1901 / 9 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Jan 1901 18:00:01 GMT) scan diff

E E E I A T L ae e E r

e

handlung cingegriffen, ist unter Anderen Freiherr von Thielmann noch anwesend. Ein ähnlicher Antrag wie der beutige wurde in der Kom- mission mit 16 gegen 8 Stimmen abgelehnt. Daß der jeßige Antrag ebenfalls jeder thatsächlichen Grundlage entbehrt, wird Moe in der Budgetkommission, der auch ih die Resolution überwiesen sehen möchte, zahlenmäßig nachgewiesen werden. Eine gründliche Be- handlung wünsche i mit dem Antragsteller, hoffe aber, daß fich die- jelbe Majorität wie im Jahre 1894 gegen den Antrag entscheiden wird.

Abg. Gersftenberger (Zentr.): Wir stehen auf dem Stand- punkt, daß bei Handelsverträgen - feine Regis für gewisse Gegenden geschaffen werden dürfen, namentli nit Privilegien, die sich für einen anderen Landestheil des Vaterlandes als ein Odium er- weisen. Der Resolution werde ih zustimmen, weil es sich nicht um einen ganzen Landstrich, sondern nur um einige Städte handelt.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Wir danken dem Antragsteller für die Einbringung des Antrags; denn au wir sind der Meinung, daß es am Plaße ist, die Frage gründlih und eingehend zu prüfen. Zu dem Zwecke würden wir empfehlen, den Antrag an die Budgetkommission zu überweisen. Ausnähmen für bestimmte Landesstrihe zu \chafen, halten auch wir für unzulässig. Diesen Standpunkt hat früher schon unfer Kollege Dr. Hammacher vertreten.

Abg. Graf von Kanitz (d. kons.) :- Auch ich kann die Resolution nur empfehlen und habe mi{ch nur zum Wort gemeldet, um zu er- Fläâren, daß meine politishen Freunde auf ein freundschaftlihes Ein- vernehmeu mit Nußland großen Werth legen und deshalb gern bereit sind, allen berechtigten Wünschen Nußlands fo weit als möglich ent- gegenzukommen. Wir find gegen eine #Verbindung politischer mit wirthschaftlichen Fragen, müssen aber dringend bitten, die Beziehungen ¿wischen Nußland und Deutschland noc besser zu gestalten.

Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volfksp.): Cifenbahntarif- und Zolltariffragen gehören zusamnien. Ich begreife aber nicht, weshalb die Herren es mit dieser Sache so eilig haben: Graf Klinckowstroem hat sich allerdings {hon als Juterpret der Reichéregierung gezeigt. Er bezog sih wiederholt auf den Abg. Nichter. Diesem aber war es nur darum zu thun, fich möglichst ausführlich zu informieren: Graf Klinckowstroem aber muthet dem Reichstage zu, sich zu resolvieren. “Auch wir wollen uns gern belehren lassen, aber nicht nur über die Eisen- bahntariffragen, sondern au über die Zolltariffragen, soweit sie im Wirtbschaftlihen Ausschuß behandelt sind: eine cinfeitige Beleuchtung vom Cifenbahntarifstandpunkt aus wünschen wir nicht.

Abg. von Kardorff (Rp.): Graf Klinckowstroem hat ja be- antragt, die Refolution der Budgetkommission vorzulegen, und diese dient dazu, daß wir uns über die Sache gründlih informieren. Da- egen, daß uns da der Zolltarif, soweit er im Wirthschaftlichen Aus- pu zum Abschluß gebracht ist, vorgelegt wird, habe ih garnichts, aber es handelt sih zunächst darum, die staatsrechtli wichtigen Fragen zu er- örtern: Wer ist eigentlich fompetent, Eisenbahntarifverträge mit dem Auslande abiusGliehen. wie weit find diese Verträge bindend für die Einzelstaaten, können die Einzelstaaten solche Verträge abschließen ohne Konkurrenz der parlamentarischen Körperschaften? Diese Frage ist von großer fonstitutioneller Wichtigkeit.

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Ueber die Frage, zu welchen. Sätzen auf preußischen Eisenbahnen das russische Getreide nah Königsberg gefahren wird, ist eine genaue Engquête von der Eisenbahnverwaltung veranstaltet worden. Die Landwirthschaftskammer von Ostpreußen hat ibrerseits denselben Sat angegeben wie Graf Klinowstroem. Darauf hat die Königliche Eisenbahndirektion in Königsberg ausführlich nachgewiesen, daß jener Satz nicht 23,12 4 beträgt, sondern 36,27 M Es ift ferner von zuständiger Seite nachgewiesen worden, daß der Ausnahmetarif der Landwirthschaft nicht nur nicht schadet, sondern nüßt. Die westpreußischen Landwirthe haben einen höheren Preis für ihr Getreide erreiht. * Jch bin durchaus damit einverstanden, daß die Bildung der Gütertarife einer genauen Prüfung unterzogen werde. Ausnahmetarife follten, wenn irgend möglich, vermieden werden, aber die Reform sollte dahin führen, daß eine gleihmäßige Herabsetzung der Gütertarife erreiht wird. So würde auch der Handel zu seinem Recht kommen. Wenn Graf Kaniß meinte, daß er durchaus feine Feindseligkeit gegen Nußland wolle und bereit sein würde, Ruß- Iand bei den fünftigen Handelsvertragsverbandlungen nah Möglich- keit entgegenzukommen, soweit es nah seiner Meinung wichtige Interessen gestatten, fo will ich abwarten, ob den s{önen Worten auch schöne Thaten folgen.

Abg. Möller- Duisburg (nl.): Der Artikel 19 hatte den Zweck, Danzig und Königsberg gegen die übermächtige Konkurrenz von Riga u?rd Lbau zu {üßzen. Dieser Zweck ist im wesentlichen auch erreicht worden. Bedeutende Verschiebungen find aber dadur eingetreten, daß nach dem Abschluß des russischen Handelsvertrags Rußland be- sondere Ausnahmetarife nach Königsberg und Danzig geschaffen hat. Damit sind verschiedene Benachtheiligungen der ostpreußishen Land- wirthschaft, insbesondere der ostpreußishen Müllerei, verbunden. Jch halte deshalb eine Bespreung der Sachlage in der Budgetkommission für angezeigt und stimme deshalb für Ueberweisung der Resolution an die Kommission.

