1877 / 210 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 Sep 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Briefsendungen 2c. für S. M. Briggs „Rover“ und Musquito“ sind von heute ab na Kiel, diejenigen (ér S. M. Knbt. „Albatroß“ von heute ab bis incl. 7. d. M. nah Plymouth, vom 8. bis incl. 13. d. M. nach Gibraltar, vom 14. bis incl. 19. d. M. nah Malta und vom 20. d. M. bis auf Weiteres nah Port Saïd zu dirigiren.

Bayern. München, 5. September. Die Königin- Mutter is heute Mittag ‘wieder nach Hohenshwangau ab- gereist, um bis gegen Ende November daselbst ju verweilen. Frhr. von Perglas ist, der „Allg. Ztg.“ zufolge, aus Ber- lin hier eingetroffen und wird alsbald die ihm übertragene Funktion des Königlichen Oberst-Kämmerers Chef des Kö- niglihen Oberst-Kämmererstabes übernehmen, nachdem seit dem Ableben des Grafen von Pocci der Königliche Oberst- Ceremonienmeister Graf von Moy mit der Leitung des ge- nannten Stabes betraut war.

Hessen. Darmstadt, 5. Sepiember. Wie die „Darmst.

tg.“ vernimmt, werden der Großherzog und die Groß-

de rzogin mit den Srpherzogt hen Kindern Sonnabend Nach- mittag, von Mainz kommend, hier eintreffen.

Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 6. September. (Weim. Hg.) Der Großherzog ist in der vergangenen Nacht von Wilhelmsthal nah Benrath abgereist, um dem Manöver des VII. und VIIl. Armee-Corps beizuwohnen. Am 1. d. M. is, der „Leipz. Ztg.“ znfolge, der langjährige und

ocverdiente Kurator der Un.versität Jena, Wirklicher Ge- heimer Rath Seebeck, in den Ruhestand getreten und dem- elben bei diesem Anlaß das Großkreuz des Falken: Ordens verliehen worden.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 5. September. Jn der heutigen Sißung des Ausgleihs-Aus\schusses des Ab- geordnetenhauses gelangte der Bericht des Subcomités über das Branntweinsteuergeseß zur Verhandlung. Nachdem der Referent Dr. v. Plener zunächst eine e der Regierungs- vorlage gegeben, besprah er die Grundlagen der heutigen Gesetzgebung, die tehnischen Fortschritte, welche eine stärkere Ausbeutung der Stoffe zulassen, in Folge dessen zu Gunsten des Produzenten eine Art von Steuerprämie entsteht, die sih bei mehligen Stoffen auf beiläufig 60, bei Melasse auf 40 Prozent stelle. Redner erklärte sih \{chließ- lih für das Pauschalirungssystem mit fakultativer Produkt- besteuerung, bei kleineren Brennereien dagegen für die Pauschalirung nach der Leistungsfähigkeit. Nach längerer Debatte wurde der Antrag des Abg. Demel auf unveränderte Annahme des Entwurfs nach den Ausshußanträgen abgelehnt. Auf eine Anfrage des Abg. E erklärte der Finanz- Minister, daß die Regierung aus der Reform der Branntwein- steuer eine Mehreinnahme von 2# Millionen erwarte. Hier- auf wurden 19 Paragraphen der Vorlage unverändert ange- aomnien.

Pest, 5. September. Der Bankauss\{chuß wird morgen nach den Ferien seine erste Sißung halten. Wie der „Pester Lloyd“ erfährt, beabsichtigen einzelne Mitglieder des Aus- \{chusses, zu cinigen Theilen ver Vorlage - mehrfache Modi- fikfationen einzubringen. Der Ausschuß hofft, bis zum Zu-

“sammentritte des Reichstages die Verhandlung der BVank- vorlagen zu: beendigen. Der Finanzauss\chuß seßte heute die E über die Spiritussteuer-Vorlage fort. Die meisten Redner erklärten sich für das Pauschalirungs- system, acceptiren jedoh den Geseßentwurf, wenn die Regie- rung in einer Herabseßung der zu besteuernden Erzeugungs- menge einwilligt. Finanz-Minister Szell vertheidigte in län- gerer Rede die fafultative Anwendung beider Systeme und erklärte, die Herabseßung der desteuerten Erzeugungsmenge von 6 hi 57 Grade in Erwägung ziehen, ferner dieselbe bei landwirth\chaftlihen Brennereien von 10 auf 5 Hektaren herabseßen und das Erzeugungsquantum von 34 auf 45 Hek: toliter erhöhen zu wollen, wobei die Steuerermäßigung anstatt 20 nur 10 pCt. betragen würde. Morgen wird die Berathung fortgeseßt. e L

Agram, 5. September. Jn der heutigen Sißung des Landtages legte der Sektionschef Zivkovic Gesetzentwürfe, betreffend die Gemeindeordnung und das Be R A recht vor und Derencsin einen solhen über Unexequirbarkeit der Offiziersgagen. Sodann wurden Ergänzungswahlen für verschiedene Ausschüsse und die Wahl der Schriftführer vor- genommen. Die nächste Sißung ist unbestimmt.

Großbritannien und Jrland. London, 5. Septem- ber. (E. C.) General Grant ist auf Schloß Dunrobin angekom- men und bleibt-dort einige Tage als Gast des Herzogs von Su- therland. Wie Edinburgh und Glasgow wird auch Fnverness ihm das Ehrenbürgerrecht ertheilen. Die Geldsammlung für Jndien ist auf 100,000 Pfd. Sterl. angewachsen. Der Lon- doner Stadtrath wird den Antrag stellen, 1000 Pfd. Sterl. u dem Fonds beizusteucrn. Die Home Rule-Partei hielt in Hull unter dem Vorsitß “des Unterhausmitgliedes

arnell eine Versammlung. Ein anderer irischer Vertreter, Mr. O’'Connor Power, hielt eine Rede über die von den Jr- ländern im Parlamente befolgte Politik. Die Ansicht der Redner, daß die sog. Obstruktionspolitik, wenn fortgeseßt, gute Erfolge haben werde und im Jnteresse der Home Rule-Soche sei, ward von der Versammlung gutgeheißen. Die Staats- Einnahmen vom 1. April bis zum 1. September d. J. betrugen 30,652,703 Pfd. Sterl. gegen 29,927,341 Pfd. Sterl. in dem gleihen Zeitraum des Vorjahres; die Ausgaben: 33,821,844 Pfd. Sterl. gegen 33,569,572 Pfd. Sterl. im Vor- jahre; die Bilanz am 1. September 1877: 1,767,882 Pfd. Sterl. gegen 1,589,656 am 1. September 1876.

