Ueberhaupt is dieser Aufstand der Kandiotischen Ritter viel- leicht eine der intessantesten Erscheinungen für die Philosophie der Europäischen Staaten - Geschichte. Wir finden hier, in der Tiefe des Mitrelalters,, freilich unter ganz anderen Verhältnissen, die Analogie von Ereignissen wieder, welche in neuerer Zeit un- sere Bewunderung erregt haben, und für alle Zukunft als Epo- chen der Weltgeschichte gelten werden. So wie sich seit dem leß- ten Viertheil des achtzehnten Jahrhunderts die Kolonien des Ame- rifanischen Kontinents von ihren Europäischen Mutterländern mit mehr oder weniger Glü, losgerissen haben, o versuchten es da- mals, um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, diese Ritter, sich der Zuchtruthe einer mächtigen Mutterstadt zu entziehen; sie wollt-n ihre Unabhängigkeit, ihre eigene Regierung, natürlich nach den Jdeen der Zeit und den Bedürfnissen der Berhältnisse, die ihnen gegeben waren.
Dies beweißt gleich der erste Schritt, den man that, nach- dem man sich einmal des Herzogs und seiner Räthe versichert hatte. Man wählte aus der Mitte der älteren Ritter den Oheim des Tito Gradonico, Marco Gradonico, zum Herzoge und stellte ihm vier der erfahrensten Lehnsleute, Franzesco Vêéudatio, Marco Fradello, Andrea Panthaleo und Bartholomeo Grimaldi, als Râthe zur Seite. Um hierauf zunächst das einheimische Volk fúr diese neue Ordnung der Dinge zu gewinnen, ließ man auf der ganzen Jnsel verkündigen, der Lateinische Kultus sey abge- chaft, und in Zukunft werde nur der Griechische Ritus geduldet werden, für dessen Annahme sich auch bereits der Herzog und seine Nâthe durch eine vffentliche Freierlichkeit förralich erÉlárt hatten. Alle Jnsignien, welche an die Herrschaft der Republick erinnern mochten, wurden herabzezissen und zerstört, und so sah man in kurzer Zeit an den öffentlichen Gebäuden und auf den Panieren der neuen Regierung nicht mehr das Bild des heiligen Markus, sondern den .Lopf des heiligen Titus, des Schußpatrons der Jnsel und der Familie Gradonico.
Die Nachricht von diesen Vorfällen machte in Venedig einen unbeschreiblichen Eindruck. Auf dergleichen Dinge war die Si- gnorie in feinem Falle gefaßt. Wahrscheinlich konnte man in der Eile nicht einmal sogleich über eine Macht gebieten, welche hinge- reiht haben würde, die Rebellen mit Gewalt zum Gehorsam zu zwingen. Nothgedrungen beschloß der Senat zuersk eine gütliche Ausgleichung zu versuchen. Jn dieser Absicht wurde unverzüglich eine Botschaft nach Kandia abgesandt, welche die Jnsurgenten der Gnade und der Verzeihung der Signorie versichern sollte, wenn sie sih dazu verskehen würden, zur alten Treue zurückzukehren, Sie bestand aus fünf Proveditoren, Andrea Contareno, Pietro Ziani, Francesco Bembo, Giovanni Gradonico und Laurentio Dandolo, lauter Männer von hohem Anschen und großer Ge- wandheit. Die Jnsurgenten weigerten sich nicht, diese Botschaft anzunehmen und den Vorschlägen des Senats Gehör zu geben. Man {chickte den Gesandten sogar eine Deputation nach der kie: nen Insel Standia entgegen und ließ sie unter sicherem Geleit durch die mit bewasfnetem Volke überfüllten Straßen von Kandia nach dem Palast bringen, wo die neue Regierung, inmitten einer Schaar Bewaffneter, ihre Sißungen hielt. Als diese jedoch ver- nommen hatte, daß der Zweck ihrer Sendung kein anderer {ey, als im Namen des Senats die Unterwersung der Insurgenten zu verlangen, da gab man ihnen stolz zur Anwort: „Man habe die Waffen ergriffen, um die Freiheit der Jnse! zu s{hüßen, und werde nie dulden, daß der Senot die einmal zugestandenen Privilegien aufhebe oder verleße.“ Mit dieser Antwort kehrten die Abgeord- neten, unverleßt, sogleich wieder nach Venedig zurü. Der t: nat entschied sih hierauf ohne Weiteres für die Unterwerfung der Jnsel durch die Waffen. (
