1907 / 294 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Dec 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Polen), nennen Sie das keine Absonderung? Und wissen Sie nicht, daß die Polen damit angefangen haben? (Lebhafter Widerspruch von den Polen.) Sie stellen das in Abrede, meine Herren. Jh habe das Material im gegenwärtigen Moment nicht bei mir; ich könnte Ihnen aber Berichte aus den siebziger, aus dem Anfang der ahtziger Jahre an- führen, aus einer Zeit, wo die sogenannte scharfe preußtische Polen- politik noch gar nit angefangen hatte (sehr rihtig! rechts), in denen ausgeführt ift, daß gerade diese Absonderung, die von polnischer Seite vorkomme, uns nôtige, dagegen Front zu machen. (Hört! hört! rechts und bei den Nationalliberalen.) So ist die. historishe Gnt- wicklung gewesen und niht umgekehrt, meine Herren!

Und meinen Ste denn, daß nicht eine Absonderung, daß auh kein illoyales Verhalten darin gefunden werden muß, wenn wir, wie wir es vor zwei Jahren erlebt haben, in der polnishen Presse die Bemerkung finden, bevor Preußen niht sein Tsushima gefunden habe, würde es nicht besser werden in der Welt, und die Polen erwarteten diesen Unglückstag für Preußen —? (Lebhafte Nufe: Hört! hört! bei den Nationalliberalen. Rufe von den Polen: Welche Zeitung ?) Meine Herren, das war eine Mitteilung in einer polnishen Zeitung! (Zuruf von den Polen: Welche Zeitung?) Ich kann im Moment nichts Näheres angeben, aber wie ich seinerzeit im preußishen Ab- geordnetenhause angeführt habe, hat der Verleger eine starke Strafe dafür bekommen. Das sind bekannte Dinge. Haben denn die Herren uit unsere Gegentivart mit erlebt, wenn fie nicht wissen, wie in der polnischen Presse der Haß gegen das Deutshtum überkocht, wie der Wunsch auf Wiederherstellung von Polen in ganz deutlicher Weise ausgesprohen wird? Wir sollen doch nit die Augen vor den klaren Tatsachen verschließen. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, ih frage Sie, welher Pole würde es denn gegenwärtig auch nur wagen Eönnen, in einer Versammlung vor seinen Standes8genossen den Traum an die Wiederherstellung des Jagellonenreiches abzuleugnen? (Sehr gut! rechts.) Ih will Ihnen das auch nicht nur mit dieser rhetorischen Frage sagen; ich will Sie erinnern an Bemerkungen, welche Abge- ordnete der polnishen Fraktion in den Parlamenten gemacht haben. Bei der Beratung der preußishen Verfafsungsurkunde hat der Abg. Stablewéki auódrüdlih erklärt:

Posen lebt noch in seiner Gesinnung, hofft auf seine Wiedergeburt ; es lebt noch in seiner Geschichte, in seinen Traditionen, ‘in seinen Wünschen, und so oft es kann, ringt es und ringt es immer yon neuem mit seinem Geschick, um seine Selbständigkeit wieder- zuerkämpfen.

