1907 / 91 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Apr 1907 18:00:01 GMT) scan diff

er auch den Grundsaß kennen: Quod non est in actis, non est in mundo. Das if eben der Fehler, meines Erachtens, daß sehr viele Dinge, die in den Akten stehen sollten, nicht darin stehen; das liegt daran, daß vielfah die Rentenanträge in den unteren Instanzen niht mit der Gründlichkeit und Sorgfalt behzndelt werden, die meines Erachtens im Interesse der sozialpolitischen Geseh- gebung aus moralishen und finanziellen Gründen notwendig ist.

Es fällt mir gar nit ein, einen unberechtigten Einfluß üben zu wollen auf den Rückgang der Renten; ih will nur einen Einfluß üben dahin, daß nur da Renten festgeseßt werden, wo der Anspruch ein geseßlich gehörig begründeter ist. Mein Bestreben geht deshalb auch seit jeher dahin, die Vorbereitung der Anträge in den unteren In- ftanzen wesentli zu verbessern, und darin, meine Herren, follten Sie mi unterstüßen! Jch versibere Ihnen, es ist dringend notwendig. Wegen solcher Kleinigkeiten, wie der Herr Vorredner erwähnt hat, find Renten nicht entzogèn worden, sondern die Fälle, wo Renten auf Grund der Revision entzogen worden find, waren sehr flagrante Fälle, wo die Bewilligung der Renten mit den Vorschriften des Gesehes unbedingt unvereinbar war.

Vebrigens iff mir au nicht eingefallen , einen Angriff gegen die deutshe Aerzteschaft zu rihten; ih habe nur einzelne amtlich festgestellte Fälle hier mitgeteilt und“ freue mich au, daß, während bisher gerade von der Partei des Herrn Vorredners sehr heftige Angriffe gegen die Aerzteshaft gerichtet worden sind, er im Gegenteil heute für die Aerzteshaft eingetreten ist. Ih habe hier oft gehört, daß die Herren gesagt haben, ‘die Aerzte wären befangen, ständen unter dem Druck des Unternehmertums ; heute hat er gerade eine Rede zu Gunsten der Aerzte gehalten und ich kann seinen Aut- führungen im allgemeinen nur- vollkommen beistimmen. Dadurh wird aber der Wunsch nicht beseitigt, daß eine bessere Vorbereitung der Anträge der unteren Instanzen stattfinden möge.

Ih möhte nun auf eine Anzahl von Fragen eingehen, die an mi gerihtet worden sind. Ih halte mi für verpflichtet, auf jede Anfrage, die im hohen Hause an mi gerihtet wird, auch eine sach- lie Antwort zu erteilen.

Was zunächst die Sonntagsruhe in der Binnenschiffahrt an- betrifft, so habe ich mi ja wiederholt geäußert, daß ih eine An- ordnung zu Gunsten der Binnensiffer in dieser Rihtung für not-

wendig halte. Die Erhebungen des Beirats für Arbeiter- ftatiftik über die Dauer der täglihen Arbeitszeit in der Binnenschiffahrt sind aber bis jest noch nit beendet,

und man kann selbstverständliß au in einer so s{wierigen Materie keine Vorschriften über die Sonntagsruhe in der Binnenschiffahrt treffen, wenn nit gleihzeitig die Erhebungen über die tägliche Arbeitszeit in der Binnenschiffahrt beendet sind. Ich will mir an- ‘gelegen sein lassen, darauf hinzuwirken, daß diese Erhebungen des Arbeiterstatistishen Beirats mit möglichster Beschleunigung zu Ende geführt werden, da ih die Dringlichkeit, die Frage im Wege der Ver- ordnung zu regeln, mit dem Herrn Vorredner aus der Mitte des Hauses durchaus anerkenne.

