1901 / 12 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Jan 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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. über die

A M I I E T fe Pg ER ggr ae I

die ruhige und versöhnlihe Foëm, mit der der Minister-Präsident die Debatte eingeleitet hat. - Gr hat sie in den richtigen TeBeal gebracht, indem er fagte, es handle sich um feine Bes olitische r e. Wenn man die frühere Vorlage zu einer hochpolitischen gemacht hat, so ist das nicht un)ere Schuld gewesen. Wir haben in dieser Frage niemals einen Geenlas, ¿wischen Landwirthschaft und Industrie eichen Die Rücksicht auf die Landwirthschaft hat uns nicht zur Ablehnung der Vorlage bestimmt. Wir haben von der Vorlage keine Vortheile für die Landwirthschaft erwartet, eher Nachtheile, aber wenn wir ge- glaubt hätten, daß diefe Vorlage eine wirkliche Förderung unserer ganzen öffentlichen Zie ea Rgen fönnte, so würden wir troß unserer Bedenken für. ihre Annahme gestimmt haben. Es war nicht die Frage, ob wir der Industrie das verlangte Verkehrsmittel überhaupt ften, sondern ob. das verlangte Verkehrsmittel das beste, glüd- ichste und gesündeste Mittel sei. Wir fouen die Besorgniß, daß durch einen folchen- Kanal die Herrschaft über unsere Tarife verloren gehen, das ganze Finanzwesen gefährdet werden könnte. Diese Be- denken find bei uns nicht beseitigt, wir werden aber die Vorlage ernstlich prüfen; wir sind es uns und unseren Wählern [Quldig, in dieser Frage na unserer Ueberzeugung zu stimmen

_ und nicht zu gestatten, daß diese Vorlage mit irgend welchen anderen

Fragen verknüpft wird. Aber wir sind dem Neichskanzler dankbar dafür, daß er über sie in einer versöhnlihen Weise Selieoilen und dadurch die Möglichkeit geboten hat, - daß, mag nun die Vorlage an- enommen oder abgelehnt werden, eine Verstimmung zwischen den

arteien, die darauf angewiesen sind, miteinander und mit der Regie- rung zu arbeiten, nit eintreten wird.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Rede des Grafen Bülow war eine schône Rede, er Pen überhaupt {ône Reden. Die Bemerkungen über die Zusamtnengehörigkeit des Ostens und Westens waren sogar fo schön, daß Fe einen manchesterlichen Anklang hatten und ich sie jan unterschreiben könnte. Alle Welt hat aber gehört, daß der Reichs- anzler von einem erhöhten Schußzoll ved, Die Journalisten- tribüne ist darüber einig. kann mir unter gesichertem Schußzoll überhaupt nichts denken. Wir haben eine aufsteigende Tendenz im Lande, wenn nicht etwa die Weltpolitik einen unheilvollen Einfluß ausübt. Die Landwirthschaft hat eine gute Ernte hinter sih. Die Finnen können mit demselben Recht über den gesunkenen Zinsfuß