(Hört! hört! rechts.) Das find Worte, gefallen im preußischen Landtag! (Zurufe von den Polen.) Allerdings vor einer Reihe von Jahren. Aber glauben Sie denn wirklich, daß sich die Geschichte so abgespielt hätte, daß nun diese Wünsche vollkommen verschwunden wären? (Unruhe bei den Polen.) Sehen wir denn nit, wie fih das Großpolentum nicht nur bei uns, sondern auch in den Nachbar- \taaten entwidelt, wie es sih da um eine große, von einer gewaltigen nationalen, elementaren Leidenschaft getragene Welle handelt, welche ich auf uns zu bewegt? Der Herr Abg. von Skarzynski hat ja neulich bei der ersten Lesung des Etats ganz genau auseinandergeseßizt, wie ih die Zukunft entwickeln würde. Meine Herren, leugnen Sie doch nicht diese nationale tatsählihe Bewegung! Wenn Sie sehen, wie sh der Pole in seiner Sprache abschließt, wie er si \sperrt gegen die deutshe Sprache, wie er es nicht duldet, daß das, was das Kind in der Shule an Deutsch gelernt hat, weiter gepflegt wird in der Familie, dann wollen Sie noch behaupten, Sie trieben keine Ab- fonderungspolitik? Meine Herren, Sie feßen sich mit den unmittel- baren Tatsathen der Geschichte in Widerspru. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Die Konsequenzen daraus zu ziehen, ift ein Staatsgebilde wie das Deutshe Reich verpflichtet. Aus diesem Gesichtspunkte heraus Habe ich mir gestern erlaubt auteinanderzuseßen, wie der § 7 entstanden if, ih habe des weiteren hinzugeseßt und ich bitte auß den Herrn Abg. Fürsten Radziwill, seine Folgerungen daraus zu ziehen —: von der im § 7 festgeseßten Dispensbefugnis wird und, soll überall da generell Gebrauch gemacht werden, wo es notwendig ist, und dort, wo der Ge- brau des fremden Idioms nicht dazu dienen soll, die Abkehr vom Vater- lande zu vertiefen und Bestrebungen zu fördern, welche dem Deutschen Reiche feindlich sind. Ziehen die Herren doch alle die Konsequenzen daraus! Sobald es fich nicht um Volksbewegungen handelt, welhe in ihrem Urgrunde eine dem Deutschen entgegengesezte nationale Färbung haben, werden wir nicht daran denken, von den Volksgenofsen zu verlangen, daß sie nit auch in ihrer Muttersprache sprehen sollen. Insoweit es derartige Verhältnisse in Deutschland gibt, stimme ich vollkommen mit dem überein, was gestern die Herren Abgg. Dietrich und Hieber, und was heute insonderheit auch der Herr Abg. Grögoire gesagt hat: wir werden die Konsequenzen daraus ziehen, und ich will an dieser Stelle gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Grögoire, die in einem wohltuenden Gegensaß zu den Ausführungen des Herrn Fürsten von Radziwill standen, erklären, daß die Bedenken, die der Herr Abg. Grógoire geäußert hat, ihren Boden verlieren werden. (Lebhaftes Bravo rets und bei den Nationalliberalen.)

Abg. Dr. Kolbe (Rp.): Es ist mit Freude zu begrüßen, daß die A A

j eines einhe en Reich8gesetzes gelan nd. Wir vertrauen, daß die Einigkeit Deutschlands so fik ft, daß das

Sees auh in den Einzelstaaten zur Verständigung und Kräftigung und Einigkeit b S O qur O s eiträgt Unsere Fraktion if au

Y 21 Mitgliedern. Der Entwurf e Jo i taltet, Stan a ien Fortschritt bedeutet, daß er, ohne das eo "zu gefährden die großtmögliche Freiheit bietet. Was zunächst enes l betrifft; o find wir geneigt, ihm fo weit zuzustimmen, als er die eilnahme der Frauen an Versammlungen betrifft. Wir halt die Motive in dieser Beziehung für zutreffend. Wir hoffen nu daß unsere edle Weiblichkeit, bei aller Hohachtung, die wir vor “ib e geistigen Kräften hegen, aus ihren rednerishen Grfolgen in den Ber: sammlungen nicht die Folgerung ableitet, hier die Parlamentstribüne zu besteigen. Schwerer wird es uns, die Begründung für den völligen Verzicht des Gntwurfs auf die Erschwerung für die jugendlichen Personen als ausreichend und genügend anzusehen. Es muß der Sr obemokratie nah ihren ichte Mißerfolgen bei den Wahlen doppelt daran gelegen fein, dieje Verluste wieder einzubringen, und war dur eine politishe Jugenderziehung im soziali{tischer. Sinne. Si darf in dieser Bua auf_ die bekannten Aeußerungen des Abg. Liebkneht hinweisen. Die Sozialdemokratie wird denn auch die Freiheit, die diele Dana e En E t, für ee Ziele Ausnußen. a m e au e esayren nweilen, e der Besu politisGer Vereine und Versammlungen für unreife Buischen hat, in einer Zeit, wo die Gntsittlichung, R und Zuchtlosigkeit E Jugend zunimmt. CGrfahrene Eltern sollten es für un- würdig erahten, an Beratungen über das Wohl und Wehe größerer

