1901 / 20 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Jan 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutscher Reichstag. 30. Sizung vom 22. Januar 1901. 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sitzun L K i Nummer d. Bl. berichtet. gung wurde in der gestrigen

Die zweite Lesung des Reihshaushalts-Etats für 1901 wird bei dem Etat des Reichsamts des Men und zwar bei dem Titel „Gehalt des Staatssekretärs 50 000 M“, fortgeseßt.

Kommissar des Bundesraths, Geheimer Bergrath Meißner wendet fich gegen die von dem Abg. Sachse in der 29. Sißung ge- aen Ausführungen. Wenn dieser behauptet habe, daß die Zahl der mine im Bergbau gestiegen fei, so sei dies nur bedingt zuzugeben, da diese Vermehrung sih aus einer genaueren Statistik erkläre. Die Unfallziffern in Preußen seien beispielsweise günstiger als in Süd-Wales.

bg. Horn- Sachsen (Soz.) führt aus, der Staatssekretär Graf Pofadowsky habe seine (Rédners) Ausführungen über die Lage der jugendlichen Arbeiter in der Glasindustrie nicht gelten lassen wollen; er folle sich im Irrthum befunden raa Er (Redner) habe wörtlich ausgeführt, poß „in den Glas\cleisereien Kinder im Alter von 9 bis 14 Jahren beschäftigt würden, allerdings nur bis zu 6 Stunden täg- lich. Das sei Thatsache. Redner wendet sih dann gegen den Abg. Ur. E und dessen Angriffe auf die neutralen Gewerkschaften.

Abg. Pauli- Potsdam (b. k. F.): Wenn wir in unserem deutschen Reichstage die Einrichtung E Parlamente bätten! den Ministern ein Vertrauensvotum zu geben, so wäre ih der Erste, der dazu bereit wäre; au meine ih mit dem Abg. von Kardorff, daß die Ablehnung des Antrages der äußersten Linken auf Einseßung einer parlamentarischen Untersuhungskommission wegen der 12000 # uns eine erwünshte Gelegenheit dazu geben wird. Herr Peus klagt über die Mißstände in den Ziegeleien, aber er sollte seine Vorwürfe niht an die rechte, sondern an die linke Seite dieses Hauses richten, denn die A findet sih gerade bei Zigeleibesitern, welhe zu den Freisinnigen zu rechnen sind oder jüdischen Glaubens sind. Auch der Widerstand der Bäkermeister gegen die Bätereiverordnung wird von den Sozialdemokraten ganz falsch beurtheilt. Zahlreihe Bestimmungen dieser Verordnung sind derart, daß die Bâkermeister sie beim besten Willen nicht betolien können. Besonders die Wetterverhältnisse greifen oft höchst störend in den Betrieb zumal der mittleren und kleinen Bäereien ein, sodaß das Gebäck unter Umständen garnicht rechtzeitig hergestellt werden fann, wenn plößlich die vorgeschriebene Nuhbezeit oder Nuhepause dazwischen kommt. Auch muß man doch gerecht sein und, was den Gesellen zugebilligt werden foll, auch dem Meister zugestehen; die Meister aber müssen wie die Gesellen die ganze Nacht in der Bakstube \tehen und arbeiten. Was die zur Abhilfe gemachten Vorschläge betrifft, so scheint mir die L Marximalarbeitswoche die vorhandenen Schwierigkeiten noch zu vermehren. Hoffentlih bringt die Regierung bald eine Vor- lage, welche den berechtigten Beschwerden abhilft. Der Abg. Hoch hat wieder auf die Bauarbeiter zurückgegriffen und verlangt cine Ver- stärkung der Baukontrole. Wenn wir dem nachfkommen sollen, fo könnten wir s{ließlich hinter jeden Bauarbeiter noch einen Kontrol- arbeiter stellen. Schon heute wird von den organisierten Arbeitern und thren „Vertrauensmännern" eine höchst ungehörige Kontrole aus- geübt, obgleich die Leute doch \{chwerlich in der Lage sind, in jeder bautechnishen Frage ein jachverständiges Gutachten abzugeben. Diese Aufpasser verlangen sogar, daß sich die Poliere u. \. w. an sie direlt wenden, wenn sie mit „den Arbeitern etwas haben! Wo soll das s{ließlich hinaus? Ueberall, auf jedem Bau sind doch auch die Unfallverhütungsvorschrifteu angeschlagen. Daß die Löhne der Arbeiter in den Staatswerkstätten in Spandau zu niedrig sind, gebe ih dem Abg. Bebel ohne weiteres zu; auch ih habe stets verlangt und verlange auch jeßt wieder eine Erböhung. Herr Bebel verlangt ferner, daß auch diesen Arbeitern das Koalittonsre{t gegeben werde : es bestehen dort aber Arbeitervereinigungen , allerdings s\taats- und fönigstreue, wie es die christlihen Arbeitervereine auch find. Die Klage des Herrn Bebel bezieht fich alïo wohl nur darauf, daß die Arbeiter verhindert werden, fsich in sozial- demokratischer Weise zu organisieren. Das ist thatsäblich so, aber eine Regierung, die anders handeln würde, würde ja garnicht auf der Höbe ihrer Aufgabe stehen. Die fozialdemokratishen Organisationen würden die Staatsbetriebe geradezu lähmen, sie würden sogar das Land in die Gefahr stürzen, einem auswärtigen Feinde chne Kampf ausgeliefert zu werden; sie könnte ihre Hand auf ganze Eisenbahn- Direktionsbezirke und den gesammten Verkehr lahmlegen, getreu der bekannten Devise: Alle Näder stehen till, wenn dein starker Arm es will! Ih. hoffe, die Regierung wird sich der Pflichten, die sie in dieser Beziehung hat, auch den Arbeitern gegenüber, ‘die über ihre