lagen wie die Grundrentner über den Rückgang der Grundrente. *

Der Finanz-Minister hat sehr viel Geld. Durch das neue Einkommen- steuergeseßz, also durch eine neue Belastung des Landes, ist die Ein- Tommensteuer allein im Verhältniß von 100 : 250 gestiegen. Troß dieser ogen Einnahme aus der Einkommensteuer und aller Klagen ârte des Gesetzes wird nicht Hank angelegt, um dieses vor acht Jahren erlassene Geseß zu ändern. Abgeordnetenhaus kann dazu nicht die Initiative ergreifen. Die Eisenbahnen bringen O 30 Mill. Mark mehr. Ih meine nicht, daß diese Mehreinnahme unsicher ist. Tro dieser steigenden Einnahmen keine Reform der Tarife! Die Personentarif- reform ilt nit vollständig, daher kommt das viele Geld. Nicht mit einem einzigen Milliönhen Ausfall aus irgend einer Tarifreform wird diee Der ganze Etat 6s zu linien auf Ueberschüsse. 9 Millionen, 102 Millionen Ueberschüsse, das ist jeyt so die Regel. Die Finanzpolitik des Herrn Ministers von Miquel ist eine rein falide, sie ist aber volkswirth\schaftlih nit berehtigt. Im Gegen- zur glänzenden (N pandlage reußens steht die finanzielle Lage im Reih. Das Reich hat 1900 eine Unter-Bilanz von 80 Millionen, 1901 eine folhe von 84 Millionen, und dazu kommt noch die neue China-Anleihe. Auf eine Verminderung der Ausgaben im Reich hat Herr Minister von iquel niemals hingewirkt. Sonst erscheint er niht im Reichstage, bei der Flottenvermehrung hat er aber dort gesagt: „Finanziell haben Sie nichts zu befürchten.“ Im Rei erwartet man nicht, daß die veranschlagten Einnahmen wirkli eingehen werden, und doch sollen in diesem für das Rei ungünstigen Jahre die Einzelstaaten noch um 6§# Millioxen ark in ihren Beziehungen zum Reih besser fahren, und ¿war lediglich nach der automatishen Spannungstheorie, weil sie im vorigen Jahre etwas s{chlechter gefahren sind. Die Finanzlage im Reich und in den Einzelstaaten wird immer un- klarer. Warum will der Finanz-Minister das L Band zwischen Reich und Einzelstaaten lösen? Diese L g ist thatsä us pat tikularistisch; die Herren im Zentrum sind in diesem Urtheil fach- verständig. Der Hinweis auf die siebziger Jahre ist nicht \tihhaltig, denn damals, als die Frankenstein’\che Klaufel Geseß wurde, bestand noch feine fo Croße Reichsshuld. Das Reich greift doch nur deshalb auf die Einzelstaaten zurück, weil das Reich auf die Be- lastung des Massenkonfums, und des Verkehrs angewiesen ist und die direkten Steuern den Einzelstaaten vorbehalten find. In Preußen werden Hunderte von Millionen thesauriert, und im Reich bringt man eine Million auf durch eine neue Sciff- fahrtsabgabe. Das Zentrum sollte \sich mit uns vereinigen, um dem Finanz-Minister eine gehörige Summe von den Uebershüssen abzunehmen. Was die Ausgaben für die Kriminalpolizei betrifft, so muß mit dem Grundsaß gebrochen werden, C Jeder gut genug dafür 1, ‘der irgendwo in Tékiem L O Schiffbruch gelitten hat. Der Minister interessiert \sih für die Wohnun sfrage der Beamten. Die Lau tsathe ist do, daß er das Geld dafür auf dem ‘äfentierteller bringt. Im nächsten Jahre werden die Miethen eber teigen als sinken. Im internen Extraordinarium tritt eine gewisse esaurierung hervor. Ob ‘die Uebertragung auf die nächsten Jahre zweckmäßig und verfassungsmäßig ist, ist mir zweifelhaft. Es ist ja sehr gut, daß für Kunst ‘und die E etwas mehr ge- ieht. Die Ausgaben für die Schulbauten find das Paradepferd. er wird aber dadurch entlastet? Wir haben über diesen dis- kretionären Fonds gar feine Kontrole. Man hat ein Schuldotations- gese in diesem Jahre erwartet. Aber ein solches Schuldotations- geseß würde alle die Kontroversen zu Tage gefördert haben, die sih seinerzeit an den Zedliß's{hen Entwurf geknüpft haben. Unter dem Krummstabe wollen wir bei Regeluyg dieser Frage nit ruhen. Bedauerlich ist es allerdings, daß eine durchgreifende Reform in diesem Jahre niht vorgenommen wird, denn die ünstige Finanzlage dieses Jahres wäre die beste Gelegenheit dazu. Schon einmal hat man die Gelegenheit verpaßt bei der Steuer- reform. Jn Bezug auf die Polenfrage hat si herausgestellt, daß die angewandten Mittel niht im stande waren, das Polenthum zurück- zudrängen. Die polnische Bevölkerung wächst eben, und vom Staate werden die ensâße verschärft. arum stehen die geforderten Mittel für Bibliotheken, Theater u. #. w. der polnischen Landestheile im Etat des Finanz - Ministeriums? Man sagt do, es sei eine olitische Frage. nn müßten aber die Ausgaben dem Minister- Präsidenten unterstehen. an ist p die Hypothekenbanken zu rechen gekommen. Welche Papiere sind denn heute noch mündel- sicher Die Befürchtungen sind [ 3. viel zu weit gegangen. ¿an will die Treubänder finanziell verantwortlich machen; das läßt tief bliden. Was die Gerichtsvollzieher betrifft, so ist niemals ein größerer Fehlschlag eingetreten als mit der Neuord- nung des Gericht8vollzieherwesens; in den großen Städten herrscht eradezu eine Kalamität. Jh wénde inih zu dem Ministerium des Zanner Auf die Frâge der ätigung der Beamten werden wir i anderer Gelegenheit eingehen. Erfahrungen des Prozesses Stern haben das {on durch den E o ozeß ges\chw Ansehen der Kriminalpolizei nicht verstärkt. ene es dem neuen Minister-Präsidenten hoh an, daß er si sofort mit dem Minister des nnern in eine Kontroverse vor der Oeffentlichkeit über diese ra eingelassen hat. Was die Organisation der Kriminalpolizei fft, so ist doch niht der Minister der Chef der gerichtlichen Polizei, sondern die Staatsverwaltung, die im garoieh Sternber der ene wenig unterstügt* worden E: ir fomimnen j p

von nicht eher iti i über t besei F, L bie polizei mit At A Fe A Thätigkeit ist noch ein N aus dem Sozialisi So Slinatet f mod gi Fadflang (aus dem Solaifngleh, obs Eibe le Lin De Ta e Me: einzeluen Miciita TU 1 , cinanber ausg En einander R dts Die Z era en von i s zensur hat ín legter wieder merkwürdige Blüthen

* meint gewesen? Die Panzer, die während

etriében. Ein Stü, defsen Aufführung: in l fi Berlin verboten. Wer ist verantworlih? Der Minister des Innern kann doch nicht lesen. Verantwortlih ist der frühere Landrath Dumrath, der wegen seines Votums in der Kanal- vorlage gemaßregelt wurde. Jch möchte wissen, woher er feine Qua- lififation hat. Eigenthümlih war das Verha ten des Polizei- Peastiatns gegen das Opernhaus am Bußtage, Das-Polizei-Präsidium onnte ja ‘nicht anders handeln, - aber warum bestehen solhe Verord- nungen? Solche Verbote fuhren dazu, daß die Theater und Konzerte leer und die Wirthshäuser voll werden. Der Minister-

räfident soll gesagt haben, data anders werden. Jh würde mich euen, wenn er dies bestätigen wollte, falls er uns wieder einmal die Ehre seines Besuchs schenken will. Berlin foll einen neuen Ober- Präsidenten bekonimen. Ein solcher Beamter würde mehr schaden als nüßen. An Geseßen haben wir gerade Éenug, Ich bin auch nicht böse darüber, daß uns keine agrarischen Geseßzentwürfé angekündigt sind. Man will das Terrain für die Kanalvorlage- sturmfrei halten. raf Limburg hat die Vorlage eine G A genannt. Zomten Sie fi do nicht, dieses Geseg ist das wichtigste Geseß der Session

und ebenso politisch wie die Zolltarif-Vorlage. Der Abg. Frißzen will keinen Zankapfel. Im Parlament ist Ruhe nicht die erste Bürgerpflicht. Jch meinerseits- bedauere, daß die Vorlage niht {on im vorigen Jahre eint worden ist. Jch bedauere aber nicht, daß man keine aen orte gebaut at; sie verfangen weder links noch rechts, und sie haben erst recht keinen Zweck, wenn dabei nichts erausfommt, als die Maßregelung von 20 armen Landräthen. Herr Minister von Miquel ist über die Kanalvorlage sehr \{chweig- am gewesen. Ist in dem Schluß seiner Rede, in dem er sagte, unsere Finanzlage ist fo günstig, daß man auch einmal - etwas unter- nehmen kann, was nicht ganz sicher ist, da der Kanal ge- rx nächsten Jahre gebaut werden sollen, kosten doppelt soviel wie der Kanal. Die Rechte be- eistert fich für jene und sür die afrikanische Zentralbahn, undzhier macht fie Schwierigkeiten? Die Kanalvorlage wird entweder angenommen oder versleppt werden, wenn es aber zum Klappen kommt, fo tvird sie angenommen. Die Landräthe sollten nicht so ängstlich sein, es sind ja 15 neue Regierungsstellen außer den Stellen E vortragende Rathe neu gefordert. Die politische Situation zwingt die Herren von der Rechten, für die Vorlage zu stimmen. Sie können nit in Oppositionsstellung verharren, weil sie auf das Zusammengehen mit der Regierung an- ewiesen sind. Herr Sriden hat nicht für seine ganze E enen.