Direktor im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Möllhausen entschuldigt zunächst die Abwesenheit des Ministers mit einem Trauer- fall und sagt für die Kommission die ausgiebigste Auskunft für alle angeregten Fragen zu. Der Grund für die Begünstigung von Königs- berg, Danzig und Memel liege vornehmlich in der geographischen Lage dieser Städtc zu Riga und Libau, die die einigermaßen gleih- mäßige Gestaltung der Eisenbahntarife bedinge, wenn nit die Be- völkerung der Handelsstätte völlig kalt gestellt werden solle.

Abg. Graf von Klinckowstroem tritt dem Abg. Broemel entgegen, der nur Märchen vorgetragen habe. Vortheile von diesen Ausnahmetarifen habe nur Rußland. Daß Ostpreußen nah Rußland ervortiere, fomme faum in 10 Jahren einmal vor.

Die Re-

Das Gehalt des Reichskanzlers wird bewilligt. tation des Abg. Grafen von Klinckowstrdem geht an die udgetkommission.

Der Rest des Etats des Reichskanzlers und der Reichs- kanzlei wird ohne Debatte bewilligt.

_Es folgt der Etat des Reichsamts des Jnnern. Beim ersten Ausgabentitel „Gehalt des Staatssekretärs“ (50000 6) wirft der

Abg. Bassermann (nul.) einen anerkennenden Rückblick auf die neueren Fortschritte der sozialen Ce Levaung, die er im Einzelnen aufzählt. Er verlangt als Abs{luß; derselben die Wittwen- und Wüäisenversihherung; er geht dann auf die Ergebnisse der vom Reichsamt des Innern veranstalteten Enquête über die gewerbliche Kinderarbeit näher ein. Für die einheitliche Regelung giebt Redner dein Wege der Gesetzgebung gegenüber dem Verordnungswege den Vorzug. Lebterer würde fofort zu den erbeblisten Zweifeln über die Tragweite und die M echtogulti feit der erlassenen Bestimmungen ühren. Die Kommission für Arbeiterstatistik, die in leßter Zeit chon aus Gründen, die in ihrer Organisation liegen, keine sehr frucht-

xe Thätigkeit entwickelt habe, sollte nah dem Abs{luß ihrer Er- hebungen über das Kellnergewerbe mit weiteren Arbeitén betraut werden, \o mit den Untersuchungen über die Verhältnisse der Angestellten der Rechtsanwälte und Notare, da ja die Ver éltnisl dieser Kategorie von Angestéllten denen der Handelsangestellten sehr ähnlih lägen. Die Régelung der Arbeitszeit der Angestellten auf den Schiffen im Wége der Gesetzgebung müsse T ers ins Auge gefaßt werden, E pur L E Cini gers aften zu geroazres E hr ay a ie großen Transportgese en dagegen sträuben, daß ihnen in ihre Betriebe hineingeredet werde. Da man abér von der in icht gestellten freien Vereinbarung für die Angestellten “nihts er- en fönne, so msse von Réeichsivegen cten werden, und sche Kommifsion zu bet b'daet Spezlalgeseve ter bel dee tishe Kommisfion zu betrauen. u a o i Gewerbeordnung die Sache zu wadeit sei, blei lier ägung vorbehalten, nur sei es nicht erathen, die Frage etwa im Rähmen einér Novelle zum Binnenschiffahrtsgeseß zu lösen. Die Gé- werbe-Jrispektionen, soweit bis jeßt von Darnen wahr- geiömmen würden, hätten nah den Berichten der

i wa r de sei mit den nöthigen Bn ebenf

werbe - Inspektoren durhweg Anerkennung gefunden. Aus den Berichten sei ferner die a zu entnehmen, ‘daß die Institution der Arbeiter-Ausshüsse keineswegs den Aufschwung genommen habe, den man ihnen vorausgesagt . Redner zitiert eine Reihe von i prt aus den CEinzelberichten der Fabrif- Inspektoren für diese Behauptung. Ganz anders sei das Bild, wenn man sich die Aeußerungen der Berichte über die sonstigen Arbeiter- Organisationen ansehe, über die Gewerkschaften aller Art, die Arbeiter- und Gefellenvereine. Da sei durhweg eine ständige Zunahme zu ver- zeichnen. Diese Organisationen wirkten keineswegs aus\hließlich oder vorwiegend als Kampf- oder Strike - Organisationen, wenn das auch zu Anfang meistens der Fall sei. Angesihts der starken Entwickelung der Arbeiterorganisationen werde sih der Standpunkt der Ablehnung der Forderung, den Arbeitervereinen und -Verbänden die Nechtsfähigkeit zu verleihen, nicht länger aufrecht erbalten lassen, sondern man werde sich bald entschließen müssen, an die gesetzgeberische Regelung dieser Frage heranzutreten. Die Gelder der Gewerf- schaften würden keineswegs mehr auss{ließlich oder auch nur zum größeren Theil für Lohnkämpfe, für Strifke-Unterstüßungen, sondern mehr und mehr au für andere humane Zwecke verwendet. Lediglich mit der Eintragung in das Vereinsregister nah Maßgabe des Bürgerlihen Geseßbuhes werde die Rechtsfähigkeit nicht mit allen ihren Konseguenzen zu erreihen sein, es werde besonderer Geseßgebungen zu diesem Zwecke bedürfen. Die paritätishen Kom- munal-Arbeitsnachweise hätten in der leßten Zeit einen erfreulichen Fortschritt gemacht. Es gäben davon Kunde einmal die Berichte der Gewerbe-Jnspektoren und verschiedene andere Nachweise. Alle diese Kommunal -Arbeitsnachweise hätten \sich bisher und fast ausnahmslos gut bewährt. Sie seien jedenfalls den einseitigen Arbeitsnach- weisen der Arbeitgeber oder Arbeiter vorzuziehen, und sie würden höchstwahrscheinlih eine größere Ausbreitung gewonnen haben, wenn sie, wie shon im Reichstage beantragt worden sei, eine geseßliche Grundlage erhalten hätten. Dem Reichsamt des Innern lägen viele Wünsche auf \ozialpolitishem Gebiete vor. Es sei klar, daß bei der UVeberlastuug des Neichsamts des Innern mit den Arbeiten, welche die neuen Handelsverträge und Zolltarife verursahten, alle diese Wünsche nicht gleichzeitig erfüllt werden könnten. Deshalb sollte man in eine Erwägung darüber eintreten, ob nicht eine anderweitige Organisation der Zentralinstanz möglich sei.

Der Präsident theilt mit, daß inzwischen einschleuniger Antr.ag zahlreicher Abgeordneten eingegangen ist, den Etat des Reichs-Eisenbahnamts der Budaettommisston zu überweisen. Da kein Widerspruch erhoben wird, wird dieser Etat der Budgetkommission überwiesen, der kurz vorher der Antrag des Abg. Grafen von Klinckowstroem, die Eisenbahntarife betre}fend, überwiesen worden ist.