vielen

Detail der Tafeln niht verantwortlich fein kann, aus allgemeinen Gründen troßdem ziemli empfindlich berührt, und ih will den Herren auch sagen, aus welchen Gründen. Wir haben in Deutschland. felbst- verständlich das allergrößte Interesse, daß die Staaten, mit denen wir in wirthschaftlichem Wettkampf liegen, dieselben Aufwendungen für sozialpolitishe Zwet machen wie Deutschland (schr rihtig!); denn davon hängt auf die Länge ab, ob wir überhaupt in Deutschland uns eines weiteren fozialpolitishen Fortschritts erfreuen können oder niht. (Sehr richtig!) Bleiben, meine Herren, andere Staaten im Zustande des Stillstands oder schaffen Geseze, die manch- mal sehr weittragend aussehen, aber vor der scharfen Kritik des Sachverständigen absolut keinen Vergleich aushalten mit der deutschen fozialen Gesetzgebung (sehr gut! rechts), bleiben andere Staaten in diesem Zustande des Stillstands oder ich will mich höflih ausdrücken nur eines scheinbaren Fortschrittes, während es der deutshen Gemüthsart entspriht, sahlich fortzuschreiten, innerlich wirksam in allen diesen Beziehungen zu arbeiten dann könnte der Erfolg einer solhen Disparität \{ließlich der sein, daß auch die deutshe sozialpolitishe Geseßgebung zu einem gewissen Stillstand verurtheilt würde. Warum, meine Herren ? Weil dann unter Umständen das deutsche Produkt so außer- ordentlih mit fozialpolitishen Lasten, mit Bruttokosten für die sozial- politishen Aufwendungen belastet wäre, daß dies Produkt auf dem Weltmarkït niht mehr konkurrenzfähig wäre mit den Produkten anderer Staaten, und daß dadurch selbstverständlih unsere ganze Ausfuhr- industrie unter Umständen aufs \{chwerste gefährdet werden müßte ! (Sehr wahr !) Sie dürfen niht vergessen ih "male hier keine shwarzen Bilder an die Wand —, daß es jeßt in der Welt bereits Staaten giebt, deren wirthschaftliche Konkurrenz mit starker Faust an die Thore Deutschlands selbst klopft und Einlaß verlangt. (Sehr richtig! rechts.) Das sind die Gründe, meine Herren, warum ih den Vorwurf bedauert habe, daß wir in Paris eine Arbeiter-Wohlfahrts-Ausstellung gemacht hâtten, die angebli, wie der Engländer sagt, nur for show ist, und das nöthigt mih au, so sehr ih es bei dem Fortschritt der Debatten auch bedauere, doch mit Nücksicht auf die Oeffentlichkeit und auf das Ausland auf diefe Vorwürfe hier ausführlicher einzugehen.

i Meine Herren, es ist also bebauptet worden, daß einige Beispiele

auf einer Tafel, betreffend die Krankenversicherung, gewählt seien, die in ibren Angaben den Thatsachen nicht entsprächen; ein Arbeiter mit 24 4. und eine Arbeiterin mit 16 4 Wochenlohn wären dort angeführt, und es würde dadurch in dem Besucher der Weltausstellung eine Täuschung über die durchschnittliche Lohnhöhe in Deutschland er- zeugt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich gestatte mir dem- gegenüber darauf hinzuweisen, daß auch eine ganze Reihe von anderen Beispielen angeführt war; unter anderem z. B. ein landwirthschaft- licher Tagelöhner mit einem von der Verwaltungsbehörde festgesetzten Durchschnitts-Jahresarbeitsverdienst von 540 Æ, dann bei der JIn- validenversicherung eine Arbeiterin mit einem Jahreslohn von 320 M Es follte eben vón den betheiligten Aemtern nur eine Neibe von Beispielen gegeben werden, und ih glaubte, von - der Kritik ist der Begriff „Beispiel“ und der Begriff „Durchschnitt“ verwehselt; denn Durchschnitte giebt es nur zwei, einen für den männlichen und einen für den tweibliwen Tagelohn. ; Gs wird dann weiter bemängelt der Jnhalt der Tafel der Krankenversicherung. Diese Tafel sagt: „Die Versicherten erbalten in Erkrankungsfällen entweder Verpflegung im Krankenhause oder ärzt- lie Behandlung und Arznei und Krankengeld, leßteres mindestens in der Höhe des halben Lohnes für die Zeit der Erwerbsunfähigkeit.“ Demgegenüber wird in dem Artikel des Herrn Legien wörtlich ein- gewendet :

Entschlossenheit niemals im Zweifel gelassen werden dürfen, immer |!

bewußt bleiben!

Der Abg. Münch-Ferber (nl.) hat folgenden Anirag |

zu diesem Titel gestellt : __ Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die Subventionierung | ciner Zentral-Auskfunfts|telle für Fragen der Landwirthschaft, der Industrie, des Handels und des Gewerbes in Erwägung zu ziehen und die erforderlichen Mittel ‘ur den Neichshaushalts-Etat resp durh einen Nachtrags-Etat für 1901 von dem Reichstag zu erfordern. |

Der Antragsteller empfieblt diesen Antrag dem Hause zur Annahme und den verbündeten Regierungen zur wohlwollenden Er- wägung. In Amerika sei” man auf diesem Gebiete viel weiter als in Deutschland. Jn Philadelphia bestebe eine fole Zentral-Auskunftsstelle im Anschluß an das dortige Handelsmuseum; jeder deutsche Fahmann, der dieses Museum mit eigenen Augen gesehen, babe in das Lob ein-

“Cx Li fi S ä ; | lohn au der Durchschnittslohn derjenigen Klasse von Arbeitern dient,

stimmen müssen, welches diefer (Finrihtung von englischer Seite zu theil geworden sei. Das Reichsamt des Innern habe ja die bekannten „Nach- richten für Handel und Znduttrie“ berausgegeben; aber mit dem Lese- stoffe allein sei es nicht gethan. Die amtliche Zusammenstellung über | die Zollfsäße der anderen Länder, die von derselben Stelle heraus- gegeben und sehr fleißig gearbeitet sci, könne ‘heute von den «ntere}jenten nur noch mit größter Vorsicht benußt werden, denn | in einer Reibe von Staaten seien seitdem Zollveränderungen eingetreten. Man brauche eben eine Stelle, welhe für alle diese | Angelegenheiten dem interefsierten Kaufmann, Landwirth oder Jn- dustriellen sofortige und erschôöpfende Auskunft zu geben im stande se Auéges{logen bleiben solle von diefer Ausfunftéstelle nur die Auskunftéertbeilung über die Kreditverbältnisse einzelner Firmen oder Persönlichkeiten. Vie fehr gut organifierte Zentralstelle zur Vorbereitung von Hantelsverträgen habe, eine solhe Auékunftei allerdings schon eingerihtet, aber das sei eine Privatveranstaltung, und die Auskunft werte nur den Mitgliedern gewährt. Die großen Weltfirmen brauten ja eine soihe Cinrihtung nit nothwendig, um | o nothwendiger aber babe fie der mittlere und fleine Kaufmanns- | und Gewerbestand, der nicht in der Lage sei, bei seinen fnappen Mitteln sich mit derselben Leichtigkeit die erforderliden Informationen zu verschaffen.

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Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner: |

Meine Herren! Treydem unsere Debatte sih {on ziemlih lang auêzetehnt hat, bin ih doch genöthigt, ncch auf einige Punkte ein- zugeben, die ín ten leßten Tagen zur Sprache gekommen sind. ¿ Da ift vor allem die Erörterung zu cinem Gegenstand, von der i sagen fann, fie hat mi recht lebhaft getroffen. Einer der Herren Abgeordneten der sozialdemokratishen Partei hat nämlich behauptet auf Grund eines Artífels, den ter frühere Abg. Legien über die Pariser Ausstellung, speziell über die Arbeiter-Wohlfahrts-Ausstellung, die dort vom Reichs-Versicherungéamt in Verbindung mit dem Statistischen Amt veranstaltet war —, daß auf den ausgestellten Tafeln sich Angaben befänden, die thatsächlich unrichtig wären und

| der großen Wandtafel „Hauptergebnisse der Krankenversicherung“

„Das Krankengeld wird nicht in der Höhe des halben Tage- lohns, fondern in der Höhe des halben ortéüblihen Tagelobns gewährt.“

: Aber auch das, meine Herren, was hier Herr Legien gesagt hat, ist meines Erachtens nicht ganz richtig; denn Herr Legien weiß ganz ebenso genau wie ih, daß zur- Bemessung sowobl der Höhe der Bei- träge als der Höhe des Krankengeldes außer dem ortsüblichen Tage-

für welche eine Klasse errichtet wurde, oder auch ein solcher Durch- schnittélohn flassenweise abgestuft oder auch bei wieder anderen Klassen der Jndividuallohn. Und, meine Herren, ebenso wie Herr Legien nicht alles gesagt bat in seiner Broschüre, weil er eben nur gewisse Hauptzüge, auf die es ihm ankam, hervorheben wollte, so konnten wir natürlich auf diesen Tafeln auch nit alles auf- führen, sondern wir wollten nur gewisse springende Punkte hervor- heben. Genaues, meine Herren, ift außerdem auf der Pariser Aus- stellung in Zahlen und in bildlicher Darstellung gegeben worden auf

(‘Reichégesctzliche Krankenkassen und Knappschaftskassen zusammen) Außerdem sind auf der Pariser Weltausftellung eine ganze Anzabl Broschüren und statistische Bände gratis vertheilt worden, die über die geseßliche Lage, über Lohnhöbe u. \. w. in Beziebung zu unseren sozialpolitischen Einrichtungen den unzweifelbaftesten und klarsten Auêweis geben. Aber auch in dem „Merkblatt“, das vertbeilt ist, bätte Herr Legien Seite 12 Ausführlicheres zur Sache finden können. Hier beißt es: : „Die vorstehenden Beispiele sind als Einzelfälle der Mitglied- schaft von Kassen entnommen, bei welchen der thatsächliche Arbeitsverdienst die Grundlage für die Bemessung der Beiträge (z. B. 29/9 tes Lohnes) und des Krankengeldes (z. B. 509/69 des Lohnes) bildet. Vei anderen Kassen richten sich Beiträge und ee nah dem ortéüblihen Tagelohn oder nah Durchscbnitts- löbhnen."

Schließlich ift au behauptet worden, daß mit diesen“ Löhnen derartige Leistungen, wie fie auf den Tafeln verzeihnet find, gar nit möglih wären. Es heißt dort z. B. wörtlich:

„Bei einem Beitrage von 48 respektive 32 auch nicht geleistet werden.“

Jch will Sie hier niht ermüden mit zu viel Einzelheiten, i habe aber bier eine ganze Reihe von Beispielen vor mir, wo in der That solches und sogar noch Höheres geleistet wird, als \sih auf den Tafeln verzeihnet findet. Jh kann u. a. Bezug nehmen auf mehrere Berliner Betriebskrankenkassen. Z. B. is in der Be-

F fann folches

geeignet \cien, ein falsches Bild von den Verhältnissen der deutschen Arbeiter und der Wirkung der deutshen Arbeitergeseßgebung zu geben. Dieser Vorwurf hat mi, obgleich ich natürlih für das

Verdienst maßgebend, 20% davon werden als

hoben, und das Krankengeld beträgt */z des Verdienstes (statt S im Beispiel nur angebenen ‘/sz}, die Zahlung des vollen

dauert eventuell 52 Wochen (ftatt der im Beispiel nur angeg

13 bis 26 Wochen), und das Sterbegeld beträgt das Dreißigfache des Tagesverdienstes (statt des im Beispiel nur angesetzten Zwanzigfachen) Gbenso stehen mir eine ganze Anzahl von anderen Beispielen, die für die Nichtigkeit der Tafeln sprechen, zur Verfügung, z. B. der Kranken, fasse der Berliner Hotelgesellschaft. Andere Betriebs-Krankenkasse; [leisten das in den ausgestellten Beispielen Angegebene und mehr als l a geringeren Beitrag als 29/0, z. B. gegen 14% Gesammt.

itrag.

Der Herr Abg. Fischbeck hat gestern moniert, daß über Polizei. verordnungen, betreffend Unfallverhütungsvorschriften, die Berufs. genossenshaften nit gehört seien, während solches doch vom Ges, vorgeschrieben fei. 4 im § 117:

„Die von den Landesbehörden für bestimmte Gewerbe oder Bet riebsarten zur Verhütung von Unfällen zu erlaffenden An- ordnungen sollen, sofern niht Gefahr im Verzuge ist, den betheiligten Genossenschaften oder Sektionsvorständen zur Begutachtung vorber mitgetheilt werden.“

Im vorliegenden Falle handelte es sih um die Einrichtung von Aufzügen und Dampffässern. Das sind aber nicht Einrichtungen für bestimmte Gewerbezweige oder Betriebsarten, sondern Einrich- tungen, welhe so ziemlich für alle Fabriken in Frage kommen. Darum mag sich der preußische Herr Handels-Ministec für berechtigt gehalten haben, die Berufsgenossenschaften über jene Verordnungen nicht zu hören, aber ih kann allerdings zugestehen und so weit kann ih den Ausführungen des Herrn Abg. Fischbeck folgen —, daß es für Berufsgenossenschaften sehr wichtig ist, rechtzeitig von solchen Verordnungen Kenntniß zu haben, um event. ihre eigenen Unfall- verhütungsverordnungen in Uebereinstimmung zu bringen mit den Verordnungen, die von der Zentral- oder Landespolizeibehörde erlassen werden.

Der Herr Abg. Fischbeck is dann auf die Feststellung des Prozentsaßes der Erwerbsunfähigkeit bei der Unfallversicherung und bei der Invaliditätsversicherung zu \prehen gekommen. Ih habe darüber bereits in früheren Jahren eingehende Ausführungen ge- macht und kann mich daher jeßt kurz fassen. Meines Erx- achtens besteht die Aufgabe des Arztes, der einen Renten- sucher untersucht, darin, festzustellen: welche physiologischen Wirkungen hat die Invalidität, hat der Unfall auf den Mann geübt, welche Bewegungsorgane sind dadurch beeinträchtigt, und welche anderen normalen physiologishen Wirkungen seiner körperlichen Thätigkeit sind beschränkt oder behindert? Was aber ein Nentensucher, der in dieser Weise in seiner Erwerbsfähigkeit dur Unfall oder Invalidität beschränkt ist, dann noch arbeiten kann, das ist allerdings meines Erachtens mehr eine Frage praktischer Erfahrung und tehnisher Sachkenntniß. Der Arzt wird in der That in vielen Fällen nit beurtheilen können: was fann ein durch Unfall Be- schädigter noch für eine Arbeit in feinem eigenen Gewerbe oder in verwandten Gewerben verrihten, namentlich in welches verwandt: Gewerbe kann ér mit Nußen und Erfolg übergehen, insofern er für sein eigenes Gewerbe niht mehr voll erwerbsfähig- ist? Jh gestehe zu, daß bei einfahen Tage- und Handarbeitern der Arzt vielleicht fo viele praktische Kenntniß hat, daß er mit Sicherheit sagen kann: der Mann ift noch zur Hälfte, noch zu einem Drittel erwerbsfähig; aber bei fomplizierten Arbeiten, die ein Arbeiter an komplizierten Maschinerien zu verrichten. hat, wird für eine absolut zutreffende Be- antwortung einer folhen Frage meist nicht der Arzt zuständig sein, sondern ein Sachverständiger, der diesen Betrieb im einzelnen genau kennt. Und deshalb, wenn auch die Berufsgenossenschaften und die Altersversicherungs-Anstalten wünschen, daß vom Arzt sofort in dem Formular bescheinigt wird: „ich halte den Mann no® für ein Drittel, für ein Halb u. st. w. erwerbsfähig®, so kann ih doch nur dringend empfehlen, daß die betheiligten Jnstanzen von der lokalen Instanz ab, der ja jeßt auch eine Begutachtung zustebt, sich nicht nur auf einen derartigen bestimmten, vom Arzt begutacteten Prozentsatz verlassen, sondern selbst auf Grund der ärztlichen Atteste und eventuell auch durch Anhören von Sachverständigen feststelln: welche Arbeiten kann ein Rentensucher . in der That noch verridt, in welche anderen (Frwerbszweige kann er eventuell noch üübergez, und wie wird dann seine Erwerbsfähigkeit im Ganzen \ih noch stellen? Ich würde bedaucrn, wenn man nicht in dieser gründlichen Weise vorginge, fondern sih allein auf einen bestimmten Prozentsaf, der in einem Formular ärztlih bescheinigt ist, verließe. Jch glaube, die festseßenden Behörden würden im leßteren Falle auf das wichtigste Recht, das sie haben, die materielle Wahrheit des Anspruchs zu er- gründen, viclfah verzichten. Ich hoffe, daß diese Auseinanderseßzungen, die ih hier von diesein Playe abgebe, dazu beitragen werden, um da, wo man in jener mehr äußerlichen Art und Weise festzusetzen geneigt war, zu cinem anderen gründliheren Verfahren überzugehen, einmal, um dem Rentensucher, der wirklich geschädigt ist, auch eine entsprehente Rente zu gewähren, und andcrerseits um den, der simuliert, au ¡8 entlarven.

Jh will mih nun noch an denjenigen Herrn Abgeordneten richten, der über den Betrieb in den Glashütten gesprohen bat. Jh mus dabei stehen bleiben, daß die Verordnung vom 11. März 1892 dur die Motorenverordnung garniht abgeändert ist. Die Motoren- verordnung findet nur da Anwendung, wo die Verordnung vom 11. März 1892, die \sich nur auf diè Fabrikbetriebe €: streckt, feine Anwendung findet. Daß in der Motoren- verordnung ein Rüschritt liegt, ich also be streiten. Es ist auch nicht rihtig, wenn der Herr Vorredner anführt, daß in den Motorwerken der Glas\chleifereien Kinder unter 13 Jahren ohne weiteres beschäftigt werden können. Sie dürfen nur? beschäftigt werden, soweit sie niht mehr schulpflichtig sind. Is den meisten Staaten Deutschlands gilt aber die Schulpflicht bis zuw 14. Jahre, und befonders in Sachsen, dem Heimathlande des Herm Vorredners, beträgt die Schulpfliht §8 Jahre, vom 6. bis zuw 14. Jahre. Durch diese Bestimmung der Motorenverordnung find also die allermeisten Kinder von der Beschäftigung in diesen Werk- stätten überhaupt ausges{lossen.

Jch bitte den Herrn Abgeordneten, nur zu erwägen das wir? vielleicht die Frage am fklarsten stellen —, daß bis dahin für Werk“ stätten gar keine Bestimmungen bestanden; da konnten Kinder 92?

triebsfrankenkasse von Ludwig Loewe u. Co. der wirkliche

unbeschränkt beschäftigt werden, während sie jeyt in den Motore?

quellen und ihrer günstigen Lage auf dem Weltmarkte immer mehr hewußt werden —,

Meine Herren, das Gewerbe-Unfallgefey sq: M fi darauf verlassen ,

t

nur beschäftigt werden können zwischen dem 13. und

ahre, wenn sie nicht mehr der Schulpflicht unter-

. die allermeisten Kinder aber in Deutschland zwischen dreizehn

und vierzehn Jahren sind eben noch schulpflichtig. Jch glaube: hier-

urch wird die ganze Differenz zwischen uns, die ja nur in der Inter- tion besteht, ziemlih aufgeklärt sein.

Nun komme ih noch auf den leßten Punkt, den der Herr Abg. Münch-Ferber anregte. Ich erkenne ohne «weiteres an, daß wir bei dem harten Wettkampf auf dem Weltmarkte, der droht, immer schärfer zu werden, weil sich andere Staaten ihrer natürlichen Hilfs-

ih wiederhole: daß in diesem Wettkampf der deutshe Handel und die deutsche Industrie so gut wie nur möglich informiert sein müssen. Wenn wir durch gecignete Einrichtungen unsere Absatzgelegenheiten vermehren können, so können Sie werden die verbündeten Regierungen dazu gern die Hand bieten. Aber ehe ih eine bindende Erklärung namens der verbündeten Regierungen abgeben kann, sind zwei Voraus- seßzungen zu erfüllen: erstens, daß ein klares Programm vorliegt, was geschehen soll, und eine klare Uebersicht, was die Sache kostet; zweitens, daß die Betheiligten, Handel und Industrie, ein so großes JSnterefse an der Sache bezeigen, daß sie den bei weitem größeren Theil der Kosten deen. Dann werden die verbündeten Regierungen gewiß gern prüfen, was das Reich zur Förderung dieses Unter- nehmens thun, insbesondere, wie weit es personell und finan- ziell fich betheiligen kann. Ich möchte aber Allen, die sich für eine solche Einrichtung interessieren, dringend empfehlen, sie so zu kon- struieren, daß sie möglichst wenig ein bureaukratishes Ge- siht bekommt. (Sehr gut!) Eine solche Einrichtung wird der- artig frei in ihren Bewegungen sein müssen, Auskünfte so delikater Natur geben müssen, daß dafür die Reichsregierung auf diplomatischem oder internationalem Gebiet nie irgendwie haftbar gemaht werden darf. Wirken Sie also zunächst dahin, daß diese Einrichtung, wenn au eventuell mit Unterstüßung des Reichs, so doch überwiegend aus der eigenen Kraft von Handel und Industrie hervorgeht und so frei und so unabhängig wie nur irgend möglih gegenüber den amtlichen Stellen organisiert wird.

Abg. Albrecht (Soz.): Herr- Pauli sprach davon, daß wir ver- langten, die Arbeiter sollten sich \ozialdemokratish organisieren können. Mir haben so etwas nie verlangt. Wir verlangen nur, was in Eng- land, Amerika und anderen Staaten längst geltendes Recht ist. Dort sind deshalb auch noch niemals alle Räder stillgestanden. Wenn aber bei uns die Arbeiter in Staatsbetrieben einmal eine Petition unterschreiben, werden sie sofort gemaßre elt. Herr Oertel hat uns wiederum wegen der sächsischen Konsumvereine angezapft, die er sozial- demokratish nennt. Sie wissen do alle, daß die Konsumvereine eine liberale Gründung sind. Es haben sich ‘ihnen allerdings in neuerer zit vielfah auch Arbeiter und Sozialdemokraten angeschlossen. Offiziere, Beamte haben ihre Konsumvereine; warum follen fie die Arbeiter nicht haben? Es giebt auch agrarische Konsumvereine. Ich inne einen landwirthschaftlihen Konsumverein, der sogar auch eine theilung für landwirthschaftliche Maschinen hat. Dort bekommen die Arbeiter nicht einmal die P Feiertage bezahlt, während die „\ozialdemokratischen“ diese bezahlen. Herr Hiße hat uns nachgesagt, wenigftens dem Sinne nah, daß wir ein größeres Interesse an verlorenen Strikes hätten als an gewonnenen. Das ist niht wahr. Seine Vorhaltungen wegen des politischen Charakters der Gewerkschasten lassen uns kalt. Herr Hiße hat sih ferner gestern vom Gang der Debatte für befriedigt erklärt, weil man allgemein für die ¿Fort- ie der Sozialreform eingetreten sei. Wir stehen dieser Fort- ührung sympathisch gegenüber. Den Herrn Staatssekretär möchte ih fragen, ob die Konfektiongarbeiterinnen in absehbarer Zeit den ihnen- längst de Ee Zenen Schus erhalten werden. Nach den Be- richten der Gewerbe-Inspektoren a die Bundesrathsverordnung vom 31. Mai 1897 den Konfektionsarbeiterinnen nur wenig genüßt, sodaß weitere Schußzmaßnahmen unbedingt eboten erscheinen. Die Gewerbe- Inspektoren klagen besonders darüber, daß die Verstöße gegen die Bundesrathsverordnung nur mit ganz geringen Geldstrafen bedacht worden sind, welhe die Unternehmer leiht verschmerzen. Deshalb bitte ih den Staatssekretär nochmals um_ Beschleunigung des ge- sammten weiteren Konfektionsarbeiterinnen-Schugtes.

Abg. Blell (fr. Volksp.): Mit der Mehrheit des Deutschen Handelstages halte ih die beantragte Zentral-Auskunftsstelle für Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirthschaft für nüßlich, möchte aber davor warnen, die Auskunftsstelle mit einem zu großen Apparat auszustatten. Man wird die Sache nah und nah sich entwickeln lassen müssen. Eine enge Verbindung der Zentralstelle mit den Kon- sulaten und der Regierung ist wünschen8werth, dagegen wird dieselbe jede Auskunft über Kreditgewährung zu vermeiden haben.

Abg. von Vollmar (Soz.) führt aus, der Abg. Hiße babe noch

nie eine so Gar, unvorsichtige und leiht widerlegliche Rede gebalten als gestern. Er lehne die Verantwortung für die Sozial- politik von seiner Partei ab, weil das Zentrum allein niht maß- gebend sei. Wo bleibe denn aber das berühmte Wort: Zentrum ist Trumpf!, das aus den Reihen seiner Partei in die Welt gegangen ist ? Und habe man in Bayern, wo man eine deutliche Ausdrucksweise liebe, niht gesagt, das Zentrum sei das irdishe Werkzeug Gottes, habe nicht etwa der Abg, Licber das Zentrum die ausshlaggebende Partei des Neichstages genann und daraus mit ciner gewissen Befriedigung die Nothwendigkeit ergeleitet, daß dasselbe in scheinbar gleichgültigen Dingen auf den Luxus einer eigenen Meinung verzichten könne? Das Zentrum habe seine Meinung oft gewech{selt, es habe seiner Zeit das Septennat aufs Aeußerste bekämpft. Nachdem aber der Reichstag aufgelöst und die Neuwahlen vollzogen worden seien, habe es sich cinfah der Abstimmung enthalten. Der Abg.7Hiye habe sich estern zu Gunsten seiner Parte! auf die Arbeiterversicherungsgesete berufen. Da möchte ep oredner daran erinnern, daß, als es sih im Jahre 1897 um die Revision der Unfall- versicherung handelte, das Zentrum alle sozialdemokratischen auf weitere Ausgeftaltung der Unfallversicherung gerichteten Anträge mit nieder- stimmen geholfen habe, obwohl es vorher füy, die von den Sozial- demokraten beantragten Verbesserungen felbst eingetreten sei. Genau so fei es au beim Arbeitershutgesez gewesen. Es habe ihn (Redner) ewundert, wie ein so erfahrener Parlamentarier wie der Abg. Dr. Hiße einer so heiklen Sache wie der PEver f Bastbfeage nicht in weitem Bogen aus dem Wege gegangen sei, sondern si daran die Finger verbrannt habe. Nath dem Abg. lr. Hige sei hier alles in \hönfter Ordnung. Die Bischöfe hatten kein Wort gegen die riftli Gewerkschaften gesagt, während die neutralen werkshaften die Herde der sozialdemokratischen Verhezung seien. Wie ftimme das mit den jiltory n Vorgängen ? In alten Zeiten habe der Bischof von Ketteler in Mainz den fatholischen Arbeitern direkt den Eintritt in die Arbeiterorganisationen angerathen. Dann sei eine lange Zwischenpause gekommen; und erst als die Sozial- demokraten angefangen hätten, auch in den fatholishen Landes- theilen Drgamationen zu afen, sci das Zentrum darauf gekommen, daß eine Organisation für die Arbeiter nöthig sei, aber nicht um ihrer selbst willen, sondern als Gegen- organisation gègen die sozialdemokratishen Gewerkschaften, und diese , Gegenorganisationen hätten nur zu oft als Hilfstruppen für die Arbeitgeber und als Strikebrecher gedient. Damit habe das Zentrum die Arbeite haft gespalten. Die weitere Entwickelung sei dann aber über dassel hinweggeschritten; auch die katholischen Arbeiter

: recht thue, wenn sie dieselben ausweise.

Auf dem Kongreß der christlichen Uen anen in Frankfurt sei ausgesprohen worden, daß der wirt \chaftlide Kamps nichts mit Konfessionen zu thun habe, daß “der Plaß der christlichen Bergleute an der Seite der Sozialdemokraten ei, und daß sich die Fabrikanten nur nicht träumen lassen sollten, daß sie sich zum Kamp Pas die

Sozialdemokraten gebrauchen lassen würden. Der Fuldaer Pastoral- brief der deutschen Bischöfe sei nichts weiter als Saß für Saß eine Antwort auf die Beschlüsse jenes Frankfurter Kongresses: die Kirche müsse auch der Leitstern bei der Lösung wirthschaftlicher Fragen sein; diefatholischen Arbeitervereine seien stark genug, neben der geistigen Wohl- [e auch die materiellen und Standesinteressen zu vertreten. Nach dem Er- cheinen dieses Briefes hätten die christlihen Gewerkschaften abermals in München getagt und ihren Standpunkt demgegenüber mit roßêr Deutlichkeit markiert. Die Strikes seien auh für die fatholischen Gewerkvereine etwas so Gewöhnliches geworden, daß Strikeerklärungen von ihnen bereits gemeinsam mit den freien, den neutralen Gewerk- schaften erlassen würden. Das Zentrum besorge niht mit Unrecht, _ die Früchte dieser katholischen Organifierung ganz anders aus- [8 en werden, als das Zentrum und der Klerus es gehofft haben. er Staatssekretär habe gesagt, wenn ein Mann nach dem Herzen der Sozialdemokraten auf seinem Flage stände, dann wäre die Zerstörung des Reiches nahe. Das Mitarbeiten der Sozial- demokraten an der Geseßgebung und ihre Gesammthaltung, sowie die Haltung ihrer Genossen in den Parlamenten anderer Länder bewiesen aber doch zur Genüge, daß man wohl ein Gemeinwesen gründlich umgestalten könne, daß dies aber durchaus. niht mit einer Zerstörung gleihbedeutend sein müsse; die Dinge lägen aber heute so, daß die herrshenden Kreise sih nur ein Staatswesen vorstellen könnten, das nah ihren Ideen gemodelt sei, während doch recht wohl ein blühendes, O Gemeinwesen bestehen könne ohne die Herrschaft der heutigen verrshenden Klasse. / Abg. Dr. Hitze (Zentr., {wer verständlich): Ih fann nur bedauern, daß der Abg. Pëus gestern auf Grund einer sozialdemokra- tishen Broschüre über eine seiner Zeit im preußischen Abgeordneten- haus von meinem Fraktionskollegen Szmula gehaltene Rede ausge- führt hat, E das Zentrum etwa in dem [genauen galizischen Landarbeiter sein Ideal eines Arbeiters erblicke. Das heißt die Worte des Herrn Szmula gründlih verdrehen. Der Abg. Szmula hat diese Leute einfah als rückständig, als unwissend und trunksüchtig, aber fonst als harmlos hingestellt, um darzuthun, daß die Regierung un- Das ijt doch etwas ganz Anderes, als was die Sozialdemokraten dem Redner unterlegen. Wer giebt ihm das Recht, dem Abg. Szmula folhe Unwahrheiten unter- zulegen und namentlich als Meinung des Zentrums hinzustellen? Man hat eine Aeußerung von mir aus dem Jahre 1899, worin von dem Gegensatz zwischen Arbeitern und Arbeitgebern die Rede war, aus dem Zusammenhang gerissen und verallgemeinert, um mir zu imputieren, ih halte es für verwerflich, n aub die Arbeiter theilnehmen an den Fortschritten der sozialen ntwickelung, daß fie felbst ihre Wünsche vertreten. Die ganze Politik des Zentrums beruht darauf, daß sie für den Fortschritt der arbeitenden Klasse forgt. Man hat zur Abwechslung das alte Märchen aufgewärmt, daß ih in dem bekannten Buch das vielzitierte „Kochrezept“ geschrieben habe. Dieses Rezept ist ohne mein Wissen und Willen in das Buch Een E bin dafür nit verantwortlih zu machen. Der Abg. von Vollmar bält an der Anschauung fest, das Zentrum sei die maßgebende Partei dieses Hauses. Er hat auh auf die unglückliche Wendung des Pfarrers Hammer hingewiesen, Zentrum sei Trumpf. Unter 397 Mitgliedern dieses Hauses giebt es nur 106 Zentrums-Abgeordnete. Wir waren nur in ganz bestimmten Fragen aus\{laggebend, namentlich in der Sozialreform. Wir sind für das geheime Wahlrecht aufgetreten, für den Schuß der Arbeiter. Wir sind auch keine konfessionelle Partei. Hervorragende Mitglieder bei der Gründung unserer Partei waren evangelisch; wir haben heute noch Hospitanten, de nicht katholis sind. Wir treten auch für die Juden ein. Das Schächtverbot haben wir bekämpft. Peter Reichensperger hat für die Judenemanzipation gestimmt. Jn der Septennatsfrage haben wir mischune unsere Selbständigkeit bewiesen. Wir haben gegen die Ein-

mischung des Papstes protestiert, und wenn das Zentrum sich nachher der Abstimmung enthalten hat, so geschah-das, weil die Majorität doch sicher war. Wo sind wir in der Invaliditätsvorlage hinter der Vorlage der Regierung zurückgeblieben? Wenn wir im Jahre 1897 zurü- wichen, so geshah cs, weil wir die Vorlage der Regierung nicht ge- fahrden wollten. Jn der Frage der Getreidezölle haben wir die große Mehrheit und die verbündeten Regierungen gegen uns. Wir sind nicht stärker als Sie (nach links). Wenn der Bischof von Ketteler für eine einheitlide Organisation des Arbeitervereins8wesens eintrat, so geschah das, weil das Arbeitervereinswesen noch nit dur die Sozialdemokratie so vergiftet war wie heute. Die Arbeiter waren christlich. Herr von Vollmar verweselt katholische Arbeitervereine mit Gewerkvereinen. Die ersteren sind konfessionell; an ihrer Spiße steht ein Geistlicher. Leßtere sind unabhängig von der Kirche. Än diese hatten die Bischöfe sih nicht gewendet. Die einzelnen Aeußerungen aus dem Frankfurter Kongreß sind unrichtig nach der „Frankfurter Zeitung“ wiedergegeben worden. Beschlüsse sind dort niht gefaßt worden. Ich brauche also nicht weiter darauf zu antworten. Unsere katholischen Arbeitervereine sind ein Schußwall gegen die Sozialdemokratie, und sie werden es noch mehr sein, wenn sie )o fort- schreiten wie bisher. Wir respektieren diese Vereine und freuen uns selbstlos über ihre Entwickelung. Das Prophezeien sollte die Sozial- demokratie doch lassen, sie hat auf ihrem Parteitage damit sehr schlechte Geschäfte gemacht. Freuen wir uns doch gegenseitig, Sie (links), wenn die freien Gewerkschaften, wir, wenn die christlichen Arbeitér- vereine und Gewerkschaften wahsen. Seien Sie doch nicht römischer als Rom, imputieren Sie uns nicht rückständige Anschauungen; Ihr Vorgehen beweist nur, daß Ihnen die aufstrebende christliche Ge- werklschaftsbewegung im höchsten Grade unbequem ist, daß Sie sie fürchten. Ä

Abg. Dr. Müller - Sagan (Fr. Volksp.): Ich habe zu erklären, daß, wenn wir gegen die Resolution Fischer in Betreff der 12000 M- Angelegenheit stimmen, wir damit fein Vertrauenövotuin für den Grafen Posadowsky abgeben.

Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Schluß 5/4 Uhr. Nächste Sißung: Mittwoch, 1 Uhr. (Anträge, betreffend die Wohnungsfrage.)

werde ja jeßt diese Nothlage anerkannt. Mit allen Mitteln müsse piler Bewegung Einhalt gethan werden. Namentlich für den Klein- besiß werde der Nothstand immer drüender.

Abg. Ehlers (fr. Vgg.): Der Berichterstatter hat die Verhand- lungen der Kommission nicht öpfend wiedergegeben. Jch will das Reserat deshalb ergänzen. Der Arzt, der nur auf das hört, was der Kranke sagt, wäre ein miserabler Arzt. Jch erkenne niht im Mindesten an, daß die Domänenpachterträge ein uverlässiges Barometer für die Lage der Landwirthschaft seien. Allerdings mag sih die Land- wirthschaft in einer Nothlage befinden, aber das zeigen andere Thatsachen, der Rückgang der Domänenpachten ist dafür nicht beweis- kräftig. In der Nahweisung über die Domänenverpachtungen bat die Regierung objektiv an vielen Stellen gesagt, daß die \rüheren Pacht- zinsen zu hoh gewesen seien. Es ist also nur natürlih, wenn die Pachten wieder auf ein richtiges Maß herabgeseßt werden. * Das ist eine Gesundung der Verhältnisse. Es kommt vor, daß Pächter ganz unbesonnen hohe Pachten bieten , bei denen dann nihts berauszuwirthschaften is. Die übertriebenen Hoffnungen auf die Wirkung der neuen Zollpolitik haben in den achtziger Jahren viele Pächter veranlaßt, zu hohe Pachten zu bieten. Mit dem Klagen dient man der Landwirthschaft nicht. Jh muß entschieden bestreiten, daß, wer dieses Material der Domänenverpachtung nicht als beweis- kräftig ansieht, für die Lage der Landwirthschaft kein Bure babe. Jch bin gerade durch eingehendes Studium der landwirthschaftlichen Verhältnisse zu dieser Ansicht gekommen.

Abg. Dr. Rewoldt A: Die Nothlage der Landwirth- schaft kommt zweifellos in dem Rückgang der Domänenpachterträge flar zum Ausdruck. Niemand wird es aber einfallen, diesen Rück- gang als alleinigen oder hauptsächlihen Beweis für die Notblage der Landibirtbs@a anzusehen. Es giebt dafür noch ganz andere Beweise, die aber schon hinlänglih erörtert worden sind. Besonders seit dem Jahre 1882 frankt- die Landwirthschaft an einem dauerden Niedergang. Die Behauptung, daß früher zu hohe Pachten gezahlt worden seien, ist nicht richtig. Wohl aber haben sich die Pächter ge- täusht über die zu erwartenden Preise der landwirthschaftlichen Produkte.

Abg. von Kardorff (fr. kons.): Ih muß den Ausführungen des Abg. Ehlers entschieden entgegentreten. Die Nothlage der Land- wirthschaft is unbezweifelbar, ebenso, daß durch eine verständige Zolltarifpolitik viel zum Schuß der Landwirthschaft gethan werden kann. Im Ms hat man gesagt, es seien noch große Flächen Landes in Deutschland unbebaut, diese möge man anbauen. Damit bin ih ganz einverstanden. Jedenfalls steht fet, daß Deutschland wohl in der Lage ist, sein nothwendiges Brotgetreide selbst zu produzieren. Das hat auh mein verstorbener Freund Schulz-Lupiß ausdrücklich anerkannt. Die Landwirthschaft krankt an einem Rückgang der Ge- treide- und Viehpreise, welchem eine ungewöhnliche Steigerung der Arbeitslöhne gegenübersteht. Auf diese Weise is die Landwirthschaft in den legten Jahren immer mehr zúürückgegangen, und es wird ihr außerordentlich s{hwer, weiter zu existieren.

Abg. Freiherr von Wangenheim (kons.): Nicht bloß die geringeren Erträge der Domänenpacht beiveisen den Nothstand der Landwirthschaft. Es giebt in Pommern Güter, aus denen garnichts mehr herausgewirthschaftet werden kann. Jedenfalls ist es sehr bezeihnend, daß verschiedene Domänen mehrere Male haben ausgeboten werden müssen, ehe eine entsprechende Pachtsumme erzielt wurde. Es ist gesagt worden, wenn man die Getreidezölle und damit auch die Getreidepreise erhöhe, dann laufe man damit Gefahr, daß auch die Preise der Grundstücke entsprechend in die Höhe getrieben würden. Das ist aber ein Jrrthum. Die Mehrheit des Hauses ist wohl der Ueber- zeugung, daß für die Landwirthschaft mehr als bisher gethan werden muß. Man soll die Landwirthe fragen, welche klagen, nicht die, denen es gut geht.

