1877 / 208 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Sep 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Falls dies aus dem Bruttoeinkommen nach Abzug der Resti- tution nicht resultirt, wird es in Form eines Steuerzuschlages auf die Fabriken ausgeworfen werden. Es wird auf die Zuckerfabriken ein Minimum von 6 Millionen ausgeworfen werden. Die Steuer wird jährlich um 500,000 Fl. erhöht, bis sie den Betrag von 104 Millionen erreiht. Morgen wird die Enquete fortgeseßt.

Agram, 3. September. Der Landtag wurde heute durch den Präsidenten Krestic in üblicher Weise eröffnet. Die Abgeordneten sind zahlrei ershienen. Nach Anmeldung der Einläufe legte der Justiz-Chef Derencsin Geseßentwürfe, den Wucher, die Eisenbahnhattpflicht und die Hauskommunion betreffend, vor. Die nächste Sißung is unbestimmt.

Schweiz. Bern,3. September. (N. Zürch. Ztg.) Jn Folge nächtliher Ruhestörungen und Angriffe auf die Polizeigewalt in Lugano hat, wie gemeldet, die Regierung von Tessin für nöthig erahtet, die Stadt durh drei Compagnien beseßen zu lassen. Der Gemeinderath verwahrte sih gegen eine solhe Ausnahme- Maßnahme und erklärt sich Willens und in der Lage, für die Aufrechthaltung der öffentlihen Ordnung ciu ryen. Zugleih erhob er Beschwerde beim Bundesrath. Nachdem

jeit dem Vorfalle, welcher das Truppenaufgebot veranlaßt hatte, weitere Unordnungen wirklich niht vorgekommen sind, so Lei der Bundesrath, ohne für einmal über die Angelegen-

eit ein definitives Urtheil zu äußern, der Regierung die Er- wartung ausgesprochen, daß sie auf die Rückberufung der Beseßungstruppen mit thunlihster Beförderung Bedacht neh- men möge.

Frankreich. Paris, 3. September. (Fr. C.) Die regierungsfreundlichen Blätter veröffentlichen folgende Note: „Ein Blatt (die „Assemblée nationale“) hat behauptet, daß der Marschall, einem Beschluß zufolge, welchem der Einfluß der Generale Chanzy und Berthaut niht fremd gewesen sein soll, geneigt wäre, eine Politik zu befolgen, die ihn dem linken Centrum näher bringen würde. Dieses Blatt fügte hinzu , daß der Ministerrath sich mit dieser Frage angelegentlich beschäftigt und der Minister des Fnnern dann den Auftrag er- halten hätte, ein Rundschreiben an die Präfekten aufzuseßen. Alle diese Angaben sind in ihren Einzelheiten sowohl, als was den Grund der Sache betrifft, ganz unbegründet.“ Durch eine gestern erfolgte Wall haben die Republikaner im Generalrath der Vogesen einen Siß gewonnen. An Stelle des verstor- benen Hrn. Thomas Labourot (konservativ) wurde der Groß- industrielle Kiener mit 1079 gegen 530 Stimmen gewählt, welche auf den Militär-:Jntendanten Baret entfielen. Der Marschall Mac Mahon verläßt heute Abend Schloß La- foret, um “ih nach dem Loire-Departement zu begeben. Er wird morgen in Boën den Manövern des 13. Corps bei- wohnen und die Behörden und Notabilitäten des Departements empfangen.

Wie der Telegraph meldete, is der Nestor der fran- zösischen Staatsmänner, Louis Adolphe Thiers, am 3. September in St. Germain en Laye, wohin er fich zu seiner Erholung auf einige Zeit zurückgezogen hatte, verstorben. Hr. Thiers hat seit einem halben Jahrhundert einen hervorragenden Antheil an allen bedeutenden Ereignissen seines Vaterlandes

ehabt und in den Pausen seiner eigentlichen politischen Thätig- eit dur sein schriftstellerishes Wirken nicht minderen Einfluß auf die Nation geübt. Thiers ist am 16. April 1797 in Marseille geboren. Er kam, nachdem er in Aix Jurisprudenz studirt, -- 1820 nach Paris. ls Redacteur des „Constitutionnel“, später des „National“, begann er seine politische L Er unterzeichnete als einer der Ersten den Protest gegen ie Königlichen Ordonnanzen vom 30. Juli 1830. Nach der Wahl Ludwig Philipps zum Könige wurde er im November 1830 Unter-Staatssekretär im Ministerium Laffitte. Nach Perriers Tode erhielt er 1832 das Ministerium des Jnnern, ging noch im selben Jahre in das des Handels über und trat 1833 mit dem ganzen Kabinet zurück. Nach wenigen Wochen war Thiers indeß {hon wieder Minister des Jnnern, und zwar unter Mortier und später Broglie. 1836 trat er als Minister des Auswärtigen an die Spiße des Ministeriums, mußte aber nah einem halben Jahre dem Kabinet Molé weichen, dessen Sturz er im Jahre 1839 herbeiführte. Jm nächsten Jahre leitete Thiers wieder die Regierung, bis er am 24. Oktober 1842 in Folge der durh die orientalishen Angelegenheiten hervorgerufenen Koalition gegen Frankreih zum Rücktritt veranlaßt wurde. Da- mit hört seine ministerielle Thätigkeit, von der kurzen Episode beim Ausbruche der Februarrevolution abgesehen, auf. Die nächsten Jahre widmete er seinem zweiten großen histori- schen Werke die Geschihte der französishen Revolution war 1823—25 erschienen der Geschihte des Konsulats und des Kaiserreichs, die in 20 Bänden von 1845—62 heraus- fam. Von 1848 kis zum „Staatsstreich“ war er in den geseß- gebenden Versammlungen ein leitendes Mitglied, seit 1850 Führer der Rechten. Nach dem Staatsstreih wurde er aus Frankreich verbannt, kehrte 1852 nah Paris zurü und lebte bis 1863 seinen literarischen Arbeiten. Jn diesem Jahre rief ihn ein Mandat der Stadt Paris wieder in die Kammer, in welcher er dem Kaiserthume bis zum Sturze desselben als Gegner gegenüber- stand. 1870 spra und stimmte Thiers gegen den Krieg mit Deutschland. Auf die Höhe seiner politishen Wirksamkeit elangte er nah der Bewältigung Frankreichs durch die deutschen Waffen. Am 12. September 1870 übernahm er eine politische Mission an die Höfe der europäishea Mächte, um deren Fnter- vention zu veranlassen, von der er am 18. Oktober ohne Erfolg zu- rückehrte, um gleich darauf die ersten vergeblichen Friedensunter- bandlungen in Versailles zu führen. Bei den allgemeinen s zur Nationalversammlung wurde er mehx als zwanzig Mal gewählt. Am 17. Februar wurde er einstimnuig zum Chef der exekutiven Gewalt erwählt. Er führte alsdann in Versailles die Unterhandlungen über die Friedensprälimi- narien. Am 31. August wurden die Gewalten des Herrn Thiers verlängert und derselbe zum Präsidenten der Republik erwählt. Am 24. Mai 1873 nahm “0e seine Entlassung. 4. September. (W. T. B.) Der Marschall- Präsident hat an die Gemahlin des Herrn Thiers ein Beileids-Telegramm gesandt. Derselbe wohnte heute den militärischen Uebungen im Departement Loire bei und wird morgen früh hier zurückerwartet. Dem „Moniteur“ ufolge dürste die Reise des Marschalls nah den südöstlihen Departements dur die Leichenfeierlihkeiten um einige Tage ver- hoben werden. Die leßteren soll:n auf Kosten des Staates tattfinden. Sämmtliche Zeitungen geben ihrem lebhaften Bedauern über das Ableben Thiers Ausdruck. 5. September. (W, T. B.) Gestern Nachmittag hat

