäßig etwa 1 000000 Fr. erforderli. Zes

x Auch in Belgien gibt es zahlreih: Einrichtungen zur Speisung der Schulkinder; für unbemittelte ist diese frei, andére. haben einen Eleinen Betrag zu zahlen. Jedes der gespeisten Schulkinder wird dort alle zrhn Tage durch den Shularzt untersucht und erhält Stärkung®- mittel, wenn-es als: besonders \chwächlich befunden wird. -

In Norwe gen sind gleichfalls von manchen Gemeinden, so von Ghrifiiania, Trondjem vsw., Sr sheilanigen der Swhulkitber einge- rihtet, an denen diese sämtli teilnehmen können, au wenn ihre Eltern sih niht in bedürftiger Lage befinden. Man will dur diese allen Kindern obne Unterschied gewährten Mahlzeiten von der Schül- fpeisaung das Merkmal des Almofens fernhalten. Die Kosten dieser Einrichtung tragen die Gemeinden. :

In Jtalien hat si die S@ulspeisung in man@en Gemeinden fast ‘zum Erxtrèm entwickelt. So ift in der etwa 25 000 Einwohner zählenden Stadt Vercelli die a der Teilnahme völlig auf- gehoben; es ist durch Ortsgesez eine zwangsweise Speisung der Schulkinder eingeführt, an der jedes Kind teilnehmen muß und von der üur ärztliche Anordnung befreit. Außerdem werden sämtliche Schul. kinder ärztlich beaufsihtigt, und bei Krankgeiten wird ihnen freie ärzt- Tih+ Behandlung zu teil. ;

In der Schweiz sind manhe Gemeinden in den leßten Jahren su der Schaffung eigener Speiseeinrihtungen für Schulkinder über- gegangen, in anderen Octen ist dies Aufgabe von privaten Vereinen, denen, wenn es erforderli ist, die Gemeinden Zuschüsse geben. Grundsaß ist dabei überall, daß die Kinder wirkli armer Eltern umsonst, die En Nie fie teilnehmen wollen, gegen eine geringe

ezablung gespeist werden. s S Gans ähnlich liegen die Verhältnisse in Deutshland. Im Reich ist uns kein Oct bekannt, in dem die Speisung der Shulkinder allgemein oder die Teiliahme an ihr gar Zwang wäre. Doch bestehen Hekanntlih in zahlreihen gößeren und auch in mittleren Städten Vereine, die fch der hungrigen Schulkinder annehmea. Oft reichen die Mittel nicht so weit, wie die Not, _oft geben die Gemeinden Zu- {chüsse, bin und wieder erfolgt die Speisung auch..gänzlich auf städtische Kösten, wie z. B. in Mannheim, wo im Jahre 1904/05 etwa 3000 Squlkinder mit einem \tädtishen Aufwande von 19 000 Früßstück erhielten. - : S Ehrlich Ct fo wird zu dieser interaationalen Uebersicht in der «Sozialkorrespondenz* bemerkt, können wir uns mit dieser Speisung notleidender Kinder durch Staat, Gemeinde oder Squle nicht recht befreunden. Geholfen werden muß ihnen natürli, aber man follte versuchen, die Not {hon in der Familie zu bekämpfen. Ein hungriges Schulkind läßt stets den S{luß zu, daß in seiner Familie etwas nicht in Ordnung is. Hier an der Quelle der Not sollte daher die Hilfsarbeit beginnen. Es braucht dies niht etwa dur die öffentlihe Armenpflege zu ge- \{Wehzn. Die Wege, dringende Not zu lindern, sind, wie diese felbst, fo vielseitig, daß die ödfentlihe Armenpflege, nah unserem Gefühl, immer erst der legte Ausweg sein sollte. Dos allem muß natürli durch die geeigneten Organe une

ucht werden, woher die Not eigentlich stammt, unter der das ob bungrig in die Schule ‘gehen muß. Man muß feststellen, sucht 3 Krankheit, Arbeils"osigkeit, geringer Berent runk- dann rbeits\heu oder eine andere Ursache vorliegt. Nach ihr s

ü ilfêmaßregeln zu ergreifen. Jedenfalls sollte man si be- vflege „e, Schule nicht zu einer Institution der Arme in ibr ind oen zu lassen und die Speisung bedürftiger Shu ib er Aüssig zu RaRN sie oder durch Staat und Gemeinde möglichst über-

Kunst und Wisßeuschaft.

