1907 / 44 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Feb 1907 18:00:01 GMT) scan diff

“arbeiten heranzichzn wird. Es würde \fich auch empfehlen, die Ge-

angenen mit Arbeiten zu beschäftigen, deren Produkte wir jeßt aus

| dem Auslande beziehen, mit der sog. Teppichknüpferei und -Weberei.

habe im Kunstgewerbemuseum gesehen, daß im Mittelalter die deutsche Teppichweberei bedeutend höher stand wie jeßt. Infolge der gesteigerten Arbeitslöhne ist dieser Industriezweig bei uns vollständig erloschen. Die Justizverwaltung könnte selbst Unternehmer fein, und sie sollte die Arbeiten niht an Unternehmer vergeben. Das sieht allerdings na Staaissozialismus aus, aber in diesem einzelnen Falle würden die Vorteile die Nachteile aufwiegen.

Abg. Gamp (freikons.) : Wir haben uns im Reichstage wiederholt über diese Frage unterhalten. F nur meine volle Anerkennung dafür aussprechen, daß es ihr gelungen ift, eine wesentliche Einschränkung derjenigen Gefangenenarbeiten ein- treten zu lassen, welche mit dem Handwerk in Konkurrenz treten. Es ist in Aussicht gestellt worden, daß in absehbarer Zeit noch eine wesentlihe Einshränkung erfolgen wird. Der Grundsaß ist zu billigen, daß die Gefangenen zunächst für die Verwaltung felbst beschäftigt werden. Die Beschäftigung in der Landwirtschaft mat dem Hand- werk keine Konkurrenz. Der Vorschlag des Abg. Tourneau, daß die Verwaltung die Teppichweberei in eigene Regie nehme, halte ih doch für recht unpraktisch. Zur Ausübung dieser Branche gehört eine ge- wisse Tradition, große Kenntnis und Gewandtheit. écbart S vor

Abg. Pallask e (fkons.): Die konservative Fraktion behäl 1 ile Frage beim Etat des Ministeriums des Innern ausführlich zu

deln.

Cin Negierun gskommissar bemerkt, daß er über die Verhält-

ie fn Breslau im ielt ete E nit geben könne. Um

5 alls n i:

Aba Wißmann s Es, daß die Angaben der Petition

ihm von dem Vorsißenden der Handwerkskammer, einem ganz be- sonders zuverlässigen Manne, bestätigt worden seien.

Der Titel wird bewilligt, ebenso der Rest der Einnahmen.