Senatoren und vormaligen Deputirten unter dem Vorsiße Gambetta's stattgefunden, wobei beschlossen wurde, den Präsidenten der aufgelösten Deputirtenkammer, Grévy, nach Paris zu berufen und demselben die Führerschaft der republikanischen Partei anzutragen. Jn den republikanischen Kreisen verhehlt man sich nit, daß der Tod Thiers von wesentlihem Einfluß auf den Ausfall der Wahlen sein könne.

Türkei. Konstantinopel, 4. September. (W. T. B.) Die Gouverneure der Provinzen sind durch ein Rund- \hreiben der Regierung aufgcfordert worden, die Neu- wahlen der Depu“irten vorzunehmen. Die Eröffnung der Kammer soll am 1. November stattfinden, die Provinzen wählen 60 muselmännische und 47 christliche Abgeordnete. (W. T. B.) Der „Cölnishen Zeitung“ wird aus Konstantinopel folgende Analyse des Telegramms emeldet, welches der türkishe Botschafter in Wien, Aleko ascha, vor seiner Abreise von Wien an den ersten Sekretär des Sultans gerichtet hat: Der Weisung der hohen Pforte gemäß verlasse ih am 30. August Wien. Jedoch habe ih nah den zahlreihen Demüthigungen, die mir durch den Groß- VURE Edhem Pascha, seitdem er zu dieser Machtstellung gelangt ist, angethan sind, um mih zu meiner Ent- lassung zu zwingen, und nah den traurigen Erfahrungen der leßten Tage weder die Lust, noch den Muth, nach Kon- stantinopel zurückzukehren. Die Leidenschaft, mit welcher man mi verfolgt hat, muß mich warnen und mir jedes Vertrauen rauben. Freilich, wenn ih die Gewißheit hätte, daß ih mich ehrlicher Weise mit Edhem Pascha auseinanderseßen könnte und daß die Richter, welche zwishen ihm und mir entschei- den sollen, unparteiisch und muthig genug sein würden, um ihre Meinung _ offen zu sagen, ohne wegen der Folgen einer solhen Offenheit besorgt zu sein, so würde ich un- verzüglih dorthin kommen. Leider aber fehlt hierjür jede Bürgschaft, und da der Großvezier das Unrecht, das er einem treuen Diener des Sultans anthut, gleih einem durch Osman Pascha oder Suleiman Pascha erfohtenen Siege an- sieht, so zwingt man mich, auf eine Auseinandersezung Ver- ziht zu leisten und die türkische Nation zu beklagen, welche augenblicklich für die Age en derjenigen Mirister büßt, die früher ihr Geschick geleitet, indem sie ihr kostbares Blut auf den Schlachtfeldern vergießt und sich «zu dem traurigen Loose verdammt sieht, daß sie niht nur die Frucht ihrer furhtbaren Opfer nichi ernten kann, sondern auch in Zukunft ähnliches Elend befürchten muß. Das osmanische Reich wird sih nicht befestigen und eine glücklihe Zukunst nicht schaffen können, selbst nicht nah dem Abschlusse eines glück- lihen Friedens, so lange die türkishen Minister auf den alten Wegen weitergehen und dem Paar en Feinde stets von Neuem einen Vorwand zu seiner Angriffspolitik geben und die leßtere durh Willkürakte rechtfertigen. Wie dem auch sei, 2 werde gleih wie mein verstorbener Vater, welcher von vier ultanen mit Wohlthaten überhäuft wurde, nicht aufhören, für das Wohl unseres erhabenen Herrschers zu beten und von der Vorsehung die Unterstüßung zu erflehen für die Be- mühungen Sr. Majestät, die Gerechtigkeit, die einzige Grund- lage einer jeden Macht, zu begründen und zu befestigen.

Der russisch-türkische Krieg.

St. Petersburg, 4. September. (W. T. B.) Die von auswärtigen Zeitungen gebrahte Nachricht, daß der Kaiser von Rußland sich demnähst nah Frateschti begeben werde, entbehrt, gütem Vernehmen nah, jeder Begründung.

Wien, 3. September. Das „Fremdenbl.“ schreibt : „Nach den in hiesigen diplomatischen Kreisen eingetroffenen tachrihten aus Belgrad unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die serbische Regierung unter dem Eindrucke der neuesten türkishen Erfolge und in der richtigen Erkenntniß, daß Serbien im Falle einer Niederlage von keiner Seite eine Hülfe gegen die Türkei erwarten kann , den Eintritt in die Aktion vershoven hat. Wenn in verschiede- nen Blättern gemeldet wird, das hiesige Kabinet habe neuer- dings nah Belgrad ernste Mahnungen gerichtet, so glauben wir behaupten zu können, daß diese Mittheilung nicht richtig ist. Oesterreil-Ungarn hat im Verlauf der gegenwärtigen orientalishen Verwicklung wiederholt den beiden kämpfenden Mächten gegenüber seinen Standpunkt präzisirt, dürfte es je- doch seiner Machtstellung nicht entsprechend gefunden haben, die neuesten militärischen Anstrengungen Serbiens zum Gegen- stande einer direkten Vorstellung zu machen.“

Europäischer Kriegsschauplaß.

St. Petersburg, 4. September. (W. T. B.) Dffi- zielles Telegramm aus Gornji Studen vom 4. Sep- tember, Morgens 7 Uhr 35 Minuten: Gestern haben die Ge- nerale Jmeretinsky und Skobelew Lowtscha erstürmt. Nähere Nachrichten liegen noch nit vor.