Während man hierzu die Vorbereitungen machte, steigerte ein verunglúckter Angriff des Venetianischen Geschwaders, welches alljährlich nach Cypern und Alexandrien abgeschickt wurde, aus die Kúskenfestung Settia die Erbitterung der Venetianer und den Muth der Rebellen. Jndessen ging die Signorie bei ihren Rü- stungen mit großer Umsicht und Entschiedenheit zu, Werke, Die Anstifter des Aufruhrs wurden sogleich nach der Rückkehr der Ve- sandten für vogelfrei erklärt. Um der Insel von außen her alle Zufuhr und Hülfe abzuschneiden, schickte der Doge an alle der Republik befreundete Mächte Eilboten mit der Bitte ab, daß ste sowohl sich selbst aller und jeder Unterstüßung der Kandiotischen Rebellen enthalten, als auch ihren Unterthanen den Verkehr mit denselben gänzlich untersagen möchten. Papst Urban V,, damals zu Avignon, Kaiser Karl I die Könige von Frankreich, Un- garn und Cypern, die Königin von Neapel, ja selbst die Republik Genua gingen auf dieses Berlangen ein, Und verpönten allen Handel und Verkehr ihrer Unterthanen mit der Jnsel .Fandia_ bei harten Strafen. Pietro Lusignani, König von Cypern, sagte der Sig- norie sogar noch seine persönliche Hülfe mit einer Schaar auset lesener Ritter zu, während Papsk Urban V. die Rebellen durch einen Hirtenbrief an den Erzbischof von Kandia zur Eintracht und zur Núkehr zu dem alten Gehorsam ermahnte, Doch ân- derte dieß Alles nichts in der entschiedenen Séellung, welche die Insurgenten einmal gegen angenommen hatten.
die Republick j Die Ermahnungen zur Versbhnung, welche einige Wenige ver- suchten, blieben ohne Wirkung. Jacopo Mudatio, Bruder des zum Mitgliede des Rathes erwählten Francesco Müudatio, erschien mié dergleichen Anträgen selbt vor der neuen Regierung, Kaum Hatte ex aber seine Rede, voller Vorwärfe und Schmähungen ge- gen feinen eigenen Bruder, begonnen, als maa ihn greifen ließ und mit Gewalt aus dem Sißungssaale hinauswarf. Die Macht, womit die Venetianer diese Hartnäckigkeit zu brechen gedachten, bestand aus dreiunddreizig Dreiruderern und 2wbl{f Lastschiffen, unter dem Oberbefehl des Dominico Michaele, und einer sehr bedeutenden Landmacht, welche, aus ganz Jtalien zusammengebracht, unter das Kommando des Veronesers Luchino dal Berme gestellt wurde. Ihm zur Seite skanden zwei der ausgezeichnetsten Capitaine der Rupublik, Giovanni Dandolo und Pietro Morosini, Auch wurden der Expedition nech besonders fünf Proveditoren beigegeben, (Pietro Trevisano, Nicolo Justiniani, Giovanni Mocenico und die Brúder Marco und Boetio Qui- rini) welche über die Jusurgenten das gerichtliche Urtheil sprechen und die gebührenden Strafen verhängen sollten. Sie vekamen zu diesem Zwecke unbeschränkte Vollmacht, und eiserne Strenge ward als der Grundsaß festgeseßt, nach dem sie verfahren sollten. Es wurde ihm namentlich anbefohlen, gegen zehn der Ritter, welche als die Urheber des Abfalls betrachtet wurden, ohne Wei- teres die Todesstrafe zu verhängen, und sie, im Falle sie entkom- men sollten, so lange zu verfolgen, bis sie das Schwert der Ge- rechtigkeit erreicht haben würde. lu ordne daß der erste Angriff sogleich auf die Stadt Kandia gemacht wer- den sollte, weil man hoffte, daß nah Unterwerfung des Sißes der Regierung, rourde. / Die Rüstungen hindurch. S: A Ae in ersten Mai e ‘ bentausend Schritt westlich von Kandia,
verzbgerten sich durch das ganze Jahr 41363
Luchino dal Verme
Auch verordnete der Senat, | sich der úbrige Theil der Jn{el von selbst ergeben |
Fráhjahre 1364 ging die Flotte unter Segel. | dem Hafen von Fraschia Anker, nur |
