1877 / 232 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 Oct 1877 18:00:01 GMT) scan diff

ermächtigt werden, für Straßen, welhe einen beson- ders lebhaften Verkehr nicht erwarten lassen, eine Ermäßigung in bestimmten Grenzen eintreten zu lassen. Hiermit war der Landtag ohne Debatte einverstanden. Eine [lebhafte Erörterung erhob si dagegen bei der Frage, ob nah den Vorschlägen des Provinzialausshusses und der Kom- mission von dem bisherigen Verfahren, wonach eine feste Prämie von 6 H für jeden Meter gewährt wird, abgewichen und statt dessen die Prämie in Prozentsäßen der Baukosten gegeben werden soll. Der Ausschuß hatte diesen Saß auf 33'/z Proz. festgestellt, die Kommission anheim ge- eben, dem Ausshuß die Befugniß zu ertheilen, die eibhülfe nöthigen Falls bis zu 50 Proz. zu erhöhen. Eine größere Anzahl Amendements lehnte der Landtag zuleßt ab und nahm den Vorschlag des Ausshusses mit dem Zusage der Kommission an. Sn Beziehung auf den t3e- meinde- und Kreis-Wegebau erklärte man \sich mit dem dur ein Amendement des Abg. von Kleist-Reßow veränderten Entwurfe des Ausschusses einverstanden, wonach die Bauhülfe gewöhnlih niht über 50 Prozent betragen soll, im Uebrigen aber die Bewilligung ganz in das Ermessen des Ausschusses gestellt wird.

Das von der Staatsregierung geforderte Gutachten über den Geseßentwurf, wonach die Provinzial-Dotationsfonds auch für Sekundär-Eijenbahnen bezw. für Pferdebahnen sollen verwendet werden dürfen, wurde dahin abgegeben, daß man die Bedeutung der Sekundärbahnen anerkenne, sich indeß von dem beabsichtigten Gesetze keine Vortheile verspreche, viel- mehr Nachtheile befürchten müsse und es für richtig halte, daß zunächst ein Geseß über Sekundärbahnen, wobei eine Betheili- gung des Staates bis zu etwa 33!/; Proz. der Kosten in Aussicht zu nehmen sei, Seitens der Staatsregierung vor- gelegt werde; in diesem könne dann eine Beftimmung ähn- ichen Jnhalts, wie sie der gegenwärtige Geseßentwurf ent- halte, aufgenommen werden.

Hannover, 2. Oktober. Der Provinzial-Landtag beschloß in seiner am Sonnabend abgehaltenen Sitzung die Verlegung des Rechnungsjahres der Wegeverbände auf die Zeit vom 1. April bis 31. März des nächstfolgenden Jahres und trat sodann in die Berathung der Ordnung für die Hannoversche Provinzial-Wittwenkasse. Die Debatte wurde bei §. 8 auf die gestrige Sißung vertagt, in welcher dieselbe bis 8. 25 fortgeseßt wurde.

Vayern. München, 1. Oktober. Jn einer, unter dem Vorsize des Grafen Ludwig von Arco-: inneberg fenen abgehaltencn Versammlung des bayerishh-patrioti- hen Bauernvereins in Tuntenhausen, in welcher die Ab- geordneten Dr. Raßinger und Prediger Huhn als Redner auf- traten, wurde, wie die „Allg. Ztg.“ meldet, folgende Reso- [lution angenommen: „Die bayerisch-patriotishe Bauern- verfammlung spricht die Erwartung aus, daß den Budget- vorlagen der Regierung gegenüber die Steuerkraft des Lan- des von der Volksvertretung möglichst geschont, und eine Steuererhöhung vor einer Steuerreform, welche die gleich- mäßige Vertheilung der Lasten anstrebt, abgelehnt werde.“ Gezcern starb hier im Alter von 91 Jahren der frühere Präsidont des obersten Gerichtshofes, von Lehner, einer der ausgezeichnetsten Justizbeamten Bayerns, Großkomthur des Verdienst-Ordens der bayerischen Krone.

Sachsen-Coburg-Gotha. Gotha, 2. Oktober, Die Geseßsammlung für daFS Herzogthum Gotha enthält eine Verordnung vom 18. September, welche die vikariatsweise Verwaltung von Pfarrerstellen des Herzogthums durch die Pfarrer der Nachbarorte, den Aufwand dafür und die Verpflichtung zu dessen Bestreitung betrifft, vom 18. Sep- tember 1877.

Oesterreich - Ungarn. Wien, 1. Oftober. Jn den Verhandlungen des Ausschusses für die Ausgleichs- vorlagen ist bis zur Abhaltung der Sachverständigenverneh- mung über das Giro- und Anweisungsgeschäft eine kleine E eingetreten. Die bezüglihe Vernehmung wird dieser

age stattfinden, worauf im Ausschusse die Vorlage zur Re- gelung der gegenseitigen Zulassung von Aktiengesells{haften zum Geschäftsbetriebe in beiden Reichshälften und sodann das Zuckersteuergeseß zur Berathung gelangen sollen. Alle diese Arbeiten dürften wie die „Presse“ hervorhebt in kurzer Zeit beendet sein.

_— 2. Oktober. (W. T. B.) Baron Lichtenfels, Mit- glied des Herrenhauses, ist heute gestorben.

3. Oktober. (W. T. B.) Aus Pest, 2. d., meldet das „N. W. Tageblatt“: Nach einer Meldung des „Elle- noer“ is es gestern in Kezdivasarhely (in Siebenbürgen) zw.schen der Bevölkerung und dem Militär "zu einem Zusammen st oße gekommen ; es- sind mehrere Compagnien dorthin abgegangen.

Pest, 1. Oktober. Wie die „Budapester Korresp.“ ver- sichert, hat der geplante Putschversuch in Siebenbürgen bei weitem nit jene Dimensionen angenommen, wie auf die erste Nachricht von den konfiszirten Waffensendungen gemeldet worden war. Die Urheber des famosen Planes seien größten- theils auswärtige Abenteurer, darunter namentlich einige Polen und Engländer. Klapka stehe der ganzen Angelegenheit ab- solut fern und dürfte von derselben erst durch die Journale Kenntniß erhalten haben. Unter allen Umständen darf der abenteuerlihe Putschplan jeßt als vollständig abgethan be- trachtet werden. Ohne Aufbietung militärischer Kräfte hat die Polizei der ganzen Agitation ein Ende gemacht.

