1907 / 247 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Oct 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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«zwei Namen hat, erhielt

des Vormundschafts- und des Strafrichters einführen, wie dies dem- nächst in A a. M. als erster Stadt in Deutschland ge- ehen wird. Alle Strafsachen gegen Jugendliche sollen dort einem Ridhter überwiesen und diesem zugleich die Funktionen des Vormund- \chaftsrichters beigelegt werden. Dieser werde dann, unterstüßt durch berufsmäßige Pfleger, die Familienverhältnifse der jugendlihen An- geklagten eingehend prüfen und alle gebotenen Besserungsmaßnahmen treffen können. Nachdem die Tagesblätter berichtet haben, daß neuer- dings G S S Ee E Sin n erihtshôfe au für die deutshe JustizausU Ingenae s dem praktishen Vorgehen der Stadt Frankfurt in dieser Frage ein berehtigtes Interesse zuwenden.

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Kunst ans Wissenschaft.

Die Königliche Akademie der Künste hat in 3 Sälen annähernd 100 Werke des verstorbenen Malers Karl Gussow aus- gestellt. Im ersten Raume sind die Werke der früheren Zeit des Künstlers vereinigt, der vor seiner Lehrtätigkeit an der Berliner e in Weimar und Karlsruhe tätig war. Bemerkenswert ist

ier ein Stilleben (Nr. 2) durch seinen zarten silbergrauen Gesamt- ton, der dur eine goldgelbe Brokatdede noch gehoben wird, ferner eine Gewandstudie (Nr. 9), auf welcher der Künsiler vor eine gobelin- bespannte stumpfe Wand ein leutendes, gelblih getöntes Seidenkleid mit \chweren, dursihtigen Schattenfalten gestellt hat. Die Arbeiten, die in den 70er Jahren entstanden, jeigen Gussow, der in Berlin um diese Zeit neben Menzel zu den Vorkämpfern eines gesunden Realismus gehörte, unter dem Einfluß Leibls und der Franzosen. Kleine tonige Skizzen und Gemälde erinnern in den satten, dunklen Farben, in der Technik und der weichen Pinselführung an Leibl, so z. B. das Mädchen, das einen Stoff beshaut (Nr. 16). Die Kindergruppe bor dem mattblauen Hintergrunde, der das Schwarz des Knabenanzuges und das Weiß des Mädchenkleides in vollstem Glanze zum Ausdruck bringt, läßt an ähnliche Farbenwirkungen bei Manet denken. Victor Müllers „Schneewittchen“, das in der National- galerie hängt, wird bei Betrachtung „des Spazterganges“ (Nr. 24) in der Erinnerung lebendig. Hier wie dort der weiche, wie in Dunst versGwimmende Waldhintergrund, der grünbraune Sleter, in den alle Lokaltöne eingehüllt sind. Feuerbah und Böcklin scheinen bei dem Bilde „Nymphe mit Faunen“ Pate gestanden zu haben (Nr. 29), Somof bei der kleinen reizenden Skizze einer Patkterrasse, über der sich schwärzliche Baumsilhouetten und ein \{chwerer, grauvioletter

immel spannen. Diese von anderen Meistern beeinflußten Werke nd wohl das Anziehendste, was die Sonderausstellung bietet. Dazu kommen noch einige wenige Porträts, allen voran das Bildnis der rau Luise Haase, jeßt im Besiß der Nationalgalerie, und mehrere Beuebilter, unter denen „Die Teppichfliker" das bedeutendste ist. Merkwürdig [tht gegen diese feinen Arbeiten die große Reihe der Bildnisse ab, die in dem geräumigen Saale vereinigt sind. Flach und hart wirken sie in ihren hellen, meist süßlichen Tönen, leer und ausdruckslos blicken sie auf den Beschauer, man findet zwischen diesen und den obenerwähnten Werken keine Brücke. Nach den kräftigen Ansäßen der Jugendzeit, nah dem Experimentieren und der Periode der Änlehnung an fremde Künstler folgt hier ein merklihes Abflauen. Vielleiht hatte der Künstler zu viel Rücksicht auf seine Austraggeber genommen, was freilih bei dem offenen Charakter Gussows nit gut anzunehmen ift ; vielleicht hatten zu viel Aufträge thm die Muße und die Vertiefung genommen, mit der seine Jugendwerke geschaffen waren.