as Zentrum würde schon damals für den Kanal gestimmt haben, wenn dies niht {on durch das Kommunal-Wablgeeh durchkreuzt worden wäre. Die Annahme der Kanalvorlage kann höchstens ver- \{leppt werden. Ein Theil der Konservativen wird in der Op osition verbleiben, und er wird s{ließlich froh sein, daß er bestegt ist. Es wird sich darum handeln, die Rosinen aus dem Kuchen heraus- zusuchen. ie Regierung hat die Rosinen gerade in den Kuchen gesteckt, um den Ost-Elbiern den Kuchen s{hmackhaft zu machen. Dur neue Kompensationen wird vielleicht nur erreicht werden, daß auf der linken Seite mehr orduete das Schiff ver- lassen als es bestiegen. Wir sind für den Kanal aus rein sachlichen Gründen, mußten aber dabei die Bemerkung machen, daß unser Eifer die Regierung unruhig machte. Wir haben unsere Pflicht gethan, mag nun die Regierung die ihrige thun.

V mene des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ih kann den bisherigen Rednern zum Etat, selbst eins{ließlich des Herrn Abg. Richter, nur dankbar sein.

Was die beiden ersten Redner betrifft, so hat der Herr Abg. Fritzen die finanziellen Grundsäße, nah denen die preußischen Finanzen seit Jahren in Uebereinstimmung mit diesem hohen Hause geführt sind, vollkommen gebilligt. In einzelnen Punkten weit er ab; das ist ja aber bei einem fo großen Etat durchaus natürlich.

Herr Graf Limburg-Stirum hat mir ganz im Gegensaß gegen den Herrn Abg. Richter übrigens in sehr freundlicher, leiser Weise vorgehalten, ih hätte die Situation zu günstig geschildert, und er hat wiederum im Gegensaß gegen den Herrn Abg. Richter wohl gemeint, daß ih ‘diese allzugünstige Schilderung der Finanzlage Preußens mit einem bestimmten Zwet, wahrscheinlich um das Durchgehen der Kanalvorlage zu erleichtern, vorgetragen hätte. Meine Herren, ih möchte glauben, daß es mir gelingen wird, zuvörderst den Herrn Grafen Limburg zu überzeugen, daß ih in beiden Fällen in der Art und Weise, wie ih früher die Lage geschildert und - welWe Warnungen ih daran geknüpft habe, und in der Art und Weise, wie ih es beute gethan habe, mir vollkommen konsequent geblieben bin.

Man macht immer die Erfahrung, daß in den Zeiten des Auf- \{wungs diefer Aufschwung in seiner Bedeutung und Dauer über- {äßt wird, und daß daraus sehr nachtheilige Folgen für die dauernde Belastung des Staats entstehen können. Jn der Zeit dieses großen Aufshwungs war es meine Aufgabe, das Anstürmen gegen „die Staatsfinanzen, das fortwährende Drängen, die Ausgaben des Staats zu erhöhen und ganz neue Ausgaben und Aufgaben dem Staat aufzulegen, möglichst zu mäßigen. Jh mußte naturgemäß, wenn ich meine Aufgabe erfüllen wollte, unaufhörlich darauf hinweisen: glauben wir nicht, daß dieser Aufshwung,' die hohen Ziffern der Ein- nahmen dauernd bleiben werden, hüten wir uns, dauernde Ausgaben in allzu hohem Betrage auf diese vergänglihen Einnahmen zu werfen. Heute nun,“ meine Herren, ist die Lage Herr Frizen hat sie im Ganzen durchaus richtig geschildert eine andere. Heute ist das Ge- fühl vorhanden: die wirthschaftlihe Entwickelung geht eher rückwärts, wir werden vielleiht bald eine Periode des Stillstands oder gar des Rückgangs haben. Heute können aus dieser Lage leiht allzu pessimistische Konsequenzen hergeleitet werden, und da ist es, meine Herren, meine „Aufgabe, au dies zu verhüten. Es liegt im Staatsinterese und im gesellschaftlichen Interesse, daß eine folche Direktive, die die gewerbliche Entwickelung giebt, nicht nach der ungünstigen Seite hin übertrieben wird, um so mehr, als ih durch diese Art der Behandlung mir selbst und dem hohen Hause, welches stets troß der ‘unaufhörlichen Abmah- nungen des Herrn Abg. Richter mit dieser Finanzpolitik gegangen ist, zeigen wollte, daß gerade die Politik ‘der Vorsiht und des Denkens an die Zukunft uns jeyt sichérer maht gegen einén allzu starken Rück- schlag, der unseren Staatsfinanzen gefährlich werden fönnte und ohne diese Politik gefährlih geworden wäre. Es ist doch für uns alle trôöstlih, daß wir in der Vergangenheit niht nah dem Rath des Herrn Abg. Richter die Früchte einer vorübergehenden Zeit verzehrt haben, um jeßt in der vielleicht kommenden knapperen Zeit nichts zu

. Es ist tröstlicher für uns, Reserven aufgehäuft zu haben, die uns über solche ungünstigen Zeiten hinweghelfen werden.

