Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.
M 99. Berlin, Mittwoch, den 24. April 19075, ——_———————————————————————“
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Daß gerade in diesem Augenblick, meine Herren, wo wir im vorigen ahre dem Reichstage mehrere Geseße vorgelegt haben, vor allem das Aohe Versicherungsgeseß, von denen im Laufe der vielmonatlihen Session keines erledigt worden is, weil der Reichstag die Zeit dazu t fand, daß von dem Herrn Abg. Müller (Meiningen) gerade dieser Augenblick, wo nit wir, fondern eher der Reichstag im Rück- Und ist (Widerspru links), benußt wird, uns einen Vorwurf zu machen, eine Herren, das halte ih doch nit für richtig. Der Herr Abg. üller (Meiningen) hätte wenigstens konstatieren sollen, um unsere Atbeitsenergie anzuzweifeln, daß wir im vorigen Jahre Gesetze von edeutung vorgelegt haben, ohne daß im Reichstag ihre Erledigung êreiht werden konnte. (Zuruf links : Justizreform !) — Das ist nicht tidtig, Herr Abgeordneter; wenn Sie das Reichsjustizamt in so all- vemeiner Weise jensurieren, dann müssen Sie auch alle großen geseßz- weberishen Arbeiten aufführen, die wir dem Reichstag zugebracht Y — Ih muß das zu unserer Rechtfertigung anführen. Viel- tft wird das Urteil des Herrn Abgeordneten etwas milder ausfallen,
Ul er dieses Moment mit in seine Grwägungen hineinzieht.
Nun gingen aber, im Grunde genommen, wie mir \{eint, die Atführungen des Herrn Abgeordneten weniger gegen das Reichs- Uustiamt, als gegen den Herrn Reichskanzler, und er richtete an den “trn Reichskanzler den Appell, doch endli jene Verpflichtung be- gli der gesehgeberishen Tätigkeit des Reihsjustizamts zu erfüllen, è er dur seine Erklärung vom Frühjahr übernommen habe. 0, der Herr Abgeordnete ist do ein viel zu guter Jurist, um an- nehmen, daß die Arbeiten für die großen Re(töreformen, die der Herr Reichskanzler hier im Frühjahr berührt hat, in der kurzen Zeit
¿um jezigen Tag zu erledigen seien. Wie rasch sie aber zur Er- le igung kommen werden, das zu beurteilen, wolle er zunähst mal
freundlichst uns überlaffen. Er wird vielleicht überrascht sein, sobald ie verbündeten Regierungen fertig sein werden.
Er hat den Vorwurf erhoben, daß ih dilatorischGe Bemerkungen gemacht hätte über den Strafprozeß. Nein, meine Herren, ih habe keine dilatorischen Bemerkungen gemacht, ih habe nur ausgesprochen, wie die Geschäftslage augenblicklich "if, um keine Täuschungen auf- kommen zu lassen über den Zeitpunkt, zu welhem Ihnen der Gesetz- entwurf nah mens{chlichen Kräften und nah der Art unserer bundes- mäßigen Institutionen zugehen kann. Nun möhte ih Sie aber fragen, ineine Herren: wenn i Ihnen erkläre, daß Sie in der nä{hsten Session die Strafprozeßordnung — ein Werk, das allein den Reichstag eine Session hindur beschäftigen könnte — noch nit erhalten werden, kann dann der Reichstag das beanstanden? Der Herr Staatssekretär des