Was ferner das Verbot der Sonntagsarbeit im Gewerbe betrifft, so ist eine allgemeine Revision der vom Bundesrat mit Bekannt- machung vom 5. Februar 1895 zugelassenen Ausnahmen vom Verbot der Sönntagsarbeit in Angriff genommen. An Hand der von den -Bundesregierungen angestellten Erhebungen und auf Grund kom- mifsarischer Beratung is in sämtlihen in der erwähnten Bekannts machung enthaltenen Gruppen ein vorläufiger Entwurf aufgestellt und den Bundesregierungen mitgeteilt worden. Nah VWVer- arbeitung der hierauf von den Bundesregierungen eingehenden Gut- ahten wird voraussihtlich im kommenden Winter dem Bundes- rat eine Vorlage zur Abänderung der erwähnten Ausnahmebestim- mungen zugehen. Soweit fich übersehen läßt, wird allerdings, wie ih bereits vorgestern ausgeführt habe, eine Reihe von Ausnahmen von der Verpflichtung zur Sonntagsruhe nicht mehr aufrechterhalten werden können.

Vie bereits von einem der Herren Vorredner autgeführt worden ist, find die Gewerbeinspektionen aufgefordert worden, über die Verhält- nisse der Glasindustrie im allgemeinen zu berichten. Den Anträgen, die in dieser Beziehung vorliegen, wird erst dann stattgegeben werden können, wenn jene Berichte eingegangen find. Ich bemerke aber, daß mit Rücksicht auf die Sonntagsruhe in den Glashütten doch {on sehr einschneidende Bestimmungen ergangen sind, die meines Erachtens eine wesentliche Besserung des bisherigen Zustandes bedeuten. So- bald die Berichte der Gewerbeinspektoren vorliegen, werden alle diese Fragen, die hier im hohen Hause und in den vorliegenden Anträgen angeregt worden sind, zum Gegenstande der Erwägung gemacht werden.

Ich komme jeßt mit einigen Worten auf die Submissionsfrage, die ja bereits sehr eingehend erörtert worden is. Ich bemerke zunächst, daß die preußishen Bestimmungen im Reichsdienft bereits Anwendung finden; nur in der Heeres- und Marineverwaltung sind 2 sie noch nit - angewendet, weil dort eigenartige Verhältnisse vorliegen. Ich babe mich aber erneut an die Herren Chefs der Reichsmarine- und der Heeresverwaltung mit der Bitte gewendet, die Einführung dieser neuen Submissions- bedingungen möglichst zu beschleunigen und mir auch die Aenderungen mitzuteilen, die fie gegen die allgemeinen Submissionsbedingungen einführen wollen.

Ih möchte dazu bemerken, daß ein Teil der Wünsche, die hier geäußert find, in den preußishen Bedingungen bereits erfüllt ist. So heißt es z. B.:

„Bei ter Auswahl der Unternehmer is nach Möglichkeit zu wechseln. Auch sind dabei die ortsangesessenen Gewerbetreibenden ‘vorzugsweise zu berücksichtigen.“

(Bravo! rechts.) Es beißt ferner in den Submissionsbedingungen, die also jeßt au für das Reich maßgebend sein sollen.

„Bei der Vergebung von Bauten sind im Falle gleicher Preiss\tellung die am Ort der Ausführung oder dessen Nähe ‘wohnenden Gewerbtreibenden vorzugsweise zu berücksihtigen, wenn sie die Arbeit im eignen Betriebe ausführen.“ erner:

„Liegen von mehreren Handwerkern gleihwertige Angebote

vor, so find bei der Zuschlagerteilung diejenigen Bewerber vorzugs- -

e zu berüdsichtigen, die berechtigt find, den Meistertitel zu

hren.* (Sehr gut ! rets.)