A. F. Die Gesellschaft für Erdkunde eröffnete ihr Winterhalbjahr am Sonnabend unker E des Geheimrats, Pro- fessors Dr. Hellmann. In den seit leßter Sitzung verflossenen dret Monaten hat die Gesellichaft außergewöhnlih viele Gingänge neuer Werke zu verzeichnen, über deren Inhalt der Vorsißende kurz unter- richtete. Aus der großen Zahl sind das empfehlenswerte Buch von Dr. Paul Rohrbach über den Wert unserer Kolonien, ferner ein reich illustriertes Werk über Neu - Guinea (1903) und eine Veröffentlihung von Dr. Koch-Grünberg über amerikanische Felszeihnungen besonderer Hervorhebung wert. Auch wurde des erfolgreichen Eintretens von Profeffor Dr. Conwenßz - Danzig für die Naturdenkmalpflege anerkennend gedacht. Nachdem die Organi- sationsarbeit geleistet und zu einem gewissen Abschluß gelangt ift, werden \ich diese Bestrebungen auch eines besonderen Organs, einer

eitsrift, erfreuen, die sett Quartalsbeginn erscheint und in der ersten ummer vorlag. Den Vortrag des Abends hielt der Professor Dr. K Weule aus Leipzig, Leiter des dortigen Museums für Völkerkunde, über das Thema: Der Südosten Deutsch- Ostafrikas auf Grund eigener Reisen und Forschungen. Profeltor Weule hat über seine im Vorjahre ausgeführten Reisen ereits am 16. März l. I. in der Gesellschaft für Anthropologie aus- führlih berihtet, wie aus Nr. 69 dcs „Deutschen Reichsanzeigers* vom 18. März zu ersehen ist, weshalb auf einen umfänglihen Bericht über den mit größtem Beifall aufgenommenen, von vielen Lichtbilder-, kinematographishen und phonographishen Vorführungen begleiteten Vortrag an dieser Stelle zu verzichten ist. Nur sei besonders erwähnt, daß Professor Weule diesmal durch ein reicheres Programm der begleitenden Beigaben fesselte, als es ihm im März zur Verfügung stand, wo nach seinen damaligen Mitteilungen ein Teil seines Gepäck3 noch niht angelangt oder noch nihcht ausgepackt war. Das hat Bezug vornehmlich auf die kinematographis{ch-phonographischen Vorführungen. Es berührte Zuschauer und Zuhörer doch höchst seltsam und ließ sie Bewunderung empfinden für die neuen Hilfs- mittel der Wissenschaft und ihre zwar sehr mühevolle, aber erfolg- reiche Anwendung durch die Forshungsmethoden, als die anschaulich dur den Kinematographen vorgeführten Reigen und Tänze begleitet wurden dur die Originalgesänge der Eingeborenen, welche zu den nämlihen Tänzen gesungen und gleichzeitig auf der Pphonos- graphischen Walze fixiert worden waren. Sehr fesselnd und etwas ausführliher als bei der früheren Gelegenheit berichtete Professor Weule auch über die Erzichungsarbeit, welche die Be- wohner des Makondeplateaus, das zweimal so groß ist wie das Königreih Sachsen und von etwa 80000 Schwarzen bevölkert ist, an ihre männlihe und weiblihe Jugend wenden. Nach solhen Mit- teilungen werden die landläufigen Anschauungen von dem Zustande der Unkultur und Wildheit dieser Eingeborenen Innerafrikas zu be- ritigen sein. Wenn beispielsweise einer Einrihtung gedaht wurde, auf Grund deren jedem sieben- oder achtjährigen Kinde aus der Zahl der älteren Personen ein Mentor bestellt wird, der für seine ganze Lebenszeit gewisse Verantwortlichkeiten für Belehrung und Fortkommen des Schüßlings übernimmt, so beweist dies etne bewußte Abkehr von dem Naturzustand, aber für uns zugleich die Notwend!gkeit gründlichster Kenntnisnahme von folcher bereits bor- handenen Kulturarbeit und vorsichtigfter Anknüpfung daran bei dem estreben, die Eingeborenen auf eine höhere Kulturstufe zu heben. Professor Weule hat mit Recht die Ergründung der Anschauungen, Sitten, Gebräuche und Einrichtungen der Eingeborenen zum Haupt- egenstand seines Studiums gemaht. Die intelligenten Pi nue