Der Abg. Beckh-Coburg (fr. Volksp.) folgende Resolution:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen: 1) mit aller Ent- schiedenheit dahin zu wirken, daß die bereits 1895 zu Paris ver- einbarte Vogelshuß-Konvention von den betheiligten Staaten, ins- besondere Frankreich, Jtalien, Oesterreih, Griechenland, endlich ratifiziert und 1n Wirksamkeit geseßt werde; 2) das Vogelschutzgeseßz vom 22. März 1888 baldigst einer Revifion in der Nichtung eines besseren und erweiterten Schußes unserer nüßlihen Vögel zu unterziehen.“

Der Antragsteller bczeinet diesen Miiag als eine Seeschlange, welche das Haus seit einer Reihe von Jahren leider bisher erfolglos beschäftigt habe. Der \s{chönen Worte seien nun eigentlich genug ge- wechselt. Redner giebt einen Ueberblick über die früheren Ver- handlungen über diejes Thema, namentli über die Besprechung der- selben in der Petitionsfommission. Es werde ih vielleicht empfehlen, die internationale Vogelshußz-Konvention nach der Konvention zu gestalten, welche seiner Zeit zum Schuß der jagdbaren Thiere in Afrika abgeschlossen sei. Statt besser, sel es in den leßten Jahren in Italien und Südfrankreich) immer s{limmer geworden. Selbst so nüßlihe Vögel wie die Schwalben würden dort massenhaft hingemordet. Jn Deutschland empfinde erfreulicherweise die Mehrzahl der Gebildeten einen großen Abscheu gegen den Vogelmord, in romanischen Staaten sei dies leider nicht der Fall. Er hoffe, daß seine Resolution vom Hause einstimmig angenommen werde. y Ï e

Abg. Molkenbuhr: Die Kommission für Arbeiterstatistik ist beinahe eingeshlafen. Das is kein Wunder, da der Kreis ihrer Mitwirkung durch Regulative sehr eingeschränkt ist. Beim Gastwirthsgewerbe is eine ganze Zabl von Arbeitern als Gesinde bezeihnet worden, und diese unter- liegen der Untersuchung niht. Auch die Angestellten der Straßen- bahnen sind davon ausgeschlossen, weil sie, wie die Angestellten der Eisenbahnen, niht der Gewerbeordnung unterstellt sind. Jch denke, alle diese Arbeiter haben einen Anspruch auf Schuß für Leben und Gesundheit, und es ist die höchste Zeit, daß das Regulativ entsprechend geändert wird. Wie steht es mit der Novelle zur Krankenversicherung? Redner beschwert sich ferner über die angebliche Ne undUngleichheit bei der neuen Feststellung der Durhschuittsheuer seitens der Seeberufsgenossen- schaft, wobei die jüngeren Leute besser fortkämen als die verheiratheten. Die Seeberufsgenossenschaft habe es ruhig angesehen, daß der Dampfer „Memphis“ in See stah, obwohl er niht seetühtig gewesen fei. Einer Revision habe fih der Dampfer entzogen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Jch gestatte mir, sofort auf eine Anzabl An- fragen, die an mi gerichtet sind, zu antworten.

Zunächst hat der Herr Abg. Bassermann über den sanitären Arbeitstag gesprochen und in dieser Beziehung den Wunsch geäußert, daß die Be- mlihungen, den sanitären Arbeitstag in weiterem Umfang einzuführen, seitens der Reichsverwaltung fortgeführt würden. Ih kann dem Herrn Abgeordneten in dieser Beziehung erwidern, daß wir jeßt beschäftigt sind mit Erhebungen über den Arbeiter- {uß in der Hausindustrie des Zigarrengewerbes, und diese Erhebungen hoffentlich in allernächster Zeit zum Abschluß ge- langen werdey, Wir haben auch ferner, meine Herren, Erhebungen angestellt wegen der Mindestrubezeit in der Binnenschiffahrt. Es sind dieserhalb Verhandlungen mit den betheiligten Bundesregierungen eingeleitet, deren Ergebnisse noch der Erwägung unterliegen. Der Herr Abgeordnete wolle daraus sehen, daß wir keineswegs das von ihm verfolgte Ziel unbeachtet lassen. Was die Beschäftigung der ver- heiratheten Frauen betrifft, so hoffe ih, daß die besondere Denkschrift, die im Reichsamt des Jnnern über diese wichtige Frage ausgearbeitet wurde, noch im Laufe des Monats Februar dem hoben Hause zu- gehen fänn. i

Ueber die gewerbliche Arbeit \{ulpflihtiger Kinder sind von mir Erhebungen angestellt worden, die allerdings zu mancher Kritik Anlaß gegeben haben. Es war aber nicht die Absicht, bei diesen Erhebungen eine vollflommene Zählung mit ihren großen Kosten und mit ihrem weitläufigen Apparat vorzunehmen und dadurch kostbare Zeit für die Regelung der Frage selbst zu verlieren, sondern es sollten nur die Regierungen allgemein ihr Urtheil zur Sache abgeben und soweit wie möglich im gewöhnlihen Ver- waltungswege statistishes Material zur Sache beschaffen. Den Charakter einer wirklihen Zählung trugen diese Erhebungen nicht. Meine Herren, das Material, das auf Grund dieser Erhebungen ge- liefert ist, ist aber meines Erahtens {hon vollkommen ausreichend, um sih ein Bild von der Sachlage zu machen, wobei ih allerdings

beantragt

N

zugestehen muß: das Bild ist zum theil recht trauriger Art. A

Grund der gewonnenen Resultate hai eine Aufstellung von Grund. zügen, in Verbindung mit den vreußischen Ressorts, über die Regelung |

der gewerblichen Kinderarbeit stattgefunden. Diese Grundzüge liegen jeßt den sämmtlichen verbündeten Regierungen zur Aeußerung vor. Ich be- merke aber gegenüber irrthümlihen Auffassungen in der Presse son jeßt, daß es nicht mögli is, die Frage durch Verordnung zu er- ledigen, sondern daß sie nur gelöst werden kann dur ein Gesetz, und zwar ist ein Gesecß nothwendig, weil, wenn die Frage einiger: maßen befriedigend erledigt werden soll, es unbedingt nothwendig ift, auch in das Recht der Familie - bis zu einem gewissen Grad einzu- greifen. Um das aber thun zu können, müssen wir eine geseßliche Grundlage haben, da uns die Gewerbeordnung eine ausreichende Grundlage für einen solchen Eingriff nicht bieten würde.