Z Es find aber noch weitere Wünsche geäußert worden. Es ist nâdst eine Berücksichtigung der Tarifverträge gewünscht worden, die

si allerdings in den preußischen Bestimmungen nicht findet. Jedoch, meine Herren, chüßt gegen Unterbietung der Leistung folgende Be- stimmung der preußischen Ausführungsbestimmungen: „Die niedrigste Geldforderung als solhe darf für die Ent- s{heidung über den Zuschlag keineswegs dea Ausschlag geben. Der Zuschlag darf nur auf ein in jeder Bezichung annehmbares, die tüchtige und rechtzeitige Ausführung der betreffenden Leistung oder Lieferung gewährleistendes Gebot erteilt werden. Ausgeslossen von der Berücksichtigung sind solche Angebote, die eine in ofen- barem Mißverhältnis zu der Leistung oder Lieferung stehende Preis- forderung enthalten, sodaß nach dem geforderten Preis an und für sich eine tüchtige Ausführung nit erwartet werden kann. Weiter ist eine vorzugsweise Berücksichtigung der Genossenschaften nicht vorgesehen. Die Berücksichtigung der kleinen Gewerbtreibenden ist jedoh dur folgende Bestimmungen gewährleistet: „Die Aus\creibungen sind tunlichst derartig zu zerlegen, daß au kleineren Gewerbtreibenden und Handwerkern die Beteiligung an der Bewerbung ermögliht wird. Bei größeren Arbeiten oder Lieferungen, die ohne Schaden für die gleihmäßige Ausführung getrennt vergeben werden können, hat daher die Vergebung in der Regel in den verschiedenen Gewérbs- und Handwerkszweigen ent- entsprehend zu erfolgen; auch ist in geeigneten Fällen die Ver- dingung nach den Arbeiten und zugehörigen Lieferungen zu trennen.“ Das ist auch eine besonders wichtige Bestimmung

„Bei besonders umfangreihen Ausschreibungen sind die auf die

einzelnen Gewerbs- und Handwerkszweige entfallenden Arbeiten oder

Lieferungen in mehrere Lose zu teilen.“ Meine Herren, das sind aber nur formale Bestimmungen. Ob indes diejenigen Wünsche, die hier im hohen Hause geäußert worden sind im Interesse der Handwerker und die ich vollkommen teile, erfüllt werden, hängt davon ab, wie diese Bestimmungen ausgeführt werden, Man muß #ich hierzu die Mühe nehmen, diesen Verhältnissen nah- zugehen, solche Fragen müssen mit einer gewissen Liebe, mit einem gewissen inneren Interesse für den Zweck zur Ausführung gebracht werden, nicht rein bureaukratisch; man muß immer das eigentliche Ziel vor Augen haben, welches dur - diese Submissionsbedingungen erfüllt werden soll. Es ist natürlih für den, der die Arbeiten leitet, viel leihter, mit einem großen Unternehmer zu verhandeln, der die ganze Sache übernimmt, der alles besorgt, der einem keine Shwierigs keiten mat. Haben wir aber eine Reihe von kleinen Unternehmern, bei denen man dann dafür sorgen muß, daß Lieferungen und Arbeiten rechtzeitig ineinandergreifen, um au die rehtzeitige Fertigstellung des gesamten Werkes zu ermöglichen, so if die Bauleitung wesentlich schwieriger. Das macht dem einzelnen Beamten, der die Arbeit zu [eiten hat, natürlich erheblih mehr Arbeit. und verursacht ihm vtel mehr Sorge, aber ich meine, sozialpolitisch ist eine liebevolle Detail- arbeit hier sehr wertvoll. (Sehr rihtig) SolWe Be- stimmungen wie die verlesenen können nur einen formalen Cha- rakter haben ; hier kommt es eben darauf an, daß die Bestimmungen auch in dem Geiste ausgeführt werden, in dem fie gegeben sind.