Was ist die ganze Finanzpolitik des Herrn Abg. Richter ? Es ist die Politik desjenigen Unternehmens oder Unter- nehmers, welher hohe Einnahmen in einer - Hausseperiode hat und sie für si selbst verbraucht, um gar keine Reserven zu haben in Zeiten, wo die Wöge zjurückgeht, wo die Einnahmen knapp werden und wo die Mittel, die großen Ausgaben zu decken, niht mehr vor-

handen sind. Das ist die Politik des Herrn Abg. Richter hier und

g- gestattet ift, ist

im Reiche. Ih“ kenne ihn in diefer Bezizhung seit 30 Jahren; is hábe - nie was anderes gesehen. Er ist si ja. überhaupt immer fo sequent; - er hat ja nit die Neigung, si selbst zu kritisieren und 3) |

fragen, ob seine eigenen Meinungen überhaupt richtig waren oder ob sie _noh- richtig sind, und die Lehren aus den Grfahrungen

und aus den ‘veränderten Thatsachen zu ziehen. 4

Meine Herren, ih möchte auf die Frage des Verhältnisses, Preußens zum Reich hier nicht tief eingehen. Zu denen, die die Ge. schichte det Reichsfinanzen kennen, von Anfang an mitgewirkt haben, kann ih mi selbst rechnen; die Paragraphen in der Reichsverfassung über das Finanzwesen rühren wesentlich von mir her, und ih bin derjenige gewesen, der am ersten Tage bei der Berathung der Ver- fassung des Norddeutschen Bundes darauf hingewiesen hat, daß das Wesen ‘der Matrikularumlagen als ein lediglich vorübergehendes Aus- kunftsmittel, so Tange“ die Reichs-Finanzverwaltung noch nit ge: nügend geordnet war, zu betraten sei. Also ih weiß ganz genau, was' im Sinne ‘des Reichs und im Sinne der föderativen Verfassung Deutschlands die Matrikularumlagen bedeuten follten. damals ‘daran gedacht, daß das eine dauernde Institution werden sollte.

‘Meine Herren, der Herr Abg. Richter, immer sehr geneigt, ih hinter den : breiten und starken Rücken des Zentrums zu: \tecken (Heiterkeit), thut nun fo, als wenn seine Politik die Politik des Zentrums wäre. Meine Herren, der Herr Abg. Richter ist ein entschiedener Gegner von Schuldentilgung stets gewesen; Höchstens will er Schulden ‘tilgen lassen aus zufällig vorhandenen Uebers{üfen; wenn die Uebershüsse aber verzehrt sind, so ist es auch gut, so werden eben keine Schulden getilgt. Dem Zentrum und feinen Führern ist es zu verdanken, daß endlih die Schuldentilgung im Reiche eingeführt ist, und wir können auch seitens der Regierung dem Zentrum in dieser Beziehung nur durchaus dankbar sein. Ih habe diese Politik immer gebilligt, obwohl die Matrikularumlagen ‘dadurch höher oder die Ueberweisungen geringer wurden. Meine Herren, im vorigen Jahre, als neue Ausgaben durch das Flottengesez nothwendig wurden, ist den Zentrum das Bestreben zu verdanken gewesen, nun au aus Nei: mitteln die erforderlihen Einnahmen dazu herbeizuschaffen. Eine derartig Politik würde nah meiner Ueberzeugung der Abg. Richter nie billigen; daher glaube ich auch, daß in Zukuuft die Herren vom Zentrum si überzeugen werden, daß der Hauptgrund, den sie für die Beibehaltung der Matrikularumlagen anführen, daß nämlich dann sparfamer regiert würde, weil die Einzelstaaten dann das Interesse hätten, die Matrikular- umlagen, d. h. die Ausgaben des Reichs möglichst niedrig zu halten, ein vollkommener Irrthum ist.

Meine Herren, . wir haben im Deutschen Reiche nur einen ver- antwortlihen Beamten, das ist der Reichskanzler; wir können, ohne die Verfassung des Reichs von Grund auf zu ändern, einen zweiten selbständig verantwortlichen Ghef, der für die Finanzen oder für das Innere verantwortliä) wäre, im Gegensaß zu dem verantwortlichen

“Beamten für die auswärtige Politik niht schaffen. ‘Das ist nah

meiner Ueberzeugung ein Ariom, das jeder, der unsere Verhältnisse und den Föderativstaat, die Eristenz des Bundesraths u. f. w. in Erwägung zieht, niht bestreiten kann. Folglich fkönnen Sie im Reiche diè Garantie einer \parsamên, sorgfältigen, vor- sichtigen Verwaltung - durch einen dafür aus\{ließlichß -und direk verantwortlichen Minister nicht bekommen. Außerdem sind im Neiche aber mächtige Ressorts, denen felbst von einèm folchen, persönlich verantwortlichen Minister {hwer zu widerstehen ist. Worin liegt, meine Herren, die Garantie einer wirklich \parsamen Ver- waltung? einfach in der Nothwendigkeit, die Mittel für die Aus: gaben, die man bewilligt, au selbst. herbeizuschaffen. (Sehr richtig!) Wenn der Reichs-Schaßsekretär den Ressorts, die auf Mehrausgaben drängen, oder dem. Reichstage, der Mehrausgaben ja oft auch fordert, wenn dann -der Schaßsekretär erwidern kann: die Mittel sind ershöpft; wenn ihr mehr ausgeben wollt, so müßt ihr die Mittel herbeischaffen das ist eine wirkliche Garantie! -War's mit der lex Huene nit genau so? Das war genau: dieselbe Frage. Wenn die Herren im Reiche, wenn sie keine Mittel für ihre Ausgaben haben, - einfach die Matrifularumlagen erhöhen können, so ist das für s{chwache Ge- müther geradezu eine Einladung, die Ausgaben zu vermehren. Ih bin noch vor kurzem in ‘einem Kreise gewesen, wo ih das Kreishaus besucht habe; ih fand wirklich nah meinen Begriffen einen wahren Palast. Da habe ih mich erinnert, wie nüßlich es ge wesen ist, daß wir einen Zustand aufgehoben . haben, wo den Kreisen das Geld von außen nur so in die Taschen flog. Leicht gewonnen, 4 leiht zerronnen! Meine Herren, diesen Zustand konservieren Sie im * Reich, wenn Sie ihn dauernd erhalten.