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seßte soglei seine Truppen ans Land, und marschirte ohne Auf- enthalt gegen Kandia, während Dominico Michele die Stadt von der Seeseite angreifen sollte, Die Jnsurgenten, hiervon benach- richtic{, zogen mit allen ihren Truppen den Venetianern entgegen und boten ihnen vnfluger Weise mit weit unterlegener Macht die Schlacht, unter der Führung des Francesco Mudatio. Die ersten verzweifelten Angriffe der Rebellen waren heftig und un- gestúm, wurden aber von den dichten Reihen der Venetianischen ruppen mit Muth ausgehalten, und dies entschied naturlich den iea fúár Luchino dal Verme. Denn gleich der erste Angriff, den er seinerseits machte, noch ehe die Jnsurgenten ihre Schlachtlinie wieder gebildet hatten, warf sie auseinandrr und nöthigte sie zu aufgelóster Flucht nah den nächsten Gebirgen, Jn Kandia, welches fast aller Truppen entblößt war, konnte man, nach dieser Niederlage, nicht mehr an Wiederstand denken. Um sich die Gunst der Sieger noch einigermaßen zu gewinnen, befreite man noch vor ihrem Einzuge den Herzog Leonardo Dandolo und seine Râthe aus dem Gefängnisse, und djfnete selbs: die Thore, durch welche, wie es im Chronisten heißt, furz darauf der Capitain und die Proveditoren der Republik unter dem ruhmreichen und triumphi- renden Paniere des heiligen Marcus ihren Einzug hielten. Allein diese erzwungene Bereit»villigkeit vermochte nicht die Strenge zu mildera, welche die Beschlüsse der Signorie gegen die Aufrührer diétiré hatte. Schon am 15. Mai fiel, nach kurzem Prozesse, auf Befehl der Proveditoren, das Haupt des Herzogs der Rebel- len, Marco Gradonico, auf der Plattform der Festung unter dem Schwerte des Henkers. Mit ihm zugleih und zwar, auf aus- drúcéclichem Befehl, ihm zu beiden Seiten, wurden zwei der Haupt- anstifter des Abfalls, Marco Fradello und Gabriel del Abbado, hingerichtet.
F L
E S
Als warnendes Beispiel sollten ihre Leichen so lange auf der Plaftform liegen bleiben, bis es die Proveditoren für gut befinden würden, sie hinwegnehmen zu lassen. Wer es wagen sollte, eine derselben, offen oder verstohlener Weise, aufzuheben, wurde durch eine besondere Verordnung mit dem Berluste der Hand bedroht. Jhre Güter, bewegliche und unbewegliche, wur- den zum Nußen der Republik eingezogen.
Dies war der Anfang eines furchtbaren Blutgerichtes, wel: ches hierauf mehrere Monate lang, wie ein entseßliches Verhâng- niß, durch die ganze Jnsel ging. Denn auch Kanea und Rethimo fielen, wie alle übrigen unbedeutenderen Städte und Festungen, ohne Schwertstreich in die Hände der Venetianer, und wo die Proveditoren erschienen, da hinterließen sie auf lange Zeit die blutigen Spuren ihres unerbittlichen Urtheils. Ein großer Theil der Ritter kam durch das Schwert des Henkers um; ein ande- rer wurde ausgeknüpft ; ein dritter mußte die entferntere Theil: nahme an dem Aufstande durch die Verbannung büßen. Das Schisal der ersteren traf auch einen der Hauptanstifter Tito Ve- niero, welcher sich noch vor der Einnahme von Kandia nach Nea- pel begeben sollte, um von hier aus den Genuesern, den Catalo- niern und einigen anderen Staaten im Geheimen die Herrschaft der Jnsel anzubieten, wenn sie sich dazu verstehen wollten, die Insurgenten gegen die Venetianer zu unterstüßen. Allein seine Anträge fanden nirgends Gehör z und als er folglich unverrichte- ter Sache und ohne Kenntniß der Dinge, welche unterdessen vor- gefallen waren, nach der Jnsel zurückfehrte, ward er schon im Meere von den Venetianischen Schiffen aufgegrisfen, an das zu- nächst liegende Ufer geschleppt, und ohne Weiteres enthauptet. Nur Tito Gradonico entkam mit einigen seiner Anhänger nach Rhodos. Desto skrenger verfuhr man gegen seine Familie. Alle noch übrigen Glieder derselben wurden, zugleich mit den Resten der Familie Veniero und den Söhnen der Ritter, welche zur Todes- strafe verurtheilt worden waren, zur weiteren Berfúgung des Se- nats, nach Venedig geschickt, Mur die schwächsten Kinder, kranke Greise und hochschwangere Frauen, welche man den Gefahren einer unmittelbaren Abreise nicht ausseben founte, erhielten eine Frist von sieben Monaten. Alle Lehengüter der Verbannten so- wohl, wie der Hingerichteten, fielen der Republik anheim. Also endigte dieser unglúckselige Aufstand der Venetianischen Ritter im Sommer des Jahres 1364.