Der Finanzausschuß des Abgeordneten- hauses nahm heute den Zudckersteuergeseßentwurf in Berathung. Der Minister Szell legte dar, daß die jüngst eingereichte Modifikation unter Beibehaltung des Pauscha- lirungssystemes die Schaffung eines definitiven Zucker- Feuergeseßes in der Weise bezwecke, daß von vorneherein ein Minimum des Zuckersteuer-Ertrages festgestellt wird. Die midi reie seien dem prinzipiell beigetreten, ja es

ätten sogar alle das im Entwurfe festgestellte Minimum als annehmbar erklärt. Der Abg. Wahrman erklärte, die Vor- lage anzunehmen, und empfahl der Aufmerksamkeit des Ministers, daß alle jene Rücksihten, welche bei der Zucker- steuer die Anwendung der Pauschalirung erwünscht machen, auch bezüglich der Spiritussteuer Geltung hätten. Minister Szell erklärte bezüglich beider Geseßentwürfe, auf der gleichen Basis zu stehen. ahdem noch mehrere Redner theils für und theils gegen den Geseßentwurf gesprochen, ertheilte der Minister Szell einige Aufklärungen und trat dem Einwurfe

entgegen, daß der Zuckersteuerertrag durch die Vorlage ge-

meinsam gemacht werde. Der Ausschuß acceptirte hierauf die Vorlage als Basis der Spezialdebatte.

Großbritannien und Jrland. London, 1. Oktober. (E. C.) Am Sonnabend fand die Wahl des Lordmayors statt. Dieselbe fiel, wie vorauszusehen war, auf den nähst- berechtigten Alderman Mr. Thomas Owden.

(Cöln. Ztg.) Die englischen Staatseinnahmen zeigen für das abgelaufene Vierteljahr gegen den ent- sprechenden Zeitraum des vorigen Jahres eine Abnahme um 109,625 L., dagegen für die leßten zwölf Monate eine Zu- nahme um 1,410,304 L.

2. Oktober. (W. T. B.) Bei der Armee hat eine große Zahl von Verabschiedungen und Beförderun- gen stattgefunden. Verabschiedet wurden 68 Generale, 32 General-Lieutenants und 11 General-Majore; unter den verab- schiedeten Generalen befinden sich Codrington, Luccan, Fen- wick, Williams, Grant, Airey, Butler und Doyle. Befördert wurden 80 General-Lieutenants zu Generalen, darunter Prinz Christian von Schleswig-Holstein, 118 General-Majors zu General-Lieutenants, darunter Kemball, und 138 Brigadiers zu General-Majors, darunter Wolseley.

Frankreich. Paris, 1. Oktober. Gegen drei ehe- malige Deputirte, die Herren Mestreau, Labadié und Lesguillon, sind wegen ihrer Wahlcirculare strafgericht- liche Verfolgungen eingeleitet worden. Wie das kon- servative Wahlcomité, an dessen Spitze Hr. Greffulhe steht, anzeigt, belaufen sih die bei demselben bisher eingegan- genen Zeichnungen auf 965,321 Fr. 20 Cents.

2. Oktober. (W. T. B.) Gambetta hat heute gegen das am 22. v. M. ausgesprochene anderweit Straf- urtheil, durch welches er wegen Beleidigung des-Marschall- Präsidenten und wegen Beschimpfung der Ministér zu drei Monaten Gefängniß und 2000 Fres. Geldbuße verurtheilt wurde, Appellation eingewendet. Die“ Appellations- Verhandlung dürfte am nächsten Mont oder Dienstag stattfinden. 4

3. Oktober. (W. T. B.) Gestern Abend fand eine Sitzung des Comités der Linken des Senats statt, in welcher über den Entwurf eines Manifestes der republi- kfanishen Parteien berathen wurde. Auf morgen ist im Grand Hôtel eine Versammlung der republikanischen Kandidaten der Pariser Wahlbezirke unter dem Vorsitz Grévy's anberaumt.

Spanien. Cuba. Jn einem Briefe aus Havana wird mitgetheilt, der General-Capitän JFovellar habe seine Resignation zurückgezogen, nachdem die Regierung in Madrid die Wiederverhaftung der betrügerishen Armeelieferanten Jsmenech und Barahona, die von Jovellar festgenommen, aber von dem höchsten Gerichtshofe in Havana auf freien FUß geseßt worden waren, angeordnet hat.

Jtalien. Rom, 2. September. Ein Abendblatt be- richtet, daß die parlamentarischen Sitzungen in der zweiten Hälfte des Oktober wieder eröffnet werden würden. Diese Nachricht, ist der „Ftalie“ zufolge, unbegründet. Die Regierung wolle zwar das Parlament früher versammeln als im vorigen Jahre, es werde aber wahrscheinlih nicht vor dem November geschehen.

Türkei. Konstantinopel, 2. Oktober. (W. T. B.) Der Sultan vat an Gee Sidear Pascha und Osman Pascha den Titel Ghazia kder Siegreiche) und den Osmanic- Orden in Brillanten verliehen.

Belgrad, 2. Oktober. (W. T. B.) Der neu ernannte diplomatische Agent Rußlands, General-Konsul Persiani, wurde heute vom Fürsten Milan in feierliher Audienz zur Ueberreichung seiner Kreditive empfangen.

Amerika. New-York, 27. September. (Reuters Bureau.) Die New-Yorker republikanishe Kon- vention hat Refolutionen angenommen, in welchen erklärt wird, daß man feinerlei Meinung über die südliche Politik des Präsidenten abgeben wolle. Man hoffe, das Resultat werde Friede und Gerechtigkeit sein, und der Präsident werde eine weise Reform des Civildienstes befürworten und die Aus- {hließung von Aemterinhabern von der thätigen Betheiligung an Wahlen bekämpfen. Die Konvention verlangt ferner die JInkraftseßung des Akts über die Wiederaufnahme der Baar- zahlungen und nimmt an, daß der Präsident die Gewährung von Subsidien an Korporationen beanstanden werde. Ein die südliche und Reform-Politik des Präsidenten Hayes mit Wärme billigendes Amendement wurde, von dem Senator Conkling be- kämpft, mit einer Stimmenmehrheit von 295 gegen 100 ver- worfen.