Der Herr Abg. Fritzen hat ja allerdings gesagt: wir erkennen an, daß man die Matrikularumlagen möglihst niedrig halten muß, daß eine Steigerung bedenklich ist, und wir haben gezeigt, daß wir dana streben, indem wir der Spannurigstheorie zugestimmt haben. Ja, meine Herren, ih glaube niht, daß, wenn der heutige Zustand, di! verfassungsmäßige Ordnung, wie sie besteht, bleibt, das in einem volla Maße durchzuführen is. Wenn ih gesagt habe, Preußen kant auf Ueberweisungen verzichten, so habe ih direkt Hinzugefügt: wen wir nur dann auch von- weiteren Anforderungen des Reichs befreit sind! Aber, meine Herren, wir könnten selbst das noch eher ertragen als eine Reihe von kleineren und mittleren Staaten in Deutschland, die diese Ressourcen nicht besitzen, die keine Eisenbahn haben u. s. Wie wollen diese ein solhes Steigen der Ausgaben mit korrespon- dierendem Wachsen der Matrikularumlagen ertragen! Da kommt allerdings der Punkt, wo eine Entwickelung, wie ih sie beim Zentruw gesehen habe, die im wesentlichen höht erfreulih ist, hier aber zu weit geht in der Unifizierung eine Entwickelung, die si nicht 1 sehr zur Aufgabe mat, ans\{ließlich und vorzugsweise die Interefs® der Einzelstaaten zu vertreten, sondern die Reichsinteressen in des Vordergrund stellt —, daß diese Entwickelung doch nah der finanziell“ Seite übertrieben wird, und daß, wenn man den Föderalismus in Deutschland aufrecht erhalten will, man in dieser Beziehuns jedenfalls mit der größten Vorsicht vorangehen muß. hoffe eben, daß das Zentrum durch die Erfahrungen, die mat, au in dieser Beziehung auf einen vorsihtigen und maßb Weg zur Erhaltung der mittleren und kleineren Staaten kommen wird.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Niemand hat

1}

“(Schluß aus der Ersten Beilage.)

“Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat uns hier einen Vor-

‘44g gehalten, den er, fo lange ih hier bin, jedes Jahr gebalten hat. (Heiterkeit rets.) Ich habe immer gehört: „Uebershußwirth\chaft“, Heidenmäßig viel Geld“, „Uebermäßige Bedrängung des Beutels des ‘einzelnen Skeüerpflichtigen“, „Der Staat mat sih unnüß rei“, Das’ ist ein ganz verkehrtes Finanzsystem!“ Das haben wir immer ‘gehört. Heute hätte vielleicht der Herr Abg. Richter diese Tonart weniger überzeugend anschlagen sollen; denn er selbst giebt ja zu, daß ¡ir vielleicht an einer Wende der wirthschaftlichen Entwicklung stehen. Er giebt damit zu, daß die Einnahmen wahrscheinli rückwärts gehen werden. (Abg. Nichter: Das Gegentheil !) Jch habe wenigstens ‘vielleicht liegt es an der Akustik des Hauses (Heiterkeit), die der Herr ‘Abg. Richter mir * niht, wobl aber sich selbst zu gute renen wird nit anders verstanden, und wenn er“ es nicht ¿eságt hat, fo hat er es doch wohl denken müssen. (Heiterkeit.) Es {ft ja offenkundig, daß unsere Wirthschaft in diesem Glanz nicht mehr ‘weiter geht, ‘in dem sie in den leßten vier, fünf Jahren vorangeschritten i, und daß die Zeit kommen kann, wo wir mal auch wieder möglicher- eise von den getilgten Schulden einiges hergeben müssen. Da paßt am wenigsten diese Nede. Er sagt, wir hätten die Steuer ins Un- ‘gemessene gesteigert. Nichts von alledem. Jch habe hier mehrfach naGgewiesen, daß die Steuerreform als solche absolut keine Erhöhung der Steuern herbeigeführt hat. Wenn die Steuern gestiegen sind, so {t ‘das lediglich infolge der gestiegenen Wohlhabenheit und der Er- höhung der Einnahmen der Zensiten geschehen, durch nihts Anderes. Das ist gerade der- Vorzug dieses Steuersystems, daß in Zeiten, wo die einzelnen Pflichtigen viele Netto-Einnahmen haben, sie auch dem- entsprechend zahlen, daß fie aber auch weniger zahlen, wenn die Be- {vegutig eine rückwärtige ist und die Einnahmen si vermindern, während

früher die Grundsteuer gezahlt werden mußte, ob der Eigenthümer etwas

geètntet hatte oder nicht, die Gebäudesteuer und die Gewerbesteuer im wefentlihèn ebenso. Heute haben wir ein Staatssteuersystem nah der Leistungsfähigkeit. Wir haben- schon gesehen, daß in zwei Jahren: nah Cinführung der neuen Einkommensteuer weniger gezablt

wurde an Steuer, z. B. von den Aktiengesellschaften; findet denn

Herx Nichter ‘ein Steuersystem \{ön, wenn die Aktiengesellschaften

steuern sollen -auch dann, wenn sie keine Dividende geben, keine Ein-

nahmen haben?

Aber im übrigen, meine Herren, sind wir unserer Einnahmen nit Herr. Ein Staat, der drei Fünftel seiner Ausgaben deckt durch die Erträge ‘seines eigenen Vermögens, durch die Betriebsverwaltungen, hängt in cinem solchen Maße von den Konjunkturen der wirthschaft- liden Bewegung ab, daß wir nur in geringem Maße auf die Netto- ergebnisse ‘dieser großen Betriebseinnahmen einwirken können. Soweit vir das aber können, haben wir es au getban. Es ist durchaus

irrig, wenn man meint, das gesammte Ertraordinarium enthalte Ver-

“möôgensverbesserungen des Staats, vermindere seine dauernden Ausgaben

Aber daß wir in der guten Zeit, in der Zeit einer wahren Finanzblütbe unser Extraordinarium so gestaltet haben, daß wir, ohne eine zu große Be- nachtheiligung der wirthschaftlichen Entwickelung herbeizuführen, dasselbe in ungünstigen Zeiten auß wieder etwas vermindern können, kann fein Fehler sein, es ist das vernünftige, vorsichtige Verhalten eines guten Hauêvaters. Jh will weiter auf diese Sache nit eingeben.

