1877 / 209 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 Sep 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Mittels Erlasses der Minister der Finanzen, des Jnnern und für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten vom 26. Juli cr., ist die Ausübung der Strompolizei auf dem neuen Verbindungskanal zwischen dem Ber- lin-Spandauer Sch iffahrtskanal und der Unter- \pree dem Königlichen Polizeipräsidium hierselbst übertragen worden. Die Wahrnehmung der das Jnteresse des Domänen- fiskus berührenden Geschäfte rücksichtlih des in Rede stehenden Kanals ist dem Geheimen Regierungs-Rath Kühlenthal, wel- cer bezüglih der Berliner Domänenverwaltung die Pro- vinzial-Verwaltungsstation repräsentirt, bezw. dem Do- mänen-Rentamte hierselbst als Lokal behörde übertragen.

Ein Gläubiger, welhem der Schuldner nach seiner erfolgten Zahlungseinstellung zur Sicherung der For- derung ein G po oitlelen-Fur Cw ent cedirt hat, macht sih, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 12.

uli 1877, durch die Annahme des Jnstruments nicht straf- ar. „Der §. 309 der Konkurs-Ordnung“, führt das Er- kenntniß des Vber-Tribunals aus, „will den Gläubiger nur dann bestraft wissen, wenn derselbe nah erlangter Kenntniß von der Zahlungseinstellung zu sener Begünstigung und zum Nachtheile der übrigen Gläubige: mit dem Gemeinschuld- ner oder dessen Erben einen besonderen Vertrag eingeht. Es folgt hieraus, daß, wenn der Gemeinschuldner {hon ie jede na pi vg Zahlungseinstellung unternommene Befriedi- ung oder Begünstigung eines einzelnen Gläubigers zum

adibeile der übrigen strafbar is, der Gläubiger für die bloße Annahme einer solchen Befriedigung oder Begünstigung noh nit strafbar wird, seine Strafbarkeit vielmehr erst ein- tritt, wenn er zu diesem Zwecke mit dem Gemeinschuldner oder dessen Erben einen besonderen Vertrag geschlossen, also auch seinerseits eine auf Erreihung dieses Zweckes gerichtete Thätigkeit entwickelt hat.“

Der Königlih großbritannishe Botschafter, Lord Odo Russell, hat sich zur Badekur nah Carlsbad begeben. Als interimistischer Geschäftsträger fungirt der erste Botschafts- Sekretär Herr Mac Donnell.

Der General-Lieutenant Dieterich, Jnspecteur der 2. s hat sich nach Cüstrin und Posen zur Jnspizirung der dortigen Fortifikationen begeben.

Der General-Lieutenant und Jnspecteur der 3. Feld? Artillerie-Jnspektion, von Bergmann, in Hannover ist am 3. d. M. gestorben.

Bayern. München, 4. September. Wie die „Allg. Ztg vernimmt, wird die Wiederberufung des Landtages auf © Donnerstag, den 27. d. M., erfolgen. Nachdem der Niederlassungsvertrag zwishen dem Reiche und der Fe, vom 27. April 1876, am 1. Januar d. J. in Wirksamkeit getreten ist, hat sich das Bedürfniß gezeigt, im beiderseitigen Einvernehmen festzustellen, welche Verträge und Uebereinkommen zwischen einzelnen deutshen Staaten und der Schweiz über solche Gegenstände, auf welche sih dex Nieder- lassungsvertrag i iei nunmebr für aufgehoben zu er- ahten sind; nachdem dies geschehen is, werden duch ministerielle Bekanntmahung im Geseß- und Verord- nungsblatt diejenigen Vereinbarungen näher bezeichnet, welche zwischen Bauen und der S@hweiz oder einzelnen Kantonen derselben bestanden haben, nunmehr aber außer Kraft getreten sind. Zum. Vorsißenden der bevorstehenden Per Cart reden Generalsynode wurde der Königliche ber-Konsistorial-Rath Dr. von Burger bestimmt, da der Prä- sident des Ober- Konsistoriums, Dr. von Harleß, durch körper- liches Leiden VrBndert ist, den Vorsiß zu übernehmen. Der Entwurf einer Verordnung über Taufe, Konfirmation und kirhlihe Trauung, sowie über Führung der Kirchenbücher, welcher an die Generalsynode gelangen soll, wird, wie die „Allg. Ztg.“ hört, nihts Neues, vielmehr im Wesentlichen nur das enthalten, was in Folge der Erlassung des Reichs- gese es über die Beurkundung des Personenstandes schon dur öniglihe Verordnung in provisorischer Weise angeordnet worden ist. Die allgemeine Bauordnung, vom 30. Juni 1864, ist einer Revision unterzogen worden. Die von dem König sanktionirte neue Verordnung wird demnächst im Geseß- und Verordnungsblatt erscheinen.

Sachsen. Dresden, 4. September. Der König wird sih, nah den bisherigen Dispositionen, am 7. September nah Döbeln begeben, wo eine große sächsische landwirthschaft- lihe Ausstellung Raa Das X1]. Armee-Corps beendet seine Divisionsmanöver am 15. September. Der Kriegs-Minister, General der Kavallerie von Fabrice, ist von Ostende wieder hier eingetroffen.

Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 3. September. Die Staatsregierung hat mit Rücksicht auf die Durhführung der Justizorganisation bereits früher einige kleine Justiz- ämter mit benachbarten größeren vereinigt. Jm neuesten „Regierungsblatt“ wird eine weitere Maßnahme- dieser Art angeordnet, und zwar die Vereinigung des Justizamtes Berga a. E. mit dem Justizamt in Weida. Dem Landtag, der mit der Vertheilung der Landesgerichte sich zu beschäftigen haben wird, werden voraussichtlich nah seinem Anfang nächsten ahres bevorstehenden Zusammentritt, Mittheilungen in diescr insiht gemacht werden.