oder kleinerer Gemeinwesen halbwüchfige Buben teilnehmen zu lassen. Es handelt fih hier wohl um ein Zugeftändnis an die linksliberalen Parteien, aber ih denke doch, au der Allerlinksliberalste müßte es als eine Untershäßung ablehnen, daß er niht wüßte, daß der Staat nur gesunden und gedeihen kann, wenn er -fortwährend dafür sorgt, daß die Jugend nicht vergiftet wird. So haben auch die edelften Geister: Schiller, Fichte, Wilhelm von Humboldt, eei bere vom Stein, Pestalozzi, Schletermacher in bezug auf die Grziehung des Volkes gedacht und gehandelt. Unreifen Buben die Betätigung in mehr oder weniger einseitigen politishen Vereinen und Versammlungen zu über- lassen, ist nicht der Weg, den jene Männer gewiesen haben. Da muß ih auf einen Uebelstand in unserem vaterländisGen Organismus hinweisen, der noch nicht genügend aufgedeckt ift, defsen Heilung aber bitter not tut, ich meine eine zlelbewußte Organisation der staatébürgerlihen Erziehung der Jugend. Ein ftaattbürgerlicher Unterricht liegt im Interesse und gehört zu den Aufgaben des Staates. Es ist kein gutes Zeichen für unsere sonst so \treitselige Zeit, daß in unserer aufklärenden Literatur kein genügendes Interesse und Verständnis für diese belehrenden Zwecke zum Ausdruck kommt. Immerhin ist in der pertiodishen und Tagesliteratur auf diesen Miß- stand hon hingewtesen worden. Man hat darauf hingewiesen, daß die tehnische B A es allein niht tut, sondern daß eine harmonishe Ausbildung der sittlihen Kräfte des Menschen notwendig ist. Gine staatsbürgerlihe Erziehung, bessere Unteroffiziere, bessere Schubleute hat man als notwendig erahtet. Heute sind jedenfalls unsere jungen Leute für Vereine und Versammlungen in der Regel nicht reif. Die Kollegen Trimborn und Heine haben in ihren gestrigen Ausfällen gegen die Polizeiorgane mit Ausdrücken wie Schurigeleien, Mißbräuchen, Nück- ständigkeit, Nüksichtslosigkeit operiert; sie hätten aber allen Grund, ihre Parteigenofsen für meine Auffassung mobil zu maten. Wir sind freudig und warmen Herzens bereit, an einer Sozialpolitik für die Shwachen und Kranken mitzuwirken, aber ebenso notwendig ist für die Gesunden im Interesse der kommenden Generationen ein großzügiger weiter Ausbau der Erziehungs-, D und Unterrichts- politik, die unsere gesamte Jugend von der Volksschule bis zur Universität umfaßt. Jch glaube, daß wir im § 1 mindestens die Erschwerung für Schüler und Personen, die noch die Fortbildungs- \chule Ben nicht entbehren können. Die Sozialdemokratie wirkt auf die Jugend zerstörend, beunruhigend, hemmend. Der Abg. Heine hat unseren Schulbehörden den Vorwurf der Nükständigkeit gemacht. Wenn man das so hört, so erscheint es selbstverständlich nit als Lob. Aber aus dem Munde des Abg. Heine kann ih mir gar keine größere Anerkennung unserer Schulbehörden denken, denn ih ersehe daraus, daß unsere Sculbehörden auf dem besten Wege sind, und daß sie im Bewußtsein der Verantwortlichkeit danach trahten, unsere Jugend gegen- über den Kniffen und Schlichen der sozialdemokratishen Agitatoren, die sie umgarnen wollen, zu {ügen und gegen jene Aspira- tionen einen tüchtigen und klugen Widerstand zu leisten. Was der Abg. Trimborn im Namen des geschlossenen Zentrums er- klärte, konnte man dahin verstehen, als wollte er sagen: was gehen uns die 37 Millionen evangelisher Bevölkerung mit ihrer \{hul- entlassenen Jugend an, wenn wir nur die Sculentlafsenen unserer 23 Millionen atholiken dem Zentrum zuführen können! Bei der egenwärtigen sozialen Lage ist ein Uebermaß von individueller reiheit beinahe eine größere Gefahr als ein Mangel daran. ofentlich wird tial mein Wunsch erfüllen, daß \fich in dieser rage ein Block bildet, der der Regierung eine Gabe Überreiht, auf deren Empfang sie nur aus Schüchternheit unb Bescheidenheit nicht zu hoffen gewagt hat. Wir erkennen die Begründung des 7 als zutreffend an und wünschen, daß der Paragraph die Anerkennung des Deutschen als Geschäfts\prache aus\priht, wie in Preußen das Deutsde die Geschäsissprache der Behörden ist. Ein Staat, der auf nationale Zusammen- ehbrigkeit Gewicht legt, muß die Sprache als ein Zeichen seiner