Was die Arbeiten der arbeiterstatistishen Kommission betrifft, so hat die Kommission noch einen Auftrag zu erledigen, nämlich die Erhebungen über die Sonntagsarbeiten im Binnenschiffahrts- und Flößereibetriebe. Der Bericht wird in allernähster Zeit festgestellt werden, und daun wird fih fragen, welche Maßnahmen man auf Grund der Feststellungen ergreift. Neu übertragen sind der Kom- mission Erhebungen über die Beschäftigungen der Gehilfen in den Komtoren und über die Beschäftigung der Gehilfen im Fleischerei- gewerbe.

Was die Bureaugehbilfen betrifft, so ist das eine Frage, die auf Grund der Gewerbeordnung nicht erledigt werden kann, weil, wie der Herr Abg. Molkenbuhr durchaus zutreffend ausführte, die Bureau- gehilfen der Rechtsanwälte nit unter die Gewerbeordnung fallen. Die Frage fann nur im Wege des Geseßes gelöst werden, und ih habe mich wegen der Erledigung der Frage bereits mit dem Reis. Justizamt in Verbindung geseßt.

Meine Herren, es sind heute auch die Berichte der Fabrikinspektoren wiederum einer Kritik unterzogen worden. Die Herren wissen ja, daß id

in der vorigen Tagung des Reichstages ausdrücklih versprach, sämmt.

lihe Berichte der Fabrikinspektoren im Original vorzulegen, weil obgleich die verschiedensten Beamten die Auszüge aus den Be richten angefertigt hatten, do stets in der Presse und hier im hoha Hause der Vorwurf erhoben wurde, diese Berichte seien tendenziò aufgestellt; ich glaubte, diesen Angriffen müßte man endli dadur ein Ende machen, daß man sämmtliche Berichte im Original vorlege Die Anregung ist also nicht aus der Mitte des Hauses mir zugegangen, sondern ih habe freiwillig erklärt, ich wolle die Berichte im Original drucken lassen. Da nun diese Vorlegung, wie es scheint, zu Angriffen keinen Anlaß mehr bot, fo, hat man jeßt das Register einer sehr scharfen Kritik in der Oeffentlichkeit unterzogen.

Zunächst hat man hervorgehoben, daß die Berichte dieses Jahr später als in den anderen Jahren dem Reichstage vorgelegt seien. Jh bedauere, diese Behauptung als eine unrichtige bezeichnen zu müssen. Selbst wenn es rihtig wäre, so könnte man es entschuldigen. Sid mit sämmtlichen Regierungen über diese Frage zu einigen, über den einheitliden Druck, darüber, wo und wie der Druck bewirkt werden soll, ist in der That nicht einfa: denn jede Regierung sucht natürlid vorzugsweise an dem Wege festzuhalten, den sie licbgewonnèn und den sie bisher eingeshlagen hat. Nichtsdestoweniger ist der Plan lungen, und die Berichte sind einheitlich dem hoben Hause vorgelegt worden.

Was aber den Zeitpunkt betrifft, so sind die Berichte dem Bureau des Reichstages von der Reichsdruckerei bereits 4 Wochen früher, nämlich am 29. Oktober 1900, also mehr als zwei Wochen vor Eröffnung des Reichstages, zugegangen, während die Bearbeitungen für die Vorjahre erst nach Beginn der Reichstagsberathungen, im November oder Dezember, an den Reichstag gelangt sind. Vorwurf der Verzögerung, meine Herren, ist unbegründet.

Man hat ferner behauptet, das Register wäre ungenügend; é wäre unendlich schwer, sich in dem Register zurehtzufinden; ma hat exemplifiziert auf das preußische Register, in dem eine große Anzall Unterabtheilungen gemacht sind. Es ist natürlih viel leichter, einen einzelnen Staat, wo die Berihte, wie in Preußen, selbst noch einmal durchgearbeitet werden, ein derartiges spezialisierte Register zu machen als für 78 Berichte aus den verschiedensten Staaten. Es sind fogar noch etwas mehr Berichte; denn einzelne Gewerbe-Inspektoren ‘haben für zwei Bezirke zu berihten. Außerdem aber würde ein solches Register, für das ganze Reih aufgestellt, wie es für Preußen aufgestellt ist, eine so zeitraubende und eine c schwierig auszuführende Arbeit gewesen sein, daß Jhnen das Register jetzt kaum vorliegen würde.

Es sind auch gegen die Gestaltung des Registers sachlide Vorwürfe erhoben worden, die meines Erachtens nicht begründet sind. Es ist in der Oeffentlichkeit z. B. behauptet worden, über die Beschäftigung verheiratheter Frauen in Fabriken fände sid in dem Register nur cin Stihwort. Das trifft niht zu ; denn auch unter anderen Stichworten : „Fehlgeburten“, „Kindersterblich- keit“ und zahlreichen anderen Stichworten wird auf die Be- schäftigung verheiratheter Frauen hingewiesen. Ferner ist als zweites Beispiel angeführt, das Stichwort: „Unfälle und deren Ursache im allgemeinen“ sei außerordentlih dürftig behandelt. Auch diese Be- hauptung ist unrihtig. Es ist in dem Register an 130 Stellen in den verschiedenen Berichten, und zwar immer unter Anführung des einzelnen Landes, auf die Unfälle hingewiesen worden, und es findet sih außerdem das Stichwort „Unfälle“ noch fünfmal mit einem unter- scheidenden Beiwort, und außerdem sind noch neun Stichworte an- geführt, die sich auf die Unfälle beziehen.

Ich lehne es indeß keineswegs ab, für die Zukunft in eine nod- |

malige Erwägung einzutreten, wie sich das Register vielleicht no handlicher, noch übersichtlicher gestalten läßt. Aber ih kann Ihnen versichern : bei der Verschiedenheit der Zusammenstellung, mit der die Gewerbe- Inspektoren ihre Berichte erstatten, bei den vielen, rein gelegentlihen Bemerkungen über einzelne Punkte war es schon eine sehr große und zeitraubende Arbeit, ein Register von 143 Seiten mit seinen zahllosen Stellen zusammenzufügen, und wäre das Register noch spezifizierter geworden, so hätten Sie & heute jedenfalls noch nicht. Jh meine auch: wer ih für die Fragen interefsiert, wird jeßt an der Hand des Registers durchaus in der Lage sein, si die betreffende Stelle in jedem einzelnen Bericht herauszusuchen und fich schnell zu unterrichten. Ein ausführlicher Auszug, wie er früher pexhorresziert worden ist, sollte absichtlich nit gemacht werden. i