28. September. (Reuters Bureau). Die Republi- kaner von Minnesota haben eine Konvention abgehalten, in welcher Resolutionen angenommen wurden, die den Präsi- denten Hayes freimüthig und ohne Vorbehalt unterstüßen und die Wiederaufnahme der Baarzahlungen befürworten. Zwei Mitglieder der Räuberbande, welhe am 19. d. M. den Passagierzug auf der Union-Pacific-Eisenbahn in Nebraska um 75,000 Doll. beraubten, sind auf ihrer Flucht eingeholt und erschossen worden. Etwa 20,000 Doll. der ge- stohlenen Summe hat man wiedererlangt. Die Apo- stel der Mormonenkirche haben auf Grund einer „Offenbarung“ einmüthig beschlossen, den Senior- Apostel John Taylor als fungirenden Präsidenten des Raths der Zwölf Apostel beizubehalten; eine beshlußfähige Anzahl Stimmen dieser Zwölf soll die maßgebende Autorität der Kirche bilden. So wurde es auch nach dem Tode von Joscph Smith in der Mormonenkirche gehalten. Taylor wird so lange fungirender Präsident *der Mormonenkirche bleiben, bis ein neuer Präsident undg offizieller Nachfolger Brigham Youngs erwählt sein wird. Aus Taylors Vergangenheit wird mit-

etheilt, daß derselbe bei der Mormonenverfolgung in Nauvoo, [linois, wobei Joseph Smith ums Leben kam, dur einen

Sch1ß verwundet wurde. Der Tabaksanbau is, wie.

amerikanische Zeitungen melden, während der leßten zehn Jahre ein höchst wichtiger Fndustriezweig in Pennsylvanien geworden. Tabak wird in den Distrikten Lancaster, York, Dauphin und Chester angebaut, hauptsächlich aber in Lancaster. Die diesjährige Ernte in diesem Distrikt ist bei Weitem die größte, die je eingeheimst wurde, und in der Qualität die beste.

Asien. Calcutta, 26. September. (A. A. C.) Achmet Khouloussa Effendi, der türkische Gesandte bei dem Emir von Afghanistan, ist von dem Emir Shir Ali sehr herz- lih empfangen worden. _

Afrika. Egypten. Alexandria, 21. September. (Daily News.) Nachrichten von Cordofan melden, daß Oberst

Gordon sih auf dem Wege nach der Küste befindet, nahdem es ihm gelungen, die Rebellion in Daxrfur vollständig zu unterdrücken. Die Könige Johann und Menelek be- fanden sich in Gondar. Der leßtere hat dem ersteren für die jüngsten Wirren eine Entshädigung in gutem Elfenbein gezahlt. Menelek verspricht si ruhig zu verhalten und ver- bleibt Herrscher von Shoa. Die abyssinischen Häupt- linge verlangten und erhielten von den Egyptern alle Flücht- linge in Sennait zurück. Auch kassirten sie die den Egyptern schuldigen Steuern um Massowa herum ein.

Der russisch-türkische Krieg. Europäischer Kriegsschauplag.

S1. Petersburg, 2 Ollober (m T B) ODFffi- zielles Telegramm vom 1. Oktober: Ein Kavallerie- Detachement unter dem General-Adjutanten Mans ei, welches von dem General Zimmermann auf Rekognoszirung gegen Tatar-Basardschik entsendet war, {lug am 26. v. Mts. eine 500 Mann starke Abtheilung Tscherkessen bei Tschuboag- Kujussu, näherte sih am 27. v. Mts. Tatar-Basard\chik und warf 700 Tscherkessen zurü, indem es ihnen bedeutende Verluste beibrachte. Die aus den Bergen hervorrückende türkische Fnfanterie wurde durch das Feuer der Artillerie zurückgehalten. Am 28. v. Vits. trat General-Adjutant Mansei seinen Rückmars an, {lug auf demselben abermals 300 Tscherkessen und kehrte in seine frühere Stellung zurück, nachdem er in vier Tagen 200 Werst zurückgelegt hatte. Unsere Verluste betrugen am 26. v. Mts. 17 Mann todt, ein Offizier, ein Soldat ver- wundet; am 28. v. Mts. 12 Mann todt; am 27. v. Mts. hatten wir keine Verluste. Der Verlust der Türken war bei allen drei Affairen sehr bedeutend. Basardschik E line und von türkischen und egyptischen Truppen

e)eBt.

St. Petersburg, 2. Oktober. (W. T. B) Nath einer Meldung der „Agence Russe“ haben die T ütten h der That bei Silistria Pontons gebaut und eine etwa 200 Mann starke Abtheilung nah Kalarasch übergeseßt. Eine gegen leßtere ausreichende Anzahl russischer Truppen ist in Verschanzungen konzentrirt. Der Handstreich gegen Kalarasch wird, obschon dasselbe noch immer gegen 300 Kilometer von der Eisenbahnlinie entfernt ist, mit dem in Siebenbürgen ent- deckten Komplote und mit der in Kronstadt erfolgten Be- s{hlagnahme von _Waffen in Verbindung gebracht. Der Uebergang russisher Truppen über den Sereth dauert fort. Die Brücke von Perochani ist für den Verkehr eröffnet, neben der Linie Bender-Galaß-Jsmail foll auch die Eisenbahnstreckde Fratei-Simniza Ende Oktober für den Verkehr fertig gestellt sein. Der Bauunternehmer Polia- koff hat auch zur Herstellung eines 300 Kilometer langen Schienenweges in Bulgarien, sowie zu der Erbauung von Baracken für 150,000 Mann und von Lazarethen für 15,000 Mann Auftrag erhalten. An mehreren Punkten M Donau soll eine Dampfschiffverbindung hergestellt werden.

Bukarest, 2. Oktober. (W. T. B.) Großfürst Paul und Graf Paul Schuwaloff, Generalstabschef der Garde, sind auf dem Wege zur Südarmee hier eingetroffen.

Konstantinopel, 2. Oktober. (W. T. B.) Das lebte Telegramm Osman Paschas enthält nur die Meldung, daß die Russen die Beschießung Plewnas Tag und Nacht fort- seßen. Ein aus Rustschuk vom Sonnabend datirtes Tele- gramm berichtet, daß bei Pyrgos zwischen rekognoszirenden Tscherkessen und drei Schwadronen Russen ein Sharmüßgzel stattgefunden hat, wobei 7 Russen getödtet worden.