esamtheit festhalten. Wir dürfen die Verwirrung des großen Ganzen im Staate dur feindlihe Absonderungsbestrebungen nicht aus den Augen verlieren, aber ich bin auch dafür, daß die Aus- nahmen vom § 7 meglgn durch das Sees festgelegt werden. Wenn ih auch Optimist bin, so geht mein Optimismus doch nicht so weit, daß ih glaube, daß die polnische Fraktion erklären könnte: wir wollen endlich einmal ofen und ehrlih vor aller Welt bekennen, selbst wenn unsere fanatishe Lese uns als Lügner bezeihnen sollte, daß wir in den hundert Jahren seit unserer Ein- verleibung in Preußen unter dem Schuße deutsher Kultur und deutscher Zunge aus geistigem und wirtshaftlihem Sumpf empor- gekommen sind, aus Glend und Unwissenheit und Schmußtz auf allen Gebieten des Lebens zu tüchtigen Kämpfern geworden find, daß uns an allen Enden die staatlihe Sicherheit ungemessen ge- währt ist; wir wollen dankbar anerkennen, daß der preußische Staat nicht die Verelendungstheorie bei uns angewendet, sondern auch dem Geringsten unter uns die Möglichkeit gewährt hat, deutshe Sprache und deutsche geistige Schätze sih anzueignen ; wir wollen uns von unseren galizischen und russishen Heßern und Agitatoren nit mehr vorreden lassen, daß wir uns der großpolnischen Bewegung immer fester anzuschließen und die Schaffung eines Groß- polenreihes zu erstreben haben; wir wollen allen Fe ern unter unserem gutmütigen und harmlosen, aber fanatisierten Volke ein für allemal die Giftzähne ausreißen; wir wollen Glieder des Deutschen Reiches ein, keinen Staat im Staate bilden, sondern als treue Bürger reußens uns einreihen in die übrigen 57 Millionen Deutsche; wir wollen unseren preußischen Mitbürgern im Osten und Westen Gelegenheit geben, einmütig und brüderlih in E ien mit uns zu verhandeln, denn wir sind dank der preußischen Sghule auch der Sprache der großen Majorität des staatlichen Gemeinwesens mähtig genug; unsere Versammlungen sollen si niht mebr durch unser fremdes Idiom der Oeffentlichkeit entziehen, alle Deutschen sollen sich vergewifsern können, daß alles, was wir erörtern, der Wohlfahrt und dem Bestande des Deutschen Reichs nit hinderlich ist! Aber einen folhen Optimismus habe ih nicht ehabt, und die Rede des Fürsten Radziwill hat mir ret gegeben. us den Ausführungen der Abgg. Fürst Radziwill, Trimborn und Heine ist mir auffallend, welches ungeheure Maß von Unkenntnis und Kurzsihtigkeit in einem Teile der Nation besteht. L auf die Erfahrungen einer neunjährigen Anwesenheit in der Ostmark könnte ich Ihnen die wirklichen dortigen Verhältnisse bezeugen und behalte mir vor, bei der ersten Gelegenheit darauf zurückzukommen, um im Reichstag a malo informato ad melius informandum ju appellieren. Der Staatssekretär hat bereits die Beweise für die polnische Bewegung angetreten. selbst habe ein ungeheures Material an Aeußerungen der polnischen Presse zur Verfügung, aus denen ersichtlich ist, wie weit die Fäden im Inland und Auéland gesponnen werden. In allen Ländern, Frankreich, Gngland, Italien usw. ist eine wohl- organisierte polnische Presse so gut unterrichtet, daß vor kurzem sogar in einer Pariser Zeitschrift ein französisher General ih erlaubte, über die deutshe Ostmarkenpolitik zu s{hreiben. Bei dem § 7 handelt es sich nicht um eine Gntrehtung, nicht um eine Aus- \chließung der polnischen Sab ondern um eine Einfschließung derselben in unsern Staat. Es ist kein Ausnahmegeseß gegen die olen, und die Polen werden nit, wie der Abg Trimborn meint, zu

