1901 / 13 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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Die geschah zu einer Zeit, wo gewissermaßen die Politik, die der Herr Vorredner von der jeßigen preußischen Me- gierung verlangt, in diesem Lande gehandhabt wurde. - Haben wir damals Dank dafür gehabt? Nein, die größte Feindseligkeit trat uns ebenso gut entgegen, als wenn wir eine andere, feste Politik verfolgten.

Meine Herren, Herr von Jazdzewski bezeichnet mi als den eigent- lichen Uebelt“äter. Aber die Regierung handelt zweifellos in voller Uebereinstimmung mit der großen Mehrheit der Landesvertretung (sehr rihtig!); fie handelt in Uebereinstimmung mit der öffentlichen Meinung heute von fast ganz Deutschland (Widerspruh im Zentrum und bei den Polen; sehr richtig! rechts), von fast ganz Deutschland, und wird sich durch Klagen, die sie als unbegründet erkennt, dur eine Darstellung, die sie als verfehlt erkennt, nicht bewegen lassen, eine andere Politik einzuschlagen. Meine Herren, wie ist denn nun diese Politik ? Vergewaltigen wir die Polen ? entziehen wir ihnen staats- bürgerlihe Rechte? (Nuf bei den Polen: Gewiß!) Das thun wir nicht. Die Polen haben alle f\ogenannten Fretiheitsrehte in vollem Besiß und in voller Handhabung, ja, in vollem Mißbrauch. Ver- fammlungsrehte, Preßfreiheit, Theilnahme an der Verwaltung des Landes steht den Polen genau so gut zu wie den Deutschen. Jh anderen Ländern verfährt man ganz anders, sogar in Republiken. Jch habe bier schon erzählt, wie man in Frankreih mit den italienischen Journalen, die in Frankreih herauskommen, verfährt: ih habe erzählt, wie das radifale Ministerium die volle Zustimmung aller Parteien in der französisch2n Kammer fand, als es den „Pensiero“ unterdrückte, bloß weil er nach der Meinung der Franzosen die italienischen Interessen vertrat. Handeln wir so? Der Inhalt der polnischen Presse, den wir immer in Ueberseßungen alle Woche zu lefen gezwungen sind, ist heute allerdings der Ausdruck is} ge- braucht nahezu ein revolutionärer. Es wird die kommmende Zeit, die Vorbereitung auf das wiederherzustellende Großpolen in solchen Ausdrücken dargestellt, daß man nicht direkt ein Kriminalvergehen in diesen Aeußerungen finden kann; sehr häufig streifen sie aber sehr nahe daran.

Meine Herren, die Polen haben die Erfahrung haben wir gemacht uns nie Dank gewußt für die großen Kulturwohlthaten, die sie uns verdanken, für den Besitz des . stärksten Gegengewichts gegen die Germanisierung oder gegen ein friedlihes Verhältniß will ih lieber sagen mit den Polen: eines Mittelstandes, den das alte Polen nie gekannt hat, der allein aus unserer Kultur hervor- gegangen ift.

Und, meine Herren, ich verdenke den Polen moralis{ch das Alles nicht, weil sie immer in ihrem Herzen den Hintergrund des wieder- herzustellenden Großpolen haben. Das wird au kein aufrichtiger Pole bestreiten. Die ganze Politik, die ganze Haltung der Polen ist nur dadurch zu erklären. Sie sind es gewesen, die sih von den Deut- sen überall abgesondert (Widerspruch bei den Polen: sehr richtig! rets), überall eigene Vereine gebildet haben, selbst in den unschuldigsten Fragen kultureller Entwickelung immer gesucht haben, sich von den Deutschen zu entfernen, den Niß zwischen den Deutschen und Polen immer größer zu machen. Das ist von Ihnen ausgegangen (sehr richtig! und Widerspruch), aber nicht von den Deutschen, die leider viel zu lange viel zu gutmüthig gewesen sind, und sh alles haben gefallen laffen nah echt deutscher Art. Meine Herren, die Offensive haben Sie mit dem Anfang des Widerstandes, der Absonderung, der Feindseligkeit ergriffen; und es hat sehr lange gedauert, bis die Deutschen in der Provinz sich zu vertheidigen anfingen und auch ihrer- seits Vereine zu gründen suchten, leider mit viel geringeren Mitteln, als die Polen sie besißen, welche solche Vereinigungen längst hatten.

Sie haben von den Stipendien gesprohen. Ja, meine Herren, das ist eins der Mittel, um den deutschen Verwaltungsheamten ihre nicht sehr angenehme Position in den polnischen Gebieten erträglih zu machen. Sie aber haben ja Tausende von Stipendien seit Jahrzehnten. (Zuruf bei den Polen: Aus eigener Tasche!) Gewiß! Vollkommen zutreffend! Also das Bildungsmittel der Gewährung von Stipendien haben Sie zuerst in großem Stile angewendet, und die Zöglinge dieser Vereine find wahrhaftig niht auf eine versöhnlihe Stimmung mit den Deutschen hin gestimmt: fondern der Geist, den die Zöglinge dieser polnischen Vereine (Marzinkowskis) 2c. in sih aufnehmen, ift von An- fang an feindselig gegen die Deutschen gewesen.