Oesterreich -: Ungarn. Wien, 4. September. Der Kaiser ist heute Mittags von Bruck a. d. Leitha nah Wien urückgekehrt. Die Kaiserin trifft, der „Wiener Ztg.“ zu- folge, Montag, den 10. d. M., früh in Wien ein und reist

achmittags nah Gödöllö ab. / E :

Der Kronprinz wird, wie bereits vor längerer Zeit verlautete, nah Beendigung des praktishen militärischen Kurses, den derselbe eben jeßt durhmacht, auch der Civil-Admi- nistration seine volle Aufmerksamkeit zuwenden. Wie die Dill hört, soll der Kronprinz den praktischen politischen

ienst bei einer K. K. Statthalterei kennen lernen, und sei Berz die Statthalterei in Jnnsbruck ausersehen. Die daptirungs-Arbeiten, die im Schlosse Ambras vorgenommen werden, stehen mit dem projektirten Aufenthalt des Kron- prinzen in Jnnsbruck in Verbindung und soll vorläufig dieses Schloß Sr. Kaiserlihen Hoheit als Wohnung be- stimmt sein.

Das Abgeordnetenhaus nahm in seiner heu- tigen Sißung— den Antrag des Abg. Grafen Dubsky an, wona die Berathung der Steuerreformvorlagen auf kurze Zeit vertagt roird. Der Abg. Sturm interpellirte

anläßlih ber erlassenen Ausführungsbestimmungen zum Wehr- sesese wegen Heranziehung der niht zum Kriegsdienst taug- ichen Jndividuen zu dem administrativen Militärdienste. Die nächste Sißung findet Donnerstag statt. Auf der Tages- ordnung stehen die Steuerreformvorlagen. i i Aus Pest wird der „Presse“ ein Konflikt zwischen dem Finanz - Minister und dem -Municipium der L tadt gemeldet. Der Minister hat diesem das Recht der teuereintreibung auf städtishem Gebiete entzogen und die- selbe auf Kosten der Stadt staatlihen Organen übertragen. Als Ursache dieser Maßregel nennt man Unzukömmlihkeiten, welche si die städtischen Organe zu Schulden kommen ließen. 5. September. Das „Fremdenblatt“ hält die Meldung des „Ellenör“ , daß F. Z. M. Freiherr von At feinen biat berufen wurde, um F. A M. Mollinary auf seinem bisherigen Posten abzulösen, für richtig, do be- deute dies keine Aenderung in den Prinzipien der Administra- tion. O von Philippovih werde unter gebotener Rü- siht auf den ungarischen Konstitutionalismus vor Allem der gewissenzafte Exekutor des Willens seines Monarchen sein.

Pest, 4. September. Der Finanzausscchuß seßte in der heutigen Sitzung die Expertise über die Spi- ritussteuer fort. ie Majorität der Experten betonte die Vortheile des Pauschalirungssystems, würde jedoh die impera- tive Einführung des Meßapparates der genannten großen Steuererhöhung vorziehen. Das zu bestehende Quantum wurde bei 24stündiger Gährdauer mit 5 Grad bezeichnet, während der Finanz-Minister 6,8 Grad angab. Die Expertise wurde geschlossen; morgen beginnt die Berathung über die Hauptprinzipien des Gia ries.

Grofßbritaunien und Frland. London, 2. Septem- ber. (E. C.) Am 31. v. M. ist in Edinbu rgh dem General Grant das Ehrenbürgerreht ertheilt worden. Der Bürgerbrief besagt, Grant erhalte denselben in Anerkennung seiner hohen datischen und staatsmännischen Eigenschaften und seiner auf Erhaltung der freundschaftlihen Beziehungen zwishen Amerika und Großbritannien gerichteten Politik. Mr. Parnell, der neue Präsident des Homerule- bundes, hat eine Rundreise angetreten, um für die Sache des Bundes zu wirken. Er besuht Hull, Newcastle, Burslem, Manchester, Preston und Middleton. Der Prinz von Wales hat sich nach Tourville begeben.

4. September. (E. C.) Der Unterausshuß zur Unterstüßung der Hungerleidenden in Jndien beschloß gestern weitere 35,000 Pfd. Sterl. (somit im Ganzen bis jeßt 80,000 Pfd. Sterl.) an den Gouverneur von Madras, Herzog von Buckingham, abzuschicken.

Frankreich. Paris, 4. September. Der „Moni- teur universel“ E „Die Blätter der Opposition, welche sämmtlih von dem Wahlsiege der 363 fest Überzeugt sind, glauben uns durh die Frage: „Was wird dann der Marschall thun?“ in große Verle A zu verseßen. Wir sönnten diese zum mindesten verfrühte Frage füglih unbeachtet kassen, aber wir tragen keine Scheu, sie zu beantworten und sagen: Der Marschall war am 16. Mai der Vertheidiger der Verfassung und würde dies womöglich, falls die 363 den Sieg davon trügen, in noch höherem Maße sein. Zwischen dem Präsidenten der Republik und einem konstitutionellen König liegt der Unterschied nur in der Dauer der Amtsgewalt : dieser ist während seines ganzei Lebens und so zu lagen bis in seine Nachkommenschaft unabseßbar, der Marshall Mac Mahon ist es bis 1880. Dieser Charakter seiner Gewalt verleiht ihm nicht nur Rechte, sondern legt ihm auch eine Pflicht auf und zeihnet ihm die Haltung, die er zu beobachten hat, vor. Die Unabsezbarkeit ist nicht in seinem, sondern im Melle des Landes verfügt worden, für welches sie die sicherste Bürgschaft der Dauerbarkeit ift. Der Marschall-Präfident muß diese Bürgschaft, sowie die anderen Prinzipien, welche aus der Republik von 1875 eine konservative Republik machen, bekräftigen. Die Blätter der Opposition kennen diese Prinzipien ebenso gut als wir selbst. e konstitutionelle Wirksamkeit hat sich das einzige Mol, da man davon Gebrauch gemacht, nicht abgenußt. Bestimnt, der Deputirtenkammer die Wage zu halten, werden diese Prin- zipien wie vor den Wahlen, gleichviel wie diese ausfallen werden, fortbestehen. Mit einem Worte, die Republik von 1875 ist eine Republik, deren Gewalten gleichmäßig vertheilt sind, und sie wird es bleiben, ob die neue Kammer es zu- geben will oder nicht; denn die Verfassung verschafft j

i überall Geltung, bei dem Parlamente ebenso wohl als bei der vollstreckenden Gewalt.“ Dasselbe Blatt meldet: Es ist ziemlih gewiß, daß der Prozeß gegen Gambetta und gegen die „Republique française“ am Sonnabend vor die 11. Kammer des Zuchtpolizeigerihts des Seine-Departements kommen wird. ;