taatsbürgern zweiter Klasse gemacht, sondern cher könnte man fie als Staatsbürger erster Klafse ansehen, da ihnen zwei Sprachen bei- gebracht werden. Nah dem vorliegenden Material erinnere ih nur an eine Gerichtévethandlung im August, wo einer von den polnischen Geistlichen bestraft wurde, weil er den ihm anyertrauten Kindern erklärt hatte, er würde ihnen die deutsche Zunge ausreißen, wenn fle im Konfirmandenunterricht deuts antworteten. (Zurufe von den Polen: Wer war das?) Es stimmt, ih werde Ihnen den Namen nennen. Der Abg. Trimborn fragte, wäs {ih denn er- eignet hätte, um ein solches Geseß zu rechtfertigen; wenn er darunter versteht, daß noch keine Feinde vernichtet sind, noch keine Verwüstungen angerihtet und noch keine Brandstiftungen oe sind, dann hat er recht. Aber wie steht es mit den tausendfältigen Fällen der Kon- spiration mit dem Ausland, mit den Schriften, die im Inlande und Auslande mit dem größten Gifer verbreitet sind? Das Zentrum möge fi gesagt sein lassen: was ist den Polen der Katholizismus,

wenn der Polke nit nationalpolnisch if? Was ist der Priester, wenn er niht nationalpolnishe Aritatton treibt, was der Bischof, wenn er die nationalpolnishe Propaganda nicht unterstüßt ? wäre traurig, wenn das Zentrum nicht über diese ungeheuerlichen An- griffe unterrihtet wäre. Es kann daraus viel lernen. Wir beurteilen die Vorlage \rei von Doktrinarismus, fréi von deutscher Schwer- fälligkeit, frei aber au von B inmezer Gefühlsposlitik.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vag.): Daß der Entwurf beim _Zen- trum und. den Sozialdemokraten eine ungünstige Aufnahme finden würde, hatten wir erwartet; beide Parteien sehen darin ein Produkt der Blo@politik und richten ihre Polemik danach ein. Der Abg. Trimborn bat sich dabei so modern gegeben, daß ich fürchte, er wird Opfer eines neuen päpstlihen Syllabus werden er is für die freie wissenschaftliche Propaganda eingetreten, hoffentlich nit mi irgend einer stillen reservatio mentalis, indem er etwa bloß die wirklich akkreditierte Wissenschaft gemeint haben wollte. Wie langt ist es denn her, daß wir aus den Reihen der Zentrumspartei n andere Worte über Paulsen hörten! Da wurde die von ih vertretene Richtung als eine gefährliche hingestellt, der Abg. Gröber ist mein Zeuge; wie liberal man doch werden kann, wenn mal in die Obposition gedrängt ist! Ob unter uns noch der Seil Rikerts und Richters weilt, darüber kann ih den Abg. Trimborn bee ruhigen ; wir denken wie - diese Männer, und bedauern müssen wir nur, daß Rickert das Geseh ih sehe dabei vom § 7 ab nicht mehr erleben durfte. Nicht preisgeben, sondern durchführen wollen wir ihre Grundsätze, soweit es die gegebenen Verhältnisse irgend g statten; wir glauben au keineswegs, daß mit diesem Entwurf die Morgenröte der Freiheit angebrochen ift, der Beginn der liberalen Aera- Die. Zeit einer freieren Anshauung wird kommen mit der zunehmenden SFndustrialisierung Deutschlands ; aber noch ift sie nicht da. Das an sh Gute läßt sch nicht immer rein