rankreih. Paris, 5. September. (Fr. C.) Der Präsident der Republik empfing heute den neuen Ge- andten der Vereinigten Staaten, General Noyes, in Antrittsaudienz. General Noyes gab zuerst den Wünschen des Präsidenten der Vereinigten Staaten für das Wohl- ergehen des Marschalls und seiner Familie und für das edliche Gedeihen des französischen Volkes Ausdruck. Dann hr er fort: „Meine Landsleute erinnern sich dankbar es zweckmäßigen und wirksamen Beistandes, welchen Frank- reih ihren Intere en gewährt hat, als sie für die nationale Unabhängigkeit kämpsten. Hundert Jahre sind seit- dem vergangen, ohne daß die also entstandene Freundschaft eine Unterbrechung erfahren hätte. Jch könnte den Wünschen und Gefühlen des Präsidenten und des amerikanischen Vol- tes feinen besseren Ausdruck geben, als indem ih

, nihtet worden, welche noch

mich, was mir sehr angenehm sein wird, bemühen werde, die lebhaften Sympathien und freunds ft- lichen Beziehungen, welhe zwishen beiden Ländern bestehen, zu pflegen, zu kräftigen und immerdar zu erhalten.“ Der Präsident der Republik erwiderte: „General, ih danke Jhnen für die Gesinnungen, die Sie mir im Namen der Ver- einigten Staaten von Amerika aussprehen. Die Erinnerungen, welche Sie anrufen, gehen mir sehr nahe, und Sie können versichert sein, daß Sie mich stets bereit finden werden, im Vereine 1ñit Jhnen die hundertjährige Freundschaft, welche Frank- reih mit Jhrem Lande verbindet, zu erhalten und zu stärken.“ Gambetta und der Gerant der „République fran- çais e“, Murat, sind auf nächsten Dienstag unter der Anklage der Beleidigung (ofenses) des Marschall-Präfidenten der Re- publik und der Shmähung (outrages) gegen die Minister vor die 10. Kammer des Pariser Zuchtpolizeigerihts geladen. Nah dem S vom 27. Juli 1849 ist in diesem Falle den Blät- tern die Berichterstattung über den Prozeß verboten. Die vereinigten Vorstände der Linken des Senats erlassen durch die ihnen nahe stehenden Blätter folgende Adresse an das Land:

Theuere Mitbürger! Frankreich kennt den großen Verlust, der es betroffen hat: Herr Thiers ist nicht mehr. In dieser harten Prü- fung halten wir, die republikanischen Vertreter des cinzigen noch aufrecht gebliebenen großen Staatskörpers, es für eine Bürgerpflicht, noch einmal unsere Hingebung für die Republik und die feste und be- sonnene Politik zu vertheidigen, von welcher der berühmte Bürger, den wir beweinen, dem Lande das Beispiel gegeben hat. Herr Thiers hatte sfih der Republik aus Vernunft und Patriotismus angeschlossen. Er erachtete sie als die einzig mögliche Regierung, als die einzige, welche glciczeitig der Ordnung und der Freiheit Genüge zu thun und den Anschlägen der Reaktion ein Ziel zu seßen vermöchte, die nur unter der Gunst der persönlichen Gewalt eines Einzelnen Aus- siht auf Gelingen hätte. Sein ganzes Leben lang hat er das Prinzip der Volkssouveränetät vertheidigt. Er ift, kann man sagen, gestorben, indem er die Regierung des Landes durch das Land verlangte. Er hat diese Lehren praktis geübt, so oft er in den verschiedenen Zeit- läuften seiner langen und ruhmvollen Laufbahn an der Regierung war. Herr Thiers hat nicht nur Frankreih mit einer überlegenen Geschicklichkeit regiert, welhe ihm die Dankbarkeit der Nation und die Achtung des Auslandes eingetragen hat und die Bewunderung der Nach- welt erwerben wird , er hat auc dur scin Beispiel gezeigt, daß in einem aufgeklärten und freien Lande Sicherheit, Arbeit und Wohl- ergehen wie mit einem Zauberschlage wiederkehren, wenn das oberste Staat8amt einem Bürger anvertraut is, der seine Ehre daran seßt, die Verfassung und den Willen der Nation zu respektiren. Dieses ist der \{chönste Ruhmesanspruch unseres großes Staats- mannes. Theure Mitbürger , es fehlt in Frankreih nicht an Männern von Verdienst und Bürgerthum, welche bereit sind, die Ueberlieferungen des Herrn Thiers fortzuführen und sich, wie er für die Gründung einer liberalen und konservativen, alle berechtigten Interessen {ütßenden, allen Verbesserungen und Fortschritten geöff- neten Republik aufzuopfern. In der gegenwärtigen Krisis bleibt unsere Aufgabe die nämliche. Frankreih wird nächstens befragt werden; so gebe es denn in den Wahlen seinen souveränen Willen mit Einigkeit und Festigkeit zu erkennen! Die Menschen vergehen, aber die Prinzipien bleiben. Bete Thiers binterläßt uns die Lehren vollendeter Erfahrung, die Vorbilder des reinsten Patriotismus. Beiden werden alle Republikaner treu bleiben wollen, und dics wird die würdigste Huldigung sein, welche wir dem grofien Franzosen darbrin- gen können, der uns entrissen worden ist.

Sür das linke Centrum: Bertauld, Calmon, Gilbert, Boucher, Graf Rampon, Foucher de Careil; für die republikanische Linke: Arago, Leroyer, Duclere, Hérold, Lacet, Malens, Salneuve; für die are likanishe Union: Peyrat, Victor Hugo, Crémieuy, Shheurer-

ner. i |

_— 6. September. (W. T. B.) Da Frau Thiers das offizielle Leichenbegängniß ihres verstorbenen Gatten nur unter der Bedingung acceptirt hat, daß ihr selbst die Anord- nungen bezüglih der Ordnung des Leichenzuges überlassen bleiben, war die Regierung ihrerseits der Ansicht, die Aus- führung der Dekrete, welche die Ordnung der Leichenzüge bei offiziellen Ceremonien regeln, nicht aufgeben zu sollen. Die- selbe beshloß daher, das gestern publizirte amtlihe Dekret wieder aufzuheben, und wird sih an dem Leichenbegängniß nur insoweit betheiligen, als es sich um die militäri- schen Ehren handelt, auf welche der Verstorbene, sorzohl als Würdenträger der Ehrenlegion, wie als vormaliger Chef der Regierung, ein Anrecht hat. -—— Der größie Theil dec Sena - toren und ehemaligen Deputirten der republikanishen Partzi ist bereits zu der Leichenfeier Thiers? hier eingetroffen. Die kirchliche Feier wird am Sonnabend in der Pfarrkicche des Verstorbenen, Notre-dame des Lorettes, stattfinden. Die Grabrede wird Namens der ehemaligen Deputirten Hr. Gré v y halten, um auf diese Weise zu bekunden, daß er an Stelle Thiers’ die offizielle Leitung der republikanischen Partei übernehme. Gambetta hat gestern die Vorladung des Zuchtpolizeigerihts zu der auf nächsten Dienstag gegen ihn anberaumten Verhandlung erhalten. Die Anklage lautet auf Beleidigung des Präsidenten der Republik und Schmähung der Minister. Dem Vernehmen nach wird der Staatsanwalt den Ausschluß der Oeffentlichkeit der Ver- handiung beantragen.