_ Wien, 2. Oktober. (W. T. B.) Der „Polit. Korr.“ wird aus Bukarest vom heutigen Tage gemeldet: Am 27. v. M. unternahm in der Dobrudscha eine 6000 Mann starke, aus Fnfanterie und Kavalerie bestehende Kolonne vom Corps des Generals Zimmermann, unter Führung des Generals Manssei, eine Rekognoszirung von Küstend sche aus gegen Basard schi k. Die Russen fanden leßteren Ort befestigt und von 6000 Türken unter Riza Pascha beseßt. Da die Russen keinen Befehl hatten, anzugreifen, so gingen sie nah einem kurzem Gefechte, in welchem sie 4 Gefangene machten und viel Schlachtvieh erbeuteten, zurück. Der Verlust der Russen bei dieser Expedition betrug 16 Mann.

Vom bulgarishen Kriegsschauplaße wird der „Pol. Korr.“ aus Simnigtza, 27. September, geschrieben :

„Die vorgeschrittene Jahre®zeit bringt es mit si, daß beide kriegführenden Armeen verzweifelte Anstrengungen machen, um noch vor Beginn des Winters Vortheile zu erringen, welche als Grund- lage für die Erneuerung des Feldzuges oder für etwaige Frieden€- unterhandlungen dienen sollen. Erwägungen solhec Art mögen ebenfo beim Angriffe auf Plewna durch die russisch-rumänishe Armee, wie beim erneuerten Versuch Suleiman Paschas, den Schipkapaß zu forciren, maßgebend gewesen sein. Endlih schien auch der tür- fische Generallissimus Mehemed Ali seine Kunktatorrolle aufge- eben und eizen energishen Vorstoß gegen die mittlere Jantra- inie beabsihtigt zu haben, Es ist \{on erörtert worden, daß sein Offensivstcß mit zu {wachen Kräften und besonders zu spät unternommen wurde. Die Jantralinie ist von der vordrin- genden türkishen Ostarmee nicht einmal erreiht, umsoweniger forcirt worden. Hier wäre «8 am Plate, die Gründe zu er- örtern, welhe einen Durbruch der russischen Aufstellung an der JIantra in den r r edie hes unmöglich gemacht haben und sehr wahrscheinlich auch ferner unmöglich machen werden. Vor Allem kann die Forcirung der Jantralinie wegen der enormen Schwierig- keiten des Terrains nur mit sehr überlegenen Streitkräften unter- nommen werden. Um die Thalfohle der mittleren Janira zu er- reihen, muß die angreifende türkfishe Arme zuerst die am Banicka- Lom si hinziehenden, dicht bewaldeten und von sumpfigen Thälern umgebenen Höhenzüge beseßen. Diese sind nun von den Russen von Cernica aus über Buzowca, Gölbunar, Kopriwka, Sidikiöi, Kara- haffankiöi bis Susica und Draggnowo an allen passirbaren Stellen eren es sehr wenige giebt) stark befestigt worden. Eine gangkbare, esonders für Artillerie passirbare Straße existirt nur von Cerkoiona über Kairkiöi, Susica nach Draggnowo, von wo die Jantra in cinem rechten Winkel sich naÿ Osten wendet. Eine eigentliche Forcirung der Jantralinie ist also nur zwishen Borila und Draggnowo möglich; erstens, weil die Beschaffenheit des Terrains es zuläßt, zweiten“, weil die Jantra selbst an dieser Stelle {hon kein bedeuten- des taftisbes Hinderniß mehr ift, und drittens, weil eine Armee nach dem Janira-Uebergange, das Rusitathal verfolgend, in einem Tagmarsche den Ort Stari erreichen kann, von welchem eine ziemli gute Straße über Mekis und Jandzi na Gornii - Studen (russisches M führt. Kleinere Abtheilungen können zwar die Jantra bei Radan überschreiten, aber die Terrain- verhältnisse sind in dieser Richtung so \{chwierig und wvor- rückenden Truppenkörpern so ungünstig, daß es besonders bei der Ueberlegenheit der russishen Kavallerie den Türken kaum mögli sein würde, diesen Weg zu benüßen. Was Biela selbst betrifft, steht es fest, daß wocenlange Vorkämpfe nothwendig wären, ehe eine an- greifende Armee von Kaceljewo aus nur Angesichts der Stellung