Abg. Sieg (nl., shwer verständlich) führt im Sinne der Vor- redner die s{lechte Lage der Landwirthschaft auf die niedrigen Preise und die hohen Lasten zurück. - Die kleinen Grundbesißer litten wo- möglih noch mehr als die großen. Es würden Urtheile über die Lardwirtbschaft abgegeben, die bewiesen, daß ihre Urheber gar feine Ahnung von derselben hätten.

Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.): Die Herren von der Rechten sagen, wir auf dieser Seite L oltänden “nichts von der Landwirthschaft und hätten daher auch nit bei der Abhilfe gegen die Nothlage der Land- wirthschaft mitzureden. Wir sollen hier also nur Steuern zahlen für die Besserung der Landwirthschaft. Gerade darum wollen wir mitreden. Die Frage ist nicht eine Frage der Produktion, sondern der Steuerpolitik und Volkswirthschaft. Was i} . denn ein angemessener Pachtpreis? Er feht doch in Verbindung mit dem Preis des Grund und Bodens. Ueber diesen Preis er- fahren wir aber aus der Nachweisung des Ministers über die Ver- vachtungen nichts. Die Pachten sind früher gestiegen, weil die Pächter höhere Erwartungen in die Ertragsfähigkeit fetten. Die Pachten der neu naknitien Domänen ermöglichen unter Zugrunde legung des vom Staat für den Ankauf angelegten Kapitals eine Ver- zinsung von 2,9 9%, und das ist doch feine \{lechte Verzinsung. Wenn heute die Pachtpreise heruntergehen und fomit der Rentabilität der Domänen mehr entsprehen, fo ist das ein Zeichen von Genesung. Ja, Sie (nah rechts) sind die Ver îreter des Kapitals, das in der Landwirthschaft liegt, wir sind die Vertreter des landwirthschaftlithen Gewerbes. Sie wollen die Bodenpreise möglihst hoh halten. Daß Sie keine neuen Schulden machen können, is Ihr großer Schmerz. Sie haben also ein kapitalistishes Interesse. Die in den 70er Jahren fo enorm ge stiegenen Bodeupreise sind es, welche die Konkurrenzfähigkeit unserer Landwirthschaft becinträhtigen. Wenn Sie jeyt die Zölle auf eine noch nie dagewesene Höbe steigern wollen, so wird dadur wiederum eine Steigerung der Bodenpreise eintreten, dann können Sie neue Schulden machen. Damit kann aber von einer wirk- lichen Gesundung der Landwirthschaft niht die Rede sein.

Das cigentliche landwirthschaftlildze Gewerbe hat kein größeres Interesse, als \sich vor allen solchen Mitteln zu hüten. Dr. Ruland galt früher als eine Autorität für den Bund der Land wirthe. Seitdem er aber das agitatorishe Vorgehen des Bundes niht mehr mitmacht, wird er als ein verirrtes Schaf hingestellt. Und Ruland hat 1894 în demselben Sinne wie ih geschrieben. Wenn die Konservativen die Erhöhung der Getreidezölle gegew das Zugeständniß des Kanals erreichen, also den Terminhandel mit den Getreide zôllen durchführen wollen, so hätten sie das Schlimmste gethan, was sie der Landwirthschaft thun können. Die Arbeiter würden am meisten unter den Brotpreisen zu leiden haben. Sie werden aber ihre

Preufstischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 8. Sißung vom 22. Januar 1901, 11 Uhr.

Ueber den ersten Theil der Verhandlung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus seßt die zweite Berathung des Staats- haushalts-Etats für das Etatsjahr 1901 bei dem Etat der Domänen-Verwaltung fort.

Die Einnahmen der Domänenvorwerke sind auf 130606054 veranschlagt, das sind 205 451 A6 weniger als im Vorjahre.

Berichterstatter von Pappenheim (kons.) berichtet über die Kommissionsverhandlungen, bei denen dieses Ergebniß als zuverlässiges Barometer für die allgemeine Lage der Landwirthschaft angesehen worden sei. Der Rückgang der Domänenpachterträge habe seit Anfang der 80er Jahre gleichen Schritt mit dem Niedergang der Landwirthschaft überhaupt gehalten, eine Bewegung, die besonders seit dem Abschluß der Handelsverträge bemerkbar gewesen sei, Der Rückgang der Pachten bringe eine Finanzquelle des Staates in Gefahr. Selbst günstig gelegene Domänen hâtten drei- bis viermal ausgeboten werden aüissen damit nur ein einigermaßen annehmbarer Preis babe erzielt werden können. Um Vieles \{wieriger sei noch die Verpachtung von Privatbesig. Selbst den konsequenten Verneinern der landwirtbschaftlichen Nothlage müßten

hätten an efangen, die Dinge in einem ganz anderen Lichte zu sehen, namentli eitdem die Unternehmer ihren Widerwillen gegen jede Art von Arbeiterorganisation überhaupt deutlicher zu erkennen gegeben hätten.

durch diese Verhältnisse die Augen geöffnet werden. Jm ganzen Hause d

Interessen zu wahren wissen.

| Abg. Freiherr von Wangenheim: Die Herren mit den wissen

| schaftlichen Anschauungen des Abg. Barth verlangen immer daß die, | landwirth)chaftlihen Produkte unter dem Erzeugungswerth verkauft | werden, und stellen den Grundsaß auf, daß der Arbeiter in Deutsch- land das Brot so billig wie mögli verlangen kann. CGinen ver- tfehrteren wissenschaftliden Grundsaß kann es niht geben. Dann müßten Sie auf alles verzihten, was für ‘die Wohl- | fahrt Deutschlands erreiht ist. Wollen Sie diese Vortheile | baben, so müssen Sie au die Nachtheile mit in Kauf nehmen. Wir wünschen nur, daß die Preise sih auf ciner Mittellinic balten, welche die Produktionskosten deckt und cinen geringen Verdienst übrig läßt. Würden die Preise zu hoch, so bâtten wir sofort den Scbaden in der Konkurrenz des Auslandes. Seit 20 Jahren sind die Preise von Getreide gefallen, dagegen sind die Preise von Fleis und Brot gestiegen. Der Landwirth i} es also nicht, der die Lebens- mittel übermäßig vertbeuert, diese Vertheuerungen liegen auf anderem Gebiet. Die Preissteigerung für Brot und Fleis ist zum theil ganz beträchtlih, Man verlangt in den großen Städten sanitäre Einrichtungen, welche nothwendig die Preise ver beuern. Von einem angemessenen Pachtpreis muß man dod mindestens eine wenn aud minimale Verzinfung do Grund und Bodens verlangen. Wenn Sie rethnen die Werthe der Gebäude, des lebenden Juventars, der ausstedenden Ernten und der Hagelversicherung, so werden Sie finden, daß für Grand und Boden schon garnichts medr übrig bleibt. In der Erböbung dieser Wertde