Meine Herren, ih weiß ganz wohl, daß die verständigeren und ruhigeren Polen gegenwärtig nicht an thatsählihe Versuche, sih aus dem preußischen Verbande loszureißen, denken. Aber ih möchte gerade den - Polen hier im Hause empfehlen, wenn das noch nicht geschehen sein sollte, das Buch Ihres sehr be- deutenden Landsmannes, der niht bloß Schriftsteller ist, sondern auch Staatsmann, H. v. Kosmian, zu lesen über das Jahr 1863 und die Anschauungen, die er dort entwickelt, und die Befürchtungen, die er für sein Volk ausspricht. Dieser Mann schildert die Unvernunft des Aufstandes vom Jahre 1863 im Großherzogthum Warschau, den gefährlichen Rückschlag, den das Polenthum dadurch erlitten hat: er schildert die Shwäche der konservativen und verständigen Leute, die aus Furcht und er nennt dabei sogar den Grafen Zamorsfi —, nicht genügend als polnische Patrioten zu erscheinen, sih von den jungen, übersprühenden Geistern des polnischen Patriotis- mus hätten fortreißen lassen und nicht den Muth gehabt hatten, zum Heile ihres eigenen Volkes diesem unvernünftigen Gebahren Wider- stand zu leisten. Er fürchtet, daß bei dem Fortschreiten der polnischen Bewegung, bei den Erfolgen, welche das Streben hat, die polnische Nationalität als eine Einheit in allen drei Ländern zu erhalten und, wo sie nicht is, mit allen Mitteln herzustellen, diese Be- wegung s\ch{ließlich in die jungen und unvorsihtigen und unverständigen Leute, wozu man gewiß einen großen Theil ihrer polnishen Preßführer auch rechnen kann, gerathen werde. Der Herr Minister des Kultus wird Jhnen beweisen, daß die Sorge und Warnungen dieses Herrn von Kosmian heute schon bei uns ihre Berechtigung gefunden haben.

Meine Herren, Sie werden uns nie einreden, daß wir als Deutsche die Angreifer gewesen sind; Sie werden uns nie einreden, daß wir Ihnen Unrecht gethan haben; Sie werden mich auch nicht zur Umkehr bringen, der ih hier im Hause entgegen den Behauptungen des Herrn Vorredners das entscheidende Gewicht in unserer deutschen, preußischen Politik auf die positive Stärkung des Deutshthums, auf das positive Wirken für die Kräftigung der Deutschen Bezirken, nicht auf die Negative und fkleinlichen Polizeimittel gegen die Polen gelegt habe. Sind denn die Maßregeln, die zufällig in

in diesen

meinem Etat \tehen, die Bauten ‘von Justituten für die all- gemeine Kultur in Posen geeignet, den Polen zu {haden Werden uicht auch viele unter ihnen sein, die troß einer solchen Absonderungs-

politik die Bibliothek in Posen zu ihrer eigenen Weiterbildung be-_ nuten, die das Museum besuchen, um sich an den Kunstshäßen, die

da aufgestellt sind, zu erfreuen? Haben sie nicht selbst gemeinsame große - Versammlungssäle, wo die Polen unter sih zusammenkommen ? Wie kann es sie genieren, wenn die Negierung sh bemüht, einen solchen großen Versammlungssaal, ein Kasino auch für die Deutschen herzustellen? Sie haben es dahin gebracht, daß leider Gottes mir thut es in der Seele weh die Polen und die Deutschen niht mehr zusammen verkehren. Es kann doch jeder unbefangene deutsche Guts- besitzer erzählen, wie die poluishen Gutsbesißer überall es ablehnen, mit den Deutschen überhaupt nur in gesellshaftlihem Verkehr zu stehen. (Sehr richtig! rets.) ¡

Also, wo man hinblickt, sind die Beweise in Hülle und Fülle, daß die Dinge genau umgekehrt liegen, als in sehr geshickter und be- redter Weise Hekr von Jaécdzewski es dargestellt hat. Daß diese Rede nicht besänftigend wirken, sondern die Aufregung und die Gegensäße noch weiter vershärfen wird, daß die Polen nicht anerkennen wollen, daß audh sié irgend eine Schuld an diesen s{hrofen Gegensäßen trifft, das ist be- dauerlih, und das hätte ih, indem ich ihm das Kompliment zurück- gebe, das er mir gemacht hat, namentlich von Herrn von JazZdzewski niht erwartet. Die Leidenschaftlichkeit der Sprache in der Presse fommt nun allmählich hier auf die Tribüne ; dadurch können die Ver- hältnisse nur vershlimmert werden.

Meine Herren, es fragt der Herr von Jazdzewski: was wollt Ihr denn mit Eurer Politik erreihen? Da stelle ih umgekehrt die Frage: was wollen die Polen mit ihrer Politik erreihen? Glauben sie, daß es jemals gelingen wird, diese polnischen Landestheile, {hon halb deuts, einige Tagemärsche von Berlin belegen, dem preußischen Staat wieder zu entreißen? Das wird und kan nicht gelingen, \o- lange Preußen und Deutschland bestehen.

Meine Herren, Sie selbst thun sih aber den meisten Schaden. Wenn Sie solche Tendenzen in der nächsten Zeit oder in weiterer Ferne so weit auf sich wirken lassen, daß Sie Ihre Ge- sellshaft, Ihr Bildungsleben, Ihre Kultur dagegen zurükstellen, daß Sie, was die Polen und die Deutschen gemeinsam erreihen fönnen in den fulturellen Fortschritten, durch die Tremkung verhindern, deren Ursache Sie sind, so frage ih: wenn Sie an eine solche Zukunft der Wiederherstellung von Großpolen nicht glauben, begreifen Sie nicht, daß in der Gegenwart Sie si selbst im höchsten Grade nachtheilig sind?

Sie haben früher darüber geklagt, daß wir keine Polen, selbst wenn sie die Examina gemacht haben, als Beamte mehr anstellen. Ich habe Jhnen darauf erwidert: wir können Polen in einer Reihe von Beamtenstellen in der Provinz Posen niht brauchen, weil die Gegensäße derartig verschärft sind, daß die polnishen Beamten in fortwährenden Konflikt zwischen ihren amtlihen Aufgaben und der Stellung, die sie in der nationalen Agitation einnehmen, kommen würden. Wir würden uns aber sehr freuen, meine Herren, wenn die Polen in großer Zahl si bei uns meldeten; als Beamte in den anderen Provinzen von ganz Preußen würden wir sie sehr gerne sehen. Ebenso ist es mit dem Offiziersstand, meine Herren; je mehr Polen in die Armee eintreten und als Offiziere dienen, desto lieber würden wir sie aufnehmen. Das ist früher auch der Fall ge- wesen; aber in . den leßten Jahren ist die Agitation fo stark geworden, daß das kaum noch einem Polen möglich ist.

Meine Herren, garnicht zu leugnen ist, daß mit der polnischen Nationalität eine höchst anerkennenswerthe Umwandlung vor sich ge- gangen ist. Wenn man die Polen von heute sieht, wenn man selbst so ein Buch liest, wie Herr von Kosmian es geschrieben hat, und dabei ein anderes historisches Buch liest, z. B. die Geschichte des leßten polnischen Landtages, so muß man sagen: dies Volk ist kaum wiederzuerkennen. Eine fehr heilsame Umwandlung war es! Um fo beklagenswerther ist es, daß wir uns niht mit Ihnen verständigen fönnen. Meine Herren, wir wissen ja niht, wenn wir sehr viele Mittel auf die polnischen Bezirke verwenden, wem diese Verwendungen zu gute kommen, wenn der Kampf zwischen den Polen und den Deutschen fortgeht. Wir haben allerdings den Glauben, die Deutschen werden sih daran doch vorzugsweise stärken; wir gönnen aber die Hebung der Wohlfahrt, der Wohlhabenheit, der Kultur in diesen Landen den Polen auch, und wir thun nichts, um sie den Polen zu vers{hließen immer doch in dem Glauben, daß {ließlich doch ein sfolhes fulturell wohlthätiges Vorgehen der preußischen Regierung die Polen zu der Ueberzeugung bringen wird, daß sich doch noch nirgends besser lebt als unter dem Scepter der Hohenzollern. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, meine Herren Kollegen werden auf die Einzelheiten antworten und sie widerlegen. Diese Einzelheiten haben aber kaum noch für den Landtag cinen großen Werth, weil fie glücklicherweise allmählih jeßt überall in die Kenntniß des ganzen deutschen Volkes gedrungen find, und niht mehr die nächsten Nachbarn der Polen, welche sie und ihr Verhalten doch am genauesten kennen müssen, allein davon unterrichtet sind, welche dann dies Verhalten auch am \s{ärfsten verurtheilen. Jn meiner Jugend, meine Herren ein Be- weis, welche politische Bildungsstufe wir damals hatten —, babe ih erlebt, daß in Fner großen Versammlung ein Pole auftrat, der be- geistert für die polnishe Erhebung sprach in einer deutschen Ver- sammlung! —, und ein deutsher Mann aus Westpreußen diefen Be- geisterungssturm der Deutschen zu dämpfen suchte dur die einfachen Worte: „Wißt Jhr denn nicht, daß der Sieg der Polen der voll- ständige Untergang der Deutschen in diesen Provinzen sein würde?" Er wurde ausgezischt und mußte das Lokal verlassen. Auf dieser politishen Bildungsstufe standen wir damals; mit Begeisterung sang man: Polen ist noch nicht verloren. Auf diesen naiven Zustand werden wir niemals wieder kommen. Die Polen sollten sih das klar machen. Die Gefahren aus dem jeßigen Zustande, wenn er sich weiter entwickelt, daß es sih dabei um den friedlihen Zustand in wichtigen Provinzen handelt, sind jeßt zur allgemeinen Erkenntniß ge- fommnen; keine kommende Regierung kann jekt die Politik, die wir früher in anderen Perioden geführt haben, wieder durchführen. Das hängt heute garnicht mehr von dem einzelnen Minister und seinen subjektiven Empfindungen und Anschauungen -ab; diese. Frage ist eine so flar festgestellte nationale Frage, daß höchstens noch Herr Abg. Richter es für rihtig hält, ih in diesem Kampf auf die Seite der Polen zu stellen. Im Ganzen und Großen ist das ‘deutsche Volk sich klar, has sollten die Polen \ich sagen und daher nochmals bei sih selber

erwägen, ob es uicht richtiger wäre in ihrem eigenen

dieser Frage eine andere Stellung einzunehmen, als zu meinen

haften Bedauern Herr von Jazdzewski heute es gethan hat. (Ba 4

rechts und bei den Nationalliberalen.)

Minister der- geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Stud Meine Herren! Sämmtliche Herren Redner dieses hohen Hauses.

die gestern und heute zu dem vorliegenden Etat gesprochen haben, háben Organisations- oder legislative Fragen des Kultusressorts L /

mehr oder weniger flüchtigen Bemerkungen berührt. Jch versage esz mir, heute auf diese Bemerkungen hier einzugehen, und beschränke

mich darauf, dem Herrn Abg. von Jazdzewski zu antworten, welher sih bestimmt gefunden hat, in sehr scharfen Angriffen gegen Maß. nahmen der Unterrichtsverwaltung vorzugehen und damit, wie ih. ibn sofort beweisen îverde, meiner Person sowohl wie den mir untergeord.

neten Behörden ein s{hweres Unrecht gethan hat. Meine Herren, nah den maßgebenden, seit einem Menschenalt

in Anwendung befindlichen, von Allerhöchster Stelle seinerzh | Religionsunterriht fj | Landestheiley | der Unter: | Spra

wird der gemishtsprachlichen

genehmigten Vorschriften beide Konfessionen in den in den Volksschulen so ertheilt, daß, wenn in stufe ein genügendes Verständniß für die deutsche

vorhanden ist und vorausgefeßt werden darf; daß die darin erworbenen

Kenntnisse der Schulkinder die Erreichung der Ziele des Unterrichts | sichern, in der Mittel- und in der Oberstufe der Religionsunterricht j in deutscher Sprache ertheilt wird. In der Provinz Posen ist v

dieser Vorschrift insofern eine Ausnahme gemacht, als dort nachgegeben war, daß der Neligionsunterricht auf allen Stufen in polnischer Sprache ertheilt werden darf. Es war aber gleidzeitig den Behörden die Befugniß eingeräumt, wenn die eben von mir ge. gebenen Vorausfeßungen der vollständigen Beherrshung der deutschen

Sprache bei den Schulkindern zutreffen, ihrerseits in den einzeln

Fällen auch die deutsche Sprache ‘als Unterrichts\prache in der Religion für die mittlere und obere Stufe einzuführen. Abgesehen von dey Unterricht in der Neligión, ist befanntlih in dem gesammten gemisht: sprachlihhen Gebiet des preußischen Staats die deutsche Sprache Unterrichts\prache schon seit längerer Zeit obligatorish eingeführt, u) davon macht auch die Provinz Posen keine Ausnahme.

Nun, meine Herren, von der Befugniß, die deutsche Sprache in der Mittel- und Oberstufe auch bei dem Religionsunterricht alz Unterrichts\prache in Anwendung zu bringen, hat die Bezirksregierung in Posen sowohl, wie die in Bromberg, auf Grund der ihr dur di: vorhin erwähnten allgemeinen, mit Allerhöchster Genehmigung er lassenen Anordnungen ertheilten Rechte, in wiederholten Fällen Ge- brauch gemacht. Es handelt sich nun um folgenden Fall.

In der Stadt Posen trat insofern neuerdings eine Aenderung ein, als am 1. April des vorigen Jahres auf Grund des Gesetzes vom 31. Mai 1900 eine Erweiterung des Stadtkreises Posen er folgte. Zu dem Stadtkreise Posen sind bekanntlich dur diese Gesetz die Landgemeinden St. Lazarus, Jersiß und Wilda geschlagen

worden. In diesen Gemeinden ist zum theil der Religions |

unterriht in den fatholishen Volksschulen {hon bisher sfeit eina langen Reibe von Jahren entweder in allen Stufen oder auf den oberen Stufen in deutscher Sprache ertheilt worden. Die Ver hältnisse hatten es dort als zulässig erscheinen lassen. Nun ist ü Art. 10 des Vertrages, welcher zwischen der Stadt Posen und der genannten Landgemeinden aus Anlaß dieses Einverleibungs8aktes ge: {lossen worden ist, ausdrücklich vorgesehen, daß die Volksschulen in die Unterhaltung der Stadt Posen übergehen und die für die Stadt Posen maßgebenden Vorschriften demnächst für den erweiterten Stadt- kreis allgemeine Geltung haben sollen. Jeßt stand die Bezirks- regierung vor der Frage, ob sie eine Verschlehterung des gegeu- wärtigen Zustandes im Sinne des nationalen deutschen Interesses eintreten lassen oder Einheitlichkeit dahin herbeiführen sollte, daß der gesammte Neligionsunterricht in der katholischen Volks\{hule wohl: gemerkt nur in der Mittel- und Oberstufe, um die Unterstufe handelt es sich nicht, denn da besteht die allgemeine Vorschrift hinsichtlich de Anwendung der Muttersprahe in deutsher Sprache eingeführt werden sollte. Die Entscheidung konnte garnicht zweifelhaft fein, und sie ist, obgleich die Negierung befugt war, eine selbständige Ent- {ließung ihrerseits zu fassen, mit Rücksicht auf die politische Be- deutung der Sache und namentlich mit Nücksiht auf das zu erwartende Aufsehen, welches diese Maßnahme in der dortigen Bevölkerung etr: regen mußte, durch Vermittelung des Ober-Präsidenten mir vorgelegt worden. Meine Herren, nach sorgfältigster und eingehendster Er- wägung, und nachdem das pro et contra in einem Berichte der Regierung eingehend erörtert worden war, habe ih der Regierung die Antwort ertheilt, daß gegen die in Aussicht genommenen Maßnahmen Bedenken nicht obwalten. :

Nun frage ih Sie, meine Herren, steht dem von dem Herrn Abg. Dr. von JaZdzewski erhobenen Vorwurfe, es handelte sich um eine allgemeine Maßnahme, die verfassungs- und gesetzwidrig sei, die dazu beitrage, die Schulkinder geradezu zu verderben, und um s genannte Studt'sche Erlasse, die sich mit dem Verhalten seiner Vor- gänger in Widerspru seßen, auch nur ein Schein des Nechts zur Seite? Es handelt sih um eine vollständige Legende, der der Her Abgeordnete auch, wie es scheint, zum Opfer gefallen ist. Ju Volké- versammlungen, an denen {ih leider auch katholische Geistliche be theiligt haben, die genau in dem Sinne von nationalpolnischen Ver fechtern der Sonderbestrebungen der Polen die Maßregeln bekämp! haben, ist“ immer nur von allgemeinen Anordnungen gesprochen, dit willkürlih getroffen worden seien, und zwar in dem Sinne, daß d! polnishe Sprache im Religionsunterrihte auf sämmtlichen Stuse" und in sämmtlichen Schulen der Provinz Posen nunmehr beseitigt werd

Ich habe die Maßregel in ihrem wahrey Sachverhalt erklärt u? begründet und frage die Herren, ob es richtig ist, derartige Angrift gegen die Unterrichtsverwaltung zu rihten. Wir werden uns niemd mit den Herren von der polnischen Fraktion verständi® fönnen über die Richtigkeit der Grundsäße, welche Unterrichtsverwaltung seit einer Reihe vdn Jahren konsequent dem fraglichen Gebiete befolgt. Diese Frage ist seit Dezennien hie im Hause der Abgeordneten so vielfach von- allen Seiten ers worden, daß ich mi enthalten kann, nohmals den ganz klaren Ret standpunkt der Regierung Ihnen vor Augen zu führen. Zweifellot hat. die Regierung, namentlich auch die Bezirksregierung, nihts weit?! gethan, als was in ihren Befugnissen liegt. Nun: ist allerdings au in anderen Orten in den leßten Jahren dieselbe Maßregel «getrof? worden, wie sie für die Stadt Posen eingeführt worden ist, aber

immer eine sorgfältige Erörterung der Frage stattgefunden, ob die Schulkinder schon so weit in der Beherrschung der deutschen Sprache fortgeschritten seien, daß sie dem deutschen Neligions- unterriht folgen fönnten. Mit der Religion selbst und deren Aufgaben hat die Sache nichts zu thun. Wenn irgendwelche Abweichungen von dem vorgeschriebenen Plane des Neligions- untercihts seitens der Lehrer vorkommen sollten, so würde sofort die nöthige Remedur eintreten. Aber die Lehrer richten si

; genau nah den bestehenden Vorschriften. Auch wird seitens der Squlaufsichtsbeamten bestätigt, daß die Unterrichtsziele, die ‘durch den deutschen Religionsunterriht in den Volksschulen erreiht werden jollen, in der That erreiht werden. Was dann noch fehlt, dafür zu sorgen, ist Sache des Kommunionunterrichts, der in so sorgfältiger Weise, au nah der muttersprahlihen Seite hin, seitens der Geistlichen wahrgenommen wird, daß alle etwa vorhandenen Lücken dadurch zweifellos beseitigt werden fönnen.

Die Anordnung selbst hat sich auch nah den Berichten, die seitens der betheiligten Behörden hierher erstattet worden sind, in der

‘Stadt Posen ohne erheblihe Schwierigkeiten vollzogen. Allerdings ist

in einzelnen Fällen ein Widerstand seitens der Schulkinder ' zu kon- statieren gewesen. Ging man dem Ursprung dieses Widerstandes nah, so stellte sich heraus, daß eine Einwirkung von außen statt- gefunden hatte, in vielen Familien allerdings auch eine Ein- wirkung seitens der Eltern und namentlih seitens der Mütter. E ist carakteristish, daß ein Kind aus einer national gemischten Ehe, wo der Vater ein Deutscher war, die Mutter eine Polin, behauptete, nicht deutsch antworten zu dürfen,

‘obgleich es die deutshe Sprache vollständig beherrshte, und hinterher

mit dêèm Geständniß herausfkam, die Mutter hätte gedroht, das Kind todtzushlagen, wenn es nur ein einziges Wort deutsh antwortete. (Hört! hört!) Das ist die Einwirkung, die von außen her vielfach geübt wird, um die Maßregeln der Unterrichtsverwaltung illusorish zu machen. (Zurufe bei den Polen : Erzbischof !) L

Gut, der Herr Erzbischof! Die Sache liegt folgendermaßen : Es ist in den sämmtlichen Vorschriften, die, wie ih sagte, hon seit einem Menschenalter in Anwendung sind, nicht vorgesehen, daß bei der Einführung des Deutschen als Unterrichtssprache im Religionsunterricht die geistliche Behörde gehört werden solle. Es ist dies auch im vor- liegenden Fall nicht geschehen. ®(NRufe: Aha ! bei den Polen.) Ja, es ist nicht geschehen, und zwar mit guten Grunde nit, weil die bestehenden Vorschriften eine derartige Anhörung nicht vorsehen und die seit Dézennien bestehende Praxis durhbrochen worden wäre, weil ferner die Antwort ja ganz klar war: der Herr Erzbischof in Posen hätte, wenn er gefragt worden wäre, zweifellos nichts Anderes thun föônnen, als ih gegen diese Maßregel zu erklären. Aber ganz ab- gesehen davon, meine Herren, ist auh von dem Herrn Erzbischof ein derartiger Anspruch nicht erhoben worden. Es ist leider in deutschen Zeitungen, sofort, nahdem die Maßregel bekannt geworden, die Mär verbreitet worden, der Herr Erzbischof hätte bei mir Beschwerde über die Maßnahme geführt. Das ist nicht richtig : Der Herr Erzbischof hat weiter nichts gethan, als mir die Mittheilung zu machen, daß er aué den Zeitungen entnommen habe, die Maßregel wäre nun in Posen getroffen worden ; er bäte um den Wortlaut der betreffenden meinerseits erlassenen Bestimmungen. Da ich gar keine Bestimmungen getroffen, sondern nur zu den von der Regierung geplanten Maßnahmen meine Zustimmung ertheilt hatte, so habe ih erst den Wortlaut der be- treffenden Verfügung aus den Akten der Regierung feststellen lassen müssen; und dann habe ih allerdings nit allein diesen Wortlaut dem Herrn Erzbischof mitgetheilt, sondern ich bin sogar in meinem Entgegenkommen \#o weit gegangen, daß ih ihm die Gründe, welche die Bezirksregierung zu dieser Maßregel bestimmt hatten, eingehend dargelegt habe.

Meine Herren, wenn ich nun noch weiter die Maßregel, welche die Regierung kraft eigener Machtbefugniß ohne weiteres treffen fonnte, zu vertheidigen habe, so geschieht das aus folgenden Gesichts- vunkten. Es kommt nicht allein darauf an, die Polizeibehörden in der s{hwierigen Aufgabe zu erleichtern, in jedem einzelnen Fall fest- zustellen, ob ein Kind der deutschen oder der polnischen Abtheilung des Neligionsunterrichts in der Volksschule zu Posen zugetheilt werden solle, eine Aufgabe, die deswegen so besonders pein- lich ist, weil von gewisser Seite her, die ih nicht erst ‘be- zeihnen will, auf die deutschen katholischen Familien und auf die national gemischten Familien vielfah die Einwirkung geübt wird, daß sie ihre Kinder nur ja der polnishen und niemals der deutschen Abtheilung zuweisen möchten. Diese Aufgabe vereinfacht sich wesentlich dann, wenn auf der mittleren und oberen Stufe des Religionsunter- richts lediglih die deutshe Sprache zur Anwendung kommt. Im vorigen Jahre hat der Herr Abg. Stychel Ihnen {hon des näheren dargelegt, wie peinlich sih dieser Zustand auch für die Betheiligten bisher gestaltete. Es handelte \sich aber auch darum, die weitver- breitete Auffassung zu beseitigen, als ob der deutsche katholische Glaube der minderwerthige sei. Meine Herren, diese Auffassund be- steht nit allein in der Provinz Posen, sie wird fortwährend, und zwar seit Dezennien geltend gemacht, sehr zum Nachtheile der deutshen Katholiken, von denen viele infolge der Unterstellung, daß ihr Glaube der minderwerthige sei, sich s{ließlich ganz dem Polenthum zuwenden und polonisiert werden. Jch habe im vorigen Jahre den Nachweis geführt, mit welchen betrübenden Zahlen wir auf diesem Gebiete zu rechnen haben. (Sehr richtig !)

Nun frage ih, meine Herren; Ist es nicht rihtig, diese Legende von der sogenannten „wiara niemiecka“, von dem deutschen Glauben, der minderwerthig ist, zu beseitigen mit allen Maßregeln, die wir treffen können? Und ih frage weiter: Sind die bescheidenen Anfänge, welche die deutschen Katholiken in der Bethätigung eines selbständigen nationalen Wesens nun endlih begonnen haben, berechtigt oder nicht, und welche Beurtheilung erfahren sie seitens derjenigen, denen die deutschen Katholiken in der Provinz Posen {hon so viel politische Vorspanndienste geleistet hgben, die von der anderen Seite mit Freude acceptiert werden? Jch will nur eine einzige Beurtheilung dieses Vorgéhens hier zur Verlesung bringen:

Alle wackeren Polen s\ollen hiergegen eine eifrige Agitation entfalten. Hier handelt es sih nicht um Gotteswort, sondern um eine Stärkung des Deutshthums und des Protestantismus. Das können die Polen niemals gestatten, wenn sie \sich nicht ewiger Schande aussetzen wollen.

Das ist die Kritik, die über das selbständige Vorgehen der deutschen

Katholiken deshalb geübt worden ist, weil sie mehr deutsche Predigten erhalten wollten.

vollständigen und sie auf diese Weise zu befähigen,

Nun, meine Herren, die Maßregel hat aber noch eine andere Seite. Es is unerläßlich, die Sprachkenntnisse der polnischen Kinder, die sehr viel zu wünschen übrig lassen, troßdem das Deutsche ‘als Unterrichts\prache {hon lange eingeführt ist, nah Möglichkeit zu ver- wie das in dem Geschäftssprachengeseke von 1876 grundsäßlich zum Ausdruck gekommen is, als Glieder des preußishen Staats an dem öffentlichen Leben in der Gemeinde u. \. w. theilnehmen zu fönnen. Die Aufgabe, diese Seite der unterrichtlichen Thätigkeit zu fördern, ist eine der wichtigsten Pflichten der Unterrichtsbehörden, zumal damit erreiht wird, daß dem betreffenden Schüler die Mög- lichkeit geboten ist, im späteren Leben besser fortzukommen und dem- nächst auch die deutsche Literatur kennen zu lernen, während sie jeßt ausschließlich angewiesen sind auf eine Lektüre, welhe ihnen die ein-

seitigsten Begriffe von dem deutschen Volk und der preußischen Re- 7

gierung beibringen muß.

Die Angriffe, welhe der Herr Abg. von Jacdzewski gegen die Unterrichtsverwaltung gerichtet hat, sind, wie ih zu beweisen versucht habe, verfehlt. Sie sind aber auch zu einem möglichst ungünstigen Zeitpunkte hier eingebraht. Die Agitation, wie sie sih in der Presse entwickelt hat und in der leyten Zeit hier zum Ausdrucke gekommen ist, ist eine unerhörte. JInwieweit der Herr Abgeordnete selbst dazu ‘beigetragen hat, vielleicht ohne sein Wissen und Wollen, aber durh Aeußerungen bei besonderen Gelegenheiten, lasse ih dahin- gestellt. Das Eine aber möchte ih aus einer Rede, die er am 23. April v. J. bei der Jubiläumsfeier der Diözese Gnesen gehalten hat, noch hervorheben, nämli die Aeußerung:

Rings herum find wir umgeben von Kolonisten und Ansiedlern wie von einem Bande, von Ansiedlern, welche uns fremde Nationalität, eine andere Sprache, Kultur und Neligion aufzwingen. Und am Schlusse seiner Nede: Durch die Eintraht des Glaubens und nationalen Empfindens müssen wir uns den Weg zu Gottes Gnade und zur nationalen Wiedergeburt schaffen. (Hört, hört! bei den Nationalliberalen und rechts.) Und nun, meine Herren, die Beweise dafür, wie die sogenannte Wiedergeburt des Polenreichs in den Zeitungen behandelt wird: Ich habe im vorigen Jahre die Ehre gehabt, den Herren zu erklären, daß die höchst dankens- werthen Versicherungen der Loyalität, die seitens der Mitglieder der polnischen Fraktion hier abgegeben werden, über die Wände dieses hohen Hauses hinaus einen Widerhall in dem polnischen Volke nicht finden. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen und rechts.) Meine Herren, sie finden niht allein keinen Widerhall, sie finden einen ganz entschiedenen Protest. So sagt z. B. ein hier in Berlin er- \cheinendes polnisches Blatt, welches, nebenbei bemerkt, seine hiesigen Landsleute zum Halten der Zeitung mit dem Bemerken auffordert: das alte Polenreich hâtte sih bis zu den Ufern der Spree erstreckt : Wozu follen wir derartige Loyalitätsversiherungen denn ab- geben? Die Unaufrichtigkeit, mit welher wir uns selbst und An- deren einreden, wir , strebten nicht nah . der Verwirklichung unseres JIdeals, Polens, sondern wir wollten nur unsere Muttersprache vertheidigen, räht \sch an uns allen.

Ferner sagt die Praca:

Die Betheuerungen unserer Loyalität und Treue und Unter- thänigkeitsgefühle, die wir dem König und der Regierung gegen- über haben, werden bei jeder Gelegenheit, in jeder Rede unserer Abgeordneten oder in den unsere politishe Lage behandelnden Artikeln der polnischen Presse wiederholt. Es lohnt sih wirkli,

* darüber naczudenken, ob diese Versicherungen, daß wir troß alledem loyale und treue Unterthanen sind, wahr und an- gemessen sind.

(Hört, hört !) Kann unsere in raffinierter Weise gemarterte und gefolterte Gefell- schaft auch nur éinen Funken dieser Loyalität und Treue in sich fühlen? Möge dech nur ein Pole im preußischen Antheil fich finden, der mit der Hand auf dem Herzen sagen könnte, daß wir der preußischen Regierung gegenüber loyal und treu sein können! Zeigèt ihn uns.

Und dann weiterhin sagt ein anderes Blatt:

Der Glaube an die zukünftige Unabhängigkeit des Vaterlandes steckt tief auf dem Boden einer jeden polnischen Seele. . . . Wir haben mebhrfach hervorgehoben, daß unterjohte Nationen nur mit Blut und Eisen die Unabhängigkeit wiedergewinnen.

Meine Herren, das ist einem Artikel entnommen, in welchem aus- drücklih hervorgehoben ist, daß die gesammte Vereinsbildung, nament- lich die Bildung der Sokolvereine, nur dazu bestimmt fei, um die Widerstandsfähigkeit des polnischen Volkes gegen deutsche Einwirkungen einerseits zu stärken, andererseits ihm auch die Möglichkeit zu geben, in geschlossenen Massen und in woblgeshulten Regimentern dann aufzutreten, wenn der Augenblick gekommen sei, um Rache zu nehmen an dem deutschen Volke.

Meine Herren, dieser große Kladderadatsh, der in gleiher Weise wie der von der sozialdentokratischen Partei erhofft wird, wird nicht etwa als eine noch ungewisse Thatsache, sondern als ein ganz sicherer Faktor erwartet, mit dem täglih zu rechnen sei und auf welchen jedes getreue Polenherz \sich vorzubereiten habe.

Nun aber, meine Herren, habe ih noch einen Punkt zu berühren, der besonders mein Ressort betrifft. Ih habe vorhin bemerkt, daß Herr Dr. von Jaédzewski sich einen möglichst ungünstigèn Zeit- punkt für seinen Angriff herausgegriffen hat, und habe das zu begründen mit dem Hinweis darauf, daß in der leßten Zeit, ih muß geradezu sagen, mit einem Cynismus, ‘der vom pädagogischen Standpunkt im höchsten Maße zu bedauern ist und geradezu als pädagogisches Verbrechen bezeihnet werden muß, auf die jugendlihen Gemüther der Schüler in verschiedenen Unterrichts- anstalten in nationalpolnishem Sinn eingewirkt wird. Es ist ein förmliches Neß der Spionage organisiert, um irgend ein Verfehlen eines Volks\{hullehrers, das gegen die polnischen Interessen gedeutet wird, zur Kenntniß der betreffenden nationalpolnishen Agenten und demnächst in die polni)chen Zeitungen zu bringen. Es wird in den Zeitungen geradezu darauf hingewiesen, daß die Kinder sih melden sollten, um den Lehrer zu denunzieren.

Aber noch \{limmer steht die Sache auf den Gymnasien. Meine Herren, es ist in der leßten Zeit Ihnen wohl aus den Preßorganen bekannt geworden, daß die Behörden hinter einige Organisationen von Gymnasiasten gekommen sind, welche einer Geheimbündelei gleichen. Die gerihtliche Untersuhung, die zur Zeit \{chwebt, veranlaßt mich, auf die Einzelheiten niht einzugehen, um so

mehr, als der Ausgang der Angelegenheit ja noch nicht übersehen werden fann. Aber eins kann ih jeßt {on hier erwähnen, daß das Vorhandensein von Vereinen konstatiert worden ist, in denen unter anderem die Verpflichtung der unbedingten Verleugnung der Existenz des Vereins von den einzelnen Gymnasiasten ehrenwortlih gefordert wird, ferner die Verpflichtung, selbst den Eltern gegenüber die Existenz des Vereins und die Zugehörigkeit zu demselben zu leugnen. Auf eine Vorhaltung, die an einen von diesen Gymnasiasten von einem Gymnasial-Direktor gemacht worden ist, hat der Schüler geantwortet : „Jch werde Sie gerichtlich belangen; man hat mir gesagt, Jhr Vor- gehen sei eine brutale Frechheit.“ Von wem dem. Schüler eine derartige Auffassung beigebraht worden ist, kann man fih wohl vorstellen.

Nun habe ih mich noch zu beschäftigen mit der von mir schon erwähnten, hier in polnischer. Sprache erscheinenden Zeitung, welche sich in ganz besonders scharfen Angriffen gegen das Deutsch- thum ergeht, in der allerdings zutreffenden Vorausfeßung, daß die Langmuth des deutschen Michels eine sehr große sei. Wenn der Herr Abg. Dr. von JaZcdzewski auf englische Verhältnisse exemplifiziert und mir hier die Aeußerung eines englishen Premier-Ministers vor- hält, so frage ih Sie, meine Herren, wie würde es einer Zeitung in London ergehen, die in der englischen Hauptstadt tagtäglih die aller- gröbsten Ehrverleßungen und Beleidigungen gegen die englische Nation \{leudert, glauben Sie, daß von dem betreffenden Redaktions- gebäudeauch nur ein Stein auf dem andern bleiben würde ? (Zustimmung.) Wir sind noch großmüthig genug, um uns täglih diese groben An- griffe gefallen zu lassen, weil wir uns in gutem Rechte glauben und es au sind. Die mehrerwähnte Zeitung treibt die Verheßung \{ließlich so weit, daß sie unter anderm sagt: wenn ihr auf unsere Provokationen u. \. w. hin uns ein „Quos ego“ zuruft, dann rufen wir euch zu: „Hinaus aus dem Haus!“ (Heiterkeit rehts.) Meine Herren, wir sollen das in den ehemals polnischen Landestheilen errihtete Haus verlassen, das wir im verwahrlosten Zustande vor 100 und mehr Jahren übernommen haben, wir sollen das Haus verlassen, zu dessen sorgfältigem Ausbau wir deutsches Geld, deutsche Arbeit, deutschen Fleiß und deutsche Kultur verwendet haben?! Wir werden .in diesem Hause mit Gottes Hilfe für alle Zeiten bleiben, wir werden es weiter ausbauen und wir werden diese Stätte immer wohnlicher gestalten, vor allen Dingen auch für unsere eigenen Landsleute, die dort mit ihrem Be- sißthum und gesammten nationalen Sympathien wurzeln.