kommen fönnte. Dort angekommen, hätte dieselbe das sehr stark vershanzte und mit weitragenden Geschüßen armirte Platezu und die breite Jantrabrücke zu erobecn, was gewiß kein leihtes Stück Arbeit wäre. Wie man sicht, ift die {on so lange angekündigte Forcirung der Jantralinie und Beseßung Bielas ein Luftgebilde gewesen. Heute darf mit Bestimmtheit verfichert werden, daß diese Operation eine Unmöglichkeit geworden is. Die Armce des Großfürsten- Thronfolgers ift noch dazu in der leßten Zeit bedeutend ver- stärkt worden. Sie bestand ursprünglich aus dem 11., 12. und 13. Corps; jeßt find noch eine Division des 5. Corps, eine des 7. Corps, eine des 2. Corps (26. Division), eine Garde-Division und eine Kavallerie-Division zu derselben gestoßen. Wenn man die Di- vision mit Kavallerie und Artillerie auf nicht mehr als mindestens 12,000 Mann veranschlagt, so sind es doch 40,000 Mann frischer Truppen, welche jeßt {on Position genommen haben. Außer- dem sind noch 2 Garde-Divisionen, die 24. Division des 2. Corps und 2 Kavallerie-Divisionen durch Numänien im An- marsche begriffen, welche binnen 8 Tagen theils die Westarmee und theils die Ostarmee verstärken werden. Wenn man auch von den anderen Grenadier-Divisionen und dem 1. Corps, welch: aus Ruß- land erwartet werden, erst höchstens in drei Wochen sprechen kann, ist es immerhin eine unbestreitbare Thatsache, daß Rußland bis Mitte Oktober beinahe 100,090 Mann frischer Kerntruppen in die Wagschale werfen wird. Dieser Machtentfaltung gegenüber scheint denn doch die türkiscbe Kriegsleitung nicht genügende Kräfte entgegen- stellen zu fönnen. Die Armee Suleiman Paschas ift stark ges{wädt, die in Orhbani neuerdings gebildete Armee besteht größtentheils aus wenig verläßlihen Elementen und die aus Konstantinopel und Ang- tolien herangezogenen Verstärkungen sind weniger Soldaten als Kanonen- futter. Aller Wahrscheinlichkeit nah dürfte der Herbstfeldzug denn doch zu Gunsten der Ruffen abschließen. Nur ganz unvorhergesehene Ereignisse oder grobe Fehler können eine andere Wendung bewirken. Ueber das Gefecht bei Cerfowna sind bis jeßt wenig Details eingegangen. Vor Allem ift die geographische Benennung des Gefechtes unrichtig. Das- selbe hat nit bei Gerkowna, fondern zwischen Bejin-Verboka und Sidikisi stattgefunden. Die vordringenden Aktheilungen des Prinzen Hassan wurden s{on am 20. September von einer Division des 13. rufsischen Corps und einer Brigade der 11. Division angegriffen. Nach hartem Kampf blieb das Gefecht unentschieden. Erst Tags darauf griffen die Ruffen nach erhaltenen Verstärkungen wieder an und warfen die egyptische Division ‘und eine andere, deren Corps- verband unbekannt ist, bis Cerkowna zurück. Bei Plewna ift die Lage sehr kritisch geworden. Ein Angriff auf die türkishen Stellungen wird unbedingt vorgenommen werden, denn anders läßt si die Armce Osman Paschas vor dem Winter nit lahm legen. Den angekündigten Bewegungen Cheffet Paschas aus Orhanie wird keine so große Wichtigkeit beigemessen. Es is zwar unzweifelhaft, daß Verstärkungen für Osman Pa'cha im Anzuge sind und Cheffet Pascha mit einem Theile derselben sogar Telis, vielleibt au Plewna selbst bereits erreicht hat; bedeutend fönnen aber dieselben weder an Zahl, noch an Werth sein. Man darf die aus Orhanie heranrücenden Abtheilung:n auf niht viel mehr als 15,000 Mann veranschlagen, die noch& manchen Kampf durhzufechten haben werden, ehe sie alle Plewna erreichen. Solche Gefechte haben auch \{on begonnen und dürfte man in den nächsten Tagen von bedeutenden Gefechten süd- westlich von Plewna hören. Was den Mage betrifft, be- {ränkt si derselbe vorläufig auf die Beschießung der türkischen Werke und auf das langsaze Vordringen der Rumänen gegen die große Griwiza-Redoute mittelst Laufgräben. In Rumänien sind die Reserven der Territorial-Regimenter und der Linien-Infanterie einbe- rufen worden und dieselben tellen sich mit einer bewunderungêwür- digen Bereitwilligkeit. An Soldaten wird es der rumänischen Re- gierung nit fehlen. Die Frage is nur, woher sie die Cadres zu dieser neuen Aushebung nehmen wird. Mit dem Ankaufe von Peabodygewehren geht es sehr gut. Die russischen Gardetruppen f:hren fort, auf der Eisenbahn zu passiren. Auch Grenadierabthei- lungen und Erfaßmannschaften verschiedener Regimenter gehen dur. Die 24. Jafanterie-Division ist vorgestern von Galaß abgegangen und dürfte gegen den 5. Oftober in Simnita anlangen.“ L

Der Speéezialberichterstaiter der W. „Presse“ im russi- schen Hauptquartier berichtet von einer Episode, welche fich ereignete, als Mehemed Ali einen Parlamentär an den Großfürsten Nikolaus nach Gornii-Studen sendete:

„Vor einigen Tagen wurde bei Popkiöi ein russisher Parla- mentär von den Türken beschossen. Was suchte der bei den Türken ? Die Russen wissen, daß das rothe Kreuz und die weiße Fahne von den Türken nicht beachtet wird, wozu also Parlamen- târe als Zielpunkte aussenden? Diesmal thaten sie es aber nicht um ¡ihretwillen, sondern um den Wunsch eines türki- \{chen Majors zu erfüllen. Wenn aber sein Wunsch nit ausgeführt wurde, mag er sih bei seinen Landsleuten bedanken. Der Major war als türfisher Parlamentär bei den Vorposten in Popkiöi er- schienen, wurde völkerrechtsmäßig empfangen und vor den Komman- danten geleitet. Sein Auftrag war, die Erlaubniß zu erwirken, daß er einen Brief Mehemed Ali'8 an den Großfürsten Nikolaus ins Hauptquartier bringen dürfe. Die Erlaubniß wurde ihm ertheilr. Er bat hierauf noch, daß man fein Pferd und einen offenen Brief an die türkishen Vorposten bringen solle. Auch das wurde gestattet. Er schrieb den Brief in französischer Sprache. Auf dem Couvert aber matte er einige türkische Leichen. Obwohl das eigentlih regelwidrig war und Niemand im Lager sich befand, der Türkisches hätte les-n können, wurde doch der Bricf zur Beförderung übernommer und mit dem Pferde des Majors einem Par- lamentär Aberaiun, der an die türkischen Linien heranritt. Troß der weißen Fahne, die vor ihm hergetragen wurde, schossen die Türken auf ihn. Der Major wurde ins russische Hauptquartier nah É ornii- Studen gebracht, entledigte sib dort seines Auftrages an den Groß- fürsten Nikolaus und kehrte unversehrt wieder heim.“

(W. T. B.) Aus Serajewo meldet das „N. W. Tageblatt“: Nach Bjelina sind 2000 Baschibozuks abmar- sc;irt. Die Heersiraße von Serajewo nach Mostar ist stark befestigt. Jsmet Pascha hat das Kommando über das an der Drina operirende Corps erhalten. Jn seinem Stabe befinden sih zwei englische Offiziere.

Asiatischer Kriegsschauplaßt.

St. Petersburg, 2. Oktober. (W. T. B.) Ein offi- zielles Telegramm vom Kriegsschauplaß im Kau- kfasus meldet: Anfang September begannen im mittleren Daghestan Unruhen, bei welchen die Aufständischen die Georgsbrücte, fowie kleinere an verschiedenen O des Gunibschen Distrikts postirte Kommandos überfielen. Die Unruhen wurden zuerst im Hinter-Alasanschen Kachetia be- merkt, wo Lesginer Räuberbanden erschienen und sich vom 21. September ab über die Distrikte des mittleren und süd- lichen Daghestans, Kasi-Kumych, Kaitaho-Talabaran und Kuerin verbreitcten. Durch das Vorrücken von Truppen und Milizen von verschiedenen Seiten her, sowie durch das Eingreifen des Detachements des Obersten Fürsten Nakaschidze wurde die Ruhe zuerst im Distrikte Gunib, später auch im mittleren und süd- lihen Daghestan wiederhergestellt. Jn Folge der braven Operationen der Detachements des Fürsten Nakaschidze und Terassaturoffs erlitten die Aufständishen mehrere Niederlagen. Am 23. September zerstreuten die genannten Detachements bei dem Aul Lavaschi und am 24. v. M. bei dem Aul Kutischi eine 6000 Mann starke Bande Ausständisher. Dur diese erfolgreichen Operationen wurde der Aufstand in Daghestan fast allenthalben unterdrückt. Der russishe Gesammtverlust

während der ganzen Zeit betrug: Oberst Tschember todt, 2 Offiziere verwundet, die Commandeure von 4 Sotnien der einheimischen Milizen und 130 Soldaten und Milizen todt und verwundet. i