Wien, 4. September. (W. T. B.) Telegramm der „Presse“ aus Sistowa von gestern: Gestern wurde bei Gornji Dabnik ein aus 80 Wagen bestehender türkischer Proviant- transport von russischer Kavallerie genommen ; leßtere ge- hörte zur Avantgarde der Truppen, die bei Corabia die Donau überschreiten. Die rumänischen Truppen bilden den äußersten reten Flügel der russishen Aufstelung und sind bestimmt, die Verbindung mit Plewna nah dem Westen und Südwesten hin abzuschneiden. General-Major Depp (vori Jngenieur-Corps) hat die mgen Stellungen der Russen von Tirnowa bis zum Schipkapaß inspizirt und

emeldet, daß alle Punkte mit Proviant und Munition reich- ih versehen und daß Tirnowa und der Schip?7apaß vor einem direkten Angriffe der Türken gesichert seien. i

Wien, 4. September. (W. T. v Nach einem Tele- gramm der „Pol. Korr.“ aus Bukarest vom heutigen Tage ist der Beginn der Offensiv-Dperationen der rusfischen Armee unter dem Großfürsten Nikolaus unmittelbar bevorstehend. Das Corps des Großfürsten-Thronfolgers bleibt gegen- über Mehemed Ali Pascha in der Defensive am Lom. Die russishe Armee erhält fortgeseßt große Verstärkungen. Jn Rumänien werden Vorbereitungen getroffen für das neue 20,000 Mann starke russishe Corps, welches demnächst daselbst einrücken soll. Die rumänishe Armee steht jest vollständig auf türkishem Gebiete. Das Kommando derselben übernimmt General Cernat unter dem Fürsten Karl von Rumänien.

Aus Sistowa, 2 September, wird der W. „Presse“ gemeldet: Das Gros Suleiman Paschas hat sih aus dem

beseßt. Jm Schipkapasse wurde eine. Feld- Telegraphen - Dun etablirt, welhe mit Gornji Studen in Verbindung steht.

Zur Situation auf dem bulgarischen Kriegs- schauplatze erhält die „Polit. Korr.“ folgenden Bericht aus Galaßgß, 31. August:

„Der Kampf um den Schipkapaß ist noch nicht zu Ende. Die Unterbrehung {eint nur wegen physisher Erschöpfung beider Theile eingetreten zu sein. Bis jeßt haben die Russen ihre Stellungen be- hauptet. Einzelheiten über die Kämpfe am 26 und 27. find nur spärlich eingelaufen, aber das Wenige, was man erfährt, genügt, um ein anshaulihes Bild des Angriffes zu geben. Nachdem die Türken nämli eingesehen hatten, daß fie troß aller Bravour und Zähigkeit über St. Nikolas und Marko-Kralski-Bair (d. h. vom Süden her) die Passage unmöglich forciren können, warfen dieselben starke Abthei- l ngen in die Thäler oder vielmehr Schluchten der Koserica und machten sogar eine weitläufige Umgehungsbewegung, um über Panicarka und längs des Panicarka-Flüßchens vorzudringen und das Jantra-Thal hinter der russischen Aufstellung zu erreihen. Es gelang ihnen auch nach fürchterlihem Kampfe und mit {weren Verlusten bis zur Flanke der russischen Stellungen vorzudringen und sich auf einem stark bewaldeten Höhenzuge festzuseßen, von welchem sie die Russen bedrohten und beinahe umzingelten, so daß die letzteren gezwungen waren, Verstärkungen an sich zu ziehen. Leßtere trafen noch recht- zeitig ein. Es entspann sich ein mörderisches Waldgefecht, in welchem Kolben und Bajonnet die Hauptrolle spielten. Endlich gelang es den neu ankommenden russishen Schüten-Bataillonen, die Türken aus ihren Stellungcn zu delogiren und aus Selender8vo über den Ozandag zurückzuwerfen.

Während der linke türkishe Flügel in diesem blutigen Kampfe unterlag, unterhielt das Centrum auf dem Hauptwege und den be- waldeten Abhängen des Passes ein lebhaftes Tirailleurfeuer in stetem, aber langsamem Vorrücken -gegen die von den Russen errichteten Schanzen. Die erfte Schanze wurde sogar von den Türken mit Sturm genommen. Beim Angriffe gegen die zweite soll ein türkisches Bataillon, welches in Sturmkolonne anrückte, durch eine Minen- explosion beinahe vernihtet worden sein. Nach diesem Zwischenfalle, welcher in vielen Berichten stark übertrieben wurde, schritten die Russen zum Angriffe vor ; fie verließen ihre Verschanzungen und stürmten mit dem Bajonnete unter Deckung eines von ihren Batterien lebhaft unter- haltenen Artilleriefeuers auf die decimirten türkischen Abtheilungen und warfen dieselbe1 troß ihrer aus dem Dorfe Schipka erhaltenen Ver- stärkungen mehrere tausend Schritte zurück. Nach diesen Kämpfen \heint Suleiman Pascha den Frontangriff vorläufig sistirt zu haben. Nach den neue¡en Meldungen gewinnt es aber das Aus- sehen, daß er mit seinem reten Flügel eine Umgehuag der russischen Stellung über Prohacka und Stozevci vorzunehmen dachte, dax starke Truppenbewegungen in dieser Richtung bemerkt wurden. Wenn es den Türken gelingen sollte, über den Trewna-Balkan ansehnliche Kräfte auf die nördlihen Abhänge des Balkans zu werfen, während sie den Angriff auf Schipka auf ihrem linken Flügel und im Cen- trum wiederholen, is es sehr möglich, daß die Russen den Paß aufzugeben gezwungen twerden. i

_Es ist aber zu bezweifeln, daß die erwähnte Umgehungs8operation gelingt, denn die russische Kriegsleitung hat starke Massen bis zum Balkan vorgeschoben und die ungangbarsten Pässe sind befestigt und stark beseßt worden. Aller Wahrscheinlichkeit nach is} die Forcirung des Balkans bei Schipka für die Türken fortan beinahe unmögli geworden. In den ersten Tagen hätten sie die {wachen russischen Abtheilungen überwältigen können, jeßt haben die Russen so viel Ver- stärkungen von Gatrowa und Tirnowa erhalten, daß eine Wiederholung des Angriffs von Seite Suleiman Paschas ein tolkühnes Unternehmen wäre, welches nur zu unnüßzem Blutvergießen führen würde. Die Türken würden sogar dur eine gelungene Forcirung des Schipkapasscs nichts erreichen, weil die Debouchirung ihrer Streitkräfte aus dem Passe unmöglich geworden ist; se würden bei ihrem Vorrücken auf Ga- orowa auf überlegene Streitkräfte stoßen, von welchen sie vereinzelt aeshlagen werden könnten, ohne ‘daß sie Zeit hätten, fi zu formiren. Die bloße Beseßung des Passes aber is ein Vortheil, welcer in feinem Verhältnisse zu den großen Opfern an tüchtigen, kriegê- erprobten und darum nicht zu erseßenden Truppen steht. (