—— Die „Republique française“ begleitet die Trauer- botschast von dem Tode des Hrn. Thier ® mit folgenden Werten : „Frankreih bedurfte noch des großen Bürgers, der ihm un- erwartet entrissen worden ist: es war sicher, ihn bereit zu finden, und shöpfte aus dieser Ueberzeugung ein berehtigtes Ver- trauen in den Erfolg der republikanischen Sache, der Herr Thiers

- 2 zugewandt hatte. Aber dies ist nicht der Augenblick, Herrn

iers den Tribut der Dankbarkeit der ganzen Nation zu ent- rihten. Jndem wir sein plößliches Ende beklagen, müssen wir die Lehren und das Beispiel des großen Staatsmanncs be- herzigen. Herr Thiers hatie in seiner bewährten Erfahrung erachtet, daß die Republik die einzige unserer Demokratie zu- sagende Regierung ist. Der Republik müssen wir uns anschließen, die Republik müssen wir gegen jene unversöhnlichen Gegner in Schuß nehmen, welche in Hrn. Thiers weder seine hervor- ragende Begabung, noch seine glühende Liebe für das öffent- lihe Wohl, noch seine denkwürdigen Thaten ehren, die uns Belfort erhalten und das Landesgebiet mit wunderbarer Schnelligkeit und Geschicklichkeit befreit haben. Frankrei wird in einigen Wochen über seine Geschide zu entscheiden haben. Es wird zum Wort zugelassen werden und seinen Willen zu erkennen geben. Es wird so stimmen, als ob Herr Thiers noch unter den Lebenden weilte. Der Geist eines jolhen Mannes kann nicht mit ihm sterben. Dieser Geist wird D ejenigen beseelen, die das von ihm be- gonnene Werk werden fort)ezen ria Einer großen Nation, die frei sein will, und alle Mittel besißt, ihrem Willen Achtung zu verschaffen, fehlt es nie an Männern.“

5. September. (W. T. B.) Jn dem vom Minister des Jnnern, de Fourtou, anläßlich des Ablebens Thiers’ an den Marschall - Präsidenten erstatteten Bericht dn es: Sobald das unerwartete Hinscheiden Thiers' zu

hrer Kenntniß gekommen, ist es Jhr erster Gedanke gewesen, daß der Staat

em Andenken Jhres erlauchten Vorgängers

eine feierlihe Huldigung s{uldig sei. Thiers hat mehr als ein halbes Jahrhundert hindurch Frankreich geehrt und demselben gedient, als Schriftsteller, als Redner, als Staatsmann, in allen Stüen hat er den ersten Rang einge- nommen. Unmittelbar nach unseren Unglücksfällen an die Spitze der Regierung gestellt, hat sein Patriotismus \sich auf der Höhe der s{hwierigsten und \{merzlichsten Aufgabe befunden. Frankreich wird solhe Erinnerungen nit zu vergessen im Stande sein. Jm Uebrigen isst es für Frankreih eine Pflicht, dem Grabe iers’ alle Ehren zu erweisen, die ein großes Land denjenigen \{huldet, die es für würdig erachtete, an seiner Spiße zu lieen und alle Parteien ih bin davon überzeugt werden jih zu einem solchen peugnisse der Gerechtigkeit und Dankbarkeit vereinigen. Jh beantrage daher, daß das Leichenbegängniß Thiers’ durch die Fürsorge und auf Kosten des Staates statt- finde. Fm Anschluß an den vorstehenden Bericht wird das demselben entsprehende, vom Marschall- Präsidenten erlassene Dekret veröffentliht. Jn einem heute Vormittag unter dem Vorsiße des Marschall- Präsidenten stattgehabten Ministerrathe wurde beschlossen, daß die auf Staatskosten zu bewirkende feierlihe Beerdigung des Herrn Thiers im Jnvalidendom stattfinden soll. Die Feierlichkeit ist auf den nächsten Sonnabend festgeseßt. Tuiers ist bis jeßt die erste Civilperson, deren Beerdigungsfeier im «Fnvalidendom begangen wird. Diese Auszeihnung war bis- her allein militärishen Notabilitäten vorbehalten. Der Marschall Mac Mahon hat seine Abreise nach den südwestlihen Departements auf den Sonntag verschoben. Zur Errichtung einer Statue Thiers ist eine Subskription eröffnet worden. Ein Seitens der Linken des Senats an die Nation gerichtetes Manife L läßt den Verdiensten Thiers’ lobende Würdigung zu Theil werden und fordert nre auf, aus Anlaß dieses Todesfalles bei den bevor- tehenden Wahlen mit Einigkeit und Festigkeit seinen souve- ränen Willen kund zu gen, Das Manifest \{ließt, indem es die liberale und zugleih konservative Republik empfiehlt.

6. September. . T. B.) Die Ueberführung der Leiche Thiers’ nah seiner Wohnung hat gestern unter zahl- reicher Betheiligung der Bevölkerung stattgefunden.