In Venedig verursachte die Nachricht von der Niederlage der Rebellen unendlichen Jubel, Nach dreitägigen feierlichen Dank: festen folgten, zur Verherrlichung des Triumphes der Republik, glänzende Festspiele, welchen der Doge und der ganze Senat, der eben anwesende König von Cypern, und der gefeierteste Dichter scines Zeitalters , Franzesko Petrarfa, beiwohnten, Auch die der
Republik befreundeten Mächte nahmen Theil an diesem Jubel und
wünschten der Signorie durch offizielle Sendschreiben Glúck. Auf Kandia selbsk veranstaltete der neue Herzog, Pietro Morosini, ¿zum Andenéten des Sieges, ein am 10. Mai jedes Jahres wieder: Échrendes Dankfesi, welches zuer? durch feierlichen Gottesdienst in den Kirchen beider Konfessionen und dann durch glänzende Rit- terspiele verherrlichet werden sollte.
Zum erstenmale wurde dieses Dankfesk im Fahre 1365 un- ter betrúbten Umständen gefeiert, Denn während man sich in Kandia dem unfreiwilligen Zubel hingeben sollte, erhob sich in den Berathälern von Lassiti ein neuer Aufstand, welcher, klein im Sntstehen, bald einen sehr drohendcu Charakter annahm, an der Spi6e desselben standen drei Brüder aus der Familie Kalergis, denen sich, auf die erste Nachricht, eine ziemliche Anzahl der flüch- tig gewordenen oder verbannten Ritter, vorzüglich aus den Fami- lien Veniero und Gradonico, beigesellten. Es hatte auch dieser Aufstand das Scbicksal aller übrigen, Die Benetianer zogen in der Eile Truppen herbei, schickten abermals Proveditoren nach der Insel, erlitcen in mehreren Gefechten bedeutende Berluste, tru- gen am Ende aber doch den Sieg davon, nur mit dem Unterschiede, daß sie diesmal den Sieg nicht sowohl der Ueberlegenheit ihrer Waffen, als der Noth und dein Verrathe ihrer Gegner zu verdan: fen hatten. Denn der damals auf der ganzen Znsel herrschende Mangel an Lebensmitceln machte sich auf der von allen Seiten eingeschloifenen Hochebene von Lassiti doppelt fühlbar. Die Be- wohner derselben dachten daher in der Berzweifelung nur an ihre eigene Rettung, und unterwarfen niché nur sich selbs den Vene- tianern, sondern lieferten auch die Anstifter des Aufruhrs freiwil- lig in die Hânde des Herzogs und der Proveditoren, Die drei Brüder Kalergis, zwei Venieri und eine Menge anderer Ritter empfingen den Lohn ihres Abfalls, nach den mit Blut geschriebe- nen Geseßken der Signorie, unter dem Beile des Henfers.
Auch ihre Anhänger traf diesmal ein harter Richterspruch. Denn in Folge des Aufskandes ließ der Senat nicht nur den Burg- fleŒen Anapolis den Boden gleich machen, sondern verordnete auch, daß fernerhin die ganze Hochebene Lassiti, in eine Wüste verwan- delt, weder von Menschen noch Vieh betreten und bebaut werden solle. Die Bewohner derselben wurden mit Gewalt hinwegge- \chleppt, ihre Häuser niedergerissen, und Alle, die es wagen wur: den, fortan daselbst zn woohnen, zu säen oder ihr Vieh zu weiden, mit dem Verluste eines Fußes und ihrer Heerden bedroht. „Also Llieb einer der fruchtbarsten Landsiriche der Insel ein ganzes Fahr- hundert wlise liegen, bis es der Senat für nöthig hielt, den An- bau desselben durch eine besondere Verordnung vom 30. Novem- ' ber 1463 wieder zu gestatten, um von hieraus für die damals ge:
| gén die Türken ausgeschickte Flotte den nöthigen Unterhalt zu be-
ziehen. Allein diese Erlaubniß gab, wie es scheint, kurz darauf wieder zu neuen Mißbräuchen, neuen Besorgnissen Anlaß. Schon im Jahre 1471 wurden die daselbst neu errichteten Wohnungen abermals dem Boden gleich gemacht, und der Anbau des Landes durch gewisse Beschränkungen erschwert, bis endlich eine Verord- nung vom 11. September 1497 die Benußung der ganzen Ebene der unmittelbaren Aufsicht und dem Gutdünken des Herzogs und sciner Râthe unterwarf.