nern hat Ihnen neulich {on vorgehalten, welche Gesetzentwürfe W8 seinem Ressort an den Reichstag kommen werden. Wir, meine Herren, werden Ihnen außerdem nochz¿einiges bringen : das Ver- Vderungsgeset, das Geseß über den Wechsel protest, — (Zuruf links.) T Meine Herren, in diesem Augenblick können Sie doch den Straf- Sts nicht erwarten! Der Herr Abgeordnete hat gerade auf den Beh zeß Bezug genommen und mir den Vorwurf dilatorischer weit, dung gemacht, weil die Vorlegung des Strafprozesses immer iun: binausgeschoben werde. (Zuruf links.) — Ih bitte um Ent- der igung; ih möchte mich aber doch so weit rechtfertigen, daß in zu xMehanblung des Strafprozesses doch für uns ein Vorwurf nicht bro, en ist, Selbst wenn wir in der nähsten Session den Straf- ne hon fertig hätten, würde es ganz ungesunde Politik sein, L anderen Vorlagen, die wir bringen müssen, au diesen Ent- em Reichstag vorzulegen. Er wird shon zur rechten Zeit ohne "0, und wenn der Reichstag die Muße dafür hat, vorgelegt L links.) — Wenn ih den Herrn Abgeordneten e €, dann beziehen si seine Vorwürfe, die anfangs so große weitere geg nur noch auf das Versicherungsgeseß — denn Auf das B € Gefeye liegen doch niht vor — vielleicht au noch auband aubandwerkergeseß. Daß er so große Neigung zeigt, das eigentli E ergeseß zur Beratung zu bringen, das wundert mich En wurf denn bis dahin hat er nit dazu beigetragen, gerade diesen Vorwg èU begünstigen, (Sehr richtig ! rechts.) Heute muß es zum maden o dienen, um dem Reichsjustizamt eine übelwollende Kritik zu
fragen ttine Herren, was die Stellung des Reichskanzlers zu den Justiz- Sten betrifft, so möchte ih Sie doch bitten, die verfassungsmäßige Ps des Herrn Reichskanzlers zu berücksihtigen. Die or f ¿joorlagen gehen nicht von dem Herrn Reichskanzler als als glâge der Reichsverwaltung aus; sie werden von ihm vorgelegt kanzle tshlüfse der verbündeten Regierungen. Wenn der Herr Neichs- sie k in Frühjahr d. J. Versyrehungen abgegeben hat, so wird er fafsyg führen, soweit es an ihm liegt. Aber er kann über die ver- Und mäßige Mitwirkung der verbündeten Regierungen nit hinweg, na E müfsen {on die Geduld haben, daß auc diese Regierungen daß di O verfassungsmäßigen Befugnissen mitwirken. Wie ih meine, berfaffu verbündeten Regierungen in der geseßgeberischen Arbeit die ieren “n08mäßige Stellung des Reichstags berücksichtigen und respek- : fo müssen Sie auch bei der Beurteilung der Dispositionen des
ede Reichskanzlers berüdsichtigen, welche Stellung die verbündeten ungen einnehmen. :
so, meine Herren, soweit es sich nit um eine momentane Ungeduld
mög f, um Vorlagen, die augenblick&lich das Haus gern noch erhalten 8 so weit, glaube i, sind die Vorwürfe des Herrn Abgeordneten
ih R nicht berechtigt, soweit es fich aber — und damit will dauer eßen — um die Frage handelt, wie lange die jeßige Session bositi,, wird und welche Vorlagen Ihnen mit Nücksicht auf die Dis- Wi über die Dauer der Session jeßt noch gemacht werden Sonn 16 o schneiden Sie damit eine Frage an, die, wie i {hon am binauggend bemerkt habe, über die Kompetenz des Reichsjustizamts folz ; S9 und beim Etat der Reichsjustizverwaltung nit mit Er- Beziec andelt werden kann. Ich, stelle Ihnen anheim, sich in dieser mg an den Herrn Reichskanzler zu wenden. Ih habe keine
| Legitimation, mih über etwaige Wünsche zu äußern. Nachdem früher
die Dispositionen getroffen waren, wie sie dem Re ihstage bekannt sind, hat das Reichsjustizamt sich ledigli da nah zu richten. (Bravo! rets.)