Italien. Rom, 31. August. Die „Jtalia militare“ meldet, daß der König am 6. September cr. einem unter dem Befchle des General-Lieutenants Cosenz in Piemont statt- findenden Manöver des 1. Armee-Corps beiwohnen wird. Der Kriegs-Minister und die fremden Militär-Attachés werden sih in der Suite des Monarchen befinden. Die Feld- lager bei Somma und Gallarate sind aufgelöst wor- den. Das Ministerium V gegenüber der afrikanishen Küste eine Flottenstation errihten zu lassen und hat einen Jngenieur beauftragt, sich na den Jnseln Lampedusa und Linosa zu begeben, um daseibst den Bau zweier Leuchtthürme, die Herstellung eines Landungs- plaßes nebst Brücke, sowie die Anlegung zweier Häfen vorzu- bereiten. Der Befehlshaber der im alen von Tarent vor Anker liegenden Flotte hat vom Marine-Minister Ordre er- halten, mit derselben am 29. d. Mts. nah Sicilien abzusezeln und Seemanöver auszuführen, dann nah den Häfen von Catania und Messina zu steuern, um Munition unv Kohlen einzunehmen. Von Messina wird das Geschwader wahrschein- lih nach Tarent zurückkehren. Dasselbe zählt zur Zeit nur noch die Fregatten „Venezia““ (Admiralschiff), „Palestro“ und „San Martino“, nebst dem Thurmschiffe „Affandatore“. Das leßtere wird nah La Spezzia geschickt und dort abgetakelt werden. An dessen Stelle wird die bereits im Hafen dieser Seefestung zum Auslaufen bereite Dampffregatte „Castelfidardo“ treten. Der Avisodampfer „Cariddi“, mit dem Prinzen. Thomas, Herzog von Genua, an Bord, ist von Gallipoli nah dem Hasen von Tarent zurückgekehrt und wird sih dem Geschwader anschließen. Die Königliche Marine hat den Verlust des gestern in Rom verschiedenen Vize-Admirals, Grafen Eugen de Viry, zu beklagen. Am 28. August is der Kardinal Guiseppe Andrea Bizzarri, Präfekt der Kongregation der Bischöfe, verstorben.

Türkei. Konstantinopel, 5. September. e T. B.) Essrad Pascha ist nunmehr an Stelle Aleko Paschas zum türkischen Botschafter in Wien ernannt worden. Redif Palda Abdul Kerim Pascha, Echref Pasha, Mahmud Pascha, Guano Kommandant von Scutari, Ahmed Hamdi Pascha, Kommandant von Sistowa, Hulussi Pascha, Kom- mandant von Schipka, sind vom Kriegsgericht bis zum Ende des Krieges nah Lemnos verbannt worden und heute mit 10 anderen Offizieren, welche ebenfalls beschuldigt waren, dorthin abgegangen. i

5. September. (W. T. B.) Eine offizielleKund- machung besagt: Jn Erwägung, daß die Mitglieder des Kriegsgerihts noch andere hohe Funktionen zu versehen haben, die sie in Folge der Theilnahme an den Sibungen des Kriegs- gerihts nothwendigerweise vernachlässigen müßten was unter den gegenwärtigen Verhältnissen Fehr mißlich sein würde hat der Sultan beschlossen, daß das Kriegsgericht erst nah dem Kriege zur Urtheilsfällung zusanimentreten soll. Abdul Kerim Pascha, Nedif Pascha und die übrigen unter Anklage gestellten Generale sind inzwischen heute nah der Jnsel Lemnos gebracht worden, wo dieselben ihren provisori- schen Aufenthalt zu nehmen haben. Vom Kriegsfchauplaße liegen offizielle Nachrichten nicht vor.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 6. Sep- tember. (W. T. B.) Der „Regicrungs-Anzeiger“ veröffent- liht eine Verordnung des Teras des JFnnern, wonach dem „Golos“ wegen einer Korrespondenz aus Gornji Studen in der Nr. 189 und wegen des Leitartikels in der Nr. 192 des Blattes die erste Verwarnung ertheilt worden i.

Amerika. New-York, 30. August. (Reuters Bureau.) Die Demokraten von Jowa haben Resolutionen ange- nommen, welche die südliche Politik des Präsidenten Hayes billigen. Dieselben verlangen ferner die S eung der Resumption-Akt und die Remonetisirung des Silbers. Der Fndianer-Häuptling „Sitting Bull“ hat, begleitet von einer starlen Streitmacht, wieder das Territorium der Vereinigten Staaten betreten. Der am Dienstag in der Salzseestadt verstorbene Brigham Young befand sih in einem 77. Lebensjahre. Er \hloß sih den Mormonen in den ahren 1831 oder 1832 an und wurde nach der Ermordung von Joseph Smith im Jahre 1844 deren Führer. :

92. September: (Reuters Bureau.) Jn P aris, einer Stadt Feuers- brunst gewüthet. Na

in Texas at eine große : 3 ch erihten aus Utah ist die Verwaltung der Mormonenkirhe in die Hände von

12 Aeltesten, sogenannten „Aposceln“, übergegangen, von denen sich zwei gegenwärtig in England aufhalten. Nach einer Depesde der „Times“ hat Brigham Youngs Tod wenig Aufregung in der Salzseestadt verursaht. Sein mi teh wird niht unverzüglih gewählt werden, wahrscheinlich wird es sein Sohn, John Young, werden. Dem üblihen M o- natsausweise des Schaßsekretärs zufolge, ha! sih die Staatsschu1d der Vereinigten Staaten im August um 3,870,000 Doll. vermindert. Jm Staatsschaße befanden sich am 1. September 106,905,000 Doll. in Gold und 11,829,000 Doll. Papiergeld.

Der russisch-türkische Krieg.

Aus Belgrad, 5. d., wird dem „N. W. Tage- blatt“ gemeldet: Sämmtliche Gemeinden ‘des Belgrader Kreises haben die Erklärung abgegeben, daß sie keinen Krieg wünschen. Die Skupschtina habe Frieden geschlossen, das Ministerium dürfe ohne abermaligen Volksbeschluß keine Allianz mit fremden Staaten eingehen. Trotzdem soll der Abmarsch zur Grenze am 13. cr. stattfinden.

Europäischer Kriegsschaupla 8.

St. Petersburg, 5. September. (W. T. B.) Offi- zielles Telegramm aus Gornji Studen, den 4. d General Fürst Jmeritinsky meldet, daß er am 3. d. nah zwölfstündigem Kampfe Lowt scha troß der natürlichen Stärke der Position, welche außerdem stark befestigt war, und troß des hartnäckigen Widerstandes der Türken eingenommen habe. Der Held des Tages war General Skobeleff I. Die Verluste stehen noch nicht fest. Leider befindet si unter den Verwundeten General Rasgildiajeff.