In Nord-Bulgarien haben sich die Stellungen beider Theile in den leßten Tagen nicht wesentlih verändert. Die Armee des Eroßfürsten-Thronfolgers hat nah dem Treffen bei Ajaslar die vorgesc:obene erste Division näher an fich gezogen und eine feste Stellung zwish-n Popkiöi und Mechmedkiöi eingenommen. Diefe Armee ist jedenfalls zu shwach, ‘um zugleih die türkishe Stellung vor Esfi-Djuma anzugreifen, die Rasgrader Armee zu beobachten und die Garnison Rustshucks in Schach zu halten. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß dieselbe sih streng auf die Defenstve beschränken

| wird, bis der Angriff auf Plewna stattgefunden hat, um so mehr, da

Mehemed A li Pashas Armee sogar nah einer Niederlage -ine so sichere Rüczugslinie auf Schumla besißt, daß ein russisher Angriff auf seine Stellung gar keinen Zwe haben könnte. Der wahre Schlüsselpunkt der wichtigsten Kriegsoperationen bleibt immer Plewna. Dort stcht die zur Offen- sive fähigste Armee der Türkei und diese Armee müsscn die Russen angreifen oder umgehen, um sh nah Westen Luft zu machen und ihre Opcrationslinie vor der bedrohenden Stellung Ds man Paschas zu sichern. Gleichzeitig ist es aber die Armee Osman Paschas, die am ehesten angegriffen werden kann. Ihre Stellung stügt sich auf keine Festung (Widdin ist zu weit), auf kein Gebirge; dieselbe ist taktish slark, aber strategisch sehr gefährdet ¡obald die russische Kriegsleitung genug Kräfte konzentrirt haben wird, um sie zu um- gehen, ohne ihre Front zu s{chwächen. Dieser Moment ist nahe gerückt. Der augenscheinlihste Beweis, daß eine baldige Aktion auf diesem Theile des Kriegsshauplates bevor- steht, ist die Bewegung der rumänischen Armee. Die Wechsel- fälle des Krieges haben es dazu gebracht, daß in diesem Augenblicke tas vom Fürsten Carl bef-hligte rumänishe Corps, welches bei Co- rabia über die Donau gegangen ist, ein Faktor in den, nächsten Kriegs- e-eignissen werden kann. Nach dem Lee bei Corabia haben sih 2 Divisionen der rumänischen Armee ciner]eits von Magura aus durch eine morastige Ebene über Gigen-Mahala und von dort auf dem Plateau zwischen Isker und Wid bewegt und ihre Vortruppen bis Trstenik (12 Kilemeter von Plewna) vorgeschoben. Andererseits hat der linke Flügel Gjulerci beseßt und rüdckt den Wid-Fluß cnt- lang bis Murktevica, wo derselbe mit der 4. Division, welche von Nifkopolis aus auf Mecka und Riben gerückt is, Fühlung gewiu- nen wird. Die leßtere Division hat ihre Vortruppen bis Ka- cemunica vorgeschoben. Die Aufgabe des ramänissichen Corps wird vor der Hand sin, den Höhenzug, der nordwestlich von Plewna si zwischen Jésker und Wid zieht, zu beseßen und zu befestigen. Der wirkliche Angriff auf die türkishe Stellung wird von Südosteun ge- macht werden. Man wird bei Laëcar die türkische Linie Plewna- Lowtscha zu durchbrechen versuchen und auf Telis und Gornji-Dabnik vorrücken. Erst wenn dieses gelingt, kann die rumäniscbe Armee nach Südwesten vorrücken und den Ring um Plewna vervollständigen. Zu dieser Operation gehören aber nod mehr Kräfte als die, über welche die russische Kriegsleistung um Plewna vorläufig verfügen fann. Darum glaubt man, daß noch einige Tage verstreichen wer- den, binnen welcher Zeit ein 35,000 Mann ftarkes Corps si zwi- schen Sistowo und Karadak aufstellt, um eine Vorrückung Déman Paschas auf die Ee Kommunikations[linie vereiteln zu können.

Auf der Eisenbahn dauern die Truppendurhzüge ohne Unter- brechung fort. Garde-Kavallerie und“ Ergänzungstruppen der Jn- fanterie sind vorgestern und gestern passirt. Man schäßt die seit dem 1. August angekommenen Verstärkungen auf 90,000 Mann. In Fassy und Paschkani stehen starke Abtheilungen, welche auf Transport- mittel warten.“ \ 4

Der „Times“-Korrespondent im ruf sischen Feld- lager schreibt unterm 26. Nugust aus Poredim: ,

eine Berathung der hier anwesenden republikanischen

Se A in die Tundscha-Ebene zurückgezogen. Die türkischen Positionen sind jeßt zumeist nur von Jrregulären

„Der Gesundheitezustand der Truppen ist gut und für die Pferde ist Fourage E Ueberfluß vorhanden. Der Oberst eincs jeden Regi-

mcnts kauft das S&lactvieh für seine Leute und die Fourage für die Pferde. Es ist kein Profoß und keine Feldpolizei da, ja niht einmal Scildwacben in den Ortschaften, um welche das Lager auf- gesblagen is, und doch laufen Hühner und anderes Ge- flügel unberührt umher. Großfürst Nikolaus hat einen Generalbefehl herausgegeben, der jede Plünderung verbietet und anordnet, daß Uebertreter desselben vor ein Kriegêägeriht gestellt und erschossen werden follen. So streng wird diese Weisung befolgt, daß sich selbst General Zatoff durch einige Tage ohne Hühner für seine Tafel be- helfen mußte, da si die Bulgaren von Poredim weigerten, ihm für seine Privatkühe Geflügel zu verkaufen. Diese Christen lassen keinen der Vorth-ile, welche ihnen ihre Stellung bietet, unbenüßt und for- dern hier im Herzen von Bulgarien mehr für Gerste und Heu, als die Händler in Bukarest, bekanntlich der theuersten Stadt der Welt. Die Russen erdulden diese shändlichen Uebervortheilungen mit einer Geduld, welche geradezu wunderbar genannt werden muß.“

: Belgrad, 4. September. (W. T. B.) Der „Polit. Korr. wird von hier gemeldet: Unter dem Vorsiß des Fürsten wird über den künftigen Feldzugsplan fort- während Kri egsrath e. Horvatovics soll gegen Widdin, Leschjanin gegen Nish und Nicolic gegen Sjenica Aufstellung nehmen, während das Drina-Corps eine Defensiv- stelung einnehmen soll. Pionier-Abtheilungen find bereits nah der Grenze abmarschirt. Sämmtliche Offiziere müssen bis zum 13. d. bei ihren Truppen-Abtheilungen eingerückt sein. Jn dex Kriegsfrage ist das Ministerium solidarisch einig.

Asiatisher Kriegsschauplaßt.