zur Durhiührung bringen ; da spriht die geshihtlihe Entwicklung und die öffentlihe Meinung mit. Wer 50 Stimmen hat, darf ih nit gebärden, als verfüge er übe 200. No vor 10 Jahren sagte von der Recke im preußischen Abgeordnetenhause, es müsse unter allen Umständen dafür ge{org werden, daß der Staat auf dem Gebiete des Vereins- und Versamm- lungswesens vershärfte Befugnisse erhielte. Von da bis zu dem vokr- liegenden Geseß ist doch eine erheblige Strecke Weges; wir unsererseits wollen dazu beitragen, daß der Befceiungsprozeß ih foriiegt und vollendet. Auch der Abg. Dietrich hat für die Deutschkonservativen erklärt, die Zeit für eine moderne Regelung der Materie sei gekommen, und der Gntwurf biete dafür eine brau bare Grundlage. Das klang anders als die früheren Aeußerungen aus jenen Reiben, die bloß eine Stärkung der Sozialdemokratie po etner solhen Maßnahme erwarteten, oder vielmehr befürhteten. Das deutsche Volk muß ein politishes Volk sein; wir müssen hinweg- räumen, was an Steinen in dém Wege liegt. Hier soll nur eînÒ Quelle der Unzufriedenheit verstopft werden, die Politik der polizeilichen Nadelstiche soll fallen. “In der sozialdemokratishen Presse führt man jezt die ‘Sprache Fieberkranker gegenüber dem Entwurf und den Blockparteien. Mit dem Kollegen Hieber stelle ih die Rechts- einheit, die uns“ der Entwurf bringt, in den Vordergrund; d liegt auch eine Erweiterung, oder wenigstens eine Befestigung der Befugnisse des Reichstages und seines Kontrollrehtes. Landräte, Amtshauptleute, Kreisdirektoren usw. werden wir künftig vor unser Forum ziehen; auf die Praxis dieser Be- bôrden gewinnt der Reichsta endlich einen erhöhten Einfluß. Man kann ja den Gntwurs mit anderen Augen ansehen, wenn man ein Preuße und wenn man ein Württemberger, Waldecker oder Heffe ist, der ja au als solcher niht blind zu sein braucht. Nach dem Abg. Trimborn hat ja der Gntwurf ein Wunder gewirkt: Der Abg. Gröber foll nämli durch denselben zugleich \prachlos geworden sein und ausgerufen haben: Unannehmbar! Aber auch im Süden sind Klagen über die heutigen Zustände erhoben worden, und für Nordbayern stellte der Abg. Heine ja fest, daß dort auh heute {on die preußische Praxis gelte. Das Schicksal der Vorlage wird ja vielle:cht erft in der dritten Lesung zu übersehen sein; einstweilen soll man seine Vorzüge willig anerkennen und s bemühen, seine Mängel zu be- seitigen. Das Präventivverbot fällt, ein Fortschritt den g rade die Sözialbemokraten s{häbßen müßten, die, wie Bebel im W E ischen bee lebt devuilert der Abg Gesin (olchen Verbotes geworden findj

g. Veine, wie unerheblich und wertlos diese Verbesserung ist. In Me * nd wer. Mim n N) s Übeclen det Wie fie cil T Sn ' emokraten verweigert; das 1 Der D Gla S eanenivete ita O böber oi! agen, als von cihbere - - samumlungtivelen überbaupt eine Befferung (e "aoileerung ded ones zu erwarten ftebt. f e Bere e Wortentzlehung La os Befugnis ed ortfdriti, ats die Derlammung der Gefahr der entr wie ükterhaupt die Aufl osungsbef nie Se dur die