__St. Petersburg, 5. September. (W. T. B.) Dffi- zielles Telegramm aus Gornji Studen vom heutigen Tage: Gestern machten 17 Tabors türkisher Truppen aus Rust\shuk und Rasgrad einen Angriff auf unsere Stellun- gen in Kadikiöi und beseßten diesen Ort zeitweilig, wurden aber \{ließlich von dort unter großen Verlusten zurückgedrängt. Auf unserer Seite e 7 Bataillone, 8 Sotnien und 22 Geshüße am Kampfe Theil. Unsere Verluste betrugen 30 Todte und 150 Verwundete. Der Commandeur des Ukraine- o Regiments, Oberst Nomira, erhielt eine Kontusion am

opfe.

Aus Bukarest wird der „Pol. Korr.“ vom 5. ge- meldet : Fn dem vorgestrigen Kampfe bei Selwi hatten die Türken die Offensive ergriffen. Dieselben wollten eine scharfe Rekognoszirung vornehmen, geriethen dabei in ein heftiges Kreuzfeuer der russishen Truppen und wichen nah Lowts cha pee, wo sie Verstärkungen heränzogen. Nach einem er-

itterten zwölfstündigen Kampse wurden sie aus Lowtscha vertrieben. :

Konstantinopel, 4. September. (W. T. B.) Nach hier vorliegenden Nachrihhten vom Kommandanten von Ru st - \chuk, Achmet Pascha, hat derselbe gestern die Russen neuer- dings bei Kadikiöi angegriffen, dieselben geschlagen und mit einem Verlust von 1000 Mann zurückgeworfen. Der türkische Verlust soll nur 150 Mann betragen. Suleiman Pascha fährt fort, die Befestigungen der Russen im Schipkapasse zu bombardiren.

Konstantinopel, 5. September. (W. T. B.) Nach einer hierher gelangten Meldung aus Schumla von heute soll das türkishe Corps von Nasgrad den Lom überschrit- ten haben, und in der Richtung auf Biela vorgerückt sein. Dasselbe hätte bereits Obretnik erreicht.

Konstantinopel, 5. September. (W. T. B.) Nah hier eingegangenen Meldungen soll im Schipkapasse aufs Neue ein sehr enger Kampf entbrannt sein. Alle türkischen Corvs segen die Offensivbewegungen fort. Die Offiziere, welche früher im Schipkapaß kommandirten und die dortigen Positionen ohne genügenden Widerstand geleistet zu haben, verließen, sind, wie verlautet, verhaftet worden und falten vor ein Kriegsgericht gestellt werden.

Wien, 5. September. (W. T. B.) Telegramm der „Presse“ aus Bukarest: Am 1. d. versuhten 20,000 Türken von Lowtscha aus einen Angriff gegen Selwi, wurden aber urückgeschlagen. An dem nämlichen Tage wurde auch ein Angriff der Türken im Schipkapasse vereitelt. General Zimmermann meldet, er habe die wichtigsten Punkte an der Donau, wie am Trajanswalle stark besestigt und tele- graphish mit einander verbunden.

ien, 6. September. (W. T. B.) Telegramm des „N. W. Tageblatt“ aus Schumla, 4. d. Nachts: Die Hauptarmee Mehemed Alis hat ihren Vormarsch über Bu- zisma und Kadikiöi fortgeseßt, heute Abend Obretnik be- jeßt und ihre Vortruppen bis zwei Stunden von Biela entfernt vorgeshoben. Türkische Kavallerie ist gegen Pyr- gos abgegangen, um die dort von den Russen erbaute Brü: zu zerstören. Ein Abgesandter des Großfürsten Nikolaus

ist hier eingetroffen.

Wien, 6. September. (W. T. B.) Telegramm der „Presse“ aus Sistowa: Der Großfürst Nikolaus hat sein Hauptquartier von Gornji Studen nah Bulgareni ver- legt. Am Montag hat der Bau der Eisenbahn von Frateschti nah Simniga begonnen.

London, 6. September. (W. T. B.) Ueber die Ein- nahme von Lowtscha durch die Russen veröffentlicht der „Standard“ folgendes Telegramm aus Bukarest von

estern: Die Schlaht von Lowtscha wurde von den Türken egonnen, welche, durch das Anwachsen der russishen Trup- penmacht vor der Stadt beunruhigt, einen wüthenden Angriff auf die Russen machten. Leßtere \chlugen 9 Per Si gende Angriffe der Türken siegreih ab, trieben \cließlih die Türken in die Stadt und drangen in dieselbe gleichzeitig mit den Türken ein. Nach einem sehr blutigen Straßenkampf wurden die Türken aus dem anderen Ende der Stadt hinausgetrieben, sie retirirten in großer Unordnung und wurden von Skobelews Kavallerie verfolgt. Die Schlacht war eine Jeur blutige und namentlih die Türken erlitten fene große Verluste. Die N ournale betraten den Fall von Lowtscha als ein ehr ernstlihes Mißgeshick für die Türkei. Die „Times“ aid ani da der Regierung, daß sie mit Zustimmung der anderen neutralen Mächte interveniren möge und meint, daß die zu versuchende Mediation auf den Vorschlägen der Konstantinopeler Konferenz basiren könnte. _— Ueber die Verhältnisse auf dem bulgarischen Kriegsschauplaße nah den Schipka-Kämpfen wird der „Pol Korr.“ geschrieben :

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«Die erbitierten Kämpfe um d:n Schipkapaß sind endlich zum Stillstande gekommen uns möglicher Weise dürften dieselben nicht

mehr ernftlih fortgeseßt werden. Suleiman Pascha, der energishste der türkischen Generale, konnte nach achttägigen ununterbrochenen Anstrengungen den Russen die Position des Schipkapasses nit ent- reißen. Seine Armee besteht ungefähr aus 59,000 Mann. Wie viel er von dieser Kraft auf die Forcirung des Schipkapafses verwendet hat, ist türkischerseits bis zur Stunde nicht gemeldet worden. Die Russen hatten, nebst 40 Kanonen (darunter 6 den Türken abgenommene Tru und einem Theile der sehr gelihteten bulgärischen Legion, am 21. August 3, am 22. 4, am 23. 10, am 24. 19, am 25. 25, am 26. 31, am 27. und 28. 37 Infanterie- und Schüßen-Bataillone zu durchschnittlich 800 bis 900 Mann, im Gan- zen also in den leßten Tagen 30,000 Mann im Gefehte. Ungefähr ebensoviel mag auch Suleiman Pascha zur Aktion gebracht haben, mehr als die Hâlfte seiner Armee, jedenfalls den besten Theil derselben. Er hat Positionen eingenommen, welche die Russen nicht inne hatten, d. h. die Russen halten ihren Paß und Truppen Su- leimans stehen auf den benachbarten Höhen.

Die Organisation der russishen Armee ist tro ihrer sehr bedeutenden Mängel doch noch immer eine derartige, daß jene der türkischen gegen dieselbe gar nicht in Vergleich kommen kann. Was die Führung beider Armeen anbelangt, so hat die russishe gewiß {were Sünden begangen ; niht minder hat sie- aber brillante Erfolge aufzuweisen. Die Wahl des Operationsfeldes, der Uebergang über die Donau und die Festseßung am Balkan sind geradezu musterkaîte Mo- mente. Viel mehr läßt die türkische Führung zu wünschen übrig, wenn es auch mit ihr niht so arg bestellt ilt, als es die Be der Türken bei übler Laune glauben machen wollen. ie Türken sind inaktiv, niht weil sie es sein wollen, sondern weil sie es sein müssen sie können niht anders. Suleiman hat es ver- jut, aktiv zu sein, aber jeine mit einer beispiellosen Zähigkeit durch abt Tage hintereinander wiede: holten Angriffe vermochten nur der Wiederherstellung des bei Plewna gesunkenen Prestige der gegneri- hen Waffen Vorschub zu leisten. Es heißt, er hätte nicht den so schwierigen Schipkapaß, der übrigens gar nit \o s{wierig fein foll, forziren sollen. Der zweitbeste Balkanübergang, der Hainkiöipaß, is jedoch nicht fahrbar und zudem war er von zwei russishen Regimentern, das heißt doppelt so stark beseßt, wie der Schipkapaß. Hätte Suleiman aber deu Paß von Slivno zu seinem Uebergange gewählt, da wäre er ohne Zweifel billig durchgekommen, denn daselbst stand kein Russe. Ob aber die Türken dadurch, M sie ihre Basis auf Schumla mit weiteren 40 bis 50,000 Mann belasteten, an Aktivität gewonnen hätten, muß dahin zestellt bleiben. Die Jnaktivität ist die Folge ihrer \{hlechten Organisation oder vielmehr des Mangels jeder Orga- nisation, nicht aber die Schuld der Führung. Nicht minder ungerecht ist der Vorwurf der perspriteenug, den man der türkischen Führung macht. Es ist bekannt, welch kolossale Schwierigkeiten die Russen zu bewältigen haben, um den Bedürfnissen der Armee gerecht zu werden. Berge {wer be- schaften Brodes gehen in Folge eines einzigen Regens zu Grunde, weil es an Räumlichkeiten mangelt, es unter Dach zu bringen und es an Fuhrwerken sowohl, wie Kommunikationen gebrit, dasselbe weiter zu schaffen. Für das Sanitätswesen ist bei den Russen in wahrhaft nahahmenswerther Weise gesorgt und doch reichen alle Transportmittel niht aus, den Kriegsschauplaß wünschenswerth rasch von Kranken und Verwundeten zu säubern. Diese Ver- hältnisse sind auf têörkisher Seite sicherliß ni%t besser gestaltet. Wohl ist der Türke. frugaler, als der Russe und fähiger, Entbehrungen zu ertragen, als dieser; auch fkul- tivirt er im Sanitätswesen däs einfachste System, indem er sich um das Schicksal der Verwundektê# nicht sonderlich viel bekt-nmert. Aber \{ließlich was da lebt und fe{ken soll, brauht Nahrung und Mu- nition, mit welhen Bedürfnissen nur auf wenigen Punkten der Türkei eine Armee voa 200,000 Mann und entsprechender Zahl von Pferden nothdürftig versehen werden könnte. Die gegenwärtige Grup- pirung der türkischen Streitkräfte erscheint bei Berücksichtigung dieser Umstände weder willkürliß noch zufällig; vielmehr ist fie nothwendig und trägt im hohen. Grade den Verhältnissen der Armee und des Kriegs\hauplaßzes Rechnung.

Wie indeß die Kräfteverhältnisse sich gestalten, dürfte den Türken aus ihrer umfassenden strategishen Aufstellung schließlich kaum allzuviel Heil erwachsen. Seit dem ersten Gefehte bei Plewna, am 20. v.Mts., haben die Russen täglih 2—3009 Mann Verstärkungen an sich gezogen, und zwar zwei komplete Infanterie-Divisionen und 1 Schütenbrigade mit der zugehörigen Feldactillerie, einige Regimenter Kavallerie,

estungsartillerie, Reservetruppen, hauptsählich aber Ersatzmann- [haften im Ganzen gegen 100,000 Mann aller Waffen. Hierdurch ist der durch Verluste im Gefechte und Krankheiten herab- erntete Stand der Armee niht nur wieder auf seine ursprüng- iche Höhe gebracht, sondern sogar nicht unbedeutend überschritten, da der Abgang kaum mehr als 30—40,009 Mann betragen Haben dürfte. An weiteren Verstärkungen sind auf dem Marsche: das Garde-Corps, die Grenadiere und 2 Armee-IJufanterie-Divisionen mit ca. 100,000 Kombattanten. Für den Dienst im Rücken der Armee ist {on zu Anfang d. M. die Arfstellung von weiteren 36 Reserve-Bataillons und die Formirung der Reserve-Truppen in 4 Armee-Divisionen angeordnet worden. Die Cadres für diese Neu- formationen werden den Lokal-Truppen, die Mannschaften der Reichs- wehr 1. Klasse entnommen. Außer den einberufenen 180,000 Land- wehrmännern 1. Klasse stehen noch ebenso viele derselben Klasse zur Verfügung. Ueberdies findet in der Zeit vom - 13. Novemb r d. I, bis: 13, Januar k. J. die regelmäßige Rekrutirung statt, welche diesmal 218,000 Rekruten liefern soll. Im Augen- blicke stehen in der Dobrudsccha 17 Corps und einige Kosaken- Regimenter mit zusammen 40 45,900 Kombattanten, dann in dem Raume zwischen Nikopolis, Pirgos und den in leßter Zeit so hêufig genannten Balkanpässen 7 Armee-Corps zu 25,0009 Kozm- battanten, die Schüßenbrigaden, 10 Kosaken-Regimenter, die bul- garische Legion, die 3. und 4. rumänische Division, zusammen über 200,000 Kombattanten. Inzwischen hat die Tür kci ihre Zeit au nicht verloren, sondern mit einer staunenswerthen Energie Truppen aus allen Winkeln des Reiches zusammengerafft und an den Balkan geworfen, gleichzeitig neue Bataillone förmlich aus der Erde gestampft und eine Macht entfaltet, diezihr Niemand, weder Preund, noch Feind, zuge- traut hätte. Sie hat gegenwärtig auf dem bulgarischen Kriegsshau- Baye au formirten Truppen: unter Odman Pascha bei Plewna 60, Mann, unter Suieiman Pasha südlih des Balkans 50,000 Mann, unter Mehemed Ali und Ahmed Ejub auf der Linie Schumla-Ruftshuk 100,000 Mann, unter verschiedenen Kom- mandanten auf der Linie Varna-Silistria gegen 50,000 Mann, im Ganzen 260,000 Mann, von denen einige wenige Prozent (da für den Traindienst Bulgaren requirirt werden) an Nicbtkombattanten abgerechnet werden müssen. An diese Macht der Türken \chließt ih noch eine ungezählte enne Irregulärer, die Formirung von Zürgergarden und die erst kürzlich dekretirte Aufdbietung aller waffen- tähigen Männer, welche noch nicht das Assentalter erreicht oder son das Alter zur Einreihung in die Mustehafiz überschritten haben. Alle Anzeichen sprehen dafür, daß hiermit die türkish: Kraft- entwickelung ihren Kulminationspunkt erreiht haben dürfte. Da- gegen ist bei den Russen das Gros der Verstärkungen erst im Einrücken, ihre Macht daher erst recht im Wachsen begriffen, worin der einzige und kennzeichnende Unterschied der Situation yon heute, gegen jene vor einem Monate liegt. Nah Plewna war es fklar, daß die Russen zu \{wach waren, die Türken zu s{lagen, und ftand zu vermuthen, daß die Türken ihrer- seits es niht vermögen werden, die Russen zu werfen. Was damals nur vermuthungsweise ausgesprochen werden konnte, ist heute dur Thatsachen erhärtet. Die Situation ist heute insofern noch dieselbe, als die Sale sih noch immer gegenseitig die Wage halten. Indeß find die Anfänge desjenigen Stadiums zu verzeichnen, in welchem die Russen das Uebergewicht zu gewinnen aptaneu, Nie war der Aus- spruch Clausewitß, der Krieg sei ein Abmessen der Kräfte, in der Wirklichkeit deutlicher illustrirt, als in der Kriegsperiode, welche wir eben erleben. Die Junitiative zu dem entscheidenden Schlage, welcher die Ueberlegenheit des einen oder des andern Theils konfta-

tiren joll, dlesie, wie sih die Dinge anlassen, von den Russen aus- gehen. Da find es aber zwei gleih wichtige Faktoren, die sich im Kalkül des Feldherrn gegenüberstehen: die anrückenden Verstärkungen und die vorschreitende Sahreszeit. Die ersteren wollen abgewartet werden, die letztere gebietet, niht zu säumen, weil sonst die Herbiss- regen und der Wint-:r die Armee in wenig günstigen Verhältnifsen firirer. fönnten. Welcher der beiden Faktoren den endlichen Sieg davontragen wird, dürfte vielleicht bald entschieden werden, falls nit die Türken geschickt oder unge\schickt dazwischenfahren.“

E T. B.) Nach einem Telegramm der „Pol. Korr.“ aus Belgrad vom 5. d. Mts. hat die serbische Miliz des ersten Aufgebots den Befehl zum Abmarsche erhalten. Die- selbe muß bis zum 13. d. Mts. in ihre Konzentrirungsorte einrücken. Für die Miliz des zweiten Aufgebots ist die Marschbereitshaft angeordnet. Das Obverkommando über- nimmt Fürst Milan von Serbien. Zum Kommandanten des Drinacorps ist der ehemalige Kriegs-Minister Belimarkovic ernan. Sämmtliche Corpskommandanten verlassen morgen elgrad. _ Aus dem montenegrinischen Hauptquartier in Gornje Polje wird der „Times“ unterm 31. ult. tele- graphirt :

„Die Türken in Sheranzi sind unthätig. Ihr rechter Flügel ist von Peiovih zurückges{lagen und über den Tara getrieben worden. Es scheint wahrsceinlich, daß die Einfälle im Rücken der Kolonnen in der Herzegowina und in Kolaschin ihre Bewegungen gehemmt haben. Wir haben hier geg:nwärtig 15 Bataillone Montenegriner und in Niksic stehen 2 Bataillone Montenegriner und 7 Bataillone Herzegowiuesen. Wir sind im Besiß einer guten Position, von wo aus wir jeder türkischen Kolonne Widerstand leisten können, Im aae wird in Betreff einer Invasion nicht3 befürchtet. Die

elagerung macht keinen Fortschritt und beim Eintritt der Re-gen- saison muß sie aufgehoben werden.“

(W. T. B.) Die „Times“ enthält ein Telegramm aus Ostrog vom 5. d. über eine zwishen den Monte- negrinern und Türken vereinbarte eintägige, am 5. Mit: tags ablaufende Waffenruhe, während welcher Unterhand- lungen gepflogen worden wären.

Asiatischer Kriegsschauplaßt.

Konstantinopel, 4. September. (W. T. B.) Js3mail Pascha beunruhigt unausgeseßt die Russen durch Rekognos- zirungen, die er in der Provinz Eriwan vornimmt. Die Russen sind bei Fgdir konzentrirt.

Konstantinopel, 5. Scptember. (W. T. B.) Nach- richten vom asiatishen Kriegsschauplaße zufolge hat Jsmail Pascha von Karakilissa aus eine Rekognoszirung gegen die russishen Streitkräfte gemacht, welche seinen linken Flügel von der Seite von Abbas her bedrohten. Nachdem er das Ziel dieser Rekognoszirung erreiht hatte, zog er \ih vor den stärkeren Streitkräften der Russen zurü.

Wien, 6. September. (W. T. B.) Telegramm der „Presse“ aus Tiflis: Großfürst Michael ist in dem Haupt- quartier in Karajol eingetroffen und hat persönlih das Kom- mando übernommen. Man erwartet für die näühsten Tage entscheidende Kämpfe östlih von Kars.

„Vom asiatischen Kriegsshauplaßze“, bemerkt die „St. Petersburger“ Ztg.“ vom 2. d. M., „werden einige neue Zusammenstöße in der Gegend von Jgdyr und der Um- gegend von Batum gemeldet, die für unsere Truppen glücklich gewesen sind. Obwohl blutig genug, scheinen diese Schar- müßel doch keine irgendwie entscheidende Bedeutung gehabt zu haben. Die beiderseitigen Hauptarmeen unter General Loris-Melikow und Moukhtar Pascha stehen einander noch immer kampfbereit, aber ohne einen Schuß zu thun, gegen- über. Der Rückzug eines der beiden Gegner oder eine Ent: scheidungsshlacht scheint unvermeidlich.“

A -

Land- und Forstwirthschaft.

Mülheim a. Rh., 31. August. (Nat. Z.) Die Gefahr der“

Weiterverbreitung des Koloradokäfers in hiesiger Gegend scheint nunmehr, Dank dem energischen Einschreiten der Behörde, überwun- den zu sein. Seit Auffindung und Vernichtung der leßten Brut- stätte, am 30. Juli, hat die von 16 Männera regelmäßig ausgeübte Revision sämmtlicher hiesigen Kartoffelfelder zur Entdeckung neuer Spuren des Käfers nicht geführt. Jetzt ist die Zahl der Revisoren von 16 auf 5 reduzirt, diese werden N noch ihre Beschäftigung, die Kartoffelfelder abzusuhen, fortseßen. Auch der Dr. Hartenstein von der Poppelsdorfer Akademie, welcher seit dem 9. Juli als Kom- missar des Ministers für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten hier anwesend war, ist heute mit der Weisung nah Poppelsdorf zurücgekehrt, fich vorläufig wöchentlich einmal hierher zu begeben, um die Kartoffeläckter in Augenschein zu nehmen und über den Be- fund an den Minister zu berichten. ®

Gewerbe und Handel.

Nürnberg, 2. September. Heute wurde programmgemäß im bayerischen Gewerbe-Museum durch den Direktor desselben, Hrn. Stegmann, die Ausstellung von Arbeiten der ver vielfältigenden Kün ste mit einer kurzen Ansprache eröffnet. Derfelbe betonte, daß diese Ausstellung originell _und einzig in ihrer Art sei; sie habe die Trägerin unserer Kultur, die Buchdruckerkunst, zum Ausgangspunkt, ohne welche Bildung und Geselligkeit, ja die Gefühle für Stammes®genossenschaft, Einigkeit, Nationalbewußtsein kaum zu ihrer gegenwärtigen Entfaltung gelangt sein würder. In der That zeigt die Ausstellung die Cntwickelung des Buch- und Kunstdruckes in Deutschland auf ebenso anshaulihe wie instruktive Weise und führt zugleih seine Geschichte und die Anwendung der verschiedenen künstlerischen, wissenschaftlichen und mechanischen Hülfs- mittel vor, Dank der zahlreihen Beschickung, welche ihr zugewendet wurde, der geschickten Anordnung der ausge- stellten Gegenstände und dem musterhaften Katalog. Derselbe bil- det ein E von etwa 225 Seiten in Quartformat, auf das eleganteste ausgestattet und mit zahlreichen Jllustration-n and son- stigen künstlerishen Beigaben versehen. Ausführliche Einleitungen zu jeder Gruppe, meist verfaßt von den B-amten des Gewerbe- museums, orientiren {nell aub den Laien. Die Ausstellung ent- hält in sech8 Gruppen: 1) die Erzeugnisse des Bucbbvrucks von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart (unter dem Neuen, sagte Hr. Stegmann, fei hier das Neueste auch gleichzeitig das Desed i? die Leistungen des Holzschnitts ebenfalls in seiner ganzen historischen Entwickelung; 3) die Leistungen des Metalldrucks; 4) die Leistungen des Steindrucks seit Senefelder ; V die Leistungen der Photographie seit Daguerre; 6) Hülfs- und Kraftmascinen.

Die Betriebseinnahmen der Warschau - Bromberger Eisenbahn betrugen in 1876 1,028,168 Rbl., die Ausgaben 842,378 Rbl., der Uebershuß 185,790 Rbl. Da zur Verzinsung und Amortisation des Aktienkapitals von 6,201,000 Rbl. mit 44% 279,045 Rbl. erforderlich sind, L ist auf Grund der Zinsgarantie der Staat mit 93,255 Rbl. in Anspruch zu nehmen.

Verkehrs-Anstalten.

Southampton, 5. September. (W. T. L.) Der Dampfer „Weser“ vom Norddeutschen Lloyd ift hier angekommen.