Was die Arbeitsverhältnisse des Bureaupersonals der Rechts» anwälte und Notare betrifft, so ist im Reichstage bereits in der Sitzung vom 3. Februar 1906 mitgeteilt worden, daß die von dem Herrn preußischen Justizminister eingenommene Stellung den übrigen Bundesregierungen zur Kenntnis gebraht worden sei. Die dazu ein- geforderten Aeußerungen der Regierungen liegen aber noch nicht voll- ständig vor; deshalb kann ich mich über die Sache auch noch nicht endgültig äußern. e f : N

Es is au eine allgemeine Regelung der Beschäftigung von

Arbeiterinnen und von jugendlihen Arbeitern bei gesundheitshädlichen -

Arbeiten angeregt worden. Ih habe mich diejerhalb mit den Bundes- regierungen, insbesondere mit dem preußischen Herrn Minister für Handel in Verbindung geseßt. Der Herr preußische Minister für Handel erklärt aber, ein Bedürfnis für die Regelung nicht anerkennen . zu können. Auch ist er der Ansicht, es bestehe auch bei dem jeßt in Aussicht genommenen Vorgehen die Gefahr, daß Beschäftigungen verboten würden, die im ein- zelnen und niht etwa nur in vereinzelten Fällen zulässig seien. Das ist der Standpunkt, den vorläufig der Herr preußische Minister für Handel eingenommen hat. Ih werde aber die Frage nicht fallen lassen, sondern mi weiter mit dem Herrn preußishen Minister für Handel darüber unterhalten.

Eine wichtige Frage, die hier im Hause {hon oft behandelt worden ist, ist die Erhebung von Beiträgen einerseits wegen Zugehörigkeit zum Handwerk, anderseits wegen Zugehörigkeit zu den Fabriken, und ferner die Anwendung der Arbeiter- \chußbestimmungen der Gewerkteordnung auf die Einzelbetriebe.

Was zunächst die Anwendung der Arbeitershußbestimmungen der Gewerbeordnung betrifft, so habe ih darüber kürzli mit dem Herrn Handelsminister mündlich verhandelt und wir haben uns bis jeßt dahin geeinigt, daß es der einfahste Weg ist, um diesen zahllosen Zweifeln entgegenzutreten, die streitige Frage, ob ein Gewerbebetrieb oder ein Handwerkbetrieb vorliegt, nah der Zahl der in den einzelner Betrieben beshäftigten Gehilfen zu entscheiden. Maßgebend würde noch sein, ob in den einzelnen Betrieben motorische Kraft verwandt wird oder nicht. S glaube aber, man wird zu einer befriedigenden Regelung dieser Frage nur kommen, wenn man sich \chließlich an äußere Merkmale hält, die jeder individuellen Er- wägung entzogen find.

Nun weiter die Frage der Beitragsleistung, die noch erheblich \hwerer zu entscheiden ist. Jn der Reichstagssißung vom 3. Februar 1906 habe ich ausgeführt, daß es zur Beseitigung der Klagen über die zweifahe Heranziehung einzelner Betriebe zu den Beiträgen sowohl der Zwangsorganisationen des Handels als derjenigen des Handwerks vielleicht zweckmäßig sei, eine einheitlihe Schluß- instanz zu schaffen, die sowohl für die Handelskammer- wie für die Handwerkskammerorganisationen zu entscheiden habe. Grund- züge zu einer in dieser Richtung fi bewegenden Gesehesvorlage {ind ausgearbeitet. ?

Eine inzwischen bei den Bundesregierungen gehaltene Rundfrage hat aber-ergeben, daß das Bedürfnis nah einer geseßlichen Regelung niht überall in gleihem Maße besteht. Zunächst werden nicht in allen Bundesstaaten Beiträge zur Handwerkskammer erhoben, sodaß insoweit in den betreffenden Bundesstaaten eine Doppelbesteuerurg nicht vorkommen kann; in einer Reihe von anderen Bündesstaatcn entscheiden schon jeßt die nämlihen Behörden endgültig über die Zus gehörigkeit zu beiden Organisationsgruppen. ‘Auch für Preußen, wo verschiedene Behörden ‘entscheiden, kann ein dringendes Bedürfnis