St. Petersburg, 4. September. (W. T. B.) Offiziell. Aus Karail wird unter dem 1. d. vom Kaukasus gemeldet : Am 28. v. M. beseßte die Avantgarde des Generals Al cha- soff die Position bei den Quellen des Flusses Woltscha, etwa 800 Faden von den türkischen Befestigungen voc Suchum Kaleh entfernt. Die Türken eröffneten gegen unsere Kolonne ein Geshüßfeuer von ihren Batterien und den Monitors aus. Der Verlust auf unserer Seite betrug 4 Verwundete. —- Jm Terekgebiete wurden am 30. v. M. die Aule Ersenoi und Sandok durch die Truppen des Generals Smekaloff und des Obersten Batianoff zerstört und zwei Abtheilungen Ausfstän- discher zerstreut.

_St. Petersburg, 4. September. (W. T. B.) Die russischen Truppen háben am 1. d. M. Suchum Kaleh ge- nommen ; die Türken haben sih auf die Schiffe zurückgezogen ; die abchasische Küste ist frei von türkishen Truppen, der abchasische Aufstand ist durch General Alchasoff bewältigt.

__— Aus Tiflis, 2. September, meldet die W. „Presse“ : Die Russen haben ihr Lager von Kürükdarja nach Karajol, eine Meile weiter gegen die feindlichen Linien, verlegt. Die russische Kavallerie steht in Barjaktar. Das Gebirge Uetsh Tepe ist von den Russen beseßt und stark befestigt.

MEL Von dem russischen Base „Konstantin“ vor kurzer Zeit bei Suchum-Kaleh in die Luft gesprengte „Assari- Cheffet“ war, wie die W. „Presse“ berichtet, eine Panzerkorvette von 2000 Tonnen, erbaut auf den Werkstätten der Messageries Maritimes zu Seyne bei Toulon. Der Panzer dieser Korvette war \sech8s Zoll di. Die A rüstung bestand aus vier siebenzölligen und einer neun- zölligen Kanone, die Besaßung aus 200 Mann. Dieselbe hatte wenig Gelegenheit, sih zu retten. Das Meer ist vor Suchum-Kaleh etwa 25 Klafter tief und ein anderes türkisches Schiff, welches hätte zur Hülfe herbeieilen können, befand sich niht in der Nähe. Der Dampfer „Konstantin“ hat nit den geringsten Verlust zu beklagen. Der Stoß, den im Augenblicke des Angriffs der eine Torpedokutter erli:t,- war so heftig, daß der Lieutenant Pissarewsty ins Meer ge- \{chleudert wurde, glücklicherweise aber wieder aufgefisht werden konnte.

Statistische Nachrichten.

Nah der von der O renbe Direktion des Vereins deutscher Eisenbahnverwa tungen jeßt herausgegebenen Eisenbahn- statistik für das Betriebsjahr 1875 betrug die Gesammtlänge der Cif enbah nen im Rei ch 26,840,77 Kilometer, und entfallen izvvos 12,253,938 Kilometer auf Staatsbahnen, 2910,90 Kilometer auf Privat- bahnen unter Staatsverwaltung und 11,675,89 Kilometer auf Privat- bahnen unter Privatverwaltung. Der Gesammtbetrag des für die- selben verwendeten Anlagekapitals ift 6861,s Millionen Mark oder durchschnittlich 257,606 pro Kilometer Bahnlängé, und zwar: bei den Staatsbahnen 3208,6 Millionen Mark (261,237 6. pro Kilometer), bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privat- bahnen 889,4 Millionen Mark (308,947 # pro Kilometer) und bei den ubrigen Privatbahnen 2763,5 Millionen Mark (240,872 4 pro Kilometer). Von dem Anlagekapital sind 844,7 Millionen Mark vom Staate garantirt. Außer dem obigen Anlagekapital uo bis Ende 1875 zur Erweiterung und Verbesserung der Bahnanlagen 2c. aus den Betriebs8übershüssen etwas über 140 Millionen Mark ver- wendet worden. Der Bestand an Transportmitteln betrug 9936 L. komotiven, 8857 Tender, 17,392 Personenwagen mit 766,679 Pläten, 329 Postwagen, 3908 Gepäckwagen und 196,314 Güterwagen (inkl. Equipage- und Viehwagen) mit eincr Gesammtladungsfähig- keit von 1,859,857,7 Tonnen. Die Anschaffungskosten sämmtlicer Tranéportmittel haben 1278,7 Millionen Mark betragen.

Was die Leistungen der Transportmittel betrifft, so haben die Lokomotiven im Jahre 1875 im Ganzen 282,641,738 Kilo- meter zurückgclegt. An Personen wurden befördert 202,041,583, an Reifegepäckt 444,068,9 Tonnen, an Eilgütern 886,431,3 Tonnea, an Postgütern 62,464,4 Tonnen, an Frachtgütern der Normalklasse 6,451,809,6 Tounen, an Frachtgütern der ermäßigten Klasse inkl. Kohlen und Koks 116,565,1206 Tonnen, überhaupt an Gütern 123,965,825,9 Tonnen; außerdem 28,798 Equipagen und sonstige Fahrzeuge, 37,694 Eisenbahnfahr;euge, 449,043 Pferde, 18,044,887 Stück Rindvieh, Schweine und sonstige Thiere. Die Summe aller Cinnahm en belief sich auf 836,9 Millionen Mark, von melcben 229,7 Millionen Mark auf die Personen- und Gepäckbeförderung und 999,2 Millionen Mark auf den Güterverkehr entfallen, während die übrigen 49 Millionen Mark verschiedene Einnahmen, z. B. Pacht, Wagenmiethe, Erlös für verkaufte Materialien 2c. entspringen. Die Gesammtausgaben haben 492,3 Millionen Mark oder 58,8 ‘/9 der Bruttoeinnahme betragen, und zwar: für die Bahnverwaltung 1518s Millionen Mark, für die Transportverwaltung 300,8 Millionen Mark, für die allgemeine Verwaltung 31,3 Millionen Mark, denen noch 8,4 Millionen Mark Zins für gepahtete Bahn- strecken hinzutreten. Der Ueberschuß eins{l. des Bestandes aus dem Vorjahre beträgt 347,8 Millionen Mark oder 5,10% des ge- sammten _Anlageftapitals ; von demselben wurden verwendet : 73,4 Millionen Mark zur Verzinsung und 8,0 Millionen Mark zur Amortisation der Anleihen, 6,2 Millionen Mark zur Verzinsung 2c. der Prioritäts-Stammaktien, 4,7 Millionen Mark zur Zahlung der Cisenbahnsteuer, 70,6 Million-n Mark zu Zinsen und Dividenden für die Stammaktien, 5,3 Millionen Mark zur Einlage in den Reserve- fonds, 32,8 Millionen Mark zur Einlage in den Erneuerungsfonds der Mel N ansen ; een. i