u dem ersten Titel der Ausgaben, Gehalt des Mink ers 36 000 e, ist der Antrag der Abgg. Dr. Arendt u. en. (freikons.) gestellt, dem Landtage alsbald eine Vorlage zu machen, durch welche unter Abänderung des Geseßes von 1897 die Gehälter der Landrichter und Amtsrichter sowie der Staatsanwälte nah Dienstaltersstufen geregelt werden. Die Erörterung der Gerichtsvollzieherfrage und der Gerichtsschreiberverhältnisse wird auf Vorschlag des Referenten bg. von Hagen von diesem Titel ausge}! aa i: Abg. Viereck (freikonf.) : Wir haben vorzwei Jahren die Regierung ersucht um eine Prüfung der Frage, ob fi für die Richter die Gin- führung des Dienstaltersstufensystems empfehlen würde. Wir hofften auf das Wohlwollen des Justiz-. und des Finanzministers auch für die Verbesserung der sozialen Lage des Richterstandes, haben aber troßdem den Antrag wieder eingebracht, weil die Einführung dieses Systems immer dringliher wurde, weil die Unsicherheit des Auf- rückens in höhere Gekbälter sich. immer mehr verschärst. Wir haben damit auch den Wünschen dieser Beamten zu entsprehen geglaubt. Diese Wünsche sind vorhanden. - Wenn sie nicht in Petitionen, n roshüren usw. - an den Tag kamen, sondern nur gelegentlich un vereinzelt und in bescheidener Form in juristisGen Fachzeitsch ien auftauhten, fo liegt das an der Zurückhaltung, welche si diese Beamten vermöge ihrer Stellung glauben auflegen zu müssen. r waren berufen, diesen Wünschen Ausdruck zu geben. Die Richter haben es ebenso wie andere Beamtenkategorien als ihrer unwürdig ge- funden, daß fie auf den Abgang von Vordermännern warten müssen, um cen zu können ; zudem befanden sie sich in steter Ungewißheit, wann aufrücken würden. Durch die gestrige Erklärung des Finanzministers, fe das Dienstaltersstufenystem unter Erhöhung des Höchstäehalts zur Einführung kommen werde, ist ja anscheinend unser Antrag erledigt. kann nur unsere Freude und Befriedigung darüber aussprechen, daß die Regierung auf die Wünsche des Hauses eingegangen ist und auch die Frage erledigt hat, deren befriedigende Lösung bisher stets an unüberwindlihem Widerstand scheiterte, die Frage der Gleich- stellung der Richter mit den Verwaltungsbeamten. Grwünscht wäre eine Mitteilung, wann die hierauf bezügliche Vorlage zu erwarten sein wird, und, foweit zulässig, eine Mitteilung über deren Grundsäße. Wann wird z. B. nah dem neuen Gesetze das. Einrücken in das Höchsigehalt erfolgen? Bisher ging die hauptsählichste Klage dahin, daß es in einem fehr alen Lebensalter erfolge. Ferner ist die Frage, ob vom Zeitpunkt der etatsmäßigen Anstellung an gerehnet werden soll, oder ob eine Wartezeit Plat greifen foll. Bei der An- stellung der Richter und Staatsanwälte liegen ja ganz besondere Gründe ver, welche es faum tunlich erscheinen lassen, das Besoldungs- dienstalter von der ersten Anstellung an zu rechnen. Es wurde {on von dem früheren Minister Schönstedt betont, daß die Individualität der einzelnen Persönlichkeit und die Anforderungen, die an einzelne Stellen gestellt werden müssen, das nicht zulassen; 1903 erfolgte dur{s{nittlich die Anstellung nah etwa 54 Jahren. In der Tat kann die definitive Anstellung nicht nach der Anciennität erfolgen, weil die Leistungsfähigkeit der einzelnen Kandidaten sehr verschieden ist, und an die Aemter, die son an sich, ie nah- dem sie ländliGße oder \tädtishe sind, sich unterscheiden, sehr ver- schiedene Anforderungen gestellt werden. Die Anstellung nah der Reibe wird darum nit durchzuführen sein, Wird ein Gerichts- assessor unter dem Durhschnitt früh angestellt, so wird das in der Megel seine Begründung darin finden, daß er ausnahmsweise e ‘Und daß er in der Wahl des Ortes sehr bescheiden gewesen ist. Es gibt aber viele, melde aus Gründen, die nicht in threr Person liegen, viel später als nah dem Dur&schnitt zur Anstellung gelangen. Ich spreche nicht für diejenigen, welche durch Ablehnung einêr Stelle oder wegen fehlerhafter Führung oder aus fonstigen persönlichen tomenten nicht alsbald angestellt werden können, denen geschieht nit unrecht, wenn fie später angestellt werden ; . aber gegen ie übrigen würde es eine Ungerechtigkeit sein, wenn man e erst in einem späteren Zeitpunkt in das Besoldungsdienstalter einstellen wollte. Es wird da zu einer gewissen Anrechnung, zu einem gewissen Durchschnitt gegriffen werden müssen, vielleicht bon 4 Jahren. Aufklärung wäre au darüber erwünscht, ob Ueber- angsbestimmungen vorgesehen werden sollen, nach welchen keiner in eE bisherigen Einkommen geschädigt wird. Wie soll es mit pu Besoldungédienfstalter bei Beförderten gehalten werden? Heute trit bei einem Stellenwechsel durch Beförderung der Beförderte in a reues Besoldungödienstalter und erst in 3 Jahren in die nâdhste tufe ein, Dies wird von den Beförderten als ein Uebèlstan shwer empfunden; es sollte ihnen ein besserer Anschluß an das B lge as Ler" Desocteden nid von dee Set ihrer Ber erwägen, ob man den Beförderten ni on der förderung t E pensionsfähige Stellenzulage bewilligen follte.

Justizminister Dr. Beseler: ; Meine u Ston bei den Kommissionsbératungen in s Jahre habe ih erklärt, daß die Stzatsregierung in Beratung darü f betreten fei, wie vie soeben von dem Herrn Abgeordneten behandelte tage gelöft werden solle. Die Beratungen haben das Ergebnis t abt, daß die Staatsregierung die Ansicht gewonnen hat, die „jeb a t und Weise, wie die Besoldung der Richter und Staatsanwälte geregelt wird, sei nit die richtige. Erhebliche Unzuträglichkeiten zeigen sh dabei tägli. Es ist häufig unvermeidlih gewesen, daß

zer eine Beamte verbältnismäßig früh, der andere wesentlich ge

tine höher besoldete Stellung gek ist. Es kam dies daher, g gekommen ist. E wir bestimm te Gehaltsgruppen haben, in denen die Cn llen festgelegt sind, sodaß ein Aufrücken in eine höhere Gehalt ; s e stattfinden kann, wenn ein Beamter aus den S? gten nun eiwa in ei Stellenvermehrungen,