Ÿ i i E Ehr meiterer Baring, ut “lie Guiihrèntins (erli

der au nit E Sonntagéverordnungen uns zu unterschäßen O lungen nehmen können, ivie E fen Sonntag für Versam Sonntag ist gerade der enburg der Koalitionsreht ist das

a . befte Versammlungst _auf das ag. In bezug flar gestellt. F Verhältnis des Gesetzes zu 8 152 G.-O. nicht

Zmmerhin enthält en bie auh der Koalitionsfreiheit que Foesimmun L bie Vereine liegt im Entwurf eine entschiedene Verhesser ung, für diz Versammlungen liegt wenigstens ein kleiner Fortschritt vor, delt wir vermehren wollen. Der Begriff der Vereine und Versammlungen und der öffentlihen Angelegenheiten muß klarer gestellt werden.

ift der Verwaltung überlassen, zu beftimmen, was ein Verein ist- E wäre richtiger, ein Merkmal zu finden: ‘das eine schärfere Umgrenzung gestattet. Au die Begriffsbestimmung der öffentlichen Versammlungen in der Vorlage genügt nicht. Der Begriff öffentlicher elcenbeiten muß s begrenzt werden, daß er jeder falshen Auslegung entzogen i. Die vor- handenen Schwierigkeiten sollen uns aber nit abhalten, éine Lösung zu finden. Dte öffentliche Bekanntmachung muß der Anzeige jedenfalls gleichgestellt werden, Der Amtsvorsteher wohnt oft weit dertant und ist oft nit zu Hause, niht zu sprechen. In Deutsch-Krone verlangte der Amtsvorsteher, daß der Antragende seinen Antrag dent stellvertretenden Amtsvorsteher im Auszuge überreihe! Wenn einmal eine Anzeige unterblieb, und kein Schußmann erschien, so war das s{ließlich auh fein Unglück. In Frankrei, England, Schweden gibt es überhaupt kine Anzeige. Daß man in Amerika niht zur Polizei zu laufen braucht, bedarf erst gar keines Hinweises. Ein shwerer Mangel liegt in den Bestimmungen über die Auflösung. Um zu E Geten ob es sih um ein niht auf Antrag zu verfolgendes Vergehen handelt, bedarf es nit eines Schußzmannes, fondern eines Staatsanwalts und Rechtsanwalts. Der Schußmann müßte in einer Sekunde die Entscheidung hierüber treffen, und das kann er nichk. Das preußische Geseß ist da in der Tat noch besser. Wir behalten uns Abänderungsanträge in dieser Beziehung ausdrücklich vor. Der Polizist soll über die Angemessenheit des Platzes entscheiden. Es gibt doch auch bei der Polizei Leute, die ihr Temperament nicht zügeln können und sich nah oben beliebt machen wollen. Das muß man ver- hindern. Das Strafmarimum von 600 4 scheint uns viel zu weit zu gehen. Was soll mit den Ausländern geschehen? § 1 spricht nur von allen Reichsangehörigen. In anderen Gesebgebungen ijt allerdings au nur von Reichsangehörigen die Rede. Auch der Rickertshe Entwur: spricht nur von „Deutschen“. Vielleicht könnte man in den Handels verträgen ein Gegenseitigkeitsverhältnis festlegen. Sonst wüßte i nit, wie man die Sachès machen soll. in Wort über das, ; in dem Gesez nicht steht. Der jeßt betretene Weg muß srüher oder später zu Ende gegangen werden. Wer das Shiff flott halten will, wird es aber nit zu stark belasten. Dazu gehört die Srage Kongregationen, dás wäre ein Kuckudéei. Das Recht der nd- Febeiter und Dienstboten festzulegen, soll uns recht sein; au die Frage des Verwaltungsstreitverfahrens wollen [wir gern, Þ

(S{hluß in der Zweiten Beilage.)