__Was die beim Betriebe auf den deutsben Bahnen im Jahre 1875 vorgekommenen Unfälle betrifft, so betrug die Zal vresäben bei denen Personen A Ra oder getödtet wurden, bei fahrenden Zügen 107, von denen 21 durch Zusammenstoß, 30 dur Entgleisung, 13 dur unrichtige Weichenstellung, 2 dur zu \chnelles Einfahren in die Bahn- höôfe, 5 dur Achsbrüche und 36 dur sonstige Ursachen veranlaßt worden sind. Hierbei wurden unvershuldet 208 Personen (darunter 173

(davon 183 Bahnbeamte und Arbeiter) beschädigt und 394 (davon 142 Bahnbeamte und Arbeiter) getödtet. Durch Betreten der Geleise in selbstmörderisher Absicht sind 7 Personen beschädigt und 113 ge- tödtet worden. In 169 bei fahrenden Zügen vorgekommenen Unfällen wurden Personen niht rerleßt, dagegen aber 90 Lokomotiven, 11 Tender, 58 Personenwagen, 412 Lastwagen und 11 sonstige Fahrzeuge zerstört oder stark beshôdigt. Auf den Bahnhöfen, auf der Bahn und bei nicht im Gange befindlihen Zügen famen 98 Unfälle mit Verleßung 2c. von Personen vor und wurden dabei unvershuldet 83 Personen (davon 77 Bahnbeamte, und Arbeiter) beshädigt und 29 (davon 28 Bahnbeamte 2c.) getödtet, durch eigene Sculd aber 935 Pers. (davon 888 Bahnbeamte 2c.) beschädigt und 293" (davon 234 Bahnbeamte 2c ) getödtet. Bei wei- teren 139 Unfällen sind Personen nicht verleßt, wohl aber 61 Loko- motiven, 9 Tender, 13 Personenwagen und 229 Lastwagen zerstört oder stark beschädigt worden. Die Zahl der im Jahre 1875 vor- gekommenen Achsbrüche war 143 (20 bei Lokomotiven, 17 bei Ten- dern, 15 bei Personenwagen und 91 bei Lastwagen), die der Schienen- brüche 1472, Verkehrs\törungen fanden im Jahre 1875 in 18 Fällen statt, von denen 4 durch Dammrutschung, 6 durch Schneefall, 4 A IRERAGIs und 4 dur sonstige Ereignisse veranlaßt wor-

i .

Na einer amtliben Zusammenstellung der Steuerdeputation haben, wie die „Nat. Ztg.“ mittheilt, am 1. April 1876 in Beelin 2269 Miethserhöhungen und 10185 Herabsetzungen statt- gefunden, am 1. Oktober v. J. 1198 Crhöhungen und 19,894 Herab- setungen, am 1. April d. F. 1196 Erhöhungen und 22,322 Herab- seßungen. Früber, d. h. vor drei, vier Fahren war das Verhältniß fast das E LEE Leer Baues an: April v. F. 10,185 Woh-

ngen, am 1. ober v; S 1474 ohnungen, . April d. I. 17,190 Tagen. t E R L E

Der Mortalitätsstatistik des medizinis{-statistischen Jahresberichts über die Stadt Stuttgart vom S ne a nehmen wir folgende Notizen: Im Jahre 1876 sind gestorben 1377 männliche und 1131 weibliche, zus. 2508 Personen ; todtgeborer.e sind zu verzeichnen 89 männl. und 73 weibl. ; im Ganzen also 2670 Todte. (Davon starben im ersten Lebensjahre 616 männl. und 482 weibl.). Eine Vergleichung der Gesammtsterblichkeit im Jahre 1876 mit der von 1875 ergiebt, daß dieselbe gegen 1875 in jeder Art gestiegen ist. Sie steht mit einziger Ausnahme der Pocken- und Kriegsjahre 1870 —T71, höher, als je in den 24 vorhergegangenen Jah:en. Das Ver- hältniß der Gestorbenen zur Bevölkerung stellte sich nämlich 1876 auf 25,5 9/0 1:39,, im Jahre 1875 auf 24,0 %%0; desgleichen mit Einschluß der Todtgeborenen 1876: 27,2 9/0 = 1 : 38,8; 1875 : 26,2 9/00; Verhältniß der Gestorzenen zu den Geborenen (beiderseits die Todt- geborenen eingerechnet) 1876: 60,5 9%. 1875: 58,8%. Die Sterblich- keit der einzelnen Alterëstufen hat \ich sehr verschieden er- wiesen. Jhr Maximum ist 396,5 9/0, ihr Minimum 2,6 °/00. Sie finkt vom ersten Jahr an stetig bis zum 16.—20., um von da an stetig wieder zuzunehmen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Christiania, 27. August, Professor Mohn, der Leitcr der norwegischen Expedition nah dem Arktisben Meere, veröffentlicht im „Morgenblad“ einen Bericht über seinen Zua nach Jan Maven, in welchem es heißt: Am 26. Juli nahm Professor Mobn die erste Lothung, etwa auf der Mitte des Weges zwishen Norwezen und Jan Mayen, vor. Das cisfalte Wasser begann dort erst in einer Tiefe von 500 Faden. Am nächsten Tage Abends, nahdem die Er- pedition westwärts gesteuert war, zeigte sich am Meeresboden in ciner Liefe von 829 Faden eine Temperatur von —14 Grad, bei 20 Faden Tiefe aber {hon Null Grad. Die Erpedition befand sih nämlih \{chon, 18 Meilen östlich von Jan Mayen, im. Polarstrom, „welcher von der Nordspize Spitzbergens einen Lauf südwestlih längs der Ostküste Grönlands der Nordküste Islands zu und durch die Dänemarksstraße nah der Südspiße Grön- lands nimmt. Da die Erpedition 30 Meilen östlich von Jan Mayen noch 0 Grad in einer Tiefe von 500 uA hatte, so erhebt sich die Grenze zwishen dem warmen nördlihen Arm des Golfftromes und dem Polarstrom \{chrof gegen Westen. Der Golfstrom führt Wasser mit Wärmegraden, wogegen der Polarstrom das eiskalte Wasser der Polargegenden nach Südwesten führt. Das wärmere Wasser in den oberen 20 Faden rührt lediglich von der Wirkung des Sommers A Oberfläche ber. Während des Winters it diese mit Eis In der Kortkampfschen Ausgabe preußischer Geseke mit Erläute- rungen ist „Die Kirchengemeinde- und T Dts für die evangelische LandeskirchePreußens“, von dem Pre- diger Richter für den Gehrauch erläutert, soeben in 5. Auflage erschienen. Zwar sind der neuen Auflage dieses Buches {hon 4 Auflagen unter dem Titel: „Evangelische Kirchengemeinde- und Synodal - Ordnung“ vorangegangen; aber die früheren Auflagen enthalten nur die Kirchengemeinde - Ordnung. Die 5. Auflage zerfällt in zwei Theile: Die Kirchengemeinde-Ordnung“ und „Die Synodal-Ord- nung“, die an den betr. Stellen erläutert sind. Dieselbe legt, außer den zu der Kirchenordnung_ ehörigen Geseße: und Verordnungen, dem Text au die wichtigsten Abänderungen in der Gemeinde-, Kreis- und Provinzial-Ordnung, der beiden Westprovinzen Westfalen und Rheinland bei; mat bei jedem Paragraphen diejenigen Abänderungen namhaft, welche später theils durch die General-Synodal Ordnung theils in dieser wiederum durch die nachfolgende Staatsgesetgebung getroffen worden; gi bt die staatlichen Aufsihtsbehörden nit blos genereli, sondern in einzelnen Fällen sogar die Aufsichtsinstanzen an, und tbeilt endlich sowohl aus den Verhandlungen der Generals\ynode, als auc ves Landtags diejenigen Erläuterungen und Anträge mit, welche über Sinn und Tragweite der gefaßten Beschlüsse Aufschluß geben. Der im 41. Jahrgang vorliegende Volks bote (Oldenbur- burgischer), gemeinnüyiger Volkskalender auf das Jahr 1878 (Oldenburg, Schulze'sche Hof-Buchhandlung, C. Berndt u. A. Schwarz) zeichnet sih durch seinen reichen, mit vielen sauberen Zllustratiouen ges{müdten Inhalt aus. Nächst den gewöhnlichen Bestandtheilen aller Kalender bringt der Oldenburgische den Etat aller im Großherzogthum bestehenden Behörden, den oldenburgischen Residenzkalender, Cisenbahnfahrpläne 2c. Der belletristishe Theil enthält zahlreiche patriotische, humoristishe, kulturgeshichtlihe Auf- N Erzählungen und Landschaftsbilder. aus welchen leßteren wir bes onders „In Westfalens Bergen“ von A. Schwarß und „Aus dem »Vüwecl8moor“ von H. Schriefer als charakteristisch hervorheben.