Dauer der Eisenbahnfaßrten am 19. August 1841.
Abgang Yon Pots 6a.
Abgang Yon
Bariin St.
| Zeitdauer Zeitdauer
[ M.
Um 65 Ubr Morgens .--« 40 J 64 Ubr Morgens... ; Morgens... - 4:3 E N Y ormittags « 40 E S - 4 Nachmittags á2 a -
Nachmittags 4() E s
| 40 L
15a
Vormittags . Nachmittags Nachmittags Abends ... Abends ...
Abends « e » « Abends …..
Meteorologische Beobachtungen.
| [ 15411. | Morgens Nachmittags Nach eiumaliger 19, August. | 6 Ubr. 2 Ubr. 10 Ube.
Abends Beobachtung.
Luftdruck . … . . |310, (2 Par. |340 30” Par. [3 10,24 Par. Quellwärme 8,3" R. A -t- I S, R. |+ I R. | +#- 14" R. | Flusswärme 16,0" R. S l B, |+ 10.4 L 90 R. | Bodenwärme 16,5 E 8:3 pCt, | 51 pt. 83 pCt. Ausdünstung 0,039" Rb, heiter, heiter, heiter, Niedersehblag O, NW. NW, NW. Wüärmewechsel - 20, 1A Wolkenzug. d s _ N. n + 8 9°, Tagesmittel: 3410,32 Par. + 111° R... +7 9,5’ R... Ü
Luftwärme Thaupunkt . ..
Dunstsüättigunez
Börs 1841.
Berliner Den 20. August Pr. Cour. Brief. | Geld. ] |
104” 10.4 A Cte i. 101% 101% P Brl. Pots. Eisenb. do. do. Prior. Act. | 42 2 Md Lpz. Eisenb, 1097 do. do. Prior. Act. 102 Berl. Anb. Eiseub. |— —- do. do. Prior. Act. Düss, Elb. Eisenb,. do. do, Prior. Act.
Rhein. Eiseub,
Geld,
St, Schuld - Seh. Pr, Engl. Obl. U, Präm. Sch. der
Seehandlung.
12417 1027 80” — Kurm, Schuldv. 103 102% Berl. Stadt - Obl. 103% 10:3? Elluinger do. Dc 100 — in Th. 43 1022
Danz. do. Westp. Pfandbr. Grossh. Pos. do. Ostpr. Pfandbe. Pomm, do. Kur- u. Neum, do. |:
Sechlesische do.
1021 s 1055 ():37 — 103" 102% 1027 101% 1027 —
Gold al marco Friedrichsd’or Andre Goldmün-
zen à 9 Th.
Discouto
Auswärtige Börsen.
Amsterdam, 16. Juli. Kanz. Bill, 25 2 Ï 5° Spau, I fé 6 Präm. Sch. —. Pol. —, Oesterr. 104%,
Antwerpen, 15. Aug. Zins. —. Neue Anl. 18SZ, {6°
Frankfurt a. M., 17. Aug. Oesterr. 5% Met. 107, 1065. 4% 982 a, 24% 55 Br. 1% 217 Be. Bank - Aet. 1913, 1911. Partial - Obl. —, zu 500 Fl. 1335. 133%, Loose zu 100 FL —. Preuss. Präm. Sch. 792 6, do 4 I 2E Pola 713% G 07 Span, Anl, 191, 19! 24% Holl. 501:. 5045. :
Eisenbahn - Actien. St. do. linkes —. München Dresden 99% G. Köln - Aacheu 99: G.
Hamburg, 18S. Aug. Bank-Actien 1580 G. Engl. Russ. 108.
Petersburg, 13, Aug. Lond. 3 Met. 39%. Wamb. 34123- Paris 410 Pola. à Par. 300 FI, 69, do. 500 FI. 19, do. ZUU I 25 N
wirkl, Schuld 517. 5% do Ziusl, —,
Niederl,
Passive. ——.