Konstantinopel, 2. Oktober. (W. T. B.) Ein Telegramm Mo ukhtar Paschas vom 30. September meldet: 6 Bataillone russischer Jnfanterie, ein Regi- ment Kavallerie und 8 Kanonen, welhe von Ardahan her nach dem Lager von Karajal marschirten, waren nah Ueber- schreitung des Kars flusses bis zum «Dorfe Agutschelar vor- gerüdt und sandten ein Detachement, bestehend aus Kavallerie und Jnfanterie, bis Jenikiöi vor. Zwei türkische Kavallerie- Regimenter griffen diese Truppen an. Nach zweistündigem Kampfe wurden die Russen gezwungen, die von ihrer Artillerie innegehabte Position aufzugeben nd sich mit einem Verlust von etwa 100 Mann nach dem Dorfe Pardik zurück- zuziehen. Die Türken verloren 10 Todte und ebensoviel Ver- wundete.

Konstantinopel, 2. Oktober. (W. T. B.) Ein v9: Montag datirtes Telegramm Moukhtar Paschas meldet: Russische Truppen griffen, nachdem sie mit 8 Bataillonen Jn- fanterie, 2 Regimentern Kavallerie und 8 Kanonen den Arpa- fluß pasjirt hatten, die türkische Stellung bei Ganadjouvan an. Dieselben wurden in einem fünfstündigen Kampfe ge- \{lagen, mußten 400 Todte auf dem Schlachtfelde zurücklassen und über den Fluß zurückgehen. Zu derselben Zeit fand auf dem rechten türkishen Flügel ein Gefeht statt. Ein von 4 Bataillonen russischer Jnfanterie, 3 Regimentern Kavallerie und 2 Batterien ausgeführter Angriff wurde ebenfalls abge-

s{lagen.

Statistische Nachrichten.

Das Juli- und August-Heft des Centralblaites für die ge- sammte Unterrichts-Verwaltung in Preußen erthält eingehende statistishe Miitheilungen über die Frequenz der Gymnasial- und der Real-Lehranstalten. Wir entnehmen denselben fol- gende Angaben. Die Zahl der Gymnasien im preußischen Staate eträgt 236, welche sich auf die einzelnen Provinzen derart vertheilen, daß auf die Provinz Preußen kommen: 26, auf Brandenburg 31, Pommern 17, Posen 14, Sglesien 35, Sachsen 24, Sch'eswig- Holstein 12, Hannover 19, Westfalen 20, Hessen - Naffau 12, Rheinprovinz 25, Hohenzollern 1. Die Zahl der Lehrer an den Gymnasien beträgt: 2637 Direktoren, Ober- und ordentliche Lehrer, 271 wissenshaftlihe Hülfslehrer, 423 technishe Lehrer, 159 Ortsgeistlihe, welhe den Unterricht ertheilen, 183 Probekandidaten und 261 Lehrer an den mit den Gymnasien verbundenen Vorshul-n. Dic Gesammt-Frequenz im Winter- semester 1876/77 betrug auf den Gymnasien: 67,187 Schüler, in den Vorschulen: 10,724. Der Konfession nah waren diese Schüler auf den Gymnasien: evangelisch 46,245, fkathelisch 14,119, Dissi- denten 6, jüdisch 6817; in den Vorschulen: 8573 evangelisch, 836 fTfatholisch, 2 Distidenten und 1313 jüdis{ch. Ausländer waren von den Schülern auf den Gymnasien 1237, in den Vorschulen 116. Mit dem Maturitätszeugniß verließen im Ganzen 1332 Schüler die Gymnasien. Der Bestand an Schülern am Schluß des Wintersemesters 1878/77 betrug auf den Gymnasien 59,251, in den Voranstalten 7984, gegen das vorhergehende Semester 1965, resp. 728 weniger. Die Zahl der anerkannten Progymnasien betrug im Ganzen 35. Von denselben kommen auf die Provinz Preußen 2, Brandenburg 2, Pommern 3, Pofen 2, Schlesien 1, Sachsen 3, Hannover 1, Westfalen 3 und Rheinprovinz 18; die Zahl der Lehrer an den Progymnasien war: 189 Rektoren und ordentliche Lehrer, 29 wissenschaftlide Hülfslehrer, 38 technische Lehrer und 30 Ortsgeistliche, welche den Religionsunterricht ertheilen. Die Gesammt- zahl der Shüler im Wintersemester 1876/77 betrug 3978. Der Konfession nach waren von di-sen Schülern 1875 evangelisch, 1738 fatheolisch und 365 jüdis{ch. Ausländer waren von den Schülern der Progymnasien: 41; nach Absolvirung des Kursus der vorhandenen oberiten Klasse gingen auf die Gymnasien 28 Schüler über. Der Bestand der Schülo-r in den Progymnasien am Schluß des Winter- Semesters 1876/77 war 3370, gegen das vorige Semester 188 weniger. An Realschulen erster Ordnung giebt es im preußischen Staate 84. Davon besitt die Provinz Preußen 9, Brandenburg 14, Pommern 4, Posen 4, Shlesien 9, Sabsen 6, Schleswig-Holstein 2, Hannover 11, Westfal:n 9, Hessen-Nassau 4 und die Rheinprovinz 84. Die Zahl der Direktoren, Ober- und ordentlichen Lehrer betrug 945, der wissenschaftlichen Hülfslehrer 133, der technischen Lehrer 169, der Ortsgeistlichen, welbe den Religionsunterricht ertheilen 62, und der Probe-Kandidaten 61. Die Gesammtzahl der Schüler war 28,091. Der Konfession nah waren davon: 22,366 Schüler evangelisch, 3256 fatholisch, 10 Dissidenten und 2459 jüdisch. Ausländer waren 681. Mit dem Zeugniß der Reife gingen am Schlusse des Winter- Semesters 1876/77 von den Realschulen 384 Schüler ab. Der Be- stand an Schülern am Schluß des Winter-Semesters 1876/77 war: 24,047, gegen das vorige Semester: 1630 weniger. Realschulen zweiter Ordnung bestehen 18, und zwar in der Prooinz Bran- denburg 3, in Pommern 1, Sachsen 1, Schleswig-Holstein 3, Hessen- Nassau 7, Rheinprovinz 3. Direktoren, Ober- und ordentliche Lehrer unterrihteten an denselben 175, wissenschaftlihe Hülfslehrer 47, technische Lehrer 47, Ortsgeistliche, w lche den Religionsunterricht er- theilen 4, und Probe-Kandidaten 19. Die Gesammt-Frequenz dieser Schulen im Winter-Semester 1876/77 belief sich auf 5179 Schü- ler. Von diesen waren der Konfession nach 3932 evangelisch, 357 fkatbolisch und 890 jüdisch. Auéländer waren 218. Mit dem Zeugniß der Reife gingen ab: 31, Der Bestand an Schülern am Schluß des Winter-Semejters 1876/77 betrug: 4564, um 178 weniger als am Schlusse des vorigen Semesters. An höheren Bürgerschulen aller Kategorien bestehen im preußishen Staate im Ganzen 93. Davon kommen auf die Pro inz Preußen: 5, Bran- denburg: 9, Pommern: 3, Sölesien: 7, Sachsen: 8, Schleêwig- Holstein: 9, Hannover: 15, Westfalen : 6, Hessen-Naffau: 16, Rhein- provinz: 14, Hohenzollern: 1. Es unterrichteten an diesen Schulen 9511 Rektoren uvd ordentlihe Lehrer, 86 wissenschaftliche Hülfslehrer, 103 technische Lehrer und 49 Ortsgeistlihe, welhe den Religions- unterricht ertheilen. Die Gesammtzahl der Schüler im Winter- Semester 1876/77 twoar: 13,071. Der Konfession nach warea davon: 10,222 evangelisch, 2142 katholisch, 2 Dissidenten und 1705 jüdish Ausländer waren: 23. Mit dem Abgangszeugniß der Reife gingen über zu einem Berufe: 238, auf Évmnalien: 4, Realschulen I. Ord- nung: 95, Realschulen 11. Ordnung: 2. Ueberhaupt gingen ab: 2193. Mithin bli b am Shluß des Winter-Semesters 1876/77 ein Bestand an Schülern von 10,878, gegen den Bestand am Schlusse des vorhergehenden Semesters um 1513 weniger. .