__ Der Herr Abg. Richter hat nun noch gemeint, hier \{wämme alles in Geld, und die Lage des Neichs wäre kläglih. Jch schließe mich det Auffassung des Herrn Neichs-Schatzsekretärs an, daß die Lage der Finanzen des Reichs nicht mehr so günstig ist wie früher. Kläglich kann man ‘sie aber noch in keiner Weise nennen. Wir wissen noch niht, wie in den nächsten Jahren der Gang der wirthschaftlichen Be- wegung auf die Reichsfinanzen cinwirken wird. Wenn der Herr Abg. Richter wirkli der Meinung i}, daß unsere wirthschaftliche Bewegung flott weiter geht in der bisherigen Höhe, dann braucht er doch ‘‘auch keine Sorge zu haben, daß die Zölle, die Einnahmen aus der Post, aus den Eisenbahnen \sich vermindern; dann’ kann er auch selbst annehmen, daß die - neue erhöhte Stempel- steuer, wie sie veranschlagt ift, Einnahmen bringen werde und vielleicht noch ‘über die veranlagten und veranschlagten Beträge hinausgehen werde. Das sind ja alles innere Widersprüche; je nachdem es dem Herrn Abg. Richter paßt, einmal einen Saß mit dieser Behauptung zu beweisen, oder einen anderen Saß mit der entgegengeseßten, wird uns dieses hier vorgetragen.

Aber es kommt weiter hinzu: wie nun auch die Gestaltung unerer Zölle in den nädsten Etats sich stellen wird, das ist klar, daß in allen Fällen auf die Reichsfinanzen auch die Gestaltung unserer Zolleinnahmen einwirken wird. Heute eine feste Meinung #i{ch hier du bilden über die Lage der Reichsfinanzen in einer längeren Periode der Zukunft, ist überhaupt nicht möglih. (Sehr cihtig!) Aber das ist zu hoffen, daß der Herr Abg. Richter bei seinem Einfluß im Reichstage darauf hinwirken wird, wenn diese ängünstigen Chancen wirkli eintreten, daß dann das Reich felbst seine *fläglihe“ Lage verbessert; es hat die Mittel dazu in der Hand.

nsêre! indirekten Steuern sind noch niedriger als ‘die aller anderen Kulturstaaten; wir haben solche, wo die indirekten Steuern 3 ünd {mal -\o ho sind, und diese Staaten bestehen doch dabei. Wir würden niht untergehen, wenn z. B. eine mäßige Biersteuer oder Si Andere derartige Steuer eingeführt würde (Heiterkeit; hört, hört! inté),, und der Herr Abg. Nihter hat es dann ja in der Hand, die „Mäglichkeit* der Lage der Reichsfinanjen felbst zu bessern. Ob vieser

‘an ihn äber irgend einen Erfolg haben wird, das ist mir aller-

dings durchaus iweifelhaft. (Heiterkeit.)

¡c Méine Herten, der Herr Abg. Richter meint, ein- Etat, wie der liegende, den selbft die radikale Presse’ cinen'glänzend, dotiertèn nennt, . ‘doch eigentlich noch nichts Genügerides; Nl Ordinarium

d, géstiegen, um 14 Millionen, baß man nicht, sagen Bejie Fina 08e as Nbtbiae aeteben: 6.)

, was zu vertheilen war. Es ist den Ressorts vielfach

kalles her]

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 15. Januar

fogar alles bewilligt, was fie forderten. ‘Das Haus selbst ‘bat be: \{klofsen, die Gehaltsaufbesserungen sollen vorläufig abges{hlo}en sein. Wir könnén auch damit nicht ewig weiter gehen. Dringende Bedürf- nisse, welche dieses Jahr decken muß, sind nicht unberüsichtigt ge- blieben. Und wenn“ wir das Extraordinarium {tärker ausgestattet haben ‘als das Ordinarium, so haben wir gerade in diesem Jahre dazu erst recht ‘alle Veranlaffung. Jch hoffe, das hohe Haus wird dieser Auffaffung; der es immer gefolgt ist in den leßten Jahren, ‘in diesem Jahre erft recht treu bleiben, wir werden so mit viel größerer NRube der Zukunft entgegengehen, als wenn wir die Politik des Abg. Richter befolgt hätten. (Bravo rechts, Lachen links. Rufe: Kanal !) Meine Herren, ih höre vom Kanal reden; die Sache war mir zu unbedeutend in dieser kleinen Anzapfung des Herrn Abg: Richter, als daß ih es für nöthig gehalten hätte, darauf zurückzukommen. Man hat mir systematisch vorgeworfen, mir sei die Sache nicht recht ernst {hon bei der ersten Berathung, weil ih der Hoffnung, welche der Herr Abg. Richter aussprach, die bei der Kanalfrage sich bildenden Gegensätze würden das Zusammengehen der produzierenden Klassen, was ih damals die Politik der Sammluñßg ge- nannt habe, von nun ab unmöglih machen, widerspräch und sagte: die Frage der Neubildung unseres Zollwesens kann nicht entschieden werden durch die Kanalfrage, daraus hat man mir vorgeworfen, als wenn mir die Vertretung des Kanals niht recht ernst gewesen wäre. Jch kann behaupten, ih habe niemals einer Geseßesvorlage, die einem andern Ressort angehörte, fo viel Arbeit gewidmet, wie der Kanalvorlage. Ich berufe mich auf die Reden, die ih hier gehalten habe; ich berufe mich darauf, daß i fast auênahmslos jeder Kom- missionsfißzung beigewohnt habe. Es kann keine Vorlage sein, die ih entschiedener vertreten habe. Meine Herren, daß ih die Vorlage aber nicht gleich als eine politische Kriegsvorlage behandelt habe, diese Art von Behandlung ist jeßt durch die Erklärung des Herrn Reichs- fanzlers legalifiert worden, und, meine Herren, die Régierung hat niemals die Auffassung gehabt, daß man die Kanalvorlage benußen müsse, um eine andere politische Situation im Lande herbeizuführen. Sie wollte eben auch wie der Herr Abg. Richter nur die Kanal- vorlage, und sie hoffte, das in Uebereinstimmung und in Frieden mit diesem hohen Hause zu erreichen, mit welchem sie solange frucht- bringend für das Land gewirkt hat.