Land- und Forfiwirthschaft.

Aus der Provinz Sachsen, 2. September. Ueber da Auftreten des Koloradokä fers wird der „Post“ aus Sibentode geschrieben: Am 27. August wurden auf einem sehr bedeu- ted befallenen Grundstüke in der Feldmark Langenreichenbah Nachgrabungen nach Puppen gehalten und diese die ersten auf dem ganzen befallenen Terrain auch aufgefunden; auch fanden sich in der Erde junge, eben zum Auskriehen bereite Käfer vor, «am 28. August wurde eine dreizehnte Fraßstelle des Koloradokäfers in der Feldmark Probsthain, unfern von der zehnten und elften Fraß- stelle an der Grenze der Feldmark Langenreichenbach aufgefunden; am 30. August fand man, südöstlich von der am 28. aufgefundenen Fra stelle, das vierzehnte befailene Kartoffelstück vor, ebenfalls an der Gras der Feldmark Langenreichenbach. An demselben Tage wurde gleich- zeitig in der Schildauer städtischen Feldflur eine Fraßstelle, nord- östlich von der ersten zur Anzeige gekommenen Fraßstelle und am 31, August ein unfern dieser Stelle liegendes Kartoffelgrundstück als vom Koloradokäfer infizirt und befallen festgestellt. Die Zahl der bis jeßt vorhandenen Sraßstellen hat sich auf sech8zehn vermehrt. Mit den Vertilgungsmaßregeln ist man in der vergangenen Woche mit der nothwendigen Energie weiter vorgegangen; man hat die Det- infektion der befallenen Grundstücke fortgeseßt, so weit die vorhan- denen brauchbaren Arbeitskräfte es gestatt-n. Das Kartoffelkraut ist

Bahnbeamte) beschädigt und 26 (darunter 19 Bahnbeamte) getödtet Außerdem wurden dur eigen: Schuld der Betroffenen 277 Petfonen

abgeschnitten in die bereiteten bi# 1,50 Meter tiefen Grub bracht; in den Gruben mit Benzol übergossen es durtränkt:

Centimeier hoch mit Erde bedeck, welche während des Einbringen festgetreten wird. Das Grundftück wird gepflügt, hierauf mit Tee Erstirpator durgeackert, um den Boden für das Eindringen des Benzols, mit welchem derselbe übergossen wird, recht geeignet und locker zu mahen. Nah dem Uebergießen mit Benzol, aus Gieß- kannen, wird der Boden nochmals mit der Ezge bearbeitet, um das Eindrinzen des aufgegossenen Aeßm ttels zu fördern.

Labiau, _1. Séptember. (Kön. Hart. Ztg.) Die Erträge der Ernte zeigen sich nit so günstig, als man nach dem Stande auf dem Halme annebmen konnte. Der Weizen hat hier fast allent- halben versagt. Man hat beim Schneiden gefunden, daß viel Gras und Kraut aber wenig Aechren und Körner vorhanden sind. Auch ist die ungünstige Erntewitterung niht ohne Einfluß auf den Werth geblieben. Ebenso hat der Regen den Werth der Gerste, des Hafers und besonders des Rundgetreides v!elfah beeinträchtigt. Der Kartoffel ertrag bleibt auch hinter den gehegten Erwartungen zurück, indem die Krankheit si allenthalben eingestellt hat, die auf den hocgelegenen Feldern weniger, dafür aber auf den niedriggelegenen desto größeren Schaden angerichtet hat. Der Grummet, meistens bereits ges{nitten, wird wenig Futterwerth haben.

__ Warschau, 30. August. (Pos. Ztg.) Es liezen amtliche Be- rihte über die Ernteresultate in den Gouvernements Warschau und Radom vor, aus denen hervorgeht, daß die Ernte in beiden eine sehr gute gewesen ist. Speziell ist hervorzuheben, daß die Roggen- ernte in der zweitea Hälfte des Monats Juli begonnen hat und, troß des ungünstigen Wetters, glücklich beendigt worden ist. Die Getreideernte, welhe im Allgemeinen als vollständig beendigt an- gesehen werden kann, übersteigt bedeutend eine gute Mittelernte. Die Kartoffeln und Zuckerrüben, welche leßteren hier einen be- deutenden Posten im Einnahme-Etat der größeren und kleineren Landwirthe bilden, befriedizen bis jeßt und berechtigen zu der Hoffnung, eine gute Ernte zu machen. Ebenso berechtigen die verschiedenen Gemüsegattungen zu großen Hoffnungen; nur mit dem Kraute, das in allen unseren Wirthschasten eine große Rolle spielt, sieht es ziemli traurig aus, da es die Raupen in verschiedenen Gegenden sehr stark heimgesubt haben. Die Wiesen wurden unter dem Ein- flusse der günstigen Witteru:1g rash gemäht und das Heu eingefahren. Es übertrifft sowohl an Qualität wie an Quantität das Vorjahr um ein Bedeutendes.

Gewerbe und Handel.