Abg. Dr. Frank (Soz.): In der Brust des Abg. Dr. Müller- Meiningen seinen mir zwei Seelen zu wohnen, die eine zießt ihn nach links, die andere zum Block, also ins Ungewisse. Die linke Seele hat ihm sehr kräftige Worte eingegeben zur Geißlung gewisser Mißstände in der Justiz, die andere Seele hat ihn ver- anlaßt, meinem Freunde Heine Vorwürfe zu machen, weil er den deutshen Richterstand angegriffen habe. Die linke Seele hat dann aber dem Abg. Müller Worte in den Mund gelegt, die viel \{ärfer waren als alles, was Heine gegen die Nichter gesagt hat. Dr. Müller hat behauptet, daß sogar in der Verhandlungsführung ein besonderer Unterschied bezügli des Standes der Zeugen u w. feitens der Nichter gemacht wird. Seine Bemerkungen über den Nürnberger Fall müssen mit Mißtrauen aufgenommen werden, schon weil er dabei immer von Rädelsführern sprach. Keiner der Angeklagten ist als NRädelsführer verurteilt worden. Er hat nihchts wesentlich Falsches in der Darstellung des Falles vorgebracht, aber Wesentliches verschwiegen. Er hat den Bericht des Gutachters niht erwähnt, der angibt, daß der erste Schuß durchs Herz gegangen, der zweite von hinten und von der Seite gekommen sein muß. Danach kann von einer Handlung aus Notwehr nicht die Rede sein. Den Streikbrehern wurde gesagt: Geht hin und haut sie zusammen; ihr seid doch genug, es geschieht euch nichts. Sie wurden _auch mit Brechstängen ausgerüstet, natürli nur zur Abwehr! Seit Jahren is für die breiten Massen des Volkes so gut wie nichts geschehen. Den einzigen Fortschritt von Bedeutung hat die Arbeiterschaft selbst aus eigener Kraft geschaffen : die Arbeitersekretariate. Diese 186 Sekretariate, die über alle Landes- teile verteilt sind, haben eine eminente positive Arbeit geleistet, sie find getragen von dem allgemeinen Vertrauen der Arbeiterschaft und der kleinen Leute überhaupt. Wenn es noch eines Beweises bedürfte für die E an Begabung, die in den Tiefen unseres Volkslebens ruhen, so wäre er hiermit erbracht. Die Arbeitersekretariate haben immer noch taufendmal mehr ge- leistet als mancher Minister, der gegen uns den Vorwurf der mangelnden positiven Arbeit erhob. Wir verlangen ja von der Regierung nicht viel, wir sind überhaupt bescheiden. Eine Reform der Justiz- an Haupt und Gliedern muß und wird mit der Umbildung des ganzen öffentliGen und wirtschaftlichen Lebens kommen. Aber die Arbeiter wollen auch subjektiv an der Rechtsprehung beteiligt sein. Wann wird der neue Adickes kommen, der nit bloß die äußeren Formen, sondern auch den Geist des englischen Nets auf das deutsche verpflanzen will ? Kommt es bei uns doch noch vor, daß Angehörige der unteren Stände bei Gerichts- verhandlungen mit Du angeredet werden, und gibt es doch noch Richter, die es für angebraht halten, unbeholfenen Angeklagten und Zeugen gegenüber thren oft recht zweifelhaften Wiß zu üben! Wieviel Vor- sißende E es, die ihrem Aerger, wenn sie überstimmt sind, im Urteil Ausdruck geben! Sc{hlimmer ist noch ein Vebel, das geradezu eine s{chwere Krankheit unserer Rehtsprehung ist : über allen Geseßen und Verordnungen steht Seine Majestät der souveräne Shußmann. Die Gerichte haben zu seinen Gunsten vollständig abgedankt, an Stelle des rihterlihen Ermessens ift vielfah das freie Schußmanns- ermessen getreten. Der Redakteur eines hiesigen bürgerlichen Blattes, Erdmannsdörfer, glaubte nicht recht daran, daß die vielen Ge- schichten, die’ der „Vorwärts“ darüber erzählte, der Wahrheit ent- prächen. Deshalb begab er sich gelegentlich eines Buchbinder- streiks in die Kochstraße vor das Haus dieser Buchbinderei. Gin Schußmann forderte ihn auf, nicht nur diesen Plat, ondern au die ganze lange Kocstraße zu räumen, und da der edakteur sich etwas Zeit ließ, erhielt er einen Strafbefehl. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt: der Herr Schußmann hat befohlen, der Herr Bürger hat zu gehoren. Diese Sonderstellung der Uniformierten bringt es mit si, daß fubalterne Rechts- anschauungen {ih immer mehr in den Gerichtsurteilen geltend machen. Proben hiervon erlebt man aus Anlaß von sozialdemokratishen und gewerkscaftlihen Begräbnissen. Bei einem folhen legte ein Sozial- demokrat einen Kranz nieder mit den Worten: „Jm Namen des Zentralverbandes der Maurer Deuishlands.* Er wurde bestraft wegen dieser „Rede“, denn das Gericht entschied dahin, daß es bei einer Rede nicht auf deren Länge ankäme; die Rede sei vielmehr der Ausdruck eines Gedankens gegenüber einer Pee Fch will nicht den Gedanken Ausdruck geben, die die Ar eiter, wenn fie solch Urteil lesen, empfinden. Ein Arbeiter, der eine Behnsirecke, die 15 S kostete, mit einem Zehnpfennig- billett gefahren war, wurde als rüdckfällig wegen Betruges des Fiskus, also um 9 -§, mit_3 Monaten Gefängnis bestraft. Der Mundraub wird doch vom Strafgesetz milde Gb warum führt man nit endlih auch eine analoge Bestimmung hinsichtlich des Feuerungsmateriales ein? Alle diese Fälle beweisen, wie not- wendig es it, daß der Staatssekretär uns nicht immer nur vertröstet und nur den Mund spißt, anstatt zu pfeifen. Ih weiß nit, worauf die Regierungen noch warten. Selbst der Abg. Dr. Müller-Meinin en als Nichter hat, wenn niht von Trotteln, so doch von einer leiht- finnigen Schlamperei der Richter gesproWen. Täglich bekommen Hunderte von Iugendlichen Strafbefehle. Wann und wo will der Richter geprüft Yaben, ob der Jugendlihe überhaupt die nötige Einsicht gehabt hat? Wir müssen feststellen, daß, während viele Jugendliche mit eminent hohen Strafen belegt werden, diejenigen Arbeit- geber, die im Widerspruch zu dem Geseß Jugendliche über die zu- lässige Zeit hinausbeschäftigt haben, außerordentli milde beurteilt werden. Das Sc{höffengeriht in Kulmbach, dasselbe, das au die Zeugnis- zwangshaft anordnete, hat einen Unternehmer, der Ie täglich von 7 bis 12 und von 1 bis 6 Uhr gegen einen Wochenlohn von 4 bis 7,50 A beschäftigt hatte, mit einer Geldstrafe von 6 belegt! Noch heute hofft wie sonst das Volk auf ein einheitlihes Gesinde- recht. Die Regierung ift seit Jahren immer mit Vorarbeiten be- chäftigt. Von dem Versprechen einer Strafprozeßreform kann man e Schier 30 Jahre bist du alt! Jh fürchte, f es noch das Schwabenalter von 40 Jahren erreihen wird. Die Ziffern, die uns über die Anwendung des Zeugniszwangsverfahrens gegen die Redakteure vom Staatssekretär gegeben sind, sind wenigstens um die Hälfte zu niedrig gewesen. Dptimisten haben geglaubt, daß auf diesem Gebiete es noch eine Mainlinie gäbe, aber nahdein man uns in Baden das Kilometerheft und neuerdings au den Simplicissimus genommen hat, läßt man au die Redakteure einsperren. Der Redner git auf den Fall Geck ein und den {hon vom Abg. Dr. Müller-Meiningen erwähnten Fall des Redakteurs Schlegel, der, troßdem er in derselben Sache ver- urteilt war, noch einmal in an G bali genommen wurde. Mit dem Belagerungszustand kann jeder Esel regieren, ist einmal gesagt worden; was der Belagerungszustand für die Polizei, das ist der Zeugniszwang für die Gerichte. Dabei hat man dem einen Redakteur nicht einmal die Lektüre einer sozialdemokratischen Zeitung estattet, ja, man wollte ihn nicht nur zum Nichtsozialdemokraten, iben auch zum Nichtraucher erziehen, E beiden Fällen bedurfte