Ih schließe mit der Erklärung, daß die Maßnahmen der Bezirks- regierung in Posen vollständig gerechtfertigt waren und keinen \tich- haltigen Grund zu solhen \{harfen Angriffen gegeben haben. Die Unterrichtsverwaltung wird weiter den Weg gehen, den einzuhalten ihr das nationale Interesse in gleiher Weise wie die Aufgabe der Schule gebietet. (Lebhaftes Bravo! rechts.)

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Entschuldigen Sie, daß ih auf einen Punkt wieder zurückkomme, den ih vorher in seiner Schärfe nicht beachtet hatte. Herr von JIazdzewski erzählt: evangelische Geistlihe mischten sich in diesen Streit und suchten neben dieser politischen und natio- nalen Frage zugleich auch eine religiöse konfessionelle Frage zu machen. Nun, meine Herren, wenn dies der Fall sein sollte und von einem evangelischen Geistlichen in einer Versammlung in Frankfurt a. O. derartige Reden gehalten find, so geht das die Negierung nichts an. Wir wollen und können jede religiös-konfessionelle Frage aus diesem ganzen Kampfe fernhalten. Meine Herren, wenn man aber nachsuhen wollte und die Beweise dafür sammeln, in welcher Weise die katholisch-polnischen oder, rihtiger gesagt, die polnisch-katholishen Geistlihen in diesen nationalen Kampf sih mischen, so würde das von Herrn von Jazdzewski Erzählte aussehen wie eine Mücke gegen einen Elephanten. (Sehr richtig ! rets.) Meine Herren, ih möchte das namentlich den Herren aus dem Zentrum sagen, daß es sich hier in den Augen der Polen gar nicht handelt um die katholishe Kirche in Posen, sondern um die polnische Kirche, die zugleich eine katholische ist in diesem Bezirk. Jch spreche hier nicht von der Oberleitung der Kirche, aber daß die Grund- anschauung der fkatholishen polnischen Geistlihen die ift, daß die Diözese Posen eine polnische Diözese ist, und daß die Deutschen, die dahin kommen, gute Katholiken, allmählich wenigstens sich als Polen in dieser Kirche legalisieren müssen (sehr rihtig!), das ist voll- fommen flar. Es hängt das zusammen mit den Anschauungen von dem historishen Fürstenprimas, die ja die Herren kennen, und darin liegt gerade ein großes Uebel. Meine Herren, daher kommt die Verquickung der konfessionellen Frage mit der nationalen Frage, daher fommt die Schwierigkeit, die die Regierung hat beispielsweise bei der Ansiedlung, in dieser Beziehung den Beweis zu führen, daß ein katho- lischer Deutscher, der es bleibt, ihr ebenso lieb ist wie ein evan- gelischer, daß wir in dieser Beziehung nicht den geringsten Unterschied machen. Ih glaube, unsere deutshen Katholiken kennen doch die Verhältnisse in diesen östlihen Provinzen, namentli wenr sie im Westen wohnen, nicht genügend; aber ich hoffe, daß das Verhalten der Polen, der Hunderttausend von Polen in Westfalen und Rheinland in dieser Beziehung doch eine größere Aufklärung bietet, und die Sorge, daß es sich hier um ein, möchte ih sagen, protestantish konfessionelles Vorgehen handelt, ver- {winden wird, wenn Sie, meine Herren, sehen, wie die katholischen Polen in Nheinland und Westfalen ihre eigenen bis{öflihen Ober- hirten behandeln. (Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, viele von Jhnen werden wahrscheinlih ein kleines polnishes Blatt, das dort herauskommt, kennen, und wenn Sie sehen, wie da gegenüber den Verfügungen des Herrn Bischofs von Paderborn gesprochen wird, werden Sie erkennen, worum es si bei dieser Frage eigentli handelt, ob um die Religion oder um die Nationalität. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Hahn (B. d. L.): Hoffentlich befolgt jeßt die Regierung eine konjequente energische Politik gegenüber den Polen. Das Schwanken in der Boe olitik der preußisGen Regrerung f t die n ten peln

daß N y : iz ; { wir noch nicht weiter gekommen sind. Die Beamten in den piljen Ein Landrath in Pofen bat

Arti müssen besser gestellt werden. ebr viel mehr zu thun, will er zugleich als Germanifator auftreten, als ein vandrath ders. 1 } werden, . Jahrzehnte hindur in seinem Amte zu bleiben. eine gute clnisdhen Vandeathe nöthig, damit Lo deuts o e

irgendwo anders. Er muß in den Stand geseßzt erner ist l è b der S balten k Da in den polnischen Landestheilen auf e balten können. Die olen sind vi bedürfnißloser als die Deutschen. Jm Westen Ke 1h rein polnische Kolonien gebildet. Die Industrie sollte die polnischen Arbeiter abschieben. Es sind Unglücksfälle in Bergwerken vorgekommen, weil die poluishen Arbeiter die Vor risten nicht lesen konnten. deutsche üer ist infolge der Wirt gpolitik nicht mehr stände, das Deutschkhum gegen das Pölenthüm' zu stärken. Zu einer