t ; akarran sind ihm dabei behilflich ges sle i Zun ies eine ältere Schwester Matollas, die den guten Gedanken hatte, 15 Greise ihres Volkes

zu Beratungen mit dem europäischen Gelehrten hinzuzuziehen. on diesen ESS wenn auch mit einigen Schwierigkeiten, mancherlei erforscht, während alle jüngeren Personen beiderlei Geshlechts gänzlich unzugänglich blieben, zum Teil wohl deshalb, weil die Stammes- eigenarten und -gebräuhe ihnen selbst nicht gehörig zum Bewußtsein gekommen waren. Selbst der alte Häuptling Makarran wurde erst nah reichlichen Spenden von Hirsebier oder kräftigen Alkoholika gesprähiger, welche Beobachtung natürlich zu besonders vor- sichtiger Beurteilung und Nachprüfung seiner Mitteilungen nötigte. Ueber den auffälligen Gebrau, daß jeder Eingeborene Professor Weule“ den Aufs{luß, daß

der zweite Name bei Erreihung des Mannbarkeitsalters gegeben wird und den hervorgetretenen besonderen Eigenschaften des

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Sndividuums entspriht. Das erklärt, warum fo sonderbare Eigen- namen vorkommen, wie „Folgt nur dem eigenen Willen*, Stets bereit!*, „Jh bin Dein!* 2c. Die S Kultur der Be- wohner des Makondeplateaus zeigt sich auch in der besseren Stellung des weiblihen Geshlechts, dem war manche ungewöhnlichen Arbeiten ¿zugewiesen sind, wie der Töpfereibetrieb, das dafür aber vom beschwer- lien Wasserholen und den Arbeiten des Feldbaues befreit ist, die aus\{ließlich von den Männern elo werden. In mit dieser vergleih3weise höheren Kulturstufe nicht in Einklang zu bringendem Gegensaß steht die entseßlihe Verunstaltung, die Männer und Weiber, diese namentlich, mit ihrem Körper vornehmen. Jene bringen sich am ganzen Körper Ziernarben bei, denen die wunder- listen Gestalten gegeben werden, mit Vorliebe Tierfiguren, wie Antilopen, Löwen, Frösche; aber sie lassen ihre Gesichter doch meist im natürlichen Zustande, während man nichts Groteskeres in der Welt sehen kann, als 20—30 Yao-Frauen mit ihrem riesigen, bis 7 cm im Durchmesser haltenden Holzpflock in der Oberlippe, dem kaum weniger riesigen Holzpflock im rechten Ohrlappen und dem zierlicheren Holz- pflock am linken Nasenflügel. Zu essen vermögen . solche Frauen nur, indem sie mit der Hand die beschwerte Oberlippe zurückklappen, beim Sprechen sind sie an der Aussprae des „S“ verhindert.

Literatur.

Der Direktor des Hohenzollernmuseums und der Kunstsammlungen der Königlichen Shlöfser, Professor Dr. Paul Seidel hat im Verlage von A. Schall in Berlin ein in der Reichsdruckerei her- gestelltes, reih illustriertes Prachtwerk unter dem Titel „Der Kaiser und die Kunft“ herausgegeben (25 46), bei dessen Abfassung ihn eine Reihe von Künstlern, Kunstgelehrten und Beamten L haben. Das prächtig ausgestattete Werk verfolgt die Absicht, über die vielfaGßen Anregungen zu unterrichten, die der Monarch auf dem Gebiete der Baukunst sowie der bildenden Künste entfaltet hat, und so ein eingehendes Bild von der Persönlichkeit des Kaisers als Kunst- freund und Kunstförderer zu geben. Als Quellen fanden dem Ee sämtliche in Frage kommenden Akten und vom Kaiser earbeiteten Pläne bei den verschiedenen Kabinetten, Ministerien und sonstigen Behörden zur Verfügung, Bei den Abbildungen ist in erster Unie Wert darauf gelegt, nah O die von Seiner Majestät gezeihneten verschiedenen Originalentwürfe wiederzugeben, und in vielen Fällen konnten Nachbildungen der dana von Künstlerhand fertiggestellten Ausführungen danebengestellt werden. Einleitend weist der Herausgeber kurz auf die Förderungen hin, die die Künste seit je von dem Hause der Hohenzollern erfahren haben, und insbesondere auf die engen Zusammenhänge der fünstlerishen Bestrebungen und Interessen des Herrschers mit jenen