Wenn der Herr Abg. Graf zu Limburg-Stirum fogar be- fürchtet, daß meine ganze Färbung unserer jeßigen Finanzlage den Zweck habe, die Kanalvorlage zu erleihtern, wie kann der Herr Abg. Nichter denn daraus, daß ih expreß hier in einer allgemeinen Etatsrede diese Spezialfrage nicht behandelt habe, herleiten, daß mir die Sache nicht recht ernst sei? Aber, meine Herren, ih frage die- jenigen, die die Lage hier im Hause kennen, die Stimmungen ver- stehen: ob die Prophezeiungen des Herrn Abg. Richter, der Kanal iwvürde zu stande kommen, und die Gründe, die er dafür abgiebt, ge- eignet sind, den Kanal zu fördern? “(Sehr richtig!) Jch will das absichtlich niht weiter ausführen, ein System kennzeihnen, welches schon bei der früheren Kanalvorlage in der Prefse auch viel zum Vor- schein kam, es denjenigen, die geneigt waren, für den Kanal zu timmen, {wer zu machen, dafür einzutreten (fehr rihtig!), und ih meine, der Herr Abg. Richter hätte seine innere Neigung ih möchte fast sagen : sein Müthchen an Anderen zu kühlen, doch etwas zurückhalten sollen in diefem Falle; er würde dem Unternehmen des Kanals dadurch einen größeren Dienst geleistet haben. (Heiterkeit.)

Minister des Junern Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herr Abg. Nichter hat in seinem gütigen Herzen bereits vor Jahresfrist bei der ersten Lesung des Staatshaus- halts-Etats seinem Mißtrauen gegen die neu hinzugetretenen Minister, den Herrn Kultus-Minister und mich, Ausdruck gegeben. Er hat heute Gelegenheit genommen, den Herrn Vize-Präsidenten des Staats- Ministeriums und mich dieses Mißtrauens nochmals zu versichern. Jch freue mih darüber, denn dieser Zustand ift zwischen dem Herrn Abg. Nichter und meinen Herren Amtsvorgängern immer gewesen, und ih glaube, ein Minister des Junern, der ih einmal der vollen Zustimmung des Herrn Abg. Richter erfreuen würde, wäre eine nit ganz unbedenklihe Erscheinung. (Sehr richtig! Heiterkeit rets.)

Aber, meine Herren, wenn der Herr. Abg. Richter in dieser Weise Vorwürfe gegen einen Minister erhebt, dann meine ich, müßte er besser gewappnet sein, und seine Informationen müßten zutreffender sein als diejenigen, welche er hier vorgetragen hat.

Zunächst ist er auf die Theaterzensur eingegangen und hat mich als den Ausfluß“ aller Böswilligkeit hingestellt. Er hat erklärt, soweit ih seinen Worten ganz folgen konnte, ih hätte die. Polizeibehörden angewiesen, Stücke von zweifelhaftem Kunstwerth zu verbieten. Das ist mir niemals eingefallen. Es würde die Aufgaben der Polizei weit- aus überschreiten, wenn sie in dieser Weise das Amt des Kritikers übernehmen wollte. Jh habe vielmehr in einer Verfügung vom 5. Dezember v. J. die mir nachgeordneten Behörden auf die Aufgaben auf dem Gebiete der Theaterzensur hingewiesen. « Jch - habe sie an- gewiesen, einmal nahdrücklich all’ den Dingen entgegenzutreten, die das Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzen, andererseits wirklichen Kunst- werken keine unberechtigten Hindernisse in den Weg zu legen, (Bravo! bei den Nationalliberalen.) Aus der damaligen Anweisung an die Behörden möchte ih folgende Stelle hervorheben :

Namentlich haben manche von den Behörden zugelassene Theater- vorstellungen - vom sittlihen Standpunkte erheblichen Anstoß geben müssen, während anderen Bühnenstücken ungerechtfertigte Schwierig- keiten gemacht worden sind. Im Hinblick. auf den doppelten Zweck der Bühne, eine Erholungsstätte und eine Stätte der Bildung und Grhebung für weite Schichten der Bevölkerung „zu, sein, darf die Zensur „nur solchen Beamten anvertraut . werden, , dic .nach ihren Kenntnissen, ihren Erfahrungen: und ihrem sittlih gereiften Urtheil genügende' Gewähr vor - Mißgrisfen - bieten. . Theatralische - Vor-

stellungen, Singspiele,, Gesangs: “und ,deklamatorische „Vorträge ,

Schaustellungen von Personen und ähnliche Aufführungen, die

1901.

das Scham- und Sittlichkeitsgefühl gröblih verletzen, sind“ unter- keinen Umständen zu dulden. Geben die zur Zensur eingereihten f, Texte und Beschreibungen zu Bedenken Anlaß, fo empfiehlt ich meistens der Weg der mündlichen Verhandlung mit dem Verfasser oder dem Unternehmer, der das Werk zur Aufführung “‘einge- reiht hat, und erst wenn dieser Weg nicht zum Ziele führt, ein auf das nothwendige zu beschränkendes Verbot.

Von großem Nutzen kann die vorherige Befragung von ge- eigneten literarishen Sachverständigen fein, namentlich dann, “tvenn |. die Grundtendenz des Stückes bedenklih oder sein Kunstiverth zweifelhaft erscheinen. Zu beachten bleibt aber in allen Fällen, * daß Verzögerungen der Entscheidung im allseitigen Interesse nah Möglichkeit vermieden werden müssen. Dies gilt besondèrs bei nachträglihen Beanstandungen, die fih bei der Kontrole der Auf- führungen als nothwendig erweisen sollten.

Also es hat mir völlig fern gelegen, für- die Polizeibehörden " eine derartige Befugniß in Anspruch zu nehmen, wie der Herr Abg. Richter das hier ausgeführt hat.