7. September. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ veröffentliht den vom Marschall - Prösidenten genehmigten Bericht des Ministers des Jnnern, de Fourtou, in welchem unter Ausdrücken lebhaften Bedauerns die iederau f-

ebung des Dekretes, betreffend die Beerdigung

hiers’ auf Kosten des Staates, beantragt wird, nachdem dem Leichenbegängnisse in Folge der von den Hinterbliebenen gestellten Bedingungen der Charakter einer nationalen Feier genommen worden sei.

Italien. Rom, 1. September. Die „Gazzettz uffiziale“ verösfentlicht in Becreff desBrigantaggio in den neapolita- nischen Provinzen ein vom 24. v. M. datirtes Run dsr e i- ben des Ministers des. Fnnern an die Präfekten und Kom- wandanten der Carabinieri-Legionen in D Landestheilen. Nachdem der Minister in diesem Schriftstück konstatirt hat: daß nunmehr auch die lezten Ueberreste der Brigantenbanden ver- en, och die Provinzen Calabria Ulteriore, Calabria Citeriore, Basilicata und Principato Citeriore ver- heert hatten, erklärt er, daß hiemit die 2D der Regierung und der Behörden noch lange nicht ers fopfft sei, sondern daß sih diese vielmehr thätiger als je mit der öffentlichen Sicherheit zu beschäftigen haben, indem die moralische Wirkung fortbestehe, welhe jene gesellschaftliche Plage dur ihre lange Dauer in den südlichen Provinzen hervorgebracht habe. Es sei hienah insbesondere darauf zu achten, sih derjenigen Jndividuen zu versichern, gegen dele Hastbefehle erlassen sind, und die, wenn nicht ra s eingefan- gen oder zur freiwilligen Stellung veranlaßt, obschon häufig blos wegen geringer Vergehen und leihterer Verbrechen ver- folgt, den Kern zu künftigen Banden bilden. Um in dieser Richtung cinen günstigen Erfolg zu erzielen, ruft der Minister

den Beistand aller guten Bürger an, da es erwiesen sei, daß die Negierung ohne deren werkthätige Hülfe nur {wer und sehr langsam durchdringe. Die Regierung ist geneigt, alle außerordent- lichen Dienstleistungen in Angelegenheit der öffentlichen Sicher- heit auch außerordentlich zu belohnen, und der Minister for- dert die Präfekten auf, ihm dieserhalb Vorschläge zu machen, wie er denn au wie bisher auf die Einfangung der gefähr- lihsten Verbrecher Preise auszuseßen bereit is. Der Schluß des Rundschreibens lautet: „Fh muß endlih den Behörden der Provinzen, in welhen soeben das Brigantaggio ausge- rottet wurde, bemerken, daß die bisher angewandten, auf die Vertheilung der militärischen Streitkräfte bezüglichen außer- ordentlihen Vorkehrungen aufzuhören haben werden, wie die Ursache aufhörte, welche sie geeignet und nothwendig erscheinen ließ; aber dies wird allmählih und mit großer Umsicht zu geschehen haben, damit die Schlechten nicht Vortheil daraus ziehen oder aus der Unzulänglichkeit der repressiven Mittel oder einer minder forgsamen Ueberwahung neuen Muth

schöpfen.“

Der Kriegs-Minister ist vorgeztern nach Turin

abgereist, um dem König Vortrag zu halten und denselben zu den Manövern zu begleiten. S : ___— 2. September. Auf Befehl des Ministers Nicotera sind E Hunderte von Camorristen diefer Tage in Neapel gefangen genommen und zu Zwangsaufenthalt in entfernten Gegenden verurtheilt worden. Ueber die leßte Nazzia, welche die Polizei gegen dieselben unternommen, wird der „„ztalie“ berichtet : j

„Jedermann weiß in Neapel, daß gewisse Individuen von den unglücklihen Fruchthändlern auf dem Markte eine Zwangsabgabe (in der Gaunersprache diritto al alpata genannt) zum Vortheil der Ca- morra erheben. Besonders wird dieses sonderbare „Recht“ auf dem vor der Porta Nolana eingerichteten Markte geltend gemacht. Die mit der Beaufsichtigung betrauten Polizeidelegirten betraten denselben an 30. August am frühen Morgen gegen 7 Uhr mit 70 Munizipalwäch- tern, beseßten alle Zugänge und arretirten alle Individuen, welche gekommen waren, um das „Recht“ der Camorra auszuüben, zum nicht geringen Schrecken aller Anwesenden. Es waren ihrer 60, die nach dem Dome von St. Peter (Volksausdruck für Gefänaniß) abgeführt wurden. Die Nachricht hatte \sich bald wie ein Lauffeuer im ganzen Stadtviertel verbreitet. Eine zahllose Menschenmenge, unter welcher sich die Verwandten der Verhafteten befanden, hatte sich bald an allen Zugängen des Plaßes eingefunden. Die Balkons und die Fenster der näbsten Häuser waren mit Neugierigen besetzt. Schrecken hatte sich sogar auch der Priester bemächtigt, denn sie be- eilten sich, die Thüren der Kirchen und Kapellen zu schließen. (ine ganz: Compagnie Bersaglieri war herbeigerufen worden, um den Dienern der öffentlichen Sicherheit zu helren, die Verhaftung der Camorristen vorzunehmen und dieselben fortzubringen.“ ;

_ Türkei. Belgrad, 2. September. Zur Lage in Serbien wird der „Pol. Korr.“ von hier geschrieben : : „Die ordre de bataiile ift durch einen Armeebefehl des Fürsten Milan bereits publizirt worden und hält der Kriegsrath, bestehend aus den Corpskommandanten Obersten Hervatovits, Nikolic, Lesch- janin, General Protic, Kriegs-Minister Sava Gruic und den Gene- ralstabs-Offizieren Obersten Preskovic, Gran ene Artillerie-Chef Milutin Jovanovic, Intendanz-Chef Oberst-Lieutenant Giuric, täg- lich Situngen. Die Kreischefv und Gemeindevorstände crhielten vom Kriegs-Ministerium und Ministerium des Innern strenge Wei- sungen, betreffend die Sistirang der Ertheilung von Auslandspäfsen, sowie alle ihnen unterstehende Beamte, A:crzte, Milizsoldaten und Fuhrleute aufzufordern, sich marschbereit zu holten. :

n der Gewehr- und Kanonenfabrik zu Kragujevaß wird Tag. und Nacht gearbeitet. Die Pontonnier- und Geniesoldaten wurden nach Kladowa, Saitschar, Alerinaß und Deligrad zur Vornahme von Scanzarbeiten abgesendet. Viele Beamte und Professoren, welche zur Intendanzkommission delegirt warden, sind na den Provinzdepots- orten abgereist. Heute rückten am Vracarpolji die Belgrader Fuhr- leute zur Inspizirung durch den Intendanzhef aus. Munition, Ge- chüße und Sanitätswagen sind nah Saitschar, Alexinaß, Deligrad und Kladowa gesendet worden. Armececlieferanten, welche während des vorjährigen Krieges mit der Regierung in Verbindung standen, be- ginnen wieder in Belgrad sich einzufinden. : E

Da die Jahreszeit {hon vorgerückt ist und die Armee mit Winter- fleidern für eine Herbstcampagne am Javor und-an der Morawa versorgt werden muß, hat der Kriegs-Minister 40,000 Mäntel und 40,000 Monturen in Belgien bestellt. Für Lieferung von Heu, Brot, Wein, Gemüse wurden Verträge mit Einheimischen abgeschlossen, da durch die diesjährige günstige Ernte Serbien mit Lebensmitteln reich- lich versorgt ist. Die serbische Operationsarmee, welche aus den kombinirten regulären 38 Bataillonen und 60 Milizbataillonen des erten Aufgebotes bestehen wird, zählt gegenwärtig 3 aktive Generale, nämlich Kosta Protic, Alexander Tschernajeff und Zach, 17 Oberste, 29 Oberst-Lieutenants, 40 Majore, 39 Hauptleute erster Klasse, 43 Hauptleute zweiter Klasse, 120 Ober-Lieutenants, 180 Lieutenants, ferner 250 in Disponibilität befindlihe Offiziere aller Waffen- gattungen, Für das Sanitätswesen wird Serbien niht genügende Aerzte haben, da im Vorjahre über 200 Aerzte und Chirurgen aus Rußland, Engla:.d, Ocsterreih-Ungarn, Italien und der Schweiz in serbische Dienste traten und bis zur Beendigung des Kriegcs von russischen Rothen Kreuz erhalten wurden. Jet wird das Kricgs- Ministerium fremde Aerzte aufnehmen müssen. Die Hochschule, die seit zwei Jahren geschlossen blieb, wird wieder in ein Spital ver- wandelt, ebenso werden die Gebäude der Gymnasien, Realschulen und Seminarien zur Verfügung des Sanitätswesens gestellt. Seite dem die Aussichten auf einen Krieg sih wieder mehren, gebt es mit der Handelsbewegung, welche eine Zelllang einen recht befriedigenden Aufschwung nahm, wieder rasch abwärts.“

Schweden und Norwegen. Stockholm, 31. August. „Astonbladet“ schreibt : „N. D. A.“ bringt einen Artikel, nah welchem „Schwedens einzige Kolonie in die Hände derjenigen Macht zurückgegangen ist, welhe uns einst die Jnfel schenkte.“ Da man hieraus schließen muß, daß die Abtretung Barthé- lemys eine vollzogene Thatsache ist, und da wir in einer so wichtigen Frage wie eine Landabtretung unseren Lesern lose Gerüchte mt mittheilen wollten, haben wir uns Aufklärung darüber zu verschaffen gesuht, wie es sich mit der Ab- tretungsfrage verhält. Wir glauben versichern zu können, daß die gepflogenen L noch nit abgeschlossen worden sind.“ Jm Laufe des Monats September tritt hier eine Kommission zusammen, deren S yN es ist, das jeßige Geseß über Fabrikation und Ausj}hank von Spirituosen einer eingehenden Umarbeitung zu unterziehen. A E kehrten von Reichstag zu Reichstag die Anträge wieder, da die Regierung etwas zur Minderung des A S R Spirituosen-Konsums us möge; die Kommission ihr Hauptaugenmerk auf Erreichung dieses Zieles richten.

Der rufsisch-türkische Krieg.

London, 7. September. (W. T. B.) Lord Derby sprach sih gelegentlih einer gestern Abend in Liverpool ge- e Rede bezüglih der Orientfrage dahin aus, daß

er gegenwärtige Zeitpunkt zu einer Einmischung dritter Mächte behufs Herbeiführung des Friedens nicht angethan erscheine, Die Zeit dürfte aber kommen und nicht allzuweit

oll nun -

entfernt sein, wo Englands gute Dienste den Kriegführenden annehmbar erscheinen würden. Die Regierung werde diesen eitpunkt, sobald er eintrete, nicht unbenußt vorübergehen assen.

Europäischer Kriegsschauplat.

Aus Bukarest, 5. September, meldet die W. „Presse“: Gestern ist das finnländische SETME e, eine sehr gut aussehende Truppe, hier durch- und nach der Donau abmarschirt. Gestern passirten die ersten Abtheilungen der Garde-Kavallerie die Donau. Aus den russischen Kadetten-:Corps- und Junkerschulen, wie aus den Militär- Gymnasien und anderen Militär-Bildungsanstalten wurden 800 Zöglinge zu Offizieren ernannt, um den ragen Abgang an Offizieren bei der Armee in Bulgarien zu deden.

Konstantinopel, 6. September. (W. T. B.) Die hiesigen Fournale melden eine Schlacht bei Lowtscha zwishen dem Corps Osman Paschas und großen russischen Streitkräften. Ueber das Resultat derselben is offiziell noch nichts verlautbart.

Konstantinopel, 6. September. (W. T. B.) Nach einer Depeshe Mehemed Ali's aus Kechlowa, 6. c., hat das in zwei Kolonnen unter Faub und Sabit Pascha getheilte Corps Ejub Paschas das zwölfte rufsishe Corps angegriffen, welches durch eine diesseits des Lom postirte Division unter- stützt wurde. Die Russen wurden geworfen und gingen über den Lom zurü, indem sie ihre befestigten Positionen in der Umgegend von Kechlowa im Stich ließen. Die Verluste be- trugen auf Seiten der Russen 3000 außer Gefecht Gesette ; auf Seiten der Türken 200 Todte und 700 Verwundete.

Konstantinopel, 6. September. (W. T. B.) Ueber die leßten Kämpfe bei Lowtscha und Schipka sind noch immer keine offiziellen Nachrichten veröffentliht worden. Bei dem leßten Gefeht Ahmed Ejubs am Lom soll auch der die russische Kavallerie befehligende General gefallen sein ; türkischerseits blieben 2 Obersten. L

Wien, 6. September. (W. T. B.) Der „Pol. Korresp.“ wird aus Bukarest von heute telegraphish gemeldet : Gestern früh fand in der Umgebung Rustshuks ein bedeutender Kampf statt. Bald nah Anfang desselben begannen die russishen Batterien von Slobozia aus ein Bombardement, welches, von türkischer Seite erwidert, den ganzen Tag dauerte und auch heute fortgeseßt wurde. Jn der verflossenen Nacht versuchten türkishe Truppen von Widdin aus auf Barken sih Couperteni bei Kal afat zu nähern, wurden aber durch die rasch aufgefahrenen rumänischen Batterien zurückgetrieben. Die Garnison Widdins i} der drohenden Haltung Serbiens wegen auf 8000 Mann gebracht worden.

Vom Kriegsschauplate in Bulgarien berichtet die „Pol. Korr.“ aus Galatß, 2. September :

„Die Folgen des mißlungenen Angriffes (auf den Schipka- paß) können für die Türken weittragend werden. Erstens ist eine ihrer tüchtigsten Armeen auf mehrere Wochen niht mehr kamffähig, denn eine Armee von 40,000 Mann, welche einen Verlust von 15,000 Mann erleidet, braucht unter den in diesem Kriege maßgebenden Verhältnissen wenigstens einige Wochen, um sich zu reorganisiren und wieder als ein Faktor von einiger Bedeutung in den Feldzug einzu- greifen ; zweitens ist die Stellung der Russen inNord-Bulgarien vorläufig unerschüttert und vor einem Angriffe in der Front gesichert, so daß die russishe Krieasleitung jeßi ihr ganzes Augenmerk auf ihre Slanken rihtcn kann. Was bei Schipka wie bei Plewna auffallend hervortrat, ist, wie wenig die türkishen Heerführer sich unter ein- andez unterstüßen. Bei Plewna ließ man Osman Pascha allein, was ihn hinderte, seinen Sieg auszunüßen. Während der mehr- tägigen Kämpfe in Schipka machten weder Osman Pascha aus Lowtscha, noch Mehemed Ali aus Eski-Djuma den klein- sten Offensivstoß gegen die russische Aufstellung, so daß die Nufsen von Selwi und von Tirnowa in aller Ruhe Verstärkungen nah S ch ipka schicken konnten, welche den unentschieden hin- und her- wogenden blutigen Kampf zu ihren Gunsten wendeten, Jett scheint die Reihe an die türkische Oftarmee gekommen zu sein. Nach den leßten Nachrichten hat dieselbe von Esfki -Djuma und Rasgrad zugleiß eine Offensivbewegung begonnen; durch welche sie die russishe Aufstellung an der mittleren Jantra- Linie bedroht Man kann von dieser Bewegung dasselbe wie von allen türkishen Operationen, außer der bei Plewna, sagen: daß sie zu spät kommt. Dieselbe war angezeigt und hatte viel Wahr- scheinlichkeit des Erfolges für sich während der Kämpfe bei Plewna und gleih nach diesen Kämpfen. Weniger wichtig, jedoch sehr nüß- lich. wäre sie während der Gefehte am Schipkapasse gewesen. Jett aber trägt der Offenfivstoß Mehemed Ali’s (wenn er überhaupt stattfindet) den Keim des Mißerfolges in fich. Die ersten glüctlichen Treffen bei Ajaslar und Turlak b saennela verhalten sich die Thatsachen folgendermaßen: Nach dem Gefechte bei Ajaslar rüdckte eine starke türkishe Rekognoszirungés- Abtheilung von Kukükiöi über Arablar bis Karagac vor, stieß aber dort auf starke russishe Massen und zog si zurück Cbenso rüdckte Nedjib Pascha von Rasgrad gegen Turlak vor, drängte die russishen Vortruppcn zurück und beseßte Kostanca (ein Markt- fleden am Solenik-Flüßchen). Wie man sieht, waren alle diefe Ge- fehte nichts weniger als entscheidend, und die shwachea russischen Abtheilungen, welche daran Theil nahmen, haben \ich nur auf das Eros der Armee des L fürsten Thronfolgers zurückgezogen. Diese Armee wird aber auch in den nächsten Tagen schon so verstärkt sein, daß sie dem Offensivstoße der - türkishen Ostarmee er- folgreih wird widerstehen können. Deswegen wird in kompetenten Kreisen an fkeine wichtigen Zusammenstöße auf diesem Theile des KFKriegéshauplaßes geglaubt, bevor der in West-Bulgarien fih vorbereitende Entscheidungekampf stattgefunden hat. Leßterer kann nicht lange ausbleiben. Alle An- zeichen deuten darauf hin, daß in den nächsten Tagen die Würfel um Plewna fallen werden. Entweder versucht die russishe Kriegë- leitung, Osman Pascha zu umzingeln; in diesem Falle wird der- selbe angriffsweise vorgehen um sih Lufk zu machen, oder der Angriff geht vou a A Seite aus, indem Großfürst Nikolaus und Men Karl die türkishe Stellung in Front und Flanke angreifen.

edenfalls ist die Konzentrirung der russishen Streitkräfte um Plewna zu bedeutend für eine Defensive. Es stehen dort das 4, 11. und 9. Corps (die beiden leßtere», welche stark gelitten hatten, find dur neu angekommene Ergänzungémannschaften wieder vervollständigt), RES 70,000 Mann; außerdem Abtk{eilungen des 5. Corps, 2 Schübenbrigaden, 3 Kavalleriedivisionen und das fliegende Corps des Generals Skobeleff. Rechnet man dazu die ru- mänische Armee mit wenigstens 30,C09 Mann, so erzielt sich mit Ausschluß der Nichtkombattanten eine Konzentrirung von ungefähr 120,000 Mann. Wie man sieht, kann es sich n cht um eine ab- wartende, defensive Stellung handeln. Heute wurden auch schon scharfe Rekognoszirungen gemeldet, welche von starken türkishen Ab- thei! Ugen gegen die russisch-rumänischen Flügel gemaht wur- den. Bei einer solchen Rekognoszirung entspann sih ein Gefecht bei Trstenik (nicht zu verwechseln mit einem gleichnamigen Orte nordwestlicch von Plewna), einem nordöstlih von Plewna gelegenen Dorfe. Dieses unbedeutende Gefeht gab zu den übertriedendsten Gerüchten Anlaß, die auch in den meisten rumänischen Blättera Play fanden. Es darf versichert werden, daß bis zur Stunde kein bedeutender Zusam- menstoß stattgefunden hat. Gegen den 7. September aber ist es wahrscheinli, daß die Aktion beginnen wird. Die Stellungen beider

aiten keine Bedeutung, denn kurz.

Armeen sind ungefähr dieselben wie vor einigen Tagen, nur haben die Türken ihre Befestigungen etwas auszedehnt. Außer der eigentlichen Stellung ben sie nämli Vorwerke auf den Höhen bei Grivica, Radisowo und nordwestlich bei Etropol errichtet. Die rumäânishe Armee fteht seit gestern auf den bezeichneten Positionen und hat au angefangen, ‘in aller Eile passagere Befestigungen aufzuwerfen. Die rdetruppen fangen an, auf der Eisenbahn zu passiren. 2000 Mann Kavallerie und 4000 Mann Infanterie sind {on dur{passirt. Große Nach- züge werden täglich erwartet.“ i __— Der Bukarester Spezial-Berichterstatter der W. „Presse“ schildert in folgender Weise die Lebensweise des Kaisers von Rußland im Armee-Hauptquartier zu Gornji Studen : „Der Czar führt ein echt soldatishes, man kann sagen, ein spartanisches Leben in Gornji Studen. Wer Orianda, Kiew, Moskau, Petersburg, Zarskoje-Selo und viele andere Städte ge- sehen, in denen die Halais des Czarenñ, alle übrigen Paläste an Größe und Pracht überragen, der würde kaum glauben, daß der Czar heute eine ganz einfahe Bulgarenhütte bewohnt, deren Dach cinem scharfen Herbstregen kaum widerstehen dürfte. Die Behausung des Czaren ist heute eir gewöhnliches, einstöckiges Bauernhaus, umgeben von wildem Gestrüpp und einem Obst- garten, in dem eine Reihe von Zelten aufgeschlagen ift. Jn Gocerunji Studen hört man keine Ceremonialmärshe, Hymnen und Gewehr- herauêrufe, sondern nur das Gemurmel lbesheidener Morgen-, Mit- tags- und Abendgebete, welchen der Czar s1mmt seinem Convoi und Stabe regelmäßig beiwohnt. Auch if das materielle Leben des Kaisers ein sehr einfaches. Des Morgens nach der Reveille wird Thee servint und in wenigen Minuten getrun- ken. Um 2 Uhr Nacmittags wird das Mahl, bestehend aus Suppe, Rindfleish und Braten, aufgetragen. Der Tisch, an dem „getafelt“ wird, ift einer der primitiviten Art u .d gewöhnlich im Schatten eines Baumes aufgestellt. Der Czar speist gemein- \chaftlih mit scinem Stabe und im ganzen Verkehr ist keine Spur von Zurückhaltung und strenger Etikette der Einzelnen bemerkbar. Das Diner dauert selten länger als eine Stunde, und während desselben liest der Hofzorediger die üblichen Gebete und Kapitel aus dem Evangelium. Der Kaiser bewohnt ein einziges Zimmer, welches keineëwegs den Georgs- und Alexandernewski-Sälen ähnelt. Selbst- verständlih theilen alle rufsishen Kavaliere, welche sih in der Um- gebung des Kaisers befinden, diese einfache Lebensweise.“

Konstantinovel, 6. September. (W. T. B.) Nach einer der hiesigen „Agence Havas“ zugegangenen Nachricht wären die Montenegriner vor Niksic mit einem Verluste von 1300 Mann geschlagen worden und hätten die Belagerung von Niksic aufgehoben.

Asiatischer Kriegsschauplaßt.

Die Situation auf dem armenischen Kriegs- shauplaze schildert die „Pol. Korr.“ in einem Berichte aus Tiflis, 30. August, wie folgt:

_ „General-Lieutenant Obrutschef, Vorsitzender des militärischen wissenschaftli.ben Comité in St. Petcréburg, ist im Hauptquartier der Kauftasus-Armee eingetroffen. Eine andere, die Bedeutung dieser Nachricht illustrirende Meldung ift die Verlegung des Lagers von Kuruk-Dara nah dem Bere Korojal und die gleichzeitige Beseßung des Berges Uch-Tapa dur die russishen Truppen. Nach der Einnahme und starken Befestigung des Berges Kisil- Topa durch die Türken, wodur diese ihre Avantgarden bis zu den kurz vorher von der russischen Avantgarde beseßten Dörfern Kül-Verni und Basch - Kadyklar vorschieben konnten, war die russische, durch die türkische Aufstellung halbmondartig umspannte Position bei Kuruk-Dara und Ogusly ftäten Flankenangriffen ausgesezt. Die türkische Position war nämlich folgende: Der linke Flügel stühßte sich auf den Berg Tash-Topa, wo 2 Batterien zu je 6 Geschüßen, und den großen Jagny, wo eine Batterie zu 4 Geschüßen- aufgeführt sindz Auf dem Knotcnpunkte der Straße von Chabsi-Vali nah Subbotan und Wisinkêôw stehen 2 Batterien zu je 4 Geshüß-n. Die Avantgärden des linken Flü- gels reichen bis Fenik sw, Parget und Jaila. Der Weg von Koloniköw nach Wisinkösw wird durch Batterien, aus Belagerungsgeshüßz be- stehend, vertheidigt, melche aus den Forts von Kars gezogen worden sind. Das türkische Centrum am Aladfchi ist mit dem linken Flügel durch bis nacy Bulanah reichenze tiefe Lauf- gräben und Logements verbunden, die bis Subbotan, Ker-Chan, Tainalijch und Schamschi arer: find. In Kisil-Topa sind 6 Batterien zu je 4 Geschüßen aufgeführt. Basch-Kadyklar und Kül- Verni hält Gazi-Mehemed-Schamyl mit seinen Tscherkessen beseßt. Die Befestigungen von Inach-Topassi, Kosudsi und Sagatli werden verstärkt. iese Kampflinie wird von 50 Bataillonen regulärer Jn- fanterie, 7000 Baschibozuks und 5000 Reitern beseßt gehalten; 6 Bataillone und 2 Escadronen stehen bei Kisil-Topa, 2 Bataillone bei Tasch-Topa, 8 Bataillone und 4 Escadronen bei Wisinköw, 8 Bataillone zwischen Wisinköw und Bulanach, 9 Bataillone auf den Höhen über Bulana, 5 Bataillone am Aladschi, 9 Bataillone bei Inah-Tapessi. Der Berg Korojal liegt etwa 12 Werst von dem Jentrum der türkishen Position, dem Berge Aladschi E von welchem er durch den jüngst von den Türken beseßten Berg Kisil. 2p getr wird. Auf dem Berge Korojal war seit dem Erschei- nen Moukhtar Paschas in der Ebene von Kars ein Teleskop auf-

gestellt, durch das ein speziell hierzu e e aies Postenidie Bewegungen

des Feindes genau beobachten konnte. Durch die nunmehr eingetretene Verschiebung hat sih das russische Lager in Korojal die Flanken ge- sicher und durch die Armirung des Berges Uch-Topa sind die Russen nunmehr in der Lage, durch ein leicht zu eröffnendes Kreuzfeuer gegen den Kisil-Topa zu verhindern, daß derselbe zur Basis weiterer Unter- nehmungen diene. Ueber die Schlacht vom 18. E August ist hier bereits der offizielle Rapport des kommandirendèn Generals Lori s- Melikoff eingelaufen und geht aus demselben hervor, daß der Kampf wirklich in der Absicht unternommen worden war, ein neu:s Avantgardenlager bei Kül - Verni zu gewinnen, das entschiedene Vortheile für die geplante spätere Offensive bot und leider wenige Tage darauf nach der Einnahme des Berges Kisil- Topa dur die Türken wieder aufgegeben werden mußte, General - Lieutenant Heimann kommandirte das aus 15 Ba- taillonen der Grenadierdivision, der Grenadier-Artilleriebrigade und einer Brigade Kavallerie bestehende Centcum. General-Lieutenant Dewel kommandirte den aus den Jelisawetpolshen, Gurischen, Abchasischen, Imeretinshen und Kutaisschen Regimentern, 2 Schüten- Bataillonen, 1 Kavalleriebrigade und 44 Geschüßen bestehenden linken Mde General-Major Komarof führte 3 Bataillone des

ladikawkas\chen Regimentes, 2 Bataillone des Sebastopoler Regimentes, 6 Sotnien Kosaken und 12 Geschüße als rechten Slügel. Der Angriff wurde von dem Corps-Kommandirenden persönlich von dem Berge Kisil-Topa aus geleitet. Der Kampf ging die ganze Zeit hindurch nicht aus kleinen Dimensionen heraus. Ge- neral Heimann hatte Subbotan beseßt und war bis Chadsi-Vali vorgedrungen, General Komaroff hatte den großen Jagny eingenom- men, General Dewel in Kül-Verni festen Fuß gefaßt. Als das let- tere gesichert war, ließ General Melikoff den Nückzug antreten, der in vorgeschriebener Ordnung nah Kuruk-Dara erfolgte. General Dewel blicb mit seiner Kolonne in Kül-Verni.“

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Rom, Freitag, 7. September, Mittags. Wie die „Agenzia Stefani“ meldet, wurde der Papst gestern Abend von einer leihten Ohnmacht befallen, die indeß keinen beunruhigenden Charakter trug. Heute verließ der Papst erst spät sein Lager und nahm seine gewöhnlichen Beschäftigungen wieder auf, ob- schon die Schwäche fortdauert.

Vereinswefen.

Frankfurt a./M., 5. September. Die 31. Hauptversamm- [lung des evangelishen Vereins der Gustav-Adolfstif- tung wurde gestern Nachmittags 3 Uhr eröffnet. Im Kaisersaale des Römerhauses fand die erste Begrüßung der Abgeordneten und Gâste stat . Bei dem Festgotte: dienste in der St. Katharinenkirche hielt der Hofund Garnifonprediger Rogge aus Potsdam die Predigt.

6. September. Jn der heutigen Sitzung wurde die S dung der großen Liebeszabe von 17,000 Æ an die Gemeinde Donau- eshingen beschlossen.

Statistische Nachrichten.

__ Nach s des statistishen Bureaus der Stadt Ber? [lin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 26. August bis incl. 1. September cr. zur Anmeldung gekom- men: 119 Eheschließungen, 813 Lebendgeborne 33 Todtgeborne, 602 Sterbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

St. Petersburg, 4. September. Ein Projekt, sämmtliche gelehrten Institute mit der Akademie der Wissenschaften in Verbindung zu seßen, wird, wie der „Ssew. Westn.“ erfährt, in maßgebenden Kreisen vorbereitet. Derselben Quelle zufolge wird au die Bildung eines Central-Comités gelehrter Gesellschaften ge- plant, in welchem Fragen, deren Charakter eine gemeinsame Prüfung erheischt, zur Berathung kommen und von den betreffenden Spezia- listen erledigt werden sollen. Das Comité wird aus Repräsentanten Pier gelehrter Institute zusammengesetzt sein und außerdem ollen noch einige bekannte Gelehrte zur Betheiligung an den Ar- beiten hinzugezogen werden. Zur Prüfung des Comité's sollen fernéèr gelangen sämmtlihe Projekte, die mit Gesuhen um Subventicn Seitens der Regierung in Zusammenhang stehen, und sich auf größere Erpeditionen, gemeinsame Ausgaben, Abhaltung von Ju- biläen u. \. w. beziehen. Auch bezüglich der Abhaltung der Kongresse russischer Naturforscher sollen dem Comité gewisse Verpflichtungen auferlegt werden.

Stocholm, 1. September. Vorgestern wurde hier die sie - bente allgemeine Versammlung der xstronomischen Gesellschaft eröffnet. Es waren etwa 50 Mitzlieder anw:sead. Dieselben wurden von dem Kultus-Minister Carlson im Namen des Königs bewillklommnet. Die Verhandlungen wurden in deutscher Sprache geführt. Der nächste Kongreß foll im Jahre 1879 in Ber- lin abgehalten werden.

__— 3. September. (H. C.) In der vorgestrizen Schluß- sißung der Astronomischen Gesellschaft wurde die N:u-

: wahl des Vorstandes für die nächsten 2 resp. 4 Jahre vorgenommen.

Der Vorstand besteht nunmehr aus folgenden Herren: Professor

. Struve-Pulkowa (Vorsißender), Prof. Krüger-Gotha (ftell- vertretender Vorfißender), Prof. Schönfeld-Bonn und Prof. Winnecke (Schriftführer), Prof. Bruhns-Leipzig (Bibliothekar), Kaufmann Auerbach-Leipzig Schatzmeister), Prof. Gylden-Stockholm und Prof. Bakhuysen-Leyden. Die beiden letztgenannten, sowie die beiden Vorsitzenden leiten die rein wissenschaftlichen Angelegenheiten.

Gewerbe und Handel.

Eine belgische Verordnung vom 2 August gestattet die zollfreie Wiedereinfuhr gewisser Gewebe, welche im Veredlungs- verkehr ausgeführt worden find. Der einzige Artikel der Verord- nung lautet: „Es ist provisorisch gestatt:t, die Gewebe aus Kamm- wolle und die aus Kammwolle gemishten Gewebe, welche zur Fär- bung und Appretirung in das Ausland gesandt worden sind, unter der Vergünstigung des Geset2es vom 29. März 1873 wieder einzuführen.“

Die „New-Yorker Hd.-Ztg.“ äußert fich in ihrem vom 24. August datirten Wochenbericht über die Lage des Geschäfls folgendermaßen: In der Gesammt-Situation machte sich während dieser Berichtswoche eine entschiedene Befserung fühlbar. Es herrschte im Allg. meinen eine gehobenere Stimmung, und das Herbsigeshöft hat unter günstigen Auspizien begonnen. Der Bedarf ist thatsächiih vorhanden, und nicht zu hoch gespannte Erwartungen, welche man von der Herbst- und Wintersaison hegt, werden {chwerlich g-täu cht werde", denn die gute Ernte in den nordwestlichen Staaten und die Aussicht auf einen lohnenden Markt in Europa können nicht verfehlen, sämmtlichen Geschäftebranchen einen frischen Impuls zu verleihen. Der Geldstand hatte während dieser Berichtéwoche einen unregelmäßigen Charakter, neigte sih aber größerer Feigkeit zu. Im Allgemeinen sprechen alle Anzeichen da- für, daß die Periode eines aktiven Geldmarktes in Kürze eintreten wird. Die Versendung von Papiergeld nach dem Westen zur Mo- bilisirung der Getreideernte beginnt in dieser Saison früher und wer- den dafür größere Anforderungen an New-York geftellt werden, als in den leßten Jahren. Dazu kommt noch, daß man wobl nicht mit Unrecht auf ein lebhaftes Herbstgeshäft rechnet und \chliezlich, daß die Operationen des Schaßzamtes niht danach angethan sind, die Fortdauer der Abundanz zu begünstigen. Das Gold- agio fluctuirte in dieser Berichtswoche zwischen 55—4x, mit lekterem Courfe als heutige Schlußnotirung. Ist das Waaren- und Produktengeschäft auch nur in einzelnen Erportbranchen lebhaft zu nennen, so giebt doc diese Lebhaftigkeit eine um so begründetere

offnung auf eine befriedigende Entfaltung des Herbstgeschäfts, als die Ernte im Allgemeinen ein glänzendes Resultat geliefert hat. In Brodftoffen würde das dieswöchentlihe Geschäft am hiesigen Markt bei sehr lebhaftem Erportbegehr noch umfangreicher gewe;en sein, wenn sich nicht bereits an Schiffen Mangel fühlbar gemacht hâtte. Baumwolle verfolgte seit Montag ununterbrochen weichende Tendenz, die in einem Rückgang von 7—16 Cents zum Ausdruck ge- langte. Nachdem raffinirtes Petroleum die in der Vorwoche erzielte Besserung wiederum eingebüßt hatte, befestigte sich gestern der Markt und fehlte es am S{l1ß zu Notirungen an Abgebern. Der Waaren- und Produktenimport während der am 18. August beendeten Woche repräsentirt einen Gesammt- werth von 7,275,317 Doll. gegen 5,040,949 Doll. in der Vorwoche, eine Zunahme von 2,234,368 Doll. ergebend. Fremde Webstoffe partizipiren am Gesammtwerth des leßtwöchentlihen Imports mit 2,203 425 Doll. resp. mit 37,862 Doll. mehr als in der Vorwothe, während der Import diverser Produkte und Waaren um 2,196,506 Doll. größer war. Am Waaren- und Produkten- eryort während der am 21. August beendeten Woche dessen Gesammtwerth in Höhe von 5,781,979 Doll. gegen die Vorn oche eine Zuname von 1,317,633 Doll. aufweist partizipirt Bo.um- wolle mit 5202 Ballen im klarirten Werth von 279,883 Doll. gegen 4302 Ballen im Werth von 256,719 Doll. in der Vorwoche, und 7042 Ballen resp. 2886 Ballen im Werth von 400,139 Doll. resp. 200,182 Doll. in der Parallelwoche beider Vorjahre.

Verkehrs: Anstalten.

Dem Jahresberiht der Königlichen Ostbahn find folgende Mittheilungen entnommen: Das Schienenneß der Bahn umfaßt (u, der im Bau begriffenen Linien) 2236 Kilom. Das gesammte Anlagekapital beträgt etwas über 322 Millionen Mark, die Unterhaltung des Schienengeleises kostete 2,987,865 Æ, der Bahnhofsanlagen 965,494 #Æ, der Telegraphen und Zubehör 83,082 „G. Die Zahl der für den Betrieb vorhandenen Lokomotiven betrug Ende 1876 587, die der Personenwagen 877, die der Güter- wagen 10,715 und die der Gepädckwagen 213. Die Gesan:mtzahl der coursirenden Züge belief sich im Jahre 1876 auf 44,968 Züge. Mit diesen Zügen wurden befördert 4,733,010 Pecsonen (— 140,340 44,537,740 Ctr. Güter (— 1,740,680) und 2,129,320 Ctr. Vie (+ 2600). Die Gesammteinnahme belief sich auf nahezu 40,009,000 M, 4,53%/0 weniger als im Vorjahr. Der gesammte Betriebsüverschu belief sich im Jahre 1876 auf rund 154 Millionen Mark und erga eine Verzinsung des Bau- und Anlagekapitals mit 4,83% (gegen 4,55 9% im Iren

New-York, 6. September. n. T. B.) Der Hamburger E L „Suevia“ ist heute Morgen 7 Uhr hier ein- getroffen.