Seiner Erlauchten Eltern, als deren künstlerischen Testamentêvollstrecker

der Kaiser Sih ausdrücklih betrahtet. Es handle si dabei niht um eine höfishe Kunst, die im Ausbau und in der Shmükung von S{löfsern ihr Gepräge finde, sondern um eine Volkskunst, die das öffentliche Leben verschönern und mit künstlerishem Shmuck aus- statten wolle. Der Verfasser geht dann auf die einzelnen Kunst- chöpfungen ein, die dem Vorgehen des Kaisers ihre Entstehung ver- danken, und betont dabei u. a., daß bei den Werken in der Sieges- allee nach einer ausdrücklihen Absiht des Monarchen zu dieser großen Kunstanlage aus\{ließlich Berliner“ Bildhauer herangezogen seien, nit weil der Monarch deren Leistungen jenen auswärtiger Künstler für unbedingt überlegen hielt, sondern weil es fsch um eine besondere Kraftprobe der Berliner Künstler handeln follte. Es sollte für die Reichshauptstadt eine \pezifish Berliner Kunstanlage geschaffen werden. Der Verfasser nimmt auch Gelegenheit, das Verhältnis des Monarchen zu den neuen Kunsirihtungen zu präzisieren. Dann werden die einzelnen Kunstgattungen unter den oben angedeuteten Gesichtspunkten durchgegangen: der Einfluß des Kaisers auf die Bau-

kunst (Saalburg, Marienburg, Hohkönigsburg), auf den Kirchenbau, |

insbesondere den Berliner Dom, auf den Bau von Museen und wissen- \{aftlihen Anstalten und Kronbauten. Es folgen Abschnitte über Gartenkunst und Waldkultur, Bildhauerkunst, Malerei und Bühnendekoration und - Kostümkunde, über die Kunst in der Marine und über Kunstgewerbe. Ein Kapitel“ über die Ent- wicklung der Fahnen und Standarten der Armee unter Kaiser Wil- helm II. bildet den Abschluß. Das Werk is von hohem Interesse nicht nur als Beitrag zur Charakteristik der Persönlichkeit des Monarchen, sondern bei dem tiefen Einfluß, den Seine Majestät: der Kaiser auf das zeitgenöfsishe Kunstschaffen ausübt, auch als Quellwerk über die gegenwärtige Kunstepoche.

Von dem bei Strecker und Schröder erscheinenden Lieferungs- werke Dreißig Jahre in der Südsee von R. Parkinson, herausgegeben von Dr. B. Ackermann, liegen die Lieferungen 16—21 vor, in denen der Verfasser namentlich interessante ethnographische Mitteilungen über drei kleine, östlich von den großen melanesischen Inseln liegende Atolle (Korallenriffe) maht. Er bietet Schilderungen über die Körperbeschaffenheit der Eingeborenen dieser Eilande, über ihre religiösen Vorstellungen, ihre Ahnenbilder und ihren Abnenkultus, ihre Heiratsgebräuche, Gebräuche bei Geburt und Tod, über Tätowierung und die dazu benußten Instrumente, über den Charakter der Ein- geborenen, die Art ihres G über Shmuck, Waffen usw. Besonders eigenartig ist die Arbeit der Insulaner am Webstuhl. Ein bieher sehr wenig bekanntes Gebiet hat Parkinson in dankenswerter Weise einem HeouPe ren Kapitel seines umfangreichen Werkes vor- behalten: Geheimbünde, Totemismus, Masken und Maskentänze. Diese geheimen Verbindungen mit ihren Festen sind es au, die den Kern des ganzen Geisteslebens dieser Naturvölker bilden. Der Ver- fasser hat gerade dies bisher wenig bearbeitete Gebiet ausgiebig be- handelt. Ueber das Geheimhalten dieser Verbindungen, über deren Verbreitung, Wesen und Zweck Le er Interessantes zu berihten. Zu den bekanntesten Geheimbünden des B arat gehört die Duk-Duk- Verbindung. Ihre Schilderung läßt sich der Versasser besonders an- gelegen sein; die Ausführungen sind mit zahlreihen Abbildungen ge- [chmüdt. Die Schädel-, Gesichts- und andere Maskenarten der Ein- geborenen finden ebenfalls ihre gerechte Würdigung. " Eine weit