Dann hat der Herr Abg. Richter’ gesagt, ich ‘hätte die Verbote, die so viel ih muß sagen unberetigtes Aufsehen ‘in der Presse erregt haben, meinerseits erlassen. Jch habe auch nicht: ein Verbot erlassen. Es ist das auch gar: niht meine Zuständigkeit, fondern zu: ständig sind die Polizeibehörden, und ih bin im leßten Falle-Be- shwerdeinstanz. Ich würde die Behörden in ihrer pflichtmäßigen . Thätigkeit lähmen, wenn ih mich unter Verletzung des Instanzenzuges in ‘diese Dinge mischen wollte. Jch ‘habe - es daher abgelehnt,! unter Verleßung des Instanzenzuges jene Anordnungen des Polizei-Präsidiums meinerseits aufzuheben.

Der Herr Abg. Nichter hat beispiel8wéise au gesagt: ih hätte „die Gestrengen Herren“ verboten, und es sei lange Zeit vérgangen, bis ih das Stück durchgelesen und meine Monita gezogen hätte. Jch habe von dem Verbot des Stückes überhaupt erst Kenntniß bekommen, als es längst ergangen war. Jch habe speziell dieses Verbot für nicht gerechtfertigt gehalten. Die Grundtendenz des Stücks war durchaus éinwandésfrei, und die einzelnen Punkte, die vielleiht zu einer ‘Be- mängelung Anlaß geben konnten, hätten, wie in der Zirkularverfügiing angedeutet ist, niht zur Beanstandung des ‘ganzen Stücks führen sollen, fondern dahin, die Beseitigung der einzelnen 'beanftändeten Pasfagen zu verlangen. Der Herr Abg. Richter 'ist so weit gegängen zu fagen, es sei gut, daß der felige Schiller nicht mehr -lebè; “denn man könne nicht wissen, was ihm unter dem Ministerium von Nhein-

- baben passiert wäre. Nun, meine Herren, es kommt mir wunderbar

vor, wenn ih fo in der Presse und' andererseits jet als: Bövtier dritter Ordnung hingestellt werde. Jch habe von jeher das lebhafteste Interesse für Kunst und Literatur gehabt. Jch habe das Glück: gehabt, 32 Jahre Erster Kurator der Kunst-Akademie in Düsseldorf zu * sein und habe meinerseits in der Rheinprovinz einen Verein ins Leben ge- rufen, der bezweckt, klassische Festvorstellungen in regelmäßiger Wieder- kehr zu geben. Diese Vorstellungen sind bereits mit großem Erfolg gegeben worden. Jm ersten Jahre sind Goethe!she Stücke aufgeführt

i en, | worden, im vorigen Jahre haben wir Schiller'she Stücke aufgeführt. durch die Art und Weise, wie man die Gegner des Kanals behandelte, |

Und wenn der felige Schiller aufstände, meine Herren, ih bin fo un- bescheiden anzunehmen, er würde“ sih vielleicht für mi entscheiden und nicht für Herrn Richter. (Heiterkeit.)

Was die Frage der Theaterzensur betrifft, so möchte ih mix ge- statten, mit einigen Worten darauf einzugehen. Jch halte die Kunst, die dramatische Kunst, für ein wahrhaft werthvolles und nicht ent- behrendes Bildungsmittel unseres Volkes, und ih meine, wir folltén alle bemüht sein, diese Kunst heilig und hehrzu erhalten, und alle dahin streben, daß nicht diese Kunst durh eine Afterkunst, die nur diesen Namen verdient, in den Schmuß gezogen wird. (Sehr richtig, bravo! rechts und im Zentrum.)

Meine Herren, vor einiger Zeit es ist wohl ein Jahr ber. - waren in mehreren Berliner Blättern fehr richtige Artikel, in denen darauf hingewiesen wurde, wie das, was theilweise der Bevölkerung, namentli jugendlichen Gemüthern in Schaufenstern, in Mutofskopen und mitunter auh auf der Bühne geboten wird, den Keim zum sitt- lihen Verfall bilde, der \päter hervortrete und der namentlich bei Gerichtsverhandlungen zum allgemeinen Erschrecken in die Erscheinung getreten ist. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Ja, meine Herren, wenn wir gegen diese Dinge vorgehen wollen, müssen ‘wir suchen, die Quelle des Uebels zu verstopfen und zu verhüten, daß nicht {on in frühester Jugend das Gemüth des Kindes verdorben wird. (Sehr richtig!) So hoch ih die Kunst {äße, und gerade, weil ih sie hohshäe, ich dem Unfug, der sich Kunst nennt und keine Kunst ist, entgegentreten. (Bravo! rechts und im Zentrum.)

Nun bin ich weit entfernt, jedes einzelne Verbot, das in der Monarchie erlassen worden ist, meinerseits für gerechtfertigt zu balten. Jch erkenne vielmehr, unumwunden an, daß in dem éinen oder andern Falle Mißgriffe geschehen sind. Aber ih frage: wo kommt es in der Welt nicht vor, wo cine fo große Anzahl von Behörden thätig ist, und wo die Auffassung dessen, was die Polizei zu thun und zu lassen hat, in der. That sehr streitig sein kanu, daß solche. Mißgriffe ge- shehen? Meine Herren, die Grenzen der polizeilichen Befugnisse {sind an sich. flüssig; es giebt keine feste Linie, die der Polizei sagt: so weit kannst du: gehen und nicht darüber hinaus. Nun kommt hier binzu, daß die: Polizei vor allem ja auch unterscheiden muß: ist das über- haupt eine polizeilihe Frage, oder eine Frage des Geshmacks8, der Kritik? Ju lepterem- Falle kann sie nicht, einschreiten, nux in ersterem Falle. Da, meine ich in der That, ist es erklärlich, wenn die, Polizeibehörden. im einzelnen Falle geshwankt haben, ob fie so oder so entscheiden sollen. Jch. darf an ein. Stü erinneru, déssen Verbot ganz erhebliches Aufsehen erregt hat, das ist: „Die Macht der Finsterniß“ von Tolstoi. Der Jnhalt. ist grausig, das Stück benegt sich, in den niedrigsten Kreisen der russischen, bäuerlichen Bevölkezupgz. eiu ¿Vexbrechen jagt. das. andere; [{ließlih, aber bricht der Schuldige unter der Macht seiner Schuld zusammen. Der ganze Gegenskand ist: