1901 / 13 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1901 18:00:01 GMT) scan diff

F

E L: E j j Ee E. E

v. J. eine Enquête veranstaltet über die Berufskrankheiten der Sandstein- arbeiter. Sobald diese Enquête. abgeschlossen ist, wird mau-erwägen, welche Schußmaßregeln zum Besten dieses Berufs zu ergreifen sind.

Ferner ist auch die Frage der Fabrikation der Phosphorzünd-

hölzhen sehr eingehend besprochen; die Herren verzeihen, wenn ih bei der Wichtigkeit, die die Frage hat, etwas näher auf dieselbe eingehe.

Es sind bereits vor längerer Zeit über die Frage der Fabrikation

von Phosphorzündhölzchen Erhebungen angestellt worden, und ¿war

im Jahre 1899, und diese Erhebungen haben unzweifelhaft ergeben, daß die Bekanntmachung vom 8. Juli 1893, betreffend die Ein- richtung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Zünd- hölzchen aus weißem Phosphor, niht mehr genügt, daß insbesondere die Phosphornekrose niht unterdrückt ist. Wir haben in Deutsch- land 80 Phosphorzündholz-Fabriken, von denen 40 nur Phosphor- ¿ündhôölzchen herstellen, die übrigen befassen sich daneben noch

¿mit der Herstellung von s{wedishen Zündhölzchen. Es ist fest- gestellt worden, daß seit 1893 52 Erkrankungen an Phosphornekrose stattgefunden haben, aber es sprechen allerdings dringende Gründe dafür, daß diese Zahlen niht vollständig sind. Denn beispielsweise find in der Zeit vom Jahre 1889 bis zum Jahre 1897 in der Universitäts-Klinik Jena 23 Personen an Phosphornekrose behandelt tvorden, und zwar Personen, die aus Neustadt am Rennsteg herstammten, wo eine ausgedehnte Hausindustrie betrieben wurde. Diese Fälle waren aber amtlich nicht gemeldet.

Nun existiert in der Schweiz und in Dänemark eine Gesetzgebung, welche die Herstellung von Zündhölzchen aus weißem Phosphor über- haupt verbietet, und es ist jeßt in den Niederlanden ein Geseyz- entwurf in gleicher Richtung in Vorbereitung. Man hat indeß in Frankreich in den fiskalischen Betrieben angeblich eine Zündmasse ge- funden, welche an Stelle des giftigen weißen Phosphors eine Schwefel- verbindung aus Phosphor enthält, die die nachtheiligen Wirkungen auf die Gesundheit der Arbeiter nicht haben foll; seitdem sollen in Frankreich Fälle von Phosphornekrose nicht mehr vorgekommen sein. Die shweizer Regierung foll in eine Prüfung der Angelegenheit eingetreten sein ; wir haben von dort Auskunft erbeten. Es ist aber ferner in der leßten Zeit auch angeblich ein Mittel erfunden worden, um aus rothem Phosphor einen Stoff herzustellen, der eine viel höhere Ent- zündungstemperatur hat wie die gewöhnlichen Phosphorzündhölzer,

von 140—160 Gr. C., der deshalb viel weniger feuergefährlih ist ‘und für die Arbeiter vollkommen gesundheitsunschädlih sein soll.

Wenn diese Angaben sich technisch bewähren sollten, so wird es wesentli erleihtert fein, einen Geseßentwurf, der übrigens in seinen Grundzügen bereits ausgearbeitet ist und den verbündeten Regierungen vorliegt, zu stande zu bringen, ohne daß zu tief in die wirthschaftlichen Interessen der einzelnen Fabrikinhaber eingegriffen wird. Ob den Fabrikfinhabern eine Entschädigung zu gewähren sein würde oder nicht, das ist eine rein juristische Frage, die ih hier nit entscheiden möchte.

Der Herr Abg. Horn ist demnächst auf die jugendlichen Arbeiter in den Glashütten zu \prechen gekommen und hat behauptet, die Motorenverordnung wäre eine VerschleWßterung gegenüber * dem jeßigen Zustande. Jch will bei der vorgerückten Stunde diesen Irr- thum auf Grund der Gesetzgebung nicht im einzelnen klarlegen, ih werde vielleicht bei anderer Gelegenheit das thun. Ih kann aber dem Herrn Abgeordneten versichern, daß er \ich in einem Irrthum befindet, denn auf Grund des § 139 a der Gewerbeordnung und der hierauf erlassenen Verordnung vom 11. März 1892 ist bereits in Glashütten, soweit sie Fabriken sind, die Arbeit jugendlicher Arbeiter zwischen 13, und 14 Jahren verboten, und durch die Motorenverordnung ist an diesem Verhältniß nichts geän- dert. Aber allerdings würde auf Grund der Motorenverordnung da, wo es sih nicht um Fabriken handelt, sondern um Werkstätten, es zulässig sein, jugendlihe Arbeiter im Alter von 13 bis 14 Jahren in Schleifereien und Pelierwerkstätten für Glas-, Stein- und Metall- verarbeitung zu verwenden, und zwar bis zur Zeit von sechs Stunden täglich: es sind aber bereits Erwägungen angestellt, falls in der That auh in Werkstätten eine derartige Beschäftigung jugend- licher Arbeiter stattfinden sollte, gleihe Bestimmungen zu erlassen, wie fie für die Glashütten als Fabriken schon bestehen.

Es wurde auch hier moniert, daß der Vertrag mit den sogenannten subventionierten Dampferlinien zwar Vorschriften über Verwendung deutscher Kohle und deutshen Baumaterials enthielte, aber nit über Verwendung deutschen Proviants, wie ih bei Berathung des Geseßzes in Aussicht gestellt bätte. Hier liegt wohl ein Mißverständniß vor. Man kann und konnte unmöglich auf Proviant die scharfen Bestim- mungen anwenden wie z. B. auf die deutshe Koble. Gewisse fremde Proviantgegenstände, wie französisher Wein und Kognak u. dergl., lassen sich garnicht aus\{hließen. Artikel 14 des Vertrages mit dem Norddeutschen Lloyd lautet:

„Der Kohlenbedarf für die von den Linien einzustellenden Dampfer ist, soweit die Einnahme derselben an deutschen Häfen oder an den nach Art. 1 anzulaufenden niederländishen oder belgischen Häfen erfolgt, auss{ließlich durch decutshes Erzeugniß zu decken.“

Weiter :

„Abweichungen hiervon sind nur mit Genebmigung des Reichs- fanzlers zulässig. In denselben Häfen ist der Proviant thunlichst aus deutschen Quellen zu bezieben.“

Eine ähnliche Bestimmung wie im Vertrage mit dem Norddeutschen Llovd findet sih in dem Vertrage mit der Deutschen Ostafrika - Linie. Ich glaube, dadurch wird der Herr Vorredner wobl berubigt sein.

Er machte mi ferner verantwortlich für den angeblihen Bezug ausländischen Fleishes, namentliß Büchsenfleishes, durch die deutsche Marine. Mir ist davon nichts Thatsächliches bekannt; ich kann nur anheimstellen, beim Etat des Reichs-Marineamts eine Erklärung des Herrn Staatssekretärs hierüber zu erbitten.

Besonders heftig griff der Herr Vorredner meine Ausführungen zum Fleishshaugesez an. Es haben aber auf die Gestaltung dieses Geseyzes, wie sie s{ließlich erfolgte gegenüber der Kommissions- fassung, keinerlei persönliche Einflüsse eingewirkt, sondern s{chwer- wiegende sachliche Gründe, namentlich die einstimmige Ueber- zeugung der verbündeten Regierungen. Wenn aber der Herr Vor- redner ein wesentlich s{chnelleres Tempo, als ih jeßt in Aus- sicht stellen konnte, wünscht, so habe ih früher keineswegs gesagt, daß die Einführung sih so schnell werde bewerkstelligen lafsen, sondern ih habe nur erklärt: besonders die Bestimmungen über Untersuchung des Pôskelfleisches würden meines Erachtens sehr wohl durchführbar sein. Z- B. habe ih mi bereits im Mai v. J. an die preußische Regie- rung gewendet, mir die Einfuhrstellen für ausländisches Fleisch zu be-

| Vertretern des Handels und der Industrie

“s

Schwierigkeiten da. vorliegen müssen. Und ähnli ivicd es in vielen anderen Richtungen liegen. Nicht der Erlaß der Reglements, sondern die Einrichtungen in den Einzelstaaten werden lange Zeit erfordern.

der Einfuhr von Würsten und Pökelfleish erlassen sei. Jch gestatte mir dagegen Folgendes zu bemerken. Die betreffende Verordnung zum Geseßz vom 3. Juni 1900 datiert vom 30. Juni 1900 und ist der Bekanntmachung des Termins, in welchem das Einfuhr- selbst lag also eine Frist von zwei Monaten. Diese Frist mußten wir lassen; ‘denn der Antrag der verbündeten NRe- gierungen, uns für die Sendungen, die {hon bestellt waren, eine Dispensationsbefugniß zu geben, ist in der Kommission und im hohen Hause nicht beliebt worden. Wir konnten aber unmöglih den Jm- porteuren, die sich beispielsweise hon solhe Sendungen aus Australien bestellt hatten, Sendungen, die auf dem Wasser lagen, nun die Einfuhr derselben verbieten. Zur Einfuhr von Australien- aber is ein Zeit- raum von 6 bis 8 Wochen nothwendig. Wir hätten, wenn wir in der That das Cinfuhrverbot sofort erlassen hätten, den JImporteuren, die bereits Bestellungen gemacht hatten, eine {were wirthshaftliche Schädigung zugefügt. Außerdem, bei einer so wichtigen und weit- tragenden dauernden Maßregel, wie die Einführung der allgemeinen Fleishschau ist, möhte ich den Herrn Vorredner bitten, mit einer kleinen Variante nach dem Grundsaße zu verfahren: minima non curat rhetor!

Der Herr Abg. Dr. Noesicke hat s{ließlich zwei Fragen von einer ziemlih grundsäßlihen Wichtigkeit gestellt; er hat mi erstens gefragt : wann wird der Zolltarif dem hohen Hause vorgelegt werden? und zweitens: sind die verbündeten Regierungen fest entschlossen, zu den vertragsmäßig festgeseßten Terminen die bestehenden Handelsverträge zu kündigen?

Was den Zeitpunkt der Vorlegung des Zolltarifs betrifft, so kann ih Ihnen versichern, daß der Herr Reichskanzler die möglichst s{leunige Vorlegung dieser Gesetesarbeit wünscht. Den Herren ist es bekannt, daß die Arbeiten des Wirthschaftlihen Ausschusses, welche eine Grund- lage für die Arbeiten zum Zolltarif bieten sollten und bieten werden, bereits seit langem beendet sind. Die gesammten Vorarbeiten sind etwa Mitte November dem Reichs-Schaßamt zugegangen, und dieses ist bemüht, den endgültigen Abschluß der Arbeit möglichst bald herbeizuführen. Jch glaube, daß diese Arbeiten Ende dieses oder Anfangs nächsten Monats im Reichs-Schaßamt beendet sein werden. Wie lange demnächst aber die Bundesregierungen und der Bundesrath Zeit beanspruchen werden, ihrerseits den Zolltarif nach der wirthschaft- lihen und nah der handelspolitishen Seite zu prüfen, darüber ist weder der Herr Reichskanzler noch ich in der Lage, irgend eine Er- flärung abzugeben. Jedenfalls aber, wiederhole id, wünscht der Herr Reichskanzler die möglichst baldige Vorlegung des Zolltarifs.

Es ist ferner gefragt worden: sind die verbündeten Regierungen fest entshlossen, die bestehenden Handelsverträge zu kündigen, und ¿war zu den vertragsmäßig vorgesehenen Zeitpunkten? Meine Herren, wenn man einen neuen Zolltarif aufstellt, hat man selbstverständlich die Absicht, seine handelspolitishen Verhältnisse auch auf einer neuen Grundlage zu regeln, und diefe Regulierung ist sachlich absolut nothwendig; sie folgt {on aus dem technishen Fortschritt der Industrie. Wenn wix also einmal einen neuen Zolltarif aufgestellt haben, müssen wir auch den Wunsch haben, zu anderweiten Handels- verträgen auf der neuen geseßlichen Grundlage zu gelangen. Hätten wir diesen bestimmten Wunsch nicht, so würde der ganze neue Zoll- tarif nichts als ein shäßbarer gesetzgeberischer Monolog sein.

Der Herr Abgeordnete hat indeß seine Anfrage offenbar nur aus der Befürchtung heraus gestellt, daß vielleiht auf Grund des Zoll- tarifs die Verhandlungen mit den anderen Staaten nicht so zeitig abgAclossen werden fönnten, um bei dem natürlihen Ende der laufenden Handelsverträge sfofort in ein neues Vertragsverhältniß einzutreten. Ih glaube aber, diese Befürchtung wird \ich da- durch beheben lassen, daß es sehr wohl möglich ist, sobald der Zoll- tarif vom Bundesrath und Reichstag beschlossen und Geseß geworden ist, sofort und noch vor der Kündigung der laufenden Handelsverträge mit den betheiligten Staaten in Verhandlungen wegen Abschlusses neuer Verträge einzutreten. - Dadurch wird kostbare Zeit gewonnen werden, und ih bin überzeugt, daß es auf dem Wege möglih sein wird, mit den betbeiligten Staaten unmittelbar in ein neues Vertrags- verhältniß einzutreten, wenn die laufenden Verträge ihr natürliches Ende erreicht haben.

Abe: Möller - Duisburg (nl.) spricht den Wunsch aus, daß der Zolltarif mögli zeitig vorgelegt werde. Im rbft 1901 habe man bereits über die Handelsverträge zu berathen, bis dahin müßte der Zolltarif zu stande gekommen sein, wenn man nicht ins Gedränge kommen solle. Der Wirthschaftlihe Ausshuß habe sich besser bewährt als der große, 200 Köpfe starke Zollbeirath, der im Jahre 18939 beim russishen Handelsvertrag unter dem Staatssekretär von Boetticher mitgewirkt Habe. Den retern seien damals die Arbeitskräfte des Bureaus des Handelstages und des Zentralverbandes deutsher Industrieller zur D gestellt wordén, der Zentral- verband als solcher habe aber feinen Einfluß auf die Berathungen ge- habt, auch nicht Herr Bueck. Die Schrift „Materialien zum russil n Handelsvertrage“ sei vom Zollbeirath herausgegeben und gauz objektiv gehalten gewesen. Der Zollverband habe nur die sachlichen Kosten getragen; der Zollbeirath habe Diäten erhalten. Die Kosten für Drucktsachen und Porti, 6000 Æ, seien auf die einzelnen Mitglieder

| des Zollbeiraths aus Handel und Industrie repartiert worden. Da

man die Kosten getragen, sei do eine alte Gewohnheit, aus der fi das hon mehr als hundert Jahre alte Wort erkläre: „travailler pour le roi de Prusse.“ Mit dem sozialpolitishen Programm eines Parteigenossen Bassermann erklärt sih Redner, Einzelheiten vor- getaiten, einverstanden. Schließlich nimmt Redner den verstorbenen Rheder Laeisz in Schuß, der ein Muster von Ehrenhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit gewesen sei; der erwähnte Brief sei ein bedauerlicher Sf gewesen. Die 12000 M - Angelegenheit sollte doch nun endli raben sein. Man sollte auch nicht den Weg der Skandal- prozesse betreten und sih vor Verleumdungen hüten, wie derjenigen, daß Herr Bueck den bewußten Brief selbst an die Oeffentlichkeit ge- bracht habe; Herr Bueck gehöre uiht zu denen, die einem zollpolitischen Kompromiß entgegenarbeiten.

Nach 61/, Uhr wird die Debatte veriagl. Aaane Sißung Mittwoch Í Uhr. (Anträge, betreffend die Reform der Gewerbegerichte.)

_zsichnen. Dieselbe war aber bisher niht in der Lage dazu. (Hört, | hört! rechts.) Sie sehen daraus, welche großen zolltechnischen |

Der Herr Vorredner monierte auch, daß nicht sofort das Verbot

unter dem 23. Juli im Reichs-Gesetblatt publiziert: “Zwischen -

verbot in Kraft trat, und dem Inkrafttreten des Einfuhrverbots |

denen vor 10 Jahren. E os gegen eine rationelle Besteuerung des mobilen - Kapitals “und de

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 4. Sihung vom 15. Januar 1901, 11 Uhr.

Das Haus sezt die erste Berathung des Staats- haushalts-Etats für das Etats;ahe 1901 fort.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch fr. konf.): Mit Rücksicht auf die großen Ücberschüfe, welche ‘der Ell an “kat aufweist, hat gestern der Abg. Satiler- von einem „Löwen-Etat“ ge- sprochen. Das trifft in gewissem Sinne auch zu. Wir erfreuen uns in Preußen {hon eine ganze Reihe von Fabri großer Ueber- chüste, - befonders . bei . den Eisenbahnen; und - wenn weitere Mehreinnahmen. auch für den nächsten Etat wel worden

sind, so dürfen wir bei der Vorsicht, der Etatsvoranschlag aufgestellt wird, annehmen, daß wir diese

‘ehreinnahmen au erreihen werden. Es sind gestern über Einzel- heiten des Etats verschiedene Vorschläge gemacht worden; ih will zu- nächst Ee allgemeine finanzpolitische Bemerkungen voraus\{icken. Der int ichter hat behauptet, ‘die Steuerreform in Preußen habe u einer Erhöhung des Steuerdrucks geführt. Der Herr Finanz-Minister hat gestern schon diese Behauptung als eine solche bezeihnet, die sich in dem Munde eines so alten Parlamentariers wie Richter seltsam ausnehme. Die Steuerreform in Preußen war nothwendig, weil die

frühere Einkommensteuer an allerlei Uebelständen ‘litt und au un- -

enügende Erträge brachte. Das ist heute ganz anders geworden. an vergleiche nur die Ertzäge der heutigen Einkommensteuer mit Aber“ ih konstatiere, daß Herr Richter auch

l infommens ist. Dabei können wir in Preußen sagen, da die Kulturaufgaben in keiner Weise leiden. e O daß beim Eisenbahn - Etat wohl bald die Zeit der großen Ueberschüsse vorbei . sein werde, da wir uns in einer rück- läufigen wirthschaftlichen Bewegung befänden. Das bezweifle ich. Die jeßige wirth|chaftliche Konjunktur erscheint als eine vorübergehende, und es werden voraussichtlich in den nächsten Jahren die Einnahmen aus dem Personen- und Güterverkehr dieselben, vielleiht sogar höhere sein. Was der Abg. Sattler über unsere Verkehrspolitik gesagt Lei kann ih im wesentlihen nur unterschreiben. Die Verkehrspolitik hat y darin zu äußern, daß sie die inländische Produktion und den inländischen

saß stärkt, namentlich durch entsprechende Pie Man hat verschiedene {höóne Seifenblasen steigen lolier Man hat von Tarifreformen und von weiterem Ausbau des Eisenbahnneßes gesprochen, aber es wird do in allem eine gewisse Vorsicht zu beobachten sein. Es ist auch estern viel von der Finanzpolitik des Reichs gesprochen worden. Zch halte es für die beste Neichspolitik, wenn, wie es Fürst Bismarck seiner Zeit empfohlen hat, das Reih nicht zum Kostgänger der Einzel- staaten gemacht wird. Das Reich muß sich selbst größere Einnahme- uellen ershließen, kann aber im übrigen Sparsamkeit nur durch leinarbeit bei der Etatsberathung bethätigen. Preußen ist ja auch ge- nöthigt Fewelan zu einer eigenen Finanzreform zu schreiten, das kann im Reiche auch geschehen. ie sich unsere Finanzlage in der Zukunf latten wird, darüber sind wir zu einem sicheren Urtheil no idt efähigt; wie unser Erwerbsleben [ich estalten wird, hängt wesentlich von unserem künftigen Zolltarif ab. Sh stehe mit meinen Freunden auf dem Standpunkt, daß der weitgehende Schuß des eigenen Marktes für die deutshe Produktion die unerläßlihze Voraus- seßung für die gedeihlihe Entwicklung unseres Erwerbslebens ist. Die Aeußerung des Reichskanzlers kann nicht anders ver- standen werden, als daß der deutschen Landwirthschaft ein wirksamer ollschuß durch die Handelsverträge endlich zu theil werden wird. s wirkt wohlthuend, daß zuït“ ersten Mal wieder ein preußischer Minister - Präsident die Bedeutung unserer Landwirthschaft klar anerkannt und betont “a Wir werden eine völlige Sicherheit über unfere Ne erst dann gewinnen können, wenn wir mit Sicherheit sehen können, wie fich unsere Handelsbeziehungen zum Auslande und der Schuß der natignalen Arbeit gestalten wird. Die Kanalvorlage mußte wieder eingebraht werden, denn es ist im höchsten Grade wünschenswerth, daß das Ansehen der Krone voll gewahrt wird. Ich habe die Vorlage erwartet; es ist noth- wendig, sie im Gegensaß zu den Verhandlungen von 1899 ohne poli- tishe Nebenrücksihten und Nebengedanken zu behandeln und fo zu vermeiden, daß die Vorlage zu einem Keil zwischen den Parteien wird. Ih kann meine volle Befriedigung mit der ruhigen und versöhnlichen Art aussprehen, in der der Minister-Präsident die Kanalvorlage El t hat, indem er versicherte, daß es eine rein wirthshaftlihe Frage ist, die allein nach_ sachlichen Rücksichten beurtheilt sein will. Puh die verantwortliche Staats- regierung {on im Sommer 1899 dieselbe Stellung eingenommen und sich nicht durch bedenkliche Strömungen verschiedener Art davon abhalten lassen, so wäre das besser gewesen, und die Regierung hätte \ih eine Einbuße an persönlichem Ansehen und Vertrauen ersparen können. Der Abg. Nichter würde ß in den Gedankenkreis und die M verständiger Menschen überhaupt nicht rihtig hinein- verseßen können, wenn er wirklih meinte, durch seine gestrige tnimon: tation Stimmung für die Kanalvorlage zu machen. Er hat damit nur verfucht, die Konservativen und die Regierung zu verheten.

Er hat Ausdrücke gebraucht, die ih bedauere, und es jo dargestellt, als

sei die Ernennung von Landräthen zu NRegierungsräthen eine Beför- E nah der Ablehnung der Kanalvorlage gewesen. Von Strafen und Maßregelungen kann dabei nicht die Rede sein. Das wäre ja ein Verfasfungsbruch der Regierung gewesen. Der Abg. Richter zeigt dabei eine völlige Unkenntniß aaa Verwaltungspraris, die er burt das Selbstbewußtsein, mit welchem er solche Bemerkungen vorträgt, erseßt. Es finden- Verseßungen von Landräthen in Regierungsraths- stellen oft statt, und es kommt auch häufig vor, da Regierungs- räthe Landräthe werden. Der Minister-Präsident wies darauf hin, daß in der Kanalvorlage auch die Bedürfnisse anderer Landestheile befriedigt werden sollen, daß also der Vorwurf einer einseitigen Be- ünstigung gewisser Landestheile nicht mehr erhoben werden könne. as ist durchaus berechtigt unter der Vorausseßung, daß Aussicht vorhanden ist, daß auch die Landestheile, welhe von dem Wasser- straßenney überhaupt keinen Nußen haben, wie rie eile von Sachsen, Thüringen und Schlefien, durch neue Ei enbahnen ent- schädigt werden. Die finanziellen Bedenken gegen die Kanalvorlage (nd indessen nicht nur niht abgeschwäht, sondern in manchen Be- ziehungen sogar gewachsen, und unsere Stellung u der Vorlage wird davon abhängen, ob die Regierung diese Bedenken entkräften kann. Ich erkenne mit den Abgg. Frißen und Graf Limburg bereitwilligst an, daß die wirthschaftspolitishen Ausführungen des Minister- Präsidenten volle Zununumng finden müssen, d. h. die Wirthschafts- politik, welche alle Zweige gleihmäßig berüsichtigt und die gleich- mäßige Berücksichtigung aller nationalen Arbeit wieder in die Er ciming treten läßt. iese wirthschaftlihen und \ozialpolitishen Anschauungen find uns durhaus von der Seele gesprohen. Der Minister- Fasten wird darin unierer vollen Unterstüßung auf der ganzen inie sicher sein können. ir müssen uns in der irthsha tspolitik auf einer gewissen mittleren Linie halten im Interesse der Ordnung, Freiheit und Staätsautorität, im Interesse eines starken Königthums und der verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung, sowie einer ruhigen Fottentwickelung unseres Kulturlebens. er Minister- Präsident hat uns ad oculos demonstriert, daß wir wirklich wieder einen Minister - Präsidenten haben und wieder eine Verant- wortlihkeit des Ministeriums, welhe in der legten Zeit theilweise aufgegeben zu sein chien voll wirksam sein wird, wie die pSersesung es vorsicht. usammenbruch der Spielhagen- Banken ist ein unzweifelhafter Beweis ‘dafür, wie recht wir hatten, als wir 1899 den Pfandbriefen der Hypotheken- und Pfandbriefbanken die Mündelsicherheit periagten, (6 i hierbei zu erwägen, ob nicht die Aufsicht über die Banken einer Aenderung bedarf.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

mit welcher - bei uns:

Man hat gesagt, .

" ¡eugt, daß na

stände uom hygienishen Standpunkt aus ansieht.

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

(s waltet wohl vielfach die Neigung ob, die Aufsichtsbeamten mebr nach den Gesichtspunkten persönlichen Wohlwollens oder aus imstigen Gründen zu wählen. Es werden viele gewählt, die nicht die ige Kenntniß des Hypothekenbank- und Beleihungsgeschäftes n, um eine wirklihe Aufsicht führen zu könnén. Es ist mir aud zweifelhaft, ‘ob bei der jeßigen rein formalen Funktion des Freuhänders es mögli sein wird, der Wiederkehr folher unsoliden Birthschaft vorzubeugen. Einen breiten Raum if der Er- örterung hat das Verhältniß der Polizei zur Kunst eingenommen. &ch glaube, man verwehselt in gewissen Kreisen gesunde Sinnlich- feit mit dem Sd of ungesunden Sinnenkitel, den die After- funst ausübt. Die Polizei hat unter voller Wahrung der sitt- sien Interessen und mit freiem Blick für die Kunst alles zu ver- meiden, was auf Kleinlichkeit hinauskommt. Die persönlichen Wißeleien des Abg. Richter über diese Sache scheinen mir aber nihts weniger als geshmackvoll zu sein. Diese sollte sih am wenigsten ein Mann gestatten, von dem der Staatssckretär von Stephan einst gesagt hat, daß an dessen Wiege die Grazien nicht gestanden haben. Mit dem hohen Bedürfnißfonds im Kultus-Ministerium ist die Srage der Schulunter- haltung nicht gelöst. Jch habe den Eindruck, als wolle man damit einer organischen Lösung dieser rage für längere Zeit aus dem Wege gehen. Das würde S vedentlih sein. Ich bin fest davon über- ) ‘den im vorigen Jahre hier gegebenen Erklärungen es

wobl möglich sein wird, sih mit der Regierung auf eine Vorlage zu

vereinigen, die auch der Autorität des Staats voll gerecht wird. Die

Staatsregicrung wird hoffentlich zu der Ueberzeugung kommen, daß ein Schuldotationsgeseß mit Zubehör wohl durchführbar ist. Solange wir im Kultus-Ministerium eine Schulabtheilung hahen, wird die Ver- theiluig des Fonds nicht anders gehen, als daß shließlich die ganze Sache in der Hand des Ministers zentralisiert wird, und daß man an das Ministerium gehen muß, wenn man 50 4. für Schulbedürfüisse haben will. Eine sachgemäße Vertheilung wird erst dann stattfinden, wenn cine größere Dezentralisation plaßgreift. Wir müssen den Schwerpunkt der Verwaltung în die Kreisinstanz legen. Die Undeskulturaufgaben fönnen von den NRegierungs-Präsidenten und Landräthen, die in Verbindung mit den kommunalen Körperschaften und mit denî vorwärtsstrebenden Leben stehen, in harmonischem Zu- famimnenwirken mit der Staatsautorität in ganz anderer Weise gefördert werden, als es die Zentralstelle vermag. Zu den wichtigsten Kultur- aufgaben gehört die öffentlihe Gesundheitspflege. Das Kultus- Ministerium beziehungsweise der Kultus-Minister ist mit den Aufgaben der Unterrichtsverwaltung so stark überlastet, daß sie für diese Ugen nur wenig Zeit übrig behalten. Es empfiehlt LELO cine Abtrennung dieses Zweiges vom Kultus-Ministeruum. Ob das Ministerium des Junern dafür die richtige Stelle ist, oder ob man zu einer Neubildung fortschreiten soll, mag dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall muß das Kultus-Ministeriuum von der Fürsorge für die Gesundheitspflege ent- lastet werden. Zur Lösung dex Kulturaufgaben müssen die shwächeren Provinzen in einem höheren Grade unterstüßt werden. Schon Friedrich der Große betrachtete es als seine Aufgabe, die jüngeren“ Provinzen, die sih in ciner \{wierigen wirthschaftlichen Lage befanden, auf ‘das Niveau der älteren Kultur zu erheben. Das war ein schönes, großes Pro- gramm; aber in unserer Zeit ist es bei chönen Worten geblieben. Selbst in der Errichtung neuer landwirthschaftliher Stellen, neuer bäuer- lider Gemeinden ist eine Stockung eingetreten, weil die Mittel zur Kolonisation niht ausreichen. Das Deutschthum wird nicht eher in den östlichen Provinzen wesentliche Fortschritte machen, als bis der

Landwirthschaft ein wirksamer Schutz zu theil wird durch ausreichende -

Zölle. Wenn der Minister-Präfident zur Erreichung dieses Zieles mit- wirken will, darf er unserer Unterstüßung sicher sein.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr vvn Hammer- stein:

Meine Herren! Fast sämmtlichbe edner, die bisher zum Etat

“gesprochen haben, haben kurz die Krisis berührt, in welcher sich die

Grundschuldbank und die Preußische Hypotheken-Aktienbank befinden. Es ist an diese Aeußerungen das Verlangen geknüpft, daß die König- lie Staatsregierung die Ursachen darlege, welche zu der Krisis geführt baben, um prüfen zu können, einmal, ob und welche Maßnahmen «forderlich seïen, um in Zukunft der Wiederkehr ähnlicher Krisen vorzubeugen, andererseits um festzustellen, ob die Staats- regierung an der Krisis irgendwelhes Verschulden trifft. I erkenne die Berechtigung dieses Verlangens in vollem Umfange an und würde bereit sein, {on heute die gewünshte Auskunft zu erthcilen. Es {weben indessen bezüglih der Angelegenheit noch ein- gehende Ermittelungen und Unterfuchungen, deren Ergebniß kennen zu lernen au für dies hohe Haus von Werth sein dürfte. Jch glaube daber, daf cs sich empfiehlt, heute die Antwort der König- lihen Staatsregierung und deren Darlegungen noch niht entgegenzu- nehmen, vielmehr die Berathung des Landwirthschafts-Etats abzu- warten, der Gelegenheit bieten wird, die gewünschte Auskunft zu er- theilen. Ich darf annehmen, daß das hohe Haus mit dieser Be- handlung der Angelegenheit einverstanden ist.

Abg. Ehlers (fr. Vgg.): Der Etat wird, wie immer, mit geringen Aenderungen angenommen werden. Was follen wir auch anders mahen? Wir können auf eine Verminderung der Steuern nicht hinwirken. Ein Mitglied des Herrenhauses will sich nach einer Zeitungsnotiz das Verdienst erwerben, die hohen Einnahmen durch Ab- shaffung der Ergänzungssteuer zu vermindern. Ob diese Nachricht rihtig ist, weiß 1ch nicht. Der Reichstag hat neue Ausgaben in den Etat gestellt. Vielleiht könnten wir auch dazu übergehen. Die Konservativen möchten die neuen Kreis-Schulinspektoren streichen ; ih bitte den Kultus-Minister, entshieden daran festzuhalten. . Was die Nessort-Minister von dem Finanz-Minister erzielt haben, kann das Haus ruhig bewilligen. Anzuerkennen is die feste finanz- ministerielle Hand des Herrn von Miquel in den einzelnen Ressorts; aber die Sparsamkeit kann zum verderblihen Geiz werden, wenn die Ressort - Minister sich allzusehr von dieser festen Hand leiten lassen. Mit Leichtsinn, ohne Zurücklegung von Reserven, ‘darf nit gewirthschaftet werden; diesen Grundsatz des Hetrn Ministers von Miquel kann ih billigen. Aber im einzelnen können die Meinungen darüber auseinandergehen, ob überall eine richtige Sparsamkeit gewaltet hat. Ein Finanz - Minister hat die Pflicht, ein etwas ängstlihes Gemüth in dieser On zu haben.

nsere Wirksamkeit hier im Hause erstreckt \sich wesentli auf die ünsche, die wir für den nächsten Etat aussprechen ; wir beschäftigen uus also weniger mit dem vorliegenden als mit dem nächst segeiden Etat. Das Extraordinarium des Justiz-Etats ist diesmal sehr hoh. Die alten Justizgebäude bedürfen auch dringend der Erneuerung, In den Gerichtsgebäuden müssen sich viele Menschen stunden- und tagelang aufhalten, darunter alte und |chwacche Personen, die da auf den zugigen, ungeheizten Korridoren herumstehen müssen. an kann auf den Gedan en Bürinen, die Medizinalabtheilung an das Justiz-Ministerium zu fiberweisen, damit es sid einmal diese Zu- e Justizverwaltung

Berlin, Mittwoch, den 16. Januar

muß mit der Schaffung neuer Gerichtsgebäude fortfahren. Jn Danzig soll ein neues Gefängniß gebaut werden. Dafür ist aber ein ungeeigueter Plaß gewählt worden. Diese Sache sollte noch- mals sorgfältig geprüft wérden, damit die 600 000 das ist doch kein Pappenstiel nicht fals verwendet werden. Auf das Konto des Herrn Ministers von Miquel kommen oft L an denen er ganz unschuldig ist, und dann kommt er in die Wißblätter. Aus einer Sandgrube an der Nogat haben die Leute bisher umfonst Sand holen fönnen, jeßt sollen fie für die Fuhre 50 „Z zahlen, wie es heißt, auf Anordnung des Finanz-Ministers. Bezüglih des Eisenbahn-Etats nehme ich einen besonderen Standpunkt ein. Jch meine, daß die Eisenbahnen auch in der Hand des Staats als ein ge- werbliches Unternehmen verständig zu verwalten und kein Wohlthätig- feit8unternehmen sind. Gewiß müssen auch unter Umständen Tarife herabgeseßt werden. Ich halte unsere Eisenbahntarife, namentlich die Personentarife, für zu hoch. Aber ih würde es nicht für richtig halten, die Tarife etwa hier im Abgeordnetenhause festzuseßen. Wenn man die Staatsbahnen als ein Institut zum Wohlthun ansieht und danach die Tarife bestimmt, so könnten Verschiebungen in den Konkurrenzver- hältnissen eintreten, von denen man fich keine Vorstellung macht. Die Verwaltung muß die Bahnen verwalten, wie ein kluger, verständiger Gewerbetreibender. Es muß eine Reserve zurückbehalten werden für den Fall, daß die Eisenbahnen infolge neuer Erfindungen an Werth verlieren sollten. Was die Theaterzensur betrifft, so hat sih Herr von Zedliß unnöthig über die Schlechtigkeit * des Abg. MNichter aufgeregt. Herr Richter hat über den Namen Dumunrath keine Wiße gemacht. Das Verbot durh die Zensur dient nur als Neklame. Wenn jemand ein neues Stück Ligen will, kann er nichts Besseres thun, als sih mit dem Zensor zu befreunden, damit es erst einmal vefboten wird, dann wird er damit Erfolg haben. So glänzend die Finanzlage des Staats ist, so traurig sind die Ver- hältnisse der vielen Gemeinden, die an der Grenze ihrer Leistungs- fähigkeit angefommen - sind. Ob der Steuerzahler an den Staat oder an die Gemeinde zahlt, ist ihm ganz gleich. Die Ver- theilung der Staatsdotationen muß durch ein neues Dotationsgescßz möglichst bald revidiert werden; es muß sih eine gerechte Lösung dieser Frage finden lassen. Kanalvorlage und Zolltarif spielen jeßt eine große Nolle; die Rechte sheint in der Kanalvorlage der Ne- gierung mehr entgegenkommen zu wollen als vor zwei Jahren. Wenn 1h ihre Stellung darin geändert hat, so mache ih ihr keinen Vorwurf daraus. Auh ih nehme für mich das Recht in Anspruch, meine Ansicht infolge neuer Gründe zu ändern. "Herr von Zedliß brauht sich also nicht darüber aufzuregen, daß cin folher Vorwurf erhoben werden könnte. Die konservative Partei hat keineswegs Anspruch darauf, daß die Regierung immer das thut, was fie will. Der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums hat doch vor zwei Jahren ‘den Herren in sanfter, entgegen- kommender Weise zugeredet. Mit der Maßregelung der Landräthe sind wir auch nicht einverstanden gewesen. Wir hoffen, daß der Kanal zu stande kommt. Wir nehmen der Mechten ihre Oppo- ition auh gar nicht übel. Vielleiht kommt der Kanal zu tande, ohne daß sie überhaupt dabei nöthkg ist. Die Auffassung des Abg. Sattler, daß ein erhöhter Zoll durchaus nöthig sei, wenn man das Deutschthum im Osten schüßen wolle, ist mindestens übertrieben und keine Schmeichelei für unsere Landwirthschaft. Daß das ganze Land leide, wenn ein so wichtiger Theil wie die Landwirthschaft leidet, und daß die Landwirthschaft sh in schwieriger Lage befindet, ist gewiß richtig, aber damit ist noch durchaus niht nöthig, daß man bei jeder Gelegenheit die Noth der Landwirthschast betont. Glauben Sie (nah rets), daß selbst ein 10 (-Zoll der Landwirthschaft hilft? Es würde nur eine ganze Reihe anderer Er- werbszweige geschädigt werden. Die Landwirthschaft handelt in ihrem eigenen Interesse, wenn sie in dem Konzert der übrigen Erwerbszweige mitarbeitet. Feinde der Landwirthschaft sind wir nicht, aber das Wohl des Vaterlandes und des Deutshthums hängt nicht von der Höbe der Zölle ab.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der Herr Abg. Ehlers hat ein so liebens- würdiges Interesse für die Verbesserung der Zustände unserer Justiz- gebäude an den Tag gelegt, daß ih niht zögern mag, ihm meinen besonderen Dank dafür auszusprechen. Er hat dabei Bemerkungen gemacht, die darin gipfelten, daß nach feiner Auffassung die Justiz- verwaltung noch zu zaghaft dem Herrn Finanz-Minister gegenüber sei in der Beantragung der Mittel für die weitere Herstellung neuer und bessere Ausgestaltung alter Justizgebäude. Jch wünschte nur, daß dieses Zeugniß der Zaghaftigkeit mir au der Herr Finauz-Minister geben würde; ih glaube, er würde sih niht auf den Standpunkt stellen, den der Herr Abg. Ehlers hier vertreten hat. Jch glaube, daß ih es nicht habe fehlen lassen an der energishen Betreibung einer Ver- besserung der Justizgebäude überall da, wo ih sie für nothwendig halte. Diese Verbesserung ist noch in erheblichem Umfange weiter erforderlich, und ih werde mi freuen, wenn ih auch in Zukunft bei den von mir noch zu stellenden Anträgen auf Bewilligung von Mitteln in diesem hohen Hause auf die Unterstüßung niht nur des Herrn Abg. Ehlers, sondern des ganzen Hauses rechnen darf. Der Herr Abg. Ehlers wird aber zugeben müssen, daß {hon in den leßten Jahren Erhebliches geschehen is, um die Uebelstände zu beseitigen, an denen wir seit Jahrzehnten gekrankt haben; er wird insbesondere zugeben müssen, daß der Jhnen jeßt vorliegende Etat auf diesem Gebiete mehr leistet als irgend einer seiner Vorgänger, und daß jedenfalls der Herr Finanz-Minister in diesem Etat es an bereitwilligem Entgegenkommen für die Justiz-Verwaltung nicht hat fehlen lassen.

Der Herr Abg. Ehlers ist dann: noch auf eine Spezialfrage über- gegangen, deren nähere Erörterung wohl der Kommissionsberathung und der Spezialberathung in diesem hohen Hause vorbehalten werden muß, nämli die Frage des Gefängnisses in Danzig. Auch da kann ih nur in vollem Umfange das bestätigen, was über den gegenwärtigen Zustand der dortigen Gefängnisse gesagt ist. Wir befinden uns da in einer fast unerträglichen Lage. E

Der Herr Abg. Eblers hat besonders gesprohen von dem Hilfs- gefängniß zu Oliva, dem er das Epitheton ornans eines fidelen Gefängnisses gegeben hat. Ob das so ganz zutreffend ist, weiß ih nicht. Es ist allerdings ein luftiges Gefängniß. Infolge dessen mag es vielleicht im Sommer gewisse Annehmlichkeiten bieten, die ihm im Winter niht nacgesagt werden können. Wenn er bemerkt hat, daß bekanntermaßen an \{chönen Sommer- tagen die Insassen dieses Gefängnisses Sonntags Spaziergänge ge- macht haben, so möchte ih glauben, daß da eine Verwechselung zu Grunde liegt mit den mehr oder weniger unfreiwilligen Spazier-

gängen, die die Gefängnißinsassen gemacht haben, wenn sie zu Außen-

1901.

arbeiten herausgeführt werden. Ganz so {limm, wie man wohl an- nebmen fönnte, war diese Sache wohl nicht. Diese unerträglichen Zustände haben die Justizverwaltung dahin geführt, nun energisch den Neubau eines Gefängnisses zu betreiben, das den vorhandenen Bedürf- nissen entsprehen würde. Ich glaube hier die Vorwürfe zurük- weisen zu müssen, die der Finanzverwaltung von dem Abg. Ehlers gemacht sind, indem er dieser die Schuld dafür aufblrdet, daß ein nah seiner Auffassung ungeeigneter Plä für die Errichtung des Gefängnisses gewählt sei. Meine Herren, der Platz ist von der Justiz- verwaltuug gewählt nach Anhörung und Zustimmung sämmtlicher Provinzialbehörden. Auch der Referent der Justizverwaltung, der an Ort und Stelle sih die Verhältnisse genau angesehen hat, hat Be- dênken gegen den Platz nicht geltend gemacht, ebensowenig ist dies von der Bauverwaltung geschehen. Jch bin deshalb nur in der Lage gewesen, die Errichtung eines Neubaues auf diesem Playe dem Herrn Finanz-Minister vorzuschlagen, und die Zustimmung des Herrn Finanz-Ministers zu diesem Vorschlage is ohne Anstand erfolgt. Ob in der That solhe Bedenken gegen die Wahl und Benußung des Plates vorliegen, wie sie der- Herr Abg. Ehlers heute angedeutet hat, das werden wir des näheren hier im Hause zu erörtern Gelegen- heit haben. ¡

e des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel: :

Meine Herren! Der Abgeordnete Ehlers ist ein so guter Finanz- mann, unterftüßzt auch vielfach den Finanz-Minister mit guten Nath- {lägen und festen Beschlüssen, daß es immer {wer wird, wenn auch nur im Scherz, eine charakteristische Sache hier zu erwähnen, die die Stellung des Finanz-Ministers im ganzen Lande berührt. Mit' vollem Recht hat der Herr Abg. Ehlers gesagt: Dem Finanz - Minister - wird für jede Sache, die im Lande passiert, häufig durchaus unberechtigterweise, die Schuld aufgebürdet. Er selbst aber, wie das vorliegende Beispiel zeigt, nach- dem ihm das Gefängniß in Oliva und die Wahl des Platzes für das Gefängniß nicht paßt, der garnicht weiß, wie die Sache zusammen- hängt, wer über die Wahl des Plates und über diesen Neubau das leßte Wort gesprochen hat und das erste, nimmt ohne weiteres an: natürlich hat das der Finanz-Minister gethan. Meine Herren, das ist ganz charakteristisch für die Art und Weise; wenn man nichts Anderes weiß, so ist der Finanz-Minister das Karnickel. (Heiterkeit.) Meine Herren, ih bekümmere mich darum garnicht, werde auch darüber nicht zornig; es ist das nothwendig mit der Stellung des Finanz-Ministers verbunden. Wenn der Finanz-Minister ebenso darauf sich legte, eine ihm mit Unrecht zugewiesene Schuld von fich ab auf Andere abzu- wälzen, welchen Zustand würden wir dadur im Lande hervorrufen! Meine Herren, ich suche in dieser Beziehung keine Popularität, sondern ih thue lediglih meine Pflicht und Schuldigkeit; im übrigen kümmere ih mich um das Gerede im Lande auch niht im allergeringsten. (Heiterkeit.) |

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole, {wer verständlich) erkenut cbenfalls die günstige Finanzlage des preußischen Staates an, glaubt aber, daß sie mit der ungünstigen Lage der Landwirthschaft in eigen- thümlichem Widerspruche stehe. Ein Schuldotationsgeseßz sei nothwendig. Die Kanalvorlage wolle seine Partei nicht auf die lange Bank ziehen, sondern sahlich prüfen, ob fie dem allgemeinen Besten diene oder nur einzelnen Provinzen nüßze. Jn Bezug auf die Errichtung neuer Amtsrichterstellen erinnert der MNedner an die früheren Wünsche seiner Freunde. Die Notarstellen reichten in kleineren Städten nicht aus. Das Institut der Distriktskommission habe niht den Beifall seiner Freunde, aber da es nun einmal bestehe, so müsse man si mit ihm abfinden. Es sei jedoch wünschenswerth, daß der Provinz Posen eine größere Selbstverwaltung gegeben werde. Es sei wieder viel von der fogenannten polnischen Gefahr die Rede gewesen ; auh die „Berliner Correspondenz“ habe ihr Artikel gewidmet. Die polnishe Gefahr erxistiere nur insoweit, als sie von der Negierung und den Deutschen an die Wand gemalt und durch die Maßnahmen der Regierung selbst heraufbeschworen werde. Derartige Artikel und Maßnahmen seien geeignet, die Unzufriedenheit der polnischen Bevölkerung zu vermehren. Wolle die Regierung Nuhe und Ordnung in den polnischen Landestheilen, so müsse sie ganz anders vorgehen. Die Aufrechterhaltung der polnischen Nationalität sei seinen Landsleuten von den preußischen Königen verbrieft worden. Jahr- tausend alte Orts- und Familiennamen würden germanisiert, Vereine und Versammlungen polizeilih drangsaliert, der polnische Besitz yer- drängt; da wundere man si, daß die Polen erbittert seien. Böte man der deutshen Bevölkerung, was man der polnishen Schule zu- muthe, sie würde ih eine solche Bedrängniß nicht gefallen lassen. Die polnishe Schule sei thatsählich keine Bildungsanstalt, sondern eine Folterkammer. Der jeßige Minister Studt habe \ich über alle Maßnahmen feiner Vorgänger dadur hinweggeseßt, daß er den Religionsunterriht nicht mehr in der Muttersprache ertbeilen lasse. Das sei verfassungswidrig und widersprehe der bisherigen staatsrehtlichen Auffassung. Diese Maßnahme sei auch niht in Ein- klang mit dem religiösen Leben und der Sitte des Volks zu bringen. Das sei darüber im höchsten Grade entrüstet. Graf Bülow babe im Reichstage als sein Programm die Ausgleichung aller Interessen bin gestellt. In der Polenfrage sei aber nihts davon zu bemerken.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Die Geschichte unseres Besißstandes in Posen zeigt uns, daß Reden dieser Art häufig bei der Regierung Preußens Glauben gefunden haben, daß man diesen in unvorsihtiger Weise ge folgt ist, und daß nachher die übelsten Erfabrungen mit einer folchen Politik nationaler Schwäche und Gleichgültigkeit verbunden waren. Wir haben zu viele Erfahrungen gemaht mit den pol- nischen Unterthanen, als daß wir dur eine Darstellung, nah welder die Deutschen - blutgierigen Wölfe und die Polen die armen Lämmer seien, die * Unterdrückten, die Angegriffenen, noch eiumal in eine solche verkehrte Politik zurücktfallen sollten.

Meine Herren, der Herr Graf zu Limburg-Stirum hat mir, und wie ich glaube, der ganzen preußischen Staatsregierung aus der Seele gesprochen, wenn er sagte: Seid endli konsequent und fest, baltet die Politik, die Ibr einmal einges{lagen habt, durch die Jahrzehnte fest; dann werden die Früchte von selber kommen. Meine Herren, erinnern wir uns an den Aufstand der Polen în den dreißiger Jahren : erinnern

wir uns an die aufständis@e Bewegung im Jahre 13.