rößere Bedeutung als die Duk-Duk-Institution hat na Parkinson für die Bevölkerung des Nordostens der Gazellehalbinsel die geheime

erbindung der Männer, die mit Marawot oder Ingiet bezeichnet wird. Mit dem Duk-Duk hat Marawot oder Ingiet nichts gemeinsam, und während der erstere ziemlich neueren Datums ift, so reicht die leßt- genannte Institution weit in das Altertum des Volkes zurück, Dér Shilderung der Geheimbünde des nordöstlichen Teils der Gazellehalbinsel folgt die über die Os über die Bewohner des sich in Ostrichtung nach dem Sankt-Georgs-Kanal hinziehenden Gebirges und über die Sulka. Anderen Geheimbünden und Masken, die hier in Verbindung mit den Beschneidungszeremonien stehen, begegnen wir auf den Französischen sowie auf den Lieblichen Snseln und in den Gegenden am Südkap, E und westlich vom Möwehafen. Mit den Schilderungen der LTotenfeste der Insulaner, der Geheimbünde in Bougainville, Buka und Nissan sowie der übrigen melanesischen Inseln ließt die Lieferung 21 des Werkes. Das ganze Buch wird nah Angabe des Verlags in kurzer Zeit abgeschlossen vorliegen und ge« heftet 14, gebunden 16 „G kosten.

Land- und Forftwirtschaft. Ueber die Bestedelung von Krongütern jn England

entnehmen wir einem dem deutshen Auswärtigen Amt erstatteten Be-

riht des landwirtschaftlihen Sachverständigen bei dem Kaiserlichen

Generalkonsulat in London Dr. Skalweit, veröffentlicht in den „Mit-

angen der Deutschen Landwirtschaftsgesellshaft*, die folgenden usführungen :

Dur das kürzlih vom Parlament angenommene Gese über Anlage von Kleinbetrieben und Arbeiterstellen (Sma1l Holdings and Allotments Act) ift die Si it N in England in ein neues Stadium getreten. Das Gese erteilt u. a. dem Landwirtschafts- ministertum Sp Vollmachten. Dasselbe is nicht nur er- mächtigt, besondere Ansiedlungsbeamte zu ernennen (Small Holdings Commissioners), fonbern auch da, wo die Grafschaftsräte, wie

bisher, der Anlage von Kleinbetrieben ablehnend gegenüberstehen, die Befsiedlung auf deren Kosten selbst in die Hand zu nehmen.

In der Absicht, das Ansiedlungswesen zu fördern, hatte bereits 1906 die Aufteilung von Kronland zur Anlage von Kleinbetrieben be- gonnen; ferner wurde durch den Crown Lands Act 1906 bestimmt, daß der Landwirtschaftsminister der Verwaltung der Kronländereien von Amts wegen als Vorstandsmitglied angehören solle. Gleichzeitig wurde ihm, beginnend mit dem 1. Januar 1907, die spezielle Ver- waltung der vorzugsweise landwirtshaftlihen Grundstücke im Umfange von rund 25 000 ha überwiesen.

Der jeßige Landwirtschaftsminister, Lord Carrington, der bereits auf seinen eigenen Gütern mit der Ansiedlung die besten Er- folge erzielt hat, beabsichtigt, sämtlihe in Zukunft pahtfrei werdenden Kronfarmen, soweit angängig, in Kleinbetriebe aufzuteilen, und hat die Verwaltungsbehörden, in deren Bezirk solche Kronländereien gelegen sind, davon in Kenntnis geseßt, daß er sie ihnen zur Weiterverpahtung an geeignete Bewerber überlassen würde. Die Bewerber haben einen Fragebogen über ihre bisherige Tätigkeit und Erfahrungen sowie über ihre Vermögensverhältnisse auszufüllen.