Der Herr Abg. Molkenbuhr hat demnächst angefragt, wie es m! der Krankenversiherung stände. Ih habe bezüglich der Kranken-

4

Also der

R versicherang fo häufig die Versicherung abgegeben, daß mir die Förderung der Sache ganz außerordentlich am Herzen liegt, daß Sie mir das wohl glauben werden. Aber bei der Kranken- versicherung steht der Reichskanzler bezw. das Reichsamt des Innern den Einzelregierungen eben ganz anders gegenüber als bei der Invaliden- und Unfallversiherung. Bei der ÎIn- wliden- und Unfaliversicherung haben wir - eigene Erfahrungen, die Organe stehen unter Reichsaufsicht, wir fonnten uns felbst die Materialien beschaffen. Die Ausführung der Krankenversicherung liegt lediglich in den Händen der Einzelstaaten, die Reichsinstanz ist ganz auf die Mitarbeit der Einzelstaaten angewiesen, und die Einzelstaaten haben fich bisher zum theil über die grundlegenden Organifations- fragen noch nicht geäußert. Als Grund dafür führen die Einzelstaaten an, daß die Frage eine fo tiefgreifende,* eine so schwierige sei, daß sie dieferhalb selbstverstäudlih mit den Provinzial- und Loktalbebhörden in Verbindung treten müßten, und daß diefe Erbebungen noch uicht be- endet seicn. Jch will mi der Hoffnung hingeben in dieser Session ist es vollfommen ausgeschlossen-nach Lage der Sache, da, wie gesagt, die einzelstaatlihen Berichte noch nicht vorliegen —, daß cs in der nächsten Session mögli ist, die auch von mir dringend gewünschte Novelle Ihnen vorzulegen.

Was die Feststellung der Durhschuittsheuern betrifft, so kann ich Ihnen versichern, daß diese Feststellung, die jeßt kürzli publiziert ist, auf Grund der eingehendften Erwägungen, auf Grund der forgfältigsten Ermittelungen stattgefunden bat. Wenn gber der Herr Abg. Molken- buhr cinwendet, daß Personen, die niht mehr jugendliche seien, mit den jugendlichen zusammengelegt seien, so meine id, kann man die Heuern doch nur berechnen nah dem thatsächlihen Einkommen und nit nach dem Alter des Mannes. Was die neue Klassifikation betrifft, so sind wir dazu bereit; wir haben f{on Vorbereitungen dafür getroffen; cs wird aber eine solche neue Klassifikation einen erbeblihen Zeitraum in Anspruch nehmen. Mein Herr Kommissar wird fich nachher über diese Frage eingehend äußern.

Was den Unfall mit der „Lesbos“, niht „Memphis“, betrifft, so bedauere ich, das Material über diese spezielle Frage nicht hier zu haben. Ich werde mir aber gestatten, im Laufe der Diskussion auf diese Frage zurückzukommen und das mitzutheilen, was mir über den Fall amilih berichtet worden ist. f

Der Herr Abg. Beckh hat gefragt, wie es mit der Ratifikation des internationalen Abfommens zum Schuß der nüßlichen Vögel stehe. J babe schon früher mitgetheilt, daß wir Oesterreich-Ungarn unsere Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben haben, die Konvention in der von Frankreich gewünschten Form und unter Annahme des schweize- rischen Abänderungsvertrages abzuschließen. Inzwischen bat sich Oesterreich bereit erklärt, diese von der französisWen und von der schweizerischen Regierung gewünschte Form zu acceptieren, und ih hoffe, daß in nächster Zeit nun endlich die Natifizierung dieses Ab- tommens eintreten kann, worüber der Herr Abg. Beckh sich gewiß seinerseits freuen wird. Sobald diese Ratifikation abgeschlossen ift, werden wir sofort darangehen, eine Reform des Vogelschußzgeseßtzes

vom Jahre 1888 in Ausficht zu nehmen.

Geheimer Ober-Regierungsrath im Reichsamt des Innern Werner: Der neuen Festseßung der Durchschnittsheuer für Seeleute durch die Bekanntmachung vom 22. Dezember v. F. sind sehr eingehende statistische Erbebungen über die leßten drei Jahre vorausgegangen, die von den Seemann8ämtern veranstaltet wurden, und auf Grund dieses Materials haben wir durch das Kaiserliche Statistische Amt ermitteln lassen, welche Vurchschnittsheuer sih für die einzelnen Klassen ergiebt. Mit Be- friedigung fann ich konstatieren, daß fast in allen Klassen eine Er- höhung der Durchschnittsheuer gegen die frühere Bekanntmachung stattgefunden hat. Die Erhöhung is gerade in den unteren Klassen sehr wesentlich:; in Klasse 6 haben wir eine Erböhung m O i Masse 5 von 13%, in Kasse 7 Kohlenzieher und Trimmer, von 20%. Nur in Klasse 8 und 9 ist die Durchschnittsheuer herabgeseßt, aber gegen die {tatistishen Er- mittelungen konnten wir nit an, und im Effekt ist au eine wirk- lihe Herabseßung nicht eingetreten. Eine neue Klassifizierung der Seeleute konnten wir für diese Festseßung der Durchschnittsheuer noch niht vornehmen, weil uns dafür po fein statistisches Material vor- as Es lag im Interesse der Betheiligten selbst, daß noch die alte

Klasseneintheilung zu Grunde gelegt wurde. Sobald wie möglich, aber frühestens in vier Jahren, wird eine neue Klasseneintheilung ein- treten fönnen. Wir können für uns in Anspruch nehmen, daß wir mit der größtmöglichen Gewissenhaftigfeit bei der Festseßung der Durch- snittsßeuer verfahren sind.

_ Abg. Molkenbuhr glaubt, daß die Durschuittsheuer na der Statistif zu niedrig gegriffen worden sei. Um eine neue Klassifikation zu erlangen, brauche man nit erst den Durchschnitt der nächsten drei Jahre abzuwarten; das nöthige Material befinde sich jeßt {on auf den Seeämtern. Jm allgemeinen sollte doch auch bei der Sceunfall- vetsiherung die Rente der Heuer entsprehen. Thatsächlih bestehe aber die Ungerechtigkeit, daß die 19 jährigen Matrosen bei einem Un- fall besser führen® als die älteren Matrosen. Die Nebeneinnahmen der Seeleute seien nit berüsichtigt.