? a in einem Jahre große

men die einzelnen Richter s{neller in eine höhere Besoldung,

kann der Verwaltungsbehörde

+ Í

falls mußten sie oft lange warten. Viel ri&tiger ist das fonst a A System der Dienslaltersstufen, welche von 3 zu 3 Jahren steigen. Dieses System bringt eine regelmäßige Er- höhung des Gehalts mit sich und läßt infolgedessen Uebelstände der erwähnten Art nicht auffommen. Das Staatsministerium hat anecr- kannt, daß die Neuregelung der Nichtergchälter in dieser Art erfolgen müsse. In Anbetracht nun, daß den Richtern eine hochbedeutsame Amtspflicht obliegt denn sie haben die in der Verfassung vorgesehene rihterlihe Gewalt auszuüben; sie haben Frieden und Ordnung im Lande zu wahren, eine hohwihtige Aufgabe! is es nach der Auffassung der Staatsregierung einzig und allein rihtig, daß sie auch in ihrem - Einkommen nicht anders gestellt werden als diejenigen Beamten der allgemeinen Verwaltung, welche eine gleiche Vorbildung und eine gleichartige Ausbildung bei den Behörden er- fahren. (Bravo!) Infolgedessen wird die Staatsregierung dem hohen Hause den Vorschlag unterbreiten, die Dienstaltersstufen für die Richter mit einer neuen Stufe von 7200 & abzuschließen. Es würden dadur sieben Stufen gebildet werden mit einem Zeitraum von zusammen 21 Jahren für das Erreichen des Höchstgehalts.

Diese Auffassung wird also nach der Meinung der Königlichen Staatsregierung im nächstjährigen Etat zum Ausdruck zu bringen sein, und dazu bedarf es einer geseßliGßen Vorbereitung, welhe in einer Aenderung des Nichterbesoldungsgeseßes bestehen muß. Die Justiz- verwaltung hat die Ausarbeitung dieses Gefeßes alsbald in Angriff genommen (bravo!), und ih hoffe, daß es dem hohen Hause noch in dieser Session vorgelegt wird. (Bravo!) Ist das der Fall und nimmt das hohe Haus das Gesetz an, so werden.sich im Etat für 1908 die neu’ geregelten Stellen finden. Ih glaube, daß damit im großen und ganzen den berechtigten Wünschen der Richter und Staatsanwälte bet den Amts- und Landgerichten voll Rechnung getragen sein wird, und ih bin der Meinung, daß durch die Neuregelung dem allgemeinen staatlihen Interesse nur gedient wird.

Meine Herren, ih bin gern bereit, auf Anregung des Herrn Vor-

redners noh zu sagen, wie die Ausgestaltung der weiteren Maßnahmen gedacht ist. Ih erwähnte hon, daß eine neue Stufe von 7200 4 eingerihtet werden soll. Es kommt aber noch in betrat, daß nah den besonderen Verhältnissen der Justizverwaltung bei der etatsmäßigen Anskellung der Gerichtsafsessoren die Dienstaltersfolge nicht in dem- selben Maße innegehalten werden kann wie in andern Verwaltungen. Es soll deshalb zum tunlichsten Ausgleich von Härten für solche Be- amte, die bei der etatsmäßigen Anstellung hinter dienstjüngeren haben zurüdgestellt werden müssen, der über das gegenwärtige durhschnitt- lide Anstellungsalter von 5 Jahren hinausgehende Teil der Affessorendienstzeit bis zur Höchsidauer von wei Jahren auf das Besoldungsdienstalter angerechnet werden, sodaß einem - Affessor, der nah 7 Jahren angestellt wird 5 Jahre lang arbeiten ja alle Affessoren als ‘sogenannte „unbesoldete“ nur gegen gelegentliße Diäten in der Regel zwei Jahre an- gerehnet werden; wenn ein Jahr angerechnet wird, würde also die erste Stufe in zwei Jahren durhlaufen. Die bisherigen Zulagen von je 600 & für jede Stufe sollen beibehalten werden; die Fristen für das Verbleiben auf den einzelnen Gehalts\ftufen werden wie bei allen übrigen Beamten auf je dret Jahre bestimmt, sodaß das HöWstgehalt von 7200 #4 mit einem Besoldungsdienstalter von 21 Jahren erreiht wird. Nun eine weitere Eigenart, die auch noch Berücksichtigung finden muß. Die Einführung der Dienstaltersstufen für die Landrichter, Amtsrichter und Staatsanwälte wird die Beseitigung der jeßt als Mißstand empfundenen Möglichkeit zur Folge haben, daß ein Beamter in der Stellung des Oberlandesgerichtsrats, Landgerichtsdirektors oder Ersten Staateanwalts zeitweilig ein geringeres Gehalt bezieht, als ihm in der Stellung des Landrichters, Amtsrichters oder Staats- anwalts zustehen würde. Um aber die Beförderung zum Oberlandesgerihtsrat, Landgerichtsdirektor oder Ersten Staatss anwalt regelmäßig mit einem Vorteil im Gehaltsbezuge zu verbinden, soll das Mindestgehalt für diese Beamtenklassen na der Meinung der Königlichen Staatsregierung anstatt bisher auf 4500 „A auf 6000 M festgeseßt werden. (Bravo!)