m Jahre 1906 wurden die ersten Kronländereien bei Burwell in Cambridgeshire besiedelt. Die dortige Kronfarm, 917 Acres Gi ha) groß, mit etnem geräumigeren und 2 kleineren Farmhäusern owie 15 Arbeiterwohnungen, ist in unmittelbarer Nähe der oben ge- nannten Ortschaft (2000 Einwohner) gelegen und nur 1—2 km von den beiden Stationen Burwell und Fordham, 64 km von New- market entfernt. Ste zerfällt in 3 getrennte Grundstücke: 1) Pitts Farm und Slade Farm, 2) N und Broads Farm, 3) Fen Farm bei Nea Lode. Diese wurden Michaelis 1904 pacht- frei und mußten, da kein Pächter für das Ganze zu finden war, in eigene Verwaltung genommen werden. Die Farmabrechnung für die 2 Jahre dieser Verwaltung wies einen Verlust von 13 820 4 auf, wobei der Ausfall an Pachk und die Leitungskosten noch nicht in An- rechnung ‘gebracht sind.

Anfang 1906 trat Mr. C. D. Rose, Parlamentsvertreter für Oft-Cambridgeshire, der einen Versuch mit Kleinbetrieben auf weniger utem Boden machen wollte, mit der Regierung wegen der Burwells Für in Verbindung. Man einigte sh auf eine Pacht von 14 000 auf 21 Jahre, beginnend von Michaelis 1906. Mr. Nose verpflichtete sih, außerdem die Steuern und Abgaben zu zahlen, wozu unter anderm eine Entwässerungs8abgabe von je 7 s. auf 300 Acres Fennland und der Zehnte von 8 s. auf 1 Acre gehört, der auf dem übrigen Lande ruht. Ferner hat er Wohn- und Wirtschafts-

r zu unterhalten. Die Verwalter der Kronlande hatten hrerseits die Gebäude vor Beginn der Paht in Ordnung zu bringen, wofür 21112,50 ausgegeben wurden. Dazu

kamen noch weitere 36 000 6 für Neubauten und Vergrößerung der bisherigen Gebäude, CEinzäunungen usw. Die legt- genannte Summe verzinst Mr. Rose mit 4% Zuschlag zur Pacht. Mr. Rose zahlt also ungefähr für 1 Acre: an Pacht 15 s. 3 d., an Zinsen 1 s. 7 d, Entwässerung und Zehnten 7 bis 8 s. Dies wird ungefähr durch die Pacht der Kleinpächter von 25—26 s. für 1 Acre gedeckt, wobei noch ein Ueberschuß für Verwaltung und sonstige Unkosten bleibt. Für vorhandene Bestände hatte Mr. Rose als neu einziehender ächter eine Entschädigung zu zahlen, die sich in diesem Falle auf 44 106,60 4 belief. Diese Kosten wurden ebenfalls unter die Kleinpächter in angemessenem Vers hältnis verteilt, abzüglih von 3509 4 für Bauten, Einzäunungen usw., die niht bar bezahlt wurden, sondetn verzinst werden. Im ganzen ist die Farm an 75 Kleinpächter vergeben, deren Lose folgende Größe haben: 1 kleine Farm von 102 Acres (41 ha 50 (2

7 Lose über . 0 ha

« von. « 30—40 „, (12—16 ha) 14 0022 1 A2=90A Ma boi L 97 004209) 32 unter . 1 10,4119)

Von den 3 getrennten Grundstücken, in welhe das Kronland zerfällt, ist das größte von 479 Acres (192 ha), bestehend aus Pitts und Slade Farm, dicht bei Burwell, zu beiden Seiten der Hauptstraße elegen, zum größeren Teil öftlih derselben. 54 Acres find Gras- and, davon 34 Acres alte Weide, 20 Acres fris angesät. Der Boden, auf Kreideunterlage, ist nur flahgründig, daher weniger für Hackfrucht geeignet, während Halm- und Hülsenfrüchte gute Ér aufe bringen. Namentlih gedeiht auch Klee und Esparsette vorzüglich. Infolge der Nähe von Burwell, einer angrenzenden Kalkbrennerei und Düngerfabrik, macht si hier die Nahfrage nah kleineren Arbeiter» parzellen N und es wurden :