Geheimer Ober-Regierungsrath Werner stellt fest, daß regelmäßige Nebeneinnahmen in die Heuer eingerechnet worden seien. Den Seeämtern würde es nicht möglih sein, so im Handumdrehen das Material für eine Neufestseßung zusammenzustellen, wie der Vorredner anzunehmen seine, und die Folge würde sein, daß die Neufestsezuug den thatsäch- lichen Verhältnissen nahhinkte. Daß die Klassifikation nicht in allen Punkten den Dea der Seeleute entsprehe, sei möglih, aber man müsse sih doch an das Geseh halten.

_ Abg. Speck (Zentr.): In § 14 des Fleishschaugesezes ist den Einzelstaaten die Befugniß gegeben, den zollfreien Grenzverkehr von Diüdsenfleisch und Wurst zu gestatten. Ih wünsche dringend, daß die betreffenden Ausführungsbestimmungen ret bald erlassen werden.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Sie können versichert sein, daß das Gesundheits- amt, welches beauftragt ist, die Ausführungsverordnungen vorzubereiten, alle Kraft daran seßt, das mit äußerster Beschleunigung zu thun. Aber die Einführung der Fleishschau für ganz Deutschland ist ein Unternehmen, das viel tiefer greift, wie man sich denken kann. Ich erinnere daran, daß in Sachsen beispielsweise die Einführung der Zleishshau netto zwei Jahre gedauert hat. Das Geseh datiert vom 1. Juni 1898 und is erst am 1. Juni 1900 in Kraft getreten. Wenn also ein Mittelstaat, der bei seiner starken Bevölkerung über viel mehr Ausführungsorgane ver- fügt wie in manchen anderen Theilen des Reichs, zwei Jahre braucht, um ein solches Geseß durchzuführen, so kann man \ich denken, mit welchen Schwierigkeiten die Durchführung eines solchen Gesetzes zu kämpfen hat in dem gesammten Rrichsgebiete. Es wird vielleicht ermüden, wenn ih das beweise; aber zur Aufklärung der öffentlichen Meinung is es doch richtig, daß ih es thue. Jch will Ihnen also kurz das Verzeichniß von Verordnungen vorlesen, die in Kraft gesetzt werden müssen, um das Geseg im Deutschen Reiche in allen Theilen

zur Geltung zu bringen. Zunächst ein Erlaß ven Ausführungs- bestimmungen über diejenigen Punkte, deren Regelung im Gesetze ausdrücklich dem Bundeêrath vorbehalten wurde. Ferner ist noth- wendig die Schaffung cines ausreichenden und befähigten Fleishbeschau- Personals an allen Orten des Reichs. Ferner müssen Näume zur Vornahme der Fleishbeschau bereitgestellt werden und muß die Ausftattung dieser Räume mit den nöthigen Einrichtungen er- folgen. Sodann muß eine Instruktion für die Fleishbeschauer festgestellt werden mit Bezug auf lebende Sclacßtthiere, todte Schlachtthicre, ausländishes Fleis und ausländishe Fette. 5s muß eine Anweisung erlassen werden über das Verfahren bei der Untersuhung von Fleisch und Fett, insbesondere bei der Probeentnahme und der chemischen Untersuhung. Ferner müssen einbeitlihe Grundsä Be aufgestellt werden für die Beurtheilung des Fleises und Fettes beim Vorhandensein bestimmter Mängel. Es muß ein Gebührentarif festgeseßt werden. Es müssen Vorschriften erlassen werden über die Kenntlihmachung des untersuchten, insbe- sondere auch des beanstandeten und des aus dem Auslande kommenden Fleisches, cs muß der Fleis{stempel und das Brandzeichen festgeseßt werden. Es muß ferner festgeseßt werden, welche Konservierungs- stoffe, shwefelige Salze, Säuren u. \. w. zur Haltbarmachung und Behandlung des Fleisches n iht mebr sollen verwendet werden dürfen.

Wenn Sie sich alle diese Reglements vergegenwärtigen und die Vorbereitungen, die in den Einzelstaaten getroffen werden, fo werden Sie seben, daß das ein sehr tiefgreifendes Unternehmen ist. So schnell, wie die Herren es vielleiht wünschen, wird fi alio die Durchführung nicht ermöglichen lassen. Ich hoffe indeß, daß ein Theil dieser Neglements in niht zu ferner Zeit endgültig festgestellt und vom Bundesrath beschlossen werden wird. Aber, wenn wir diese Reglements erlassen haben, dann handelt es si erst darum, alle die Einrichtungen in den Einzelstaaten zu treffen, die aus diesen einzelnen Reglements folgen. Wir haben den dringenden Wuns, die Ein- führung der Fleis{beschau im hygienishen Interesse sobald als mögli herbeizuführen; ich bitte Sie aber dringend, auh die Schwierigkeiten, die in der Sache liegen, nicht zu verkennen.

Was speziell die Einführung von Würsten und Bücbsenfleisb im kleinen Grenzverkehr betrifft, so muß i dem Herrn Vorredner zu- gestehen, daß die Sache juristisch zweifelhaft ist. Die Regierungen, die im kleinen Grenzverkehr auf Grund des § 14 Abs. 2 des Fleisch- beschaugeseßes diese Einführung zugelassen baben, sind dur lofale Verhältnisse hierzu gedrängt worden. Ich weiß, daß aus elsaß-lothrin- gisden Gemeinden täglich 2400 Arbeiter über die Grenze gehen, und es würde s{hwer sein, eine Kontrole einzuführen, daß diese Leute nicht Würste und Konserven mit zurückbringen. Die Sache kann aber zweifelhaft sein, ob, um jene Ausnahme zuzulassen, der S 14 Abs. 2 ausdrücklich in Kraft geseßzt werden müßte, oder ob man folgern kann, wie es meines Erachtens diese beiden Regierungen thun, daß das Verbot der Einfuhr von Büchsenfleischß und Würsten nur in der Beschränkung des Gesetzes stattfinden konnte, und daß # dieser Be- schränkung stillschweigend auch die Ausnahmen gehören, die die Einzel- staaten nad) § 14 Abs. 2 erlassen können. Sollte einmal ein Fall zur Anzeige kommen, so wird ja gerichtlih entschieden werden, ob jene Anschauung geseßlich begründet ist oder nicht.

Hierauf vertagt sih das Haus. Schluß 6 Uhr.

- Nächste Sißung Freitag, 1 Uhr. (1. Anträge, betreffend Abänderung des Geseßes vom 23. Mai 1873, betreffend den Reichs-Jnvalidenfonds; 2. Anträge, betreffend Abänderung des Gesehes über die gewerblichen Schiedsgerichte.)

Handel und Gewerbe.

Jm Reichs-Schaßamt ist ein vierter Nachtrag zu dem amtlichen Waarenverzeichniß zum Zolltarif heraus- gegeben worden. Eine käuflihe Ausgabe dieser Drucksache er- \heint in R. v. Decker’s Verlag, Königlicher Hofbuchhändler G. Schendck, Berlin SW., Jerujalemerstraße 56.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“.)

Deutsches Reich.

Ermittelung des zollpflihtigen Gewichts von in Eiscnbahnwagenladungeneingehendem Bier. Gemäß Ziffer 11 der Anweisung zur Ausführung des Vereinszollgeseßes fann das zollpflichtige Gewicht von in Eisenbahnwagenladungen ein- gehenden Massengütern, welhe einem Zollsaße von höchstens 5 M für den Doppelzentner unterliegen, fowie von in Eisenbahnwagen- ladungen eingehendem Petroleum von den Zollstellen mit Genehmi- gung des Amtsvorstandes durch Verwiegung mit der Centesimal- waage (Geleiswaage) in der Weise ermittelt werden, daß von dem Gewicht des Wagens einschließlich der Ladung (Bruttogewicht) das Gewicht des leeren Wagens (Eigengewicht) abgezogen wird. Der Bundesrath hat nunmehr in seiner Sißung vom 6. Dezember d. I: beschlossen, daß diese Bestimmung auh auf Bier beim Eingang in Eisenbahnwagenladungen Anwendung zu finden hat. (Zentralblatt für das Deutsche Reich.) Y | T

Aenderung des Eisenbahn-Zollregulativs. Gemäß Absatz 2 im § 48 des Eisenbahn-Zollregulativs dürfen bei der Ab- fertigung von Gütern, auf denen ein Zollanspruch haftet, unter Wagen- vershluß andere Güter in diese Güterwagen nit mit verladen werden. Der Bundesrath hat nunmehr in seiner Sitzung vom 6. Dezember 1900 Folgendes beschlossen : L :

Die Vorstände der Amtsstellen können die Zabong anderer, aus dem freien Verkehre stammender Güter in diese Wagen gestatten, wenn eine Vertauschung dieser Güter mit den verladenen zollpflichtigen nicht zu befürhten ist. Die Eisenbahnverwaltung hat in diesem Falle der Zollbehörde ein Verzeichniß der zuzuladenden Güter unter Angabe von Pu Verpackungsart, Bezeichnung, Bruttogewiht und Inhalt zu übergeben. Das Nees ist bei der Verladung zu prüfen und dem Begleitschein annen . Bei Wagen, in welhe Güter des freien Verkehrs mit zollpflihtigen Gütern verladen sind, dürfen auf dem Transporte, soweit nicht M Rertedangen oder Unglüdcksfälle eine Umladung erforderlih machen, Zu- und Abladungen nicht stattfinden.

(Centralblatt für das Deutsche Reich.)

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Ksoks N E Ler Mukr und in E P eM en : An der Ruhr ade am 10. d. M. gestellt 15940, nit n.

tzeitig gestellt keine Ste Sn Ober chlesien Grd am 10. d. M. gestellt 6143, nicht

rehtzeitig gestellt keine Wagen.

Dem „W. T. B.“ wird berichtet: Die Subskrivtion auf nom. 6 000 000 Æ 4Iprozentige Obliagtionen der Farbwerke vorm. Meister, Lucius u. Brüning in Höchst a. M. hat heute sogleih nach der Eröffnung ges{losen werden müssen, da die Voran- meldungen in folchem Umfange eingegangen sind, daß es ganz unmög- lih ist, auf jede Zeichnung auch nur ein Stück zuzutheilen. In- soweit daher überhaupt eine Berücksichtigung der Anmeldungen ein- treten kann, wird dies nur mit einem fehr geringen Brucbtheil möglich sein.

Die nächste Versammlung der Börse für die Stadt Esfen findet am 14. d. M. im „Berliner Hof“ statt.

Dem Jahresbericht der Handelskammer zu Leipzig für 1899/1900 entnehmen wir, daß sich Handel, Verkehr und Industrie im allgemeinen einer günstigen Entwickelung erfreut haben. Der er- zielte Nußen ist freilih dur die außerordentliche Preissteigerung vieler Rohmaterialien theilweise erbeblih beeinträchtigt worden, weil es nit überall möglich war, die Waarenpreise mit den gestiegenen Rohmaterialpreisen in Einklang zu bringen. Hinsichtlich des Handels mit Wolle wird nah einer Reihe von unbefriedigenden und an Enttäushungen reihen Jahren, über ein befriedigendes Er- gebniß berichtet. Die Preise der feineren und mittleren Wolle zeigten das ganze Jahre hindur, infolge des Nückgangs der australischen Züchtungen und eines allmählih erstarkenden Bedarfs der Industrie, eine aufsteigende Richtung. Dies ist auch für die Kämmereien und Spinnereien fowie für den Handel mit Kammzug und Kämmlingen von Vortheil gewesen. Englishes Wollgarn erfuhr eine erhebliche Preiserböhung, gewöhnliche *Cheviots und Wefte erst gegen Ende des Jahres. Den Bedarf an englishen melierten Garnen deckte die deutsche Buntspinnerei vollkommen und in zufrieden- stellender Weise. Für den Handel mit Baumwolle trat während der leßten Monate des Berichtsjahres cine bedeutende Er- höhung der Preise ein, was auch die Svinner veranlaßte, die Garn- preise zu erhoben. Der Geschäftsgang in der Leinen- und Segel- tub-Webereti war bei normalen Preisen durhweg rege: die Rcb- materialien erfuhren jedoch in den leßten Monaten eine wesentliche Preissteigerung. In der Jute-Industrie mate sich, infolge von Neugründungen und Vergrößerung bestehender Fabriken, ein {starkes Angebot von Garnen, Geweben und Säcken geltend, das einen ebenfo. starken Preisdruck zur Folge hatte. Dagegen be- hauptete Robjute ihre feste Haltung und erfuhr sogar eine erbeb- liche Preissteigerung. Im leßten Vierteljahr gestalteten sich au die Fabrikatpreise wieder besser. Seide aller Gattungen war im Berichtsjahre stark begehrt, auch die Preise für diesen Artikel erfubren eine beträhtlihe Erhöhung, und der Geschäftsgang in Seidenwaaren, namentlich in Sammeten, war im allgemeinen gut, die Nachfrage nah Seidenbändern dagegen weniger stark und nur bis zum Ende des Sommers normal. Die Strick- und Wirk- waaren-Industrie befand sich gleihfalls in befriedigender Lage. In den Eisengießereien war die Nabfrage das ganze Jahr bin- durch sehr starf und konnte, au bei Anspannung aller Kräfte, nicht in vollem Maße befriedigt werden: dazu kam noch die dur den etwa 20 Wochen währenden Former-Ausstand verursachte, niht un- erheblihe Betriebsftörung. Die bereits im Vorjabre eingetretene Aufwärtsbewegung der Rohmaterialpreise erfuhr eine beîtändige, zum theil sprunghafte Fortseßung bis auf 40—509%% am Ende des Be- richtsjahres. Diesen Verhältnissen einigermaßen entsprechend, konnten au die Preise für die Gießerei-Erzeugnisse erhöht werden. Der Handel mit Eisen, Trägern, Blech, Rohzink und Kupfer war in Bezug sowohl auf Absatz als auch auf die Preise günstig. Die Maschinentindustrie Leipzigs erfreute ih fast durchweg eines flotten und guten Geschäftsganges. Fast überall machten \ih jedoch Schwierigkeiten beim Bezug des Rohmaterials fühlbar. Im allge- meinen schien freilih der Kleinmaschinenbau, soweit er der Masßsen- fabrikation unterliegt, an der günstigen Entwickelung nicht gleichen Antheil wie der Großmaschinenbau genommen zu haben. Das Geschäft in Fahrrädern litt unter bedeutender Ueberproduktion, doch haben die beiden Leipziger Fahrradmessen 1898 und 1899 namentli auch in Fahr- radluftpumpen und anderem Zubehör belangreiche Aufträge gebracht. In Drahtseilbabnen, Aufzügen, Armaturen, Metall- waaren, im Wagenbau, in der Herstellung von Geldschränken, Bronzewaaren, Schreibfedern u. st. w. war der Geschäftsgang auch zufriedenstellend. Für die Papierindu strie wird das Berichts- jahr im Großen und Ganzen gleichfalls als befriedigend bezeichnet, wenn es auch bis zum Herbst niht möglih war, die erhöhten Produktionskosten durch eine entsprehende Erhöhung der Papierpreife auszugleichen. Im Verlagsbuchhan del war das Geschäft im allgemeinen normal: im Sortimentsbuchhandel bestanden jedoch die dur immer mehr zunehmenden Wettbewerb verursachten Uebelstände fort, und es bedurfte meist der größten Anstrengungen, um den erworbenen Stand zu behaupten.