es erft einer Beschwerde an den Justizminister, um Abhilfe zu schaffen. Zwei Teilnehmer an der jüngsten Anardhistenkonferer enommen
in oder bei Mannheim sind von der Polizei in ast worden, der Dr. Friedeberg und ein gewisser Karfunkel ein ; auf
dem Wege zum Amtsgeriht hat man den Dr. Friedeberg wie einen {weren Verbrecher gefesselt, man hat seinen Verkehr mit dem Verteidiger ershwert, und \ch{ließlich hat man fogar gegen den Willen des Dr. Friedeberg und unter Androhung der An- wendung körperlicher Gewalt ihn photographiert! Dr. Frie eberg hat Beschwerde erhoben, aber jeßt will es keiner gewesen fein; es habe d bloß um Polizeimaßregeln gehandelt! Und das in einem Ge- ängnis, wo ohne den Willen des Justizministers überhaupt nichts eshehen kann! Uebrigens haben die Polizeibehörden jüngst die - rfahrung mahen müfsen, daß das Photographieren eine zwei-
neidige Waffe if, indem au einmal Polizeispißel gegen ihren
illen photographiert werden können. Als is dem Karfunkelstein Lektüre brachte, wurde die mit einer Aengstlichkeit geprüft, als ob zwischen den Blättern eine Bombe steckte. Ich will zum Schluß kommen (Heiterkeit rechts) . . . . wenn Sie noch nicht genug haben, ih habe hier noch eine ziemlihe Menge Material. (Der Redner hält einen Stoß Papiere und Drucksahen hoh.) Ich erkläre nur noch dem Staatssekretär : ih würde an setner Stelle die Geduld niht haben, hier jedes Jahr dieselben endlosen Klagen immer wieder anzuhören.
Hierauf s{lägt Präsident Graf zu Stolberg die Ver- tagung vor. Das Haus ist damit einverstanden.
Persönlich bemerkt der
Abg. Hei ne (Soz.): Wenn der Abg. Graef meine Ausführungen mit Beleidigungen beantwortet, so beweist er nur, wte unrecht er mit seinen Widerlegungen hatte. Der Abg. Müller-Meiningen hat wiederholt von meinen Angriffen gegen den Richterstand gesprochen, die ih in einer persönlihen Bemerkung eingeshränkt hätte. Ich habe
leih bei Beginn meiner Ausführungen, weil ih die Verdrehungen enne, die man mit meinen Worten vornimmt, ausdrücklich darauf hingewiesen, in welchem Sinn und Umfange mein Vorwurf gelten solle. habe nihts einges@ränkt und habe au nichts zurück- zunehmen. Der Redner wendet si dann gegen eine Ausführung des Staatssekretärs und bemerkt weiter, daß er die Akten des Nürnberger Falles nit gehabt habe, sondern auf Grund der übereinstimmenden Berichte der gesamten Presse sih hier geäußert habe. Was würde übrigens einem Arbeiterführer passieren, der einen Streikbrecher nieder- n 4 Sis P räsident erklärt diese leßte Bemerkung für nit mehr persönlich.
Abg. Dr. Müll er - Meiningen (fr. Volksp ): Im Zeitalter der Telegraphie und Telephonte hätte der bayerishe Vertreter, denke ih, vom Sonnabend bis heute nahmittag die Akten wohl requirieren können, (Der Präsident erklärt auh diese Bemerkung für nicht persönlich.) Wenn der Staatssekretär meinte, ih sprähe ihm gegenüber in einem s{ärferen Tone, als dem Abg. Heine gegen- über, so liegt das nur an seiner größeren Empfindlichkeit. Troß der persönlihen Bemerkung des Abg. Heine wird das Haus den Eindruck gewonnen haben, daß er mit seinen Angriffen gegen den deutschen Nichterstand generalisiert hat.
g. Dr. Wagner (kons.) bestreitet, gesagt zu haben, der ganze deutshe Anwaltstand befände ch in einer sehr mißlichen Lage.
Abg. Graef (Wictsch. Vgg.) bemerkt, daß der Präsident ihn zur Ordnung gerufen haben würde, wenn er den Abg. Heine beleidigt hätte, er, Redner, habe ledigli die beleidigenden Aus ührungen des Abg. Heine gegen den Richterstand zurückgewiesen.
Abg. Heine (Soz.): Ich konstatiere, daß der Abg. Graef wieder behauptet hat, ih hätte den deutschen NRichterstand beleidigt, obwohl ih die Unwahrheit dieser Behauptung bereits konstatiert habe.