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

München, 30. September. Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich hat dem Hofstiftédekan und Kuftos der Reichen Kapelle, Leonh. Enzler, das Komthurkreuz des Franz-Joseph-Ordens und dem Hofglasmalerei-Direktor F. X. Zettler das Ritterkreuz def- selben Ordens, in Anerkennung ihrer Verdienste um die Herausgabe des Werkes „Ausgewählte Kunstwerke aus dem Schate der Reichen Kapelle in der Königlichen Residenz zu München“, ver- liehen.

Konstanz, 25. September. (Schw. Merk.) Gestern wurde hier der deutscheAnthropologenkongreß eröffnet, zu dem etwa 100 Theilnehmer aus der Schweiz, Oesterreich und Deutschland er- schienen sind. Den Vorsiy führte Hr. Dr. Virchow. In der gestrigen Sitzung wurden gewählt: zum Vorsißenden für das nächste

Jahr Hr. Prof. Schaafhausen (Bonn), zu Vorstandsmitgliedern Hr. Prof. Fraas (Stuttgart) und Hr. Dr, Virhow, zum General- Sekretär auf 3 Jahre, Hr. Prof. Kollmann (München), zum näcst- jährigen Versammlungéort Kie l. Heute Vormittag wurde die Aechtheit der berühmten Thavinger Höhlenfunde diskutirt. Dies-lben bestehen bekanntlich in Renthierknoben, auf welche mit Feuerstein Zeichnungen des Renthiers, Schweins, Pferdes und Moschu8ocsen eingerißt sind. Die Zeichnungen sind etwas unbe- hülfli, aber erfennbar ausgeführt. Die Zweifel an der Aechtheit rühren daher, daß mehrere Stücke, die von Arbeitern nachträglich in dem aus der Höhle geräumten Schutt, nit in der Höhle selbst ge- funden fein sollen, fi als Fälshungen erwiesen. Die im hiesigen Rosgartenmuseum befindlichen Stücke sind im Fahre 1874 aus der Höhle selbst durb die Herren Wessikomer, Lehrer Merk und Prof. Hraas entnommen und hinreihend beglaubigt Sie lagen unter einer Kal kfsintershicht, wohin kein Fälscher sie bätte verstecken fönnen. Aus inneru und äußern Gründen fvyracben sib dann auch die meisten Forscher für die Acc{htheit aus. Auf heute Nabmittag ist ein Aus- lug nach Thavingen zur Besichtigung der Höhle und nah Schaff- hausen angeseßt.

28. September. Gestern wurde der Anthropologen- fongreß na viertägigen Verhandlungen ges{chlofsen. Den Haupt- gegenstand der Disfussion bildeten auch am Dienstag die Thayinger Funde, welche aber, beso1ders, nabdem der Entdecker der Höhle, Hr. Lehrer Merk, perfönlih in die Schranken getreten war, als ächt anerfannt werden mußten. Die Verbandlung wurde eingeleitet dur den Hofrath Ecker mit einem Vortrage über prähistorishe Kunst. Außerdem sprahea: Dr. Groß über Pfahlbauten tes Bieler Sees, Hofrath Fischer (Freiburg i. B.) über Nepbrit, Prof. Schaafhausen über prähistorishe Funde im Rhein- lande und Westfalen, Prof. Desor über Stalensteine, Fr Lucàä über das Wachéthum des Schädels, Prof. Graf Wurm- rand (Graß) über Gewinnung des Eisens und Bearbeitung der Bronce in #srähistori\her Zeit, Dr. Virchow über livländische Alter- thümer, Prof. Fraas über die Pfahlbauten in Schussenried. Prof. Kollmann zeigte das Sjährige mifrocephale Kind der Familie Beer in Offenbach vor. Dasselbe ist in den Kreisen der Naturforscher wohl bekannt; die Familie hat 4 mifrocephale und 3 normale Kindcr gehabt. Dr. Krause (Hamburg) produzirte den Schädel und das Gehirn eines 7 Jahre alt verstorbenen Knaben. Ausflüge wurden gemacht nah Thavinger, Schaffhausen, Ucberlinzen und Niederwyl bei Frauenfeld.