26 Stellen zu # Acre, davon 2 etwas kleiner,

15 B i 3—5 Acres angelegt, doch find au diese größten- teils mit Getreide und Pferdebohnen hae e E einzelt mit Kartoffeln und Gemüse. Das bequem ge- legene Weideland wurde von einigen Fleishern des Orts gepahtet. Die Stücke von 5—15 Acres (2—6 ha) nahmen Gewerbetreibente aus Burwell und solche Leute, die bereits anderes Land besaßen, denn diese Stellen allein reihen niht zum Lebens- unterhalt einer Familie aus: eine Farm von 22 Acres (rd. 9 ha) {eint auf diesem Boden die untere Grenze des selbständigen Kleins betriebes zu bilden. Die Größe der übrigen selbständigen Kleinfarmen beträgt rd. 35, 40, 56 bezw. 79 Acres. Unter die Pächter derselben find Wohn- und Wirtschaftsgebäude von Slade Farm geteilt ; die früheren Arbeiterwohnungen find vergrößert und den Bedürfnissen der Pächter angepaßt, Stallungen und Laufpläße für a find dur Querwände geschieden. Zu jedem dieser Betriebe gehört ein Sins Weideland von 33—ds} Acres. Cs werden je 1—3 Pferde, 3—5 Kühe, Meterg atn fd abu E ae erd E den Se

ergeräten fin maschinen und Pferderechen vorhanden, au Shrotmühle und Häckselmaschine mit Moiocactriah Yewie

Das zweite Grundstück, in der Nähe von Fordham Station, be- stehend aus Neß und Broad Farm, if 335 Acres (134 ha) groß, einschl. 73 Acres geringerer Weide. Ungefähr 90 Acres des Áter: landes sind höher gelegen und auf Kreideunterlage, der Rest geht all- mählich in Fennland über. Die Sarit ist mit Ausnahme von zwet kleineren Stücken in 5 Kleinbetriebe von 36—68 Acres Größe ein- eteilt, 3 davon befinden sich in Neß, 2 in Broads Farm. Zu jedem

eil Ed ein Stück Kreideboden sowie Weide und Fennland.

uf ‘der Neß Farm bewohnt ein Pächter von 72 Acres das Gutshaus, zwei andere mit 61 und 54 Acres die vergrößerten Arbeiter- wohnungen. Die Wirtschaftsgebäude sind au hier durch Querwände geteilt und Pferdestände eingerichtet. An die früheren Arbeiter- wohnungen sind 2 kleine Räume für Meiereizwedcke angebaut, in denen ein Handseparator (Melotte), ein Victoria-Butterfaß und ein Butter- tisch Plaß gefunden haben. Es werden auf 2 dieser Farmen je 3, Gli T 2 e P Ba E Kühe, Schweine und

L eiden er au roads Far

68 bew. 37 Acres (27 und 15 ha). S: A

„Die Fen Farm von 102 Acres (41 a bei Reach Lode ist einem Fie übergeben, der fich vom landwirtshaftlihen Arbeiter als olher war er 27 Jahre auf einer Stelle tätig allmählih herauf- gearbeitet hat. Die Farm war ursprünglih Ackerland, doch hatte der frühere Pächter, der niedrigen Kornpreise wegen, alles zu Weide niedergelegt, die aber nur armfeliges Fenngras trug. Der eßige Ins haber hat 2 R Dee A ügt, da si der Boden zum Anbau von Wurzelfrüchten, Hafer, Raigras, Wicken und Roggen zu Grie B fieblur cht i (

e Besiedlung macht im großen und ganzen einen sauberen u ordnungsmäßigen Eindruck, die Pächter sprachen sih A oemietten zufrieden aus und die gute Ernte dieses Jahres trägt nicht weni dazu bei, ihnen vorwärts zu helfen. Cin abschließendes Uxtei [äßt sih indessen bei der kurzen Zeit des Bestehens noch nicht ab- L auch würde ein Verglei der Viehzahl mit dem früheren Bestande kein zutreffendes Bild geben, da noch alles im Werden begriffen ist. Die selbständigen Kleinpächter haben fast sämtli als landwirtschaftlihe Arbeiter begonnen oder sind Farmersöhne. Unter: den anderen Stelleninhabern herrschen Gewerbetreibende und Industrie«