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nah einer geseßlihen Regelung von dem Handelsminister zur Zeit nicht anerkannt werden. Nah der neueren Rechtsprehung des Oberverwaltungsgerihts können Handwerksbetriebe nit aus dem Grunde allein für handelskammerpflichtig erklärt werden, weil se in das Handelsregister eingetragen sind. Es muß vielmehr für die Handelskammerpflicht noch die unabhängig von der Eintragung in das Handelsregister festzustellende Tatsache hinzukommen, daß der Betriebsinhaber Kaufmann is. Die Kaufmannseigen- schaft ist jedoch zu verneinen, wenn dem Betreffenden mit Rücksicht auf seine gesamten Betriebsverhältnisse die Eigenschaft eines Hand- werkers zukommt. Auf diese Rechtsprehung werden die Handels- kammern hingewiesen, und es wird ihnen die Freistellung hiernah zweifelloser Handwerksbetriebe anheimgestellt werden.

In anderen Fällen; in denen die Natur eines Betriebs es zweifel- haft erscheinen läßt, ob er zum Handwerke oder zu den Fabriken ge- hört, will der Handelsminister im Verwaltungswege éine Anordnung treffen, wona ein Gewerbebetrieb, der durch rechtskräftige Ent- scheidung der Verwaltungsgerihte als Fabrik erklärt ift, von der Heranziehung zu den Organisationen ‘des Handwerks frei zu lassen ift. Gleichzeitig sollen die Regierungspräsidenten angewiesen werden, in allen derartigen zweifelhaften Fällen auf eine Beiladung der HandwerkskammerndurhdieVerwaltungsgerichte hinzuwirken. Den Handwerkskammern wird damit Gelegenheit gegeben, beim Verfahren mitzuwirken und eventuell auch Rechtsmittel einzulegen.

Endlich kommt in Betracht, daß die hier in Rede stehenden Fragen kaum zu regeln sein werden, ohne daß man übersieht, wieweit gleichzeitig etwa die Wünsche der Handwerker befriedigt werden können, die dahin gehen, die Fabrikbetriebe, die handwerksmäßig ausgebildete Arbeitskräfte beschäftigen, anteilig zu den Kosten heranzuziehen, die die Handwerkskammern für das Gesellen- und Lehrlingswesen auf- gewendet haben. In dieser Beziehung {weben statistische Erhebungen, die noch nicht zum Abschlusse gelangt sind.

Meine Herren, au die Frage der Gefangenenarbeit ift gestern bes rührt worden. Wie der Staatssekretär des Reichsjustizamts am 23. Februar 1906 im Reichstage erklärt hat, soll dem Reichstage eine Statistik über Art und Umfang der Gefangenenarbeit mitgeteilt werden. Die statistishe Erhebung if durch ein Rundschreiben des Reichsjustizamts an die Bundesregierungen vom 19. Juli 1905 mit dem 1. Dezember 1905 als Stichtag in die Wege geleitet worden. Eine Zusammenstellung des Materials ist dem Reichstage und auch dem Reichs- amte des Innern noch niht zugegangen. Die Vertretung der Sache im Reichstage wird bis auf weiteres dem Reihsjustizamte zu überlassen sein.

Auch die Aenderung der Gastwirtsverordnung ist wiederum angeregt. Jh kann nur wiederholen, daß kaum eine Verordnung des Bundes- rats so eingehend auch von den lokalen Instanzen in den einzelnen Bundesstaaten geprüft worden ist, wie gerade diese Gastwirtsverordnung, und wir konnten zu einer anderen Regelung \{ließlich nicht kommen. Wie Sie wissen, wurde auch im preußishen Abgeordnetenhause ein Antrag gestellt, eine Resolution zu fassen auf Aenderung dieser Ver- ordnung; dieser Antrag hat aber die Zustimmung des Abgeordneten- hauses nicht gefunden.