Das Gewinn- und Verlust-Konto der Hypothekenbank in Hamburg weist nah der vorliegenden Bilanz für das Geschäftsjahr 1900 die Summe von 2230765 Æ auf: das Aktienkapital wird mit 21 Millionen #, die saßungsmäßige Reserve mit 6 Millionen M, das Reserve-Konto 11 mit 1415321 A und der Beamten-Unter- stüßungsfonds mit 386 972 K angegeben. Wie bereits seit 12 Jahren, soll, dem Jahresbericht zufolge, vorbehaltlich der Genehmigung der Generalversammlung, eine Dividende von 89/9 gezahlt werden.

Nach dem amtlichen Bericht über Shwedens Handel im Jahre 1899 batte die Einfuhr aus Deutschland einen Werth von 184 113 000 Kronen, wovon ein bemerkenswerther Theil auf die Einfuhr von Getreide, Mebl, Hülsenfrüchten und landwirthschaft lichen Nebenprodukten entfällt. Nachstehend folgen die hbaupt- sächlihsten Ziffern des Berichts. Es wurden eingeführt an: Weizen 1 077 337 dz (im Werthe von 12928 048 Kronen), Ro gen 618 352 dz (6 492 698 Kr.), anderes Getreide, Bohnen, Erbsen, Wien 2c. 154754 dz (1847488 Kr.), Kartoffeln 771789 dz (4 090 481 Kr.), Hopfen 6759 dz (1 960078 Kr.), Hanf 10431 dz (544 154 Kr.), Sämereien aller Art 43432 dz (2682525 Kr.), Weizen- und Roggenmehl 151 994 dz (2345 455 Kr.), Zucker und Syrup 115 311 dz (2 502 408 Kr.), Butter 2016 dz (188 796 Kr.) Käse 2275 dz (284378 Kr.), Speck, Fleish und Schmalz 59957 dz (3213739 Kr.), Wolle 12007 dz (3128622 r.), Häute und Felle 37 401 dz (6561 295 Kr.), Viehbfutter aller Art, Kleie 54 840 dz (454 596 Kr.), Delkuchen 141 700 dz (1 799 600 Kr.), Pferde und Rindvieh 575 Stück (117090 Kr.), Frucht, Beeren Gartenbau-Produkte im Werthe von 893 427 Kr. Schließlich sei noch erwähnt, daß Maschinen und Geräthschaften für Landwirthschaft, Mehbl-, Zucker-, Spritfabrikation 2c. im Werthe von 1 141 680 Kr. und an fünstlihen Dungstoffen 447211 az (1708 140 Kr.) aus Deutschland nah Schweden eingeführt wurden. W. F.

Der soeben in gefälliger Ausstattung zur Ausgabe gelangte 35. Jahrgang des Notiz-Kalenders und Zeitungs -Katalogs der Annoncen - Expedition von Haasenstein u. Vogler (Aktién- Gefellschaft) für 1901 beginnt mit einem Tages- und Notizkalender, enthält dann Mittheilungen über den Geschäftsverkehr mit der Reichs- bank, sowie über das Post- und Telegraphenwesen und ein Verzeichniß sämmtlicher Agenturen der Firma. Den Schluß bilden zwei Nachschlage- Register, in denen die politischen Zeitungen des Jn- und Auslandes sowohl nah dem Orte ihres Erscheinens als auch nah den Staaten, denen sie angehören, geordnet aufgeführt und daher mit Leichti keit aufzufinden sind. In gleicher Weise sind auch die in- wie ausländischen Fach- und illustrierten Zeitschriften, Kurs- und Adreßbücher, sowie Kalender in einer besonderen, nah dem Erscheinungsort alph ish zusammen- gestellten Liste aufgenommen. e überall igten Angaben über Erscheinen, Spaltenbreite und Insertionspreise enthalten alles für den Juserenten Wissenswerthe.

Breslau, 10. Januar. (W. T. B.) Schluß-Kurse. Schles. 34°/%

L. -Pfdbr. Litt. A. 96,55, Breslauer Diskontobank 95,75 lauer Wedelerbank 103,75, Kreditaktien —,—, Schlesischer Bankv. 140,50, Breslauer Spritfabrik 171,75, Donnersmark 200,00, Katto-