Dann werden natürlich Uebergangsbestimmungen nötig sein. Dabet soll beachtet werden, daß niemand etwas von dem verliert, was er bereits erreicht hat, sondern daß Aenderungen nur zu Gunsten der einzelnen Stelleninhaber eintreten.

Dann möchte ih zum Schluß noch bemerken, daß es nit die Absicht der Königlichen Staatsregierung ist, bei diesem Geseß wieder auf die früher au erörterte Frage zurückzukommen, ob eine geseßliche Einschränkung der Ernennung zum Assessor eingeführt werden soll. (Bravo!) Also der damalige §8 wird in der Vorlage nicht erscheinen.

Wie gesagt, diese Vorlage wird ausgearbeitet, und ih hoffe, sie dem hohen Hause bald unterbreiten zu können. Ich spreche die Hoff- nung aus, damit den Wünschen sowohl der Beauiten, als des hohen Hauses in jeder Hinsicht entgegenzukommen. (Lebhaftes Bravo!)

Abg. Vier eck (freikons.) beantragt mit Nücksicht auf diese erfreuliche Erklärung der Regierung, den Antrag Arendt für erledigt zu erklären.

Abg. Pallaske (fkonf.): Die Erklärung des Ministers erfüllt einen von mir wiederholt ausgesprochenen Wunsch. Ih möchte aber im Anschluß daran noch auf die Vorbildung der Richter hinweisen. Wir haben im vorigen Jahre ein Geseß über die Vórbildung der höheren Verwaltungsbeamten gemaht. Jch würde dem Justizminister dank- bar fein, wenn er uns Auskunst gäbe, wie die Entschließung der Re- gierung bezüglih eines Geseßes wegen der BOlanng der höheren Gerichtsbeamten ist. Au für diese müssen wir zu demselben Ziel gelangen. In dem vorliegenden Etat bleibt die Vermehrung der NRichterstellen hinter derjenigen in früheren Jahren zurück. Die Nichtervermehrung is aber dringend. Es bedarf ferner einer organischen Umgestaltung unserer gerihtliGen Behörden. Mit dieser Frage hat sich auch das Herrenhaus, das zahlreiche hervorragende Juristen zur Verfügung hat, beschäftigt. Besonders hervorgetreten ift die Rede des Oberbürgermeisters Adickes, die er dann auch in einem besonderen Bulhe niedergelegt hat. Dieses Buch ist bedeutung8voll und interessant, aber meine reunde find mit mir im Zweifel, ob die Ideen des Herrn Adickes für die künftige Gestaltung unserer Rechts- pflege brauchbar sind. Er stebt niht mehr in der juristischen raxis und beurteilt die Dinge nicht mehr ganz ausreichend. Seine orshläge beruhen hauptfächlich auf den englischen Rehts- und Verfassungs- zuständen, für welche bei uns die Vorausseßungen nit vorhanden sind. Die Ausführungen des Oberbürgermeisters Adickes find {on in der Literatur unseres Vaterlandes vielfahen Kritiken begegnet, namentlich in der Hinsicht, daß die tatsählihen Unterlagen, aus denen er seine Sglüsse ziébt, nicht sehr zuverlässig sind. Es wird in diefen Schriften auch ausgeführt, daß die Zustände und Einrichtungen Englands {ih auf die unseres Vaterlandes nit übertragen lassen, und zwar um so weniger, als man in England selber an der dortigen Justizpflege allerhand auszuseßen hat. Anderseits ist ja der Reichskanzler und mit ihm die preußishe Verwaltung der “Meinung, daß Verbesserung,

namentlich eine andere Begrenzung der Kompetenz am Plate ist, Die englishen Zustände können wir jedenfalls nicht übernehmen. Niemand kennt die Fehler unserer Justizeinrihtungen besser wie wir selber. Eine Besserung wird aber angestrebt. Hoffentlich gelangen die Vorschläge der verbündeten Negierungen recht bald an den Neich2tag.