Vom Berliner Pfandbrief-Institut sind bis Ende Au 1877 33,633,600 M. 43 prozentige und 7,911,300 M. Sve zusammen 41,544,900 F Pfandbriefe ausgegeben worden, wo- von noch 33,051,900 4zprozentige und 7,361,400 M 5pro- zentige, zusammen 40,413,300 \ Pfandbriefe verzinslich sind. Es sind zugesichert aber noch nicht abgehoben 3,964,200 ÁM.; in der Feststellung begriffen 4 Darlehnsgesuche auf Grundstücke zum Feuer- versiherungswerthe von 392,675 M; im Laufe des Monats August 1877 sind 3 Grundstücke mit einem Feuerversicherungswerthe von 345,975 M4 angemeldet worden. :

Die V-rwaltung der Renaissance-Aktiengesel lf beruft eine außerordentlibe Generalversammlung, in gle T die Liquidation des Unternehmens Beschluß gefaßt werden soll.

In der Schrift des jeßigen Garnison - Pfarrers Schall in Potsdam über das Arbeiter-Quartier in Mülhausen i. E. die in der Kortkampfschen Verlagsbuchhandlung zu Berlin soeben in einer 2. Auflage erscienen, erzählt der Verfasser namentli, wie diese Arbeiterstadt in Mülhausen entstanden und sich bis auf die Gegenwart nah und nach vergrößert, beschreibt sodann diese Arbeits- häuser nah ihren verschiedenen Systemen und die sonstigen in und für das Arbeiterquartier- getroffenen nützlichen Einrichtungen und schildert schließlich die wohlthätigen Folgen, welche die Gründung dieser Arbeiterstadt für die arbeitende Klasse in Mülhausen gehabt hat. Es ist hicrdurch sagt der Verfasser nicht nur einer bedenklihen Wohnungsnoth in Müihausen abgeholfen und aub die Privatkonkurrenz zur Herstellung billigerer und besserer Wohnungen nach dem Vorbild jener aufgerufen und damit zunäc)st für das materielle Wohlbefinden von Tausen- den selorgt, sondern zugl-ich auch das geistig-sittlihe Wohl derselben in unberehenbarer Weise gehoben worden. An Stelle eines bei der raschen Zunahme der Bevölkerung der Stadt drohenden, ab- und zuschweifenden Arbeiter-Proletariats is eine im Ganzen wohlsituirte und zufriedene, intelligente und seßhafte Arbeiterbevölkerung getreten, welche sih eines menschenwürdi- gcn Daseins erfreut und die als ein wesentlicher Bestandtheil der Einwohnerschaft Mülhausens, fast ein Drittheil desselben, dieser zur Ghre und zur Zierde gereiht. _Ordnungssinn und Reinlicch- keit, haushâlterisher Sinn und Sparsamteit und vor

[lem die aus dem Eigenthumégefühl gebornen edlen sittlichen Gem ingüter der Liebe zur Scholle und zum häus- lihen Heerde und zur Heimath; der solide Sinn, sowie die Pflege edler häuslicher Sitten und Tugenden. Das sind nur cinige der großen moralis hen Erfolge, welche jene finanziellen noch weit übertreffen und die das hiermit gegebene Vor - bild der allgemeinsten wetteifernden Nachahmung werth machen. Hieraus allein wird es au erklärlich, daß die namentlich seit 1870 jo rührige sozialistishe Agitation an einem so eminent in- dustriellen Brennpunkt wie Mülhausen niemals einen rechten Ein- gang und empfänglich:n Boden gefunden hat. Und so stellt sich denn, von noch höherem Standpunkte aus betrachtet, die Cité oder die Arbeiterstadt damit a!s eine Wohlthat nicht blos für die zunächst betheiligten arbeitenden Klassen, son“ern für das größere Gemein- wohl, für das Wohl der menschli. en Gesellschaft und als ein wesentlicher praftisher Beitrag zur Lösung der unsere Zeit so ern st und tiefbewegenden orte Frage dar.

Verkehrs-Anstalten.

Das Coursbuch der Deutschen Reihs8-Postverwal - tung, September - Oktober, is soeben in K an Deckters Kommissions - Verlag Marquardt u. Schenck (Preis 2 4) er- schienen. Dasselbe enthält, nah Landestheilen geordnet, die Eisen- bahn-Fahrpläne Deutschlands und der angrenzenden Länder, die wich- tigsten Personenposten, sowie die Dampfschiffsverbindungen der Flüsse und Binneumeere, ferner die überseeischen DampfsHiffslinicn, ge- ordnet nach den Reiscezielen die Rundreise- und Retourbillets- Einrichtungen —, die Reiseverbindungen der größeren Städte, sowie der Bade- und Kurorte, u. A. Zusammenstellung der verschiedenen Wege nach_ den Nordseebädern Norderney, Borkum, Wyk, Sylt, nah der Schweiz, nah Rußland den Gebührentarif für Tele- gramme, Briefportotarif u. st. w. Das reichhaltige Verzeichniß der Reisewege zwischen den wichtigsten Städten enthält auch ver- gleichende Vermerke über die Reisedauer und über die Fahrpreise auf den verschiedenen zu gleichem Ae führenden Routen. Dem Cours- buche ist eine Eisenbahn-Uebersichtskarte beigefügt, welche durch An- wendung von Schwarz- und Blaudruck, dur Hervorhebung der Haupt-Verkehrslinien, sowie durch Eindruckung der Fahrplan-Num- mern besondere Klarheit und Uebersichtlichkeit erhalten hat und auf deren Ae sih Skizzen über Lage und gegenseitige Entfernung der Bahnhöfe in den bedeutendsten Städten befinden In Bes- tref der aus dem Conrsbuche ersichtlichen Yan - Aende- rungen 2c. ao „wir aufmerksam auf Nr. 11, Neuer Fahrplan der erliner Nordbahn, Nr. 18 Aenderuagen der Personenzüge zwiswen Berlin, Schneidemühl und Königs- berg i./Pr., Nr. 194 und 197, wonach die Nacht-Courierzüze zwischen Basel und Mainz_auch 3. Klasse führen. Nr. 282 Einlegung eines Courierzuges der Desterreichishen Staatsbahn zwischen Brünn, Gruß- bah und Wien im Anschlusse an die Züge von und nach Dresden und Berlin. Fahrpläne neu eröffneter Eisenbahnstrecken sind ent- halten in Nr. 8a. Neumünster—Lönning, 77 und 77a. Baußen— Wilthen—Neustadt—Schandau und Wilthen—Sohland, 150 Werden Essen, 252a. Ober?kotßzau Wunsiedel, 383 (Nancy)-—Pa ny \. M.— Conflans—Jarni, 528a. Herstellung einer direkten Eisenkabuverdine dung Delsberg—Pruntrut—Belfort. Die nächste Ausgabe erscheint

sodann werden die durch das Benzol verbrühten Krautreste circa 70

Mitte Oktober.