1007,
Ausg. Preuss,
18S?
Loos@ Loose
Germain R recbtes
Basel 215 Be,
Versailles Ufer —,
- Augsburg Strassburg Le ipzig Z
Königliche Schauspiele.
Sonnabend, 21. Aug. Jm Schauspielhause: Der Ball zu Ellerbrunn , Luskspiel in 3 Abth., von C. Blum. Hierauf: Drei Genre-Bilder. 1) Der Spanische Contrebandier und seine Ge- liebte; 2) Der Pyrenäische Gebirgssänger und die Bearnerin, und Z) Hans und Grete, ausgeführt in Dialog, Gesang und Tanz von Hrn. Schneider und Dlle. Polin.
Sonntag, 22. Aug, u Opernhause: Der Oper in 5 Abth., mit Ballet, Musik von Auber. baum: Margarethe.)
Preise der Plâàße: Ein Plaß in den Logen des ersten Ranges 1 Rthlr. 10 Sgr. Ein Platz in den Logen des zweiten Ranges 20 Sgr. Ein Plaß in den Parquet-Logen 1 Kthlr. U O
Jm Schauspielhause. Zum erstenmale wiederholt: Die Ka- detten, Lustspiel in 3 Abth., von A. P. Hierauf: Erziehungs- Resultate, Lustspiel in 2 Abth., von C. Blum.
Montag, 23, Aug. Jm Schauspielhause: Symphonie von L, v, Beethoven. Hierauf: Jphigenie auf Tauris, Schauspiel in 5 Abth., von Göthe.
Feensee, große p A e (Dlle. Grün-
Königsstädtisches Theater.
Sonnabend, 21. Aug. (JZtalienische Opern - Vorstellung. I Puritani. Opera in 3 Ati, Musica del Maestro Cav, Vincenzo Bellini,
Preise der Pläße: Ein Plaß in der Orchester - Loge 1 Rthlr. 10 Sgr. Ein Plaß in den Logen und im Balkon des ersten Ranges 1 Rthlr. u. st. w.
Textbücher, in Jtalienischer und Deutscher Sprache, sind im Billet-Verkaufs-Büreau und Abends an der Kasse à 5 Sgr. zu haben. , S e f de E 29. Aug. Der Talisman, Posse mit Gesang in 3 Aften, von J. Nestroy. (Derr und Mad. Beckmann werden, von ihrer Urlaubsreise zurückgekehrt, hierin wieder auftreten.)
Montag, 23. Aug. (Jtalienische Opern-Vorstellung.) L'Ajo nell’ imbarazzo. (Der Hofmeister in Verlegenheit.) Opera bulfa in 2 Atti, Musica del Maestro Gaetano Donizetti.
Verantwortlicher Redacteur Dr. F. W. Zinkeisen.
Gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober- Hofbuchdruckeret, Beilage
Beilage z
Landtags - Angelegenheiten.
Provinz Schlesien.
Denkschrift zu dem in Nr. 225 der St. Z. gegebenen Landtags- Abschiede,
Denkschrift des Ministers des Jnnern zu der Petition der Schle- sishen Provinzial-Stände in Betreff des BVerfah- rens bei Feststellung der Ablösbarkeit der auf erb- lihen Dreschgärtner- Stellen in Nieder-Schlesien haftenden Handdienste.,
Durch die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 1. August 1835 sind allerdings die früher zuweilen erhobenen Zweifel darüber: ob die auf Dreschgärtner - Stellen in Schlesien haftenden Hand- dienste nur auf Grund gegenseitiger Einwilligung oder auch auf einseitige Anträge abgeld| werden konnew S auf die von den Ständen angegebene Weise, nämlich dahin er-
O die Ablösbarkeit der auf Dreschgärtner- Stellen haftenden Handdienste davon abhängt , ob jene als Aker -Nahrungen anzu sehen oder nicht ? E f E . i
und bei Beantwortung dieser Frage sind in Schlesien, mit Aus-
nahme des zum Bezirk der Ober - Schlesischen Landschaft gehörigen
Theils, eben so wie in Preußen, Pommern und den Marken, die
Bestimmungen der Allerhdchsten Declaration vom 29, Mai 1816
maßgebend. y .
Fn derselben ist zwar im Art. 4, bäuerlichen Stelle angegeben,
daß ihre Hauptbestimmung sey - Ackerwirth zu ernähren ;
der Begriff etner Akernahrung jedoch ers im Art. 5, und zwar
eigentlich nur negativ, im Gegensaß einer Dienst - Familienstelle,
durch die Bestimmung festgestellt : daß cine Stelle nur dann zur Klasse der Dienst- Etablissements gehdre, wenn der Besther nur zu Handdiensten pflichtig sey , bis her zur Bewirthschaftung derselben kein Zugvich gehalten habe und solches auch zur Bewirthschaftung nicht erforderlich sey.
Da diese drei negativen Eigenschaften neben einander erfordert werden, #0 genügt der Mangel einer derselben, namentlich also auch der Umstand allein, j
daß zur Bewirthschaftung der Stelle Zugvieh erforderlich is,
um die Annahme, daß selbige ein Dienst - Etablissement sey, aus-
zuschließen. Des Umstandes, ob die Stelle einer ganzen Familie
hinlängliches Ausfommen gewährt, is dabei eben so wenig gedacht, wie des Umstandes, ob das erforderliche Zugvieh aus der Stelle selb| ernährt werden kann; noch weniger aber ist angeordnet oder
auch nur angedeutet , daß cine Stelle, zu deren Bewirthschaftung Zugvieh erforderlich ist, dessenungeachtet als Dienst - Familienstelle angesehen werden solle, wenn sie nicht gleichzeitig dem Besißer und seiner Familie hinlängliches Auskommen gußer dem für das Zugvieh nöthigen Futter gewährt.
Wäre aber für Fälle dieser Art, die nkcht bloß vorkommen fön nen , sondern wirklich nicht selten vorkommen, eine Beschränkung des Begriffs der Acker-Nahrungen und in Folge dessen der Ablds- barkeit der auf solchen Stellen haftenden Handdienste beagbsichtigt- so hâtte dies ausdrücklich ausgesprochen werden müssen, und da solches nicht geschehen ist, auch sons nichts vorliegt, was eine solche Annahme irgend begründen könnte, vielmehr hiernach die Hinläng- lichkeit des Ertrages zum Auskommen der Familie des Besthers und zur Ernährung des Zugvichs als ein irrelevanter Umstand an- zusehen is, \o bedarf derselbe auch keiner Erörterung. Die dieser halb von der General-Kommission zu Breslau, mit Bezug auf An- weisungen des Ministeriums des Fnnern, unker dem 22, August 1837 und 18, Juni 1839 erlassenen Fnfstructionen erscheinen daher voll fommen gerechtfertigt, die dagegen von den Schlesischen Provinzial Ständen erhobenen Bedenken aber unbegründet.
Auch die Anweisung, a : , daß in Gegenden, wo es gewöhnlich ist, Kühe als Zugvieh zu ge brauchen, diese bei der Gespannhaltung berücksichtigt werden sollen,
i vollkommen den in Nieder-Schlesien zur Anwendung fommenden
geseßlichen Vorschriften entsprechend. ,;
Jn dexr Declaration vom 29. Mai 1816 t\f nämlich nur vom
Zugvieh ohne irgend eine Beschränkung die Rede und nichts ent
halten, woraus gefolgert werden könnte, daß darunter nur Pferde und Zugochsen gemeint gewesen,
ungeachtet es schon damals schr wohl bekannt war, daß es Gegenden und Provinzen giebt, in denen nicht blos die metsten bäuerlichen
Wirthe, selbs die Spanndienstpflichtigen, sondern sogar die Be
sißer größerer Güter die Kühe als Zugvich benußen. e
Unter diesen Umständen können nur die Lokal-Verhältnisse dar über entscheiden, ob Kühe, die zur Anspannung benußt werden, als Zugvieh anzusehen sind oder nicht , und die desfallsige Anweisung isl ibe weiter, als eine aus der Anwendnng der allgemeinsten Rechts und Auslegungs-Regeln von selbst hervorgehende Folgerung.