Kopenhagea, 28. September. Der an der hiesigen Unive r- sität dur die Verabschiedung des Professors Frederiksen vakant ge- wordene Lehrstuhl der Staatsökonomie ist dem Chef des ta- tistishen B-reaus, Hin. Falbe-Hansen, Herausgeber der „Sta- tistik Dänemarks“, übertragen worden.

Gewerbe und Sandesl.

Vom Berliner Pfandbrief-Institut sind bis Ende September d. J. 34,084,200 Æ 43 prozentige und 7,9113300 M d prozentige, zusammen 41,995,500 A. Pfandbriefe ausgegeben worden, wovon noch 33,502,500 Æ 4Z¿prozentige und 7,331,700 Ó prozentige, zusammen 40,834,200 F Pfandbriefe verzinslich sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 3,861,600 MÆ; in der Feststellung begriffen 8 Darlehnsgesuche auf Grundftüke zum Feuer- versicherungs8werthe von 774,175 Æ; im Laufe des Monats September d. I. angemeldet 13 Grundstücke mit einem Feuerversiherungswerthe von 1,079,175 M.

Hamburg, 27. September. (Wes. Ztg.) Heute wurde im Ge- bäude der Gewerbeschule izierselbst eine Aus tellung westfälischer Kohlen eröffnet. In der Eröffnungsrede wurde auf die Be- deutung des westfälischen Kohl. nbergbaues, auf die Schwierig- keiten, welche seither einer Ausbreitung des Absatzes entgegen gestan- den hâtten und zum Theil noch entgegenständen und auf die erfolz- reih2 Konkurrenz, welche neuerlich die westfälishe Kohle in Bremen und a. O. der englischen mache, hingewiesen. Die Ausftellung selbst ist von einer einfacven Großartizfeit. An 490 Kohblen- und Koksforten theils in größeren Stücken, theils (Nuß- und Staubkohlen) in Glas\c{büsseln sind in dem Hauptfaale auf einem großen Tische und einigen Seiten- tisch.n übersihtlich gruppirt; dazu kommen in dem anstoßenden Corridor und auf dem Hofe ca. 50 Kohlenblöcke, iw Gewichte von 20 Centnern bis (angeblich) 35 Centner. Von jeder Kohlensorte ift im Kataloge die Verrendbarkeit genau angegeben; die Bezugsquelle, sowie die Namea der Agenten sind bei den Proben selbst zu er; ehen, und durch besondere rothe Kärthen sind diejenigen Probe 1 ausgezeichnet, deren Einsender dm mi einer gemein- samen Vertretung ausg:rüsteten Kohlenausfuhrvercine ange- hören. Nah der Auskunft des handelsstatistishen Bureaus in Hamburg betrug die Gesammtzahl der in Hamburz im Jahre 1876 importirten Kohlen und Coakes 7,315,805 Doppel- hektoliter, von welchen nur 1/10 wieder ausgeführt wurde, über ©/7 hiervon waren englishe; westfälishe repräsentirten kaum 1/7, Der Katalog theilt die bemerkenswerthe Thatsache mit, daß, wäbrend Holland, Belgien, Luremburg und sogar Paris (hinsihtlich Gaskohle) die westfälische Kohle bevorzugen, dieselbe in Hamburg noch verkannt wird. Die Prüfungen der Kaiserlichen Werft zu ilhelmshaven haben erwiesen, daß die westfälische Kohle der entsprechenden eng- lischen, namentlih der Cardifffohle, in den meisten Fällen ebenbürtig, in manchen Fällen überlegen ist. Die Massenproduktion der bis jeßt aufgeschlossenen westfälishen Steinkohlenbergwerke hat \ich seit 1852 verneunfact, der Werth verzehnfacht, die Arbeiterzahl ver- sehsfa4t; die Tonnenzahl betrug 1876 17,636,757, ungefähr der zwölffahe Betrag des in Hamburg jedes Jahr importirten Gesammt- quantums. Da der Export westfälisher Kohle nach Hamburg sich übrigens von 333,000 Doppelhektoliter im Jahre 1872 bereits auf 917,094 im Jahre 1876 gehoben hat, so darf man erwarten, daß durch die Ausftellung der Anstoß zu kräftigerem Absaß gegeben wer- den wird.

München, 1. Oktober. (Allg Ztg.) Der Direktor der König- lichenBank inNürnberg, Christian von Pfeufer, ist in Ruhe- stand verseßt und an seiner Stelle der Ministerial-Rath im Königlichen Staats-Ministerium der Finanzen und stellvertretende Bevollmächtigte im Bundesrath, Ferdinand von Landgraf, unter Verleihung des Titels und Ranges eines Ministerial-Direktors, ernannt worden

Wien, 3. Oktober. (W. T. B.) Nach offizieller Mittheilung der Kreditanstalt erfolgt die Emission der Goldrente am 9. d. Mts.

London, 3. Oktober. (W. T. B.) Die Emission der ungarischen 6bproz. Goldrente im Betrage von 80 Millionen Gulden wird am 9, und 10. Oftober stattfinden. Die Subskription wird, außer an den öfterreichish-ungarischen und deutschen Pläkten, in London, Paris, Brüssel, Antwerpen und Amsterdam bei den von Rothschild]hen Häusern erfolgen.

London, 3. Oktober. (W. T. B.) Bei der Subskription auf die Ungarische 6% Goldrente können Ungarische 6 ‘/7 Schaß- anweisungen I. Emission theilweise in Zahlung gegeben werden.

Verkehrs-Anstalten.

Nah dem 56. Monatsberiht des \{chweizer Bundesraths über den Stand der Arbeiten an der Gotthardbahn ist im Laufe des Monats Juli der Richtstollen um 195,3 Meter, die \eit- liche Auêweitung um 375,4 Meter, der Sohlenshliß um 177,1 Meter, die Strofse um 187,2 Meter, die vollständige Ausweitung um 218 Meter, das Mauergewölbe um 304,1 Meter, das östliche Widerlager um 332,7 Meter und das westliche um 137,8 Meter vorgerückt. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter betrug im Mittel 3874. Die ge- sammte Gestein‘ masse, welhe auf der Nordseite ausgehoben wurde, entspricht einem vollständig ausgebrochenen Tunnelstük von 102 Meter Länge, die auf der Südseite einem solhen von 125 Meter Länge.

New-York, 2. Oktober. (W. T. B.) Der Dampfer „Pommerania* von dec Hamburg-Amerikanishen Com- pagnie ist heute Nachmittag 2 Uhr hier eingetroffen.

Lai“ De B L M; E E E S a M

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