Schluß nah 61/4 Uhr. Nächste Sißun Dienstag 1 Uhr. (Fortseßung der Beratung des Zuftigeinis: ilitäretat.)
36. Sigung vom 23. April 1907, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)
Tagesordnung: Forisezung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die E des Rei hs - haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1907, und zwar: „Etat für die Reichsjustizverwaltung“ und „Etats für die Verwaltung des Neichsheeres“. :
Ueber den Anfang der Sizung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Kreth fi kons.) fortfahrend: Dur die Sozialpolitik der anderen Parteien find der Sozialdemokratie bei den Wahlen keine Stimmen E emacht; unsere Sozialpolitik ist an dem Rückgang der sozialdemokrat des Stimmen ganz unschuldig. Wir treiben Sozial- politik niht aus opportunistishen Ansichten, sondern um des Gewissens willen, um dem Schwachen L helfen. Die agrarishen Wählerschaften sind gewiß nicht in erster Linie berufen, die Industrie zu vertret, n; dennoch vertreten ihre Anwälte die Sozialpolitik, weil es für sle auss{laggebend ist, daß alle Berufs\stände des Landes und Reiches prosperieren. Der Rede des Abg. Heine müssen wir troß des
estrigen Plaidoyers des Abg. Dr. Frank mildernde Umstände ver- abs Dem E Heine spreche ih die bona fides au meinerseits nicht ab ; meine Vorwürfe gegen ihn sollen ihn weder persönlich noch seine bona fides treffen, sondern einzig und allein die Sozialdemo- kratie. Jch werde eventuell S noch in persönlichen Bemerkungen betonen, daß ich ihn und die Sozialdemokraten gar nicht gemeint habe. Nachdem ih mich so falviert habe, gehe ih dazu über, mih mit einer Sonnabendrede etwas näher zu beschäftigen. Er spra von der olizeiwillkür in bezug auf die Ausweisung ausländischer Arbeiter die sich politis oder wirts{aftlich mißliebig machen. Die Fülle von Material, die ich als Beweis erwartete, {rumpfte auf einen einzigen Berliner Fall zusammen, wo dem Abg. Heine die Zurück- nahme_ der betreffenden ct meisungöerfügung gelungen war. Der S Dane fuhr dann fort: „Aber unzählige arme Arbeiter, die keine
ehtsgewalt haben, können dieses Ziel nicht erreichen.“ Die Flut
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eine Spur eines Beweises is dafür erbraht worden. Die [lut
in die Oeffentlihkeit und in den Reichstag steht in solchen Fällen
do den Anwälten dieser Arbeiter vollstà i; eine Fall! Aber es galt ja au nur, le Pulieei cer e MAS oder „unter die Nase zu reiben“. Der «Vorwärts* brachte einen Artikel „Die Klafsenjustiz auf der Anklagébank“ und untershiebt uns auf der eten zornige Ausbrüche gegenüber dem „vernichtenden Anklage- material“. Tatsache ist, daß wir uns ledigli hödlich amüsiert haben über die Aeußerung des Abg. Heine. Er spielte und hantterte wie ein Jongleur mit dem Begriffe der bona fidos der Nichter; er nannte dies etwas , rchtbar Billiges“, was si jeden Augenbli einstelle, wo man es brauche. Der Richter gebe, obald ein Arbeiter voc ihm stehe, nur noch mit getrübtem Blick und einseitig, so führte der Abg. Heine aus, und so ging es weiter; jedenfalls haben f immer in dem Augenbli, wo es nötig war, die richtigen juristishen Ueberzeugungen eingestellt, Den Richtern des NReihs- gerihts hat der bg. eine ganz direkt den Vorwurf hbe- wußter Fälschung gemach Die Begründung des betreffenden Urteils, meinte er, lese sich wie der Schriftsaß eines \{ eten Winkelkonsulenten. Ih hoffe, daß die Winkelkonsulenten den Abg. ine jegt zum EChrenmitglied ernennen werden, wie einst die anziger Sackträger den Fürsten Bismarckzum Chrenmitgliede ernannten. Auf den Nürnberger Fall, das Paradepferd des Abg. Heine, will ih