“Ich möchte nun noh einige allgemeinere Fragen berühren. Es ist hier wieder über die Schädlihkeit des Hausterhandels ge- sprochen. Ich gestehe ohne weiteres zu, daß ein Teil des Hausier- gewerbes, soweit es sich auf das Angebot von Waren bezieht, eigent- lih eine überlebte Einrichtung ist, ebenso überlebt meines Erachtens wie der allergrößte Teil der FJahrmärkte. Jahrmärkte und Warenhausierer stammen aus einer Zeit, wo das Land noch sehr s{chwach bevölkert war, wo wir wenige Verbindungen hatten ; jeßt kann man aber von jedem Teile des Deutschen Reichs in kürzester Zeit nach irgend einem Platze gelangen, wo wenigstens

j die mittleren und unteren Volksklassen alle ihre Bedürfnisse an Waren

für das tägliche Leben befriedigen können. Daß von den Hausterern vielfah auch mangelhafte, minderwertige Waren verkauft werden, mag richtig sein. Aber andererseits, glaube ih, wenn die verbündeten Re- gierungen \ih entshließen sollten, eine Aenderung zur Gewerbeordnung einzubringen, wonach das Warenhausieren wesentli erschwert oder ganz verboten wird, “würde sch kaum eine Mehrheit in dem hohen Hause für einen folchen Gesezesvorschlag finden; beim Hausierhandel

heißt es eben au, jeder muß die Augen aufmaten für die Waren, die er kauft,

Es find hier zwei Fragen erörtert worden, betreffend die Er- rihtung neuer Reihsinstitute: erstens die Errichtung einer gewerbli- technishen Reichsanstalt. Darüber kann ih heute keine Auskunft geben, weil diese Frage noch so neu ist, ‘daß sie noch nit genügend vertieft werden konnte. Aber weitere Erörterungen haben {on ge- \chwebt über die Errihtung einer chemisch-technis{en Reichsanstalt. Ich lasse jeßt den Interessenten meine Ansicht zu der Sache \chriftlich zugehen; da aber die Frage auch in ter Oeffentlichkeit so vielfa erörtert ist, möchte ih heute einiges aus diesem Bescheide mitteilcn. Bei solchen wissenschaftlichen Anstalten liegt bei rein bureaukratischer Organisation immer die Gefahr vor, daß die Personen, die an folchen Anstalten arbeiten und die wissenschaftliche Forshung im Interesse der praktischen Industrie fördern follen, ihre Fühßlung mit der Praxis und der Industrie verlieren, und daß dadur ihc Erforschungstalent und ihre praktische Auffassung der Dinge, ihr Verständnis dessen was die Industrie braudt, allmählich verblaßt. Nehmen Sie einmal an, wir würden rein bureaukratisch eine hemish-technische Reichsanstalt gründen; vergleichen Sie damit, welche Anregung ein Chemiker in einem großen industriellen Betriebe hat, wo er täglih auch die Be- dürfnisse des Publikums kennen lernt, wo er täglih den wechselnden Bedürfnissen der Industrie aus eigenster Anschauung nahe tritt, wo er tägli neue praktische und tehnishe Erfahrungen erwirbt. Nun wird so ein Herr in das Laboratorium einer Reichsanstalt verpflanzt. Zunächst ist bei allen diesen Dingen ein kleines Hindernis : hervor- ragende Techniker, hervorragende Chemiker bekommen Gehälter in der Industrie, die Sie nie bewilligen würden (Sehr richtig !) und die wir schon mit Rücksicht auf die anderen Beamtenkategorien nit bewilligen können. Also gerade die hervorragendsten Kräfte für den Neichsdienst ¿u gewinnen, die man für ein solches Institut braucht, wird außer- ‘ordentlih s{chwer sein. Ich leide darunter, daß ih S geradezu hervorragende Kräfte, die ich mi 2 L fe i gt Reichsdienst zu gewinnen, nicht bekommen kann, wetl es mir nit möglich ist, ihnen eine Entschädigung für das, was fie schon besigen, auf Grund des Etats zu bieten. Sehr viele hervorragende Kräfte konnte ich deshalb für den Reichsdienft troß langer Verhandlungen nit gewinnen. Außerdem leide ih au darunter, daß bisweilen