Justizminister Dr. Beseler:

Die von dem Herrn Abgeordneten behandelte Frage wegen der Vorbildung zum höheren Justizdienst wird gerade gegenwärtig im Ministerium eingehend erörtert. Es ist erwogen worden, ob es an- gezeigt sei, eine andere Art \{riftliGer Arbeiten, als wie sie jeßt üblich find, einzuführen. Die Meinungen darüber gehen sehr aus- einander; aber die Sache wird, wie gesagt, in ernste Erwägung ge- nommen, und ih hoffe, daß sie zu einem befriedigenden Abs{chluß führen wird. Nähere Angaben kann ich zur Zeit niht machen, weil ih selbst noch nicht klar sehen kann, welher Plan der beste sein mag.

Der Herr Abgeordnete hat ferner die Anregungen behandelt, die im Herrenhause im vorigen Jahre von einem seiner Mitglieder ge- geben worden sind, und ich will mit ein paar kurzen Worten mich darauf einlassen, wenngleih eine Vollsländigkeit bet der Etatsberatung unmögli is; denn es handelt sich um Fragen von einer Breite und einem Umfang, daß ihre gründliche Erörterung tagelange Verband- lungen erfordern würde.

Die Ausführungen des genannten Herrn Oberbürgermeisters \ind hon in der Literatur unseres Vaterlandes vielfaher scharfer Kritik begegnet, namentlich auch in der Hinsicht, daß die tatsählihen Unter- lagen, aus welchen er seine Schlüsse zieht, nit zutreffen, sondern daß ganz - andere ftatistishe Ergebnisse vorliegen. Jch könnte in dieser Beziehung und für die Herren Juristen des Hauses will ih es hiermit tun auf die S{hriften verweisen, die von Affessor von Lewinski und von Professor Stein veröffentliht worden sind; in ihnen E E Frage nah meiner Ansicht sehr gründlich und sorgfältig be-

andelt.

Daß wir die Einrichtungen Englands auf unser Vaterland ohne weiteres übertragen follten, will ja auch Herr Adickes niht. Es würde das auch platterdings unmögli sein. (Sehr rihtig!) Es kann gar keine Rede davon sein, daß wir dasjenige übernehmen, was dort besteht, und zwar um so weniger, als den Herren bekannt sein wird, daß_man in- England selber allerhand an den eigenen Einrich- tungen auszujezen hat, und es - auffallend findet, daß man die dort niht gerade gelobten Einrichtungen hier uns zur Nachahmung empfehlen will. Also ih glaube, daß die Reformen, die ja auc in unserem Vaterland auf dem Gebiet der Rechtspflege im Werden sind, fi ni@t auf die Grundlage werden stellen lassen, die bei jenen früheren Verhandlungen des Herrenhauses angedeutet worden find. Andererseits i aber auch der Reichskanzler und mit ihm die preußische Regierung der Meinung, daß allerhand Verbesserungen wohl am Plaße seien, wenn auch nit gerade in der äußeren Organi- tion, der Gruppierung unserer Gerichtsbehörden, sondern vielmehr in einer anderen Abgrenzung der Kompetenzen, sodaß in dieser Hin- sicht eine ganz bedeutende Verschiebung stattfinden kann, die nach wohlerwogener Mzinung eine wesentliche Verbesserung bedeuten würde. Im allgemeinen kann ih hier nur meine persönliche Ansicht aussprechen; denn etwas fertig Vorliegendes ist noch nicht gegeben. Aber in der Vorbereitung ist vieles und Bedeutsames, und es wird auch seinerzeit in die Erscheinung treten.

Ich möchte diese Worte nur gesprochen haben, um die Anfrage kurz dahin zu beantworten, daß, soweit ih persönli die Dinge über- sehen kann, englische Zustände nicht übernommen werden follen (Bravo!), daß aber eine Besserung unserer Justizeinrihtungen, deren Fehler doch niemand besser weiß als wir selber, angestrebt wird, und daß man auf gutem Wege ist, dies Ziel zu erreihen, wenn, wie ih nit bezweifle, die begonnenen Arbeiten ihren Fortgang nehmen, und wenn,

wie ih hoffe, der Reichstag später diese Vorschläge annehmen wird. (Bravo!).

Abg. Tourneau: Die Steigerung der Einnahmen aus und Strafgeldern sind ein Beweis dafür, daß E die R Behörden eine größere Mehrarbeit zu bewältigen haben. Dies gilt namentli von den Zivilprozessen. Die Vermehrung der Richter- stellen steht mit der Erhöhung threr Arbeitslast nicht im Eink ang. Das Hilfsrihtertum muß möglichst beseitigt werden. Der Zeit- punkt, wann eine Reorganisation der Nechtspflege eintreten kann, ist aus der heutigen Erklärung des Ministers nicht zu ersehen. Bei der in Aussicht genommenen Reorganisation müßten die Oberlandes- gerihtspräsidenten und Landgeri{tspräsidenten entlastet werden, dann würden die shematishen Verfügungen verschwinden, über welche jeßt vielfa geklagt wird, und die Landgerichtspräsidenten würden die Imts- gerichte öfter revidieren können. Die inshränkung des Schreibwerks in der Justiz ist erfreulih. Die Weglassung der Titulaturen usw. kann aber oft einen Mißton in die Korrespondenz bringen. Viele Richter sind dur die Tbfafung der Urteile außerordentlih überlastet. Was das Strafgeseßbuch betr fft, so sollten so rasch wie möglich die drakonischen Bestimmungen für Eigentumsvergehen daraus beseitigt werden. Das heutige Strafgeseßbuch schüßt das Eigentum, während es die persönlihe Ehre und „sonstige ideale Güter nicht genügend wahrt. Den Richtern \ollte ein weiterer Spielraum für das Straf- maß eingeräumt werden. Roheitsverbrecher, Bettler und Vagabunden, die sih als unverbesserlih erweisen, sollten nit ins Gefängnis oder Zuchthaus geshickt werden, sondern dauernd für das ganze Leben zur Arbeit angehalten werden. Dazu wäre es am besten, wenn man sie nah unseren Kolonien deportierte. Meine politischen Freunde haben sich stets für eine Gleichstellung der rihterlidhen mit den Regierungsbeamten ausgesproGen. Wir begrüßen die Erklärung des Justizministecs, daß der sogenannte Assessorenparagraph in der im nächsten Jahre zu erwartenden Vorlage nit wieder erscheinen wird. Wir wünschen eine Gleichstellung der Oberlandesgerihtépräsidenten mit dem Kammergerichtspräsidenten und sämtlicher Oberstaatsanwälte mit dem Oberstaatanwalt beim Kammergeriht im Gehalt und die Gewährung von Repräsentationsgeldern an die. Oberlandésgeri{ts- präâsidenten, die Gewährung von Dienstwohnungen, eine Erhöhung

der Gehälter der Landgerichtêpräsidenten und die Erreichung ihres Hölhstgehalts in fechs Jahren, erner wünschen wir eine Verbesserung der Nangverhältnisse sämtlicher richterlicher

Beamten, sie müssen darin den Verwaltungsbeamten gleich- gestellt werden. Ferner muß eine Gleichstellung der Gerichts- beamten unter sch und mit den Offizialbeamten stattfinden, endlih wünschen wir, daß für die katholishen Justizbeamten auch in Gegenden mit nicht überwiegend fkatholischer Bevölkerung an fkatholishen Feiertagen die Arbeit ruhe. Möge der Justiz- minister hierin Parität üben : Gleiches Necht für alle Konfessionen !

g. Dr. Nöchling (nl.): Auch wir haben die heutigen Erklärungen des Justizministers mit Freude begrüßt. Es wäre aber ein Mangel der Etatsberatung, wenn wir an den großen Fragen, die die Juristen- welt heute bewegen, stumm vorübergehen würden. Der Standpunkt unferer Justizverfassung, die iu den 70er Jahren entstanden ift, läßt sih auf die Dauer nicht aufrecht erhalten. Unsere heutige Auffassung geht dahin: nicht viele Richter, sondern möglihst gute Nichter; die- jenigen, die entscheiden, müssen ausgesuhte Persönlichkeiten sein, Der Weg, auf dem wir bisher der beständigen Geschäftsvermehrung haben Herr werden wollen, ist nit gangbar, denn wir haben den Mängeln