A. Zum Besten ist in der der Charlottenburger Hauépflege ist in be Wellurgehalle am Zoologischen Garten Us eit zum Gegenstach, 16, die das Berlin der E e Lithographien M hat, eröffnet. In einer großen Be ip Straßenbilder gezei t angen _und Zeichaungen werden i s sahen und/ bon L : die Pläge und Gebäude, wie sie dam oUN lhließen sfi Blzttor damaligea Künstlern gesehen Tor De auf den Straß Uter, die das Leben und Treiben der Bevö ano und in ibren n Und in den Häusern, in ihren alltäglihen A Persönlichfeit-o t schildern, un» endlich sind auch die markantesten NMitte in zahlrei bon Anfang des vergangenen Jahrhunderts bis zu eiger eine bestim Nen Porträts festgehalten. Eine solche Auëstellung, es immer fe E Zeit und einen bestimmten Ort ‘anshaulih matt, A und in je ers bezeihnend sein, wenn nur Künstler, die an jenem Or den u lener Zeit tâtig waren, zu Worte kommen. Denn nts kann eiten ist -«@ahmlichen Stimmungshauch erfegen, ter solchen Arbeiten S Fes und der uns in seinen Banñ zwingt, mehr als jede mit noch E Le b E R B I E e ; uer ni Gn Uen ilen 1 He Berner f e e dee Í S , zurücC;Uyerleßen ; dazu kommt, daß diefe ganze Epoche für uns mit den wichtigsten Ein

verknüpft ist, historisch so -vohl twote literarisch, die das Interesse noch steigern müfsen. : : 5

Berlin hat seinen ganz ausgeprägten, eigenen Charakter in der Biedermeierz-it gehabt, die lokale Färbung ist außerordentli ent- schieden. Aehnliche Ausstellungen etwz in Dresden, în München oder in Wien würden wieder einen ganz anderen G:famteindruck ergeben. In Berlia ist die ganze Mischvng entschieden eine sehr eigentümliche. Nüchterne Sachlichkeit überwiegt; man sehe die mit fast pedantischer Genauigkeit gezeihneten Straßenzüge, die so gar nicht- auf das Malerische oder Künstlerishe hin gearbeitet wurden, und die für uns doch eigentümlih reizvoll find. Dann ist besonders charakteristisch ein - s{lagfertiger, immer - lebendiger Humor, der {arf und sier einzelne Typen erfaßt und sie mit, Liebe ausgestaltet, und der ohne Schärfe über die eigene Enge und Beschränktheit. zu lachen versteht. Hier sind die Blätter von Shoppe, Schroedter und Ho semann besonders hervorzuheben, die mit föstlicher Laune, aber derb genug das Straßenleben schildern. In dieser Enge einer kleinen Großstadt die von threr künftigen Bedeutung noch- nihts ahnt, ift jedoch das Bezeichnendste das rege geistige Leben und Kunstinteresse, das schon damals die bedeutendsten Begabungen heranzieht. Besonders auf dem Gebiet des Theaters. Welch-stattliche Reihe von Bühnensternen, deren Namen uns noh heute geläufig find! In zum Teil künstlerisch vollendeten Lithographien fehen wir die, Bildnisse der Uazelmann, Crelinger, Schröder-Devrient, Henriette Sonntag u. A. m. Die innige Lieblichkeit, die die Frauenbildnisse jener Zeit besizen, ist auch ihnen eigen. Sanfte Scheitel, klare, sorglose Stirnen, treuberzig kindlihe Augen, ein hold lähelnder Mund, das alles wird mit entzückender Lieblihkeit und Einfachheit gegeben. Sehr zahlrei sind auch die Porträts der Prinzen und. Prinzessinnen, Friedrich Wilhelms IIL. und Friedrich. Wilhelms IV. mit ihren Gemahlinnen. Luise, die „Unyer- gleihlie*“, ift öfter dargestellt und von der Königin Elisabeth ift ein sehr reizendes. Jugendbildnis zu sehen. Die Mehrzahl diefer Litho- raybien rühren von Franz Krüger her, dessen Arbeiten überhaupt fi der Ausstellung durchaus vorherrschen. Sein trefflihes Können, fein klarer Blick, sein unermüdliher Fleiß wird durch ‘all diesé Blätter von neuem auf das beste. gekennzeihnet. Auch-der jugendlihe Menzel ist vertreten mit Hel;shnitten zu altmodishen Neujahrskarten und Festblättern, in denen der kaum Achtzehnjährige ein ganzes Funken- werk von Geist aufsprühen I1äßt. Den By der Ausstellung bilden ein paar Karrikaturen aus dem Jahre 48, die gegenüber-den harm- Tosen, in engem Kreis sich bewegenden Illustrationen von Schoppe und Sthroedter nicht nur eine allgemeinere Bedeutung haben und einen größeren Blick verraten, sondern auch“künstlérisch ungleich großzügiger und freier wirken.

George Minne, der belgische Bildhauer, und die Maler Ulrich Hübner, Max Beckmann und. M. Hagen haben im Kunstsalon P. Cassirer- eine größere Zahl ihrer Werke gus- estellt. Minnes hier vertretene Arbeiten kann man nach ihrer Auf- affung in drei streng voneinandergeshiedene Klassen ‘teilen. Die „wetinenden Frauen“ (gleih am Eingang links) gehen auf gotishe Vorbilder zurück und zwar auf die leidtragenden Figuren des Grahb- denkmals Philipps des Kühnen von Claus Sluter. In gotishen Nischen tehen dort 40 folhe Alabasterfigurèn rings “um den Söotel der Tumba; sie ‘sind ganz in weiche, kuüttenartige Gewänder ge- hüllt, eine schwere Kapuze“ verhüllt viélen ‘auch das Antliß. Gleih bei dem ersten“ Anblick der Minneshen Gruppe fallen uns diese jeßt im Museum zu Dijon befindlihen Arb.iten ein, betraten wir dann aber die Arbeiten der zeitlih so weit getrennten Künstler genauer, werden wir bald einsehen, daß in der Ausführung, der feineren Durhbildung und in dem Reichtum der Er- findung die Figuren Sluters der Minneschen Holzskulptur weit über- legen find. ie fein find dort die Gewänder beobachtet, unter deren streng architektonish gezogenen Falten die Körperformen, wie Kopf, Schultern und Hände, durhzushimmern seinen, wie mannigfaltig und abwe{slungsreich find die Kapuzen und Mäntel bei aller detail- verneinenden Ginfachheit gegeben! Hier ist alles völlig gleichgebildet. Die Ränder der Kopfhüllen kräuseln #ch in \ymmetrischen SWlangens linien, die in ihrer absihtlihen Strenge wenig zu den fast impressionistish frei behandelten Röcken passen. In einer weiteren Reihe von Werken, meist vortrefflihen Porträtbüsten, wandelt der Bildhauer in den Bahnen {seiner Landsleute van der Stappen, Lagae, Lambeaur. ei aller Straffheit in den Um- rissen ift der Matride selbst weich behandelt, die Bildnisse König Leopolds und der verstorbenen belgishzn Königin zeizen uns Köpfe von einer zwingend ähnlihen und dabei großen und vornehmen Auffafsung. Eigene Wege geht Minne in den Werken, in denen er den mens{h- lihen Körper in gewisse tektonisch ftarre Linien und Massen zwingt; die feinbewegte Außenkontur wird gerade wie eine Gebäudelinie, die weihen - Biegungen und Krümmungen des Körpers und der Gelenke wzrden vermieden; alles ijt rechtwinklig hart gebrochen ; die Knochen - sind nur spärlih mit randendem Fleis -und schlaffer Haut überzogen, um den Eindruck des Tektonishen noch zu verschärfen. Aus dieser Tendenz beraus sind die „kniende Figur“, der Maurer“ und die eigentümlich arhaisch wirkende Männerfigur, „Auferftehung“ betitelt, entstanden. Wie eine „absichtlihe Negierung der natürlichen Pose wirkt diese gewaltsame Gliederverrenkung, die so, bei aller Ahtung des guten Wollens, wieder zur Pose wird, nur nach der anderen Seite hin. Natürlih entstehen bei diesem Zwingen des Aktes in gewisse Linien eine ganze Reihe von Fehlern und kcafsen Unmöglichkeiten, die heute freilich oft als nebenfählich übersehen werden. Bei der knienden Jünglingéfigur z. B. ruht der rechte Ellenbogen genau vor der linken Schulter, eine widernatürliche Stellung, die, wenn sie überhaupt ausführbar ist, “dennoch nie dauernd sein kann. Eine andere Arbeit if, wie {on er- wähnt, „Auferstehung“ genannt. Ohne diese Bezeihrunz im Text würde gewiß niemand ahnen, daß Minne gerade dies Motiv im Sinn hatte. Do das ist Nebensache. Nicht nebensählich dagegen ist es, wenn sih der Künstler, einer eigensinnigen Auffassung zuliebe, geradezu bizarre Dinge leistet. Auf breitem konish zulaufendem Halse sit ein viel zu chmaler Kopf, der mit feinem wie eine die Gummi- fapye wirkenden Haar fat an äginetishe Giebelfiguren erinnert. Der ruhende Kö1p!r veishwindet nah rechts unter einem massigen Ge- wandblock, am Rande reckt sich neckisch ein Fuß in die Luft. Bei diesem Anblick muß man lächeln. So _ streckc eine Brettldiva - ihr \chmales „Fußerl“ dur die Spalte des {weren Vorhangs, wenn sie am Sehluß thres Auftretens vom dankbaren Publikum gar zu stürmisch wird. z

e Berliner Maler Ulrich Hübner ist mit einer Reihe toniger Arbeiten vertreten, deren Motive meist aus Travemünde und Umgebung stammen. Tiefe, weite Blide über das atmernde Meer, stille Winkel unter hohen Bäumen oder in grünen Hecken versteckt fiad die Ueblingsmotive des Künstlers. An klaren, durhsi Htigen Herbst. und Novembertagen beobachtet er die Natur, wenn die Konturen sich scharf gegen den falten Himmel abheben, am besten jedoch gelingt ihm die malerisch?- Wiedergabe weier Frühlings- und Sommertage; ein feiner Dunsthauch lô{t alle harten Umrisse und Lokaltône auf, das Meer lie,t fciedlih vor uns in s{immerndem Perlmutterglanz, die Segel der Sg è werfen grünlihe. Reflex2 auf das träge Wasser, darüber wölbt fi wolkenlos der blaugrauz Himmel. anhmal hat der Gesamtton der Bilder etwas Süßliches, Kokettes; man- mal werden wir an Manet, Liebermann und Trübner erinnert; Leistikow bat ähnlih2 Marinen gemalt; troßdem betrahten wir die Werke des Künstlers, au wenn ihm die lc§te persönliche Note fehlt, mit Freude und ftillem Behagen. Zwei Interieurs mögen noch hervorgehoben werden, vor allem aber ein vorzüglihes Stilleben, das in seinen gedämpften Fa:benharmonien ungemein wohltuend auf \en- irkt.

Bu Me eman n ift ebenfalls mit zwei guten Stilleben vertreten ; vor bem. dunklen Grund? stehen die blauen Pflaumen auf leuhtend weißem Teller oder die goldenen und rotbäckigen Aepfel ausgezeinet in der Farbe. Dein Künstler scheinen ähnliche Arbeiten Willem Kalffs vor- geshwebt zu haben, als er diese Fruchtstück- malte. Bei einem anderen Stilleben lösen ih die seidenweichen, sonnigen Blätter der Primeln fehr

vornehm von einer den Hintergrund abshließenden Portiere los. Seine Porträts und Figuren holt Beckmann kräftig aus blauschwarzem Dunkel heraus, der Ausdruck der Dargestellten ist kühn und unzeshminkt wieder- gegeben. Häßlich wirkt bei dem „Bildnis der Schwester" das gelbrote Haar und der aschfahle kränklihe Fleishton. Das „Selbstporträt“ vor dem hellen Fenster mit weitem Bli auf glänzende Schieferdächer ift in seiner tonigen Helligkeit sehr anziehend. Die Landschaftea, als imprestionistische Skizzen betrachtet, erfreuen durch die reihe Abtönung der grünen Laubmassen, das „sonnige Meer“ ist wohl eher eine An- häufung grüner ‘nebeneinandergepreßter Würmer; es fehlt“ jede intimerè BebbaBiiing der retizvollen Bewegungen des -brandenden Wassers. Das große Gemälde - „Junge Männer am Meer" erinnert stark an die Raumkompositionen H. von Maró-8; au die s{lanken Körper mit den übèrtrieben langen Gliedern und die im Vordergrunde | sißenden, gegen die übrigen Akte v‘el zu kleinen Figuren sind über- nommen. Die Akte“ selbst sind in ihrer dunklen Modellierüng vielleicht in trüben Ateliérlißt mögli, nicht aber am hellen Strände und am reéflektièrenden Waffer. Die ¡¿Sterbeszene“ wirkt brutal. Ebenso unmögli“ wie abstoßend hockt mit nah rechts und Tinks gespreizten Beinen ein Weib“ vor dem Bette, auf dem der Tote VereBelt, Warum die Klagenden in diesem kählen Shlafraum alle fast ‘nackt sind, ift ‘unverständlich. " Vor dem Fenster reckt sih eine hänbertrigende Person als dürres Gespenst. Nichts Ergreifendes; nihts von dem heiligen Ernst dieser leßten Augenblicke nur wilde, ¿ügellóse Uebertreibung! Die“ „Kreuzigung“ überbiétet aber allés! An düñnen Brettern winden sich 3 Akte, nicht eiwa der Herr und die Shäâcher. “In Wirklichkeit würden diese Kreuze zumindest sich tief unter der Last der Geinarterten beugen. Vorn zerrt ein Mann“ ein renitêntes Weib den Abhang herunter, den Hintergrund \chließt ein farbiges cas das wie ein leuchtendes Tulpenbeet auss{haut. Es find ‘aber Menschen, die im Schmerz die Arme emporzuhébén \{einen. Der Gefamtton ist ein kalkiges Weißrosa, die Konfuren sind an den Schattenpartien knallrot, die Schatten selbst giftiggrün und das Gan heißt: „Kreuzigung!* Derselbe Maler hat, wie erwähnt, trefflihe Stilleben und Porträts gemacht; wäre er do dabei dr 7 ch—k.

Theater und Musik.

Konzerte.

Im Königlichen Opernhause fand am Donnerstag der VI. Symphonieabend der Königlichen Kapelle unter Weingartners Leitung statt. Der erste Teil wurde mit der flott vorgetragenen, in ihrer Ursprünglichkeit stets erfrishend wirkenden

Ouvertüre zu Smetanas Oper „Die verkaufte Brau“ eröffÆt und brate dann zwei Neuheiten: eine Sywphonie Nr. 1 in E-Moll von Sibelius-* und eine symphonishe Dichtun

„Pompeji* von Poul Ertel. Der Berliner Komponi ficht in einer Traumphantasie ein neu erstandenes Pompeji im Glanze der Gegenwart; er |\{childert in lose aneinander gereihten Bildern Serenaden, Volksgetümmel, Schauspiele und Tänze: Zu den Aeußecuüngen- froher Lebenslust ertönt ein ge Male’ in Pauken- wirbeln und- drohenden Posaunenstößen das mabnende Grollen des Vesuvs, das durh- eine Bittprozession sh nicht bannen läßt. In dem wilden Taumel einer Tarantella bricht \hließlih- die Katastrophe herein, und ein lange nachzittexnder Tamtam|schlag macht Pompeji und der symphonischen Dichtun ein Cnde. Herr Ertel beweist-in dieser Arbeit aufs neue, daß er fi auf den Kontrapunkt versteht und außerordentlih - geshickt zu instrumentieren weiß. Im übrigen leidet sein Werk an den S wähen, die dieser Gaitung von Musik überhaupt anhaften. Solche musikalische Stilderungen äußerer Vorgänge enthalten etwas dem Wesen der Musik Fremdes und vermögen, obgleich äußerlih" wirkungsvoll, keine rehte innere Teilnahme zu erwecken. An der Ausführung des Werks dürfte der Komponist seine Freude gehabt haben; der Bei- fall war lebhaft. anz anders geartet ist die Symphonie von Sibelius. Es ist keine Symphonie, wie wir sie gewöhnt find, und wie wir sie in unseren Meisterwerken lieben, Zwar ist die Vierzahl der Sätze und: ihr allgemeiner Charakterunterschied gewahrt, aber der Bau der Säße weiht wesentlih von den fiassishen Ver- bildern ab. Es werden nit einige Haupt-. und Nebenthemen auf- gestellt, in Segevla geadt und durchgearbeitet, \ondern eine große Anzahl von Themen und kleineren motivishen Ge- bilden zieht s{chnell wechselnd an uns vorüber; das eine ver- \{chwindet, das andere, meist m.t veränderter Instrumentation, taucht. auf, um bald wieder einem anderen Dla zu machen. Troß dieses rhapsodischen Zuges ist die Cinheit der Stimmung gewahrt, und darin liegt die überzeugende Kraft dieser Musik. Die Stimmung ist ernst, fast düster; ein Hauh aus der nordischen Heimat des Kom- ponisten weht uns daraus entgegen. je einzelnen Themen find immer ausdrucksvoll, und wo sie ch etwas breiter entwideln, von großer melodisher Kraft. Ein starkes Empfinden spricht sich in dieser Musik aus, und mag man damit \ympathisieren oder niht, der Wahrheit und dem überzeugenden künstlerishen Ernst kann man seine Anerkennung nicht vetsagen. Den ¿weiten Teil des Programms bildete Beethovens C-Moll-Symphonie in der kaum zu erreihenden, nie zu überbietenden Ausführung, wie wir sie von der Königlichen Kapelle unter Weingartner gewohnt sind. Der geradezu überwältigende Beifall, der nah dem ersten Saße da3 Haus erfüllte, hatte wohl kaum etwas Demonstratives, es war die nah der vorhergegangenen Programmusik um so mahtvoller ih äußernde, zu Herzen dringende Gewalt der Beethovenschen Tousprahe. Im Beethoven-Saal führte, gleichfalls am Donnerstag, der Pianist Ignaz F riedman den Klavierpart in drei Orchesterwerken mit glänzender irtuosität dur. Die Großzügigkeit der Intentionen und die Senraene Sicherheit des Spi-ls ließen den Meister pianistisher Kunst erkennen; des Künstlers stürmishes Temperament bevorzugte freilih starke Klangeffekte, wobei dem metallischen Glanz

des Forte gern der zarte Schmelz eines überaus duftigen Pianissimo E T wurde. Troßdem fehlten fein abgetönte dynamische S, attierungen keineswegs; besonders die Wieder-

gabe des Chopin-Konzerts war reich daran, Dem carakteristisch durch- geführten Konzert in B-Moll von Tschaikowsky, das an O Sie des Programms stand, ließ der Künstler eine Neuheit, eine preisgekrönte Arbeit der Rubinstein-Konkurrenz, folgen, das “Konzert in E-Moll für Klavier und Orchester von H. Melcer; ein bedeutendes formales Können, ein feiner Geschmack für orhestrale Klangwirkung und ein natür-- licher M-lodienfluß, der si darin betätigte, boten den drern zahlreie Anregungen. Die \{chwungvolle Wiedergabe dur den Solisten und das Philharmonishe Orchester vérhalf dem Werk zu glückliher Wirkung. Von den vortrefflihen künstlerishen Eigenschaften des Geigers Alfred Wittenberg konnte man sich an demselben Abend im Mozart-Saal wieder einmal überzeugen. Er spielte in Gemeinschaft mit dem von Paul Prill s{chwungvoll und umsichtig geleiteten Orchester des Hauses die Konzerte bon Bah und Mozart sowte das D-.Moll- Konzert von Wieniaweki und außerdem für Violine allein Präludium und Fuge in A-Moll von Ba. In allen Stilarten war er zu Hause und fand von feiten der zahlreichen Zuhörerschaft leb- haftesten B-ifall. Im Saal Bechstein stellte fiŸ zu gleicher Zeit Nanny Merzenich als Sängerin vor. Sie verfügt über cinen wohlklingenden Mezzosopran, der recht gut gebildet \{heint, und zeigt im Vortrag auch Austruck und Empfiaden. Ehe fie Vollendetes leistet, wird fle ihre Studien freilich noch fortsezen müssen.

n dem zweiten der von Ferrucció Busoni veranstalteten Abende mit dem Philharmonischen Orchester, an denen neuere und selten Tg hte Werke zu Gehör gelangen, führten am Donnerstag im Beethoven-Saal zwei hier biöber unbekannte Komponisten selbst ihre Werke vor. dirigierte zwei Säße, ein Adagio und ein Scherzo, àus einer Symphonie in E-Moll, die den Eindruck richt eben etgenartiger, aber gediegener musifaliicher Arbeit machten und viel Beifall fanden. Weniger Gigenes hatte freilih Johann Wagenaar aus Utre(ht in feiner Tondichtung „Saul und David“ (nach Rembrandts Gemälde) zu sagen, die sich von Programmusiken ähnlicher Art und deutscher Herkunft niht wesentli unterschied. Die Tondihtung war dz. am

Hermann Behr