Der von mir erlassenen Anordnung aber, a daß bei Streitigkeiten sowohl darüber, ob zur Bewirthschaftung ciner bestimmten Stelle Zugvieh erforderlich,
als darüber, . ob die bisher zur Anspannung benußten Thierarten ortsüblich und im gewöhnlichen Sprachgebrauch als Zugthiere gelten können/ das \chiedsrichterliche Verfahren eingeleitet werde,
liegt die Rücksicht zum Grunde, daß Fragen dieser Art nur unter
genguer Berücksichtigung aller obwaltenden Verhältnisse beantworlet
werden können und daher recht eigentlich zu den nach §. 31 der Ver- ordnung vom 30. Funi 1834 zum schiedsrichterlichen Verfahren ge eigneten Gegenständen gehören, welche besser von verständigen , der
Oekonomie Zundigen Männern an Ort und Stelle, nach etngenom
menem Augenschein, entschieden werden können, als von enlfernt woh
nenden Behörden. E S :
Die zugezogenen Schiedsrichter haben nun zwar, wie sich nicht in Abrede stellen läßt, in den vorgekommenen einzelnen Fällen mehr- fach sehr verschiedenartige Aussprüche gethan, welche vielleicht nicht Úberall durch wirkliche Verschiedenartigkeit der Verhältnisse und Um stände motivirt seyn mögen; indeß kann daraus, wte auch des Kd nigs Majestät bereits bei Gelegenheit einer Spezial-Beschwerde aner- kannt haben, die Unangemessenheit dieses Verfahrens im Allgemeinen nicht gefolgert werden. Einzelne Mißgriffe lassen sich bei keiner menschlichen Einrichtung vollständig verhüten, und schon der Um stand, daß bisher in Schlesien, wie in den meisten Provinzen, das wohlthätige Institut dev Schiedsrichter zu wenig gewürdigt und be- nußt wurde und die Feststellung des Begriffs der Ackernahrung bis- her nur in der Hand der Auseinandersczungs-Behörde und ihrer Kom- missarien lag, macht es sehr erklärlich, wenn die desfallsigen Ansich- ten der Landwirthe, aus denen die Schiedsrichter gewählt werden, nicht augenblicklich zur Reife gelangt und die ersten Entscheidungen hin und wieder mangelhaft ausgefallen sind ; theilweise hat dazu auch wohl die mangelhafte Stellung der Fragen beigetragen
Deë Wiederholung dieses leßteren Uebelstandes glaube ich genü- gend vorgebeugt zu haben, und die häufigere Zuziehung der Schicds- richter, der damit verbundene Austausch der Fdeen und die Bekanut- werdung wohl motivirter Entscheidungen wird, wie sich mit Zuver- sicht hoffen läßt, wesentlich zur Berichtigung irriger und s{wanken- der Jdeen beitragen und bald um so sicherer zu angemessenen und Fonsequenten schiedsrichterlichen Aussprüchen führen , je mehr sich die
als eines der Merkmale einer
ihren Funhaber als selbsiständigen
1 j
j
1029
n Staats-Zeitung F€ 231.
Parteien auch ihrerseits bestreben- nur die verständigsten und vorur- theilsfreisten Männer zu Schiedscichtern zu wählen.
Hierauf möglich hinzuwirken, ist den Behörden zur Pflicht ge- macht; auch sind bereits mehrere recht gut motivirte Entscheidungen zu meiner Kenntniß gelangt, und hoffentlich dürfte bald die Ueber- jeugung Play greifen , daß der eingeshlagene Weg nicht blos der cinfachste, kúrzeste, am wenigsten kostspielige, sondern auch Überhaupt der geeignetste ist und dadurch den gerügten Uebelständen besser vor- gebeugt werden wird, wie solches durch legislative Maßregeln oder auf andere Weise geschehen könnte. __,
So lange nämlich nicht alle Dienste, in ähnlicher Art, wie sol- ches in der Ablösungs-Ordnung vom 13. Fuli 1829 für cinen Theil der Monarchie geschehen , für ablösbar erklärt werden, sondern die in der Ablôsungs-Ordnung vom 7. Funt 1821 angeordnete Beschrän- fung überhaupt beibehalten wird, kann auch in dem Wesen der leh- teren nicht füglich eine Veränderung getroffen werden, ohne denie- nigen gegründete Veranlassung zur Beschwerde zu geben, deren Berhältniß dadurch alterirt und denen dadurch eine ihnen durch das Geseß, ohne Bestimmung ciner Frisl, zur Ausübung eingeräumte Befugniß wieder entzogen werden würde. — Es würde daher im- mer die Unterscheidung zwischen Aker-Nahrungen und Dienst-Fa- milienstellen beibehalten werden müssen und nur davon die Rede seyn können , auf welche Weise desfallsige Zweifel am angemessen- sten zu erledigen wären. Der Antrag der Stände ist auch nur auf desfallsige nähere Bestimmungen gerichtet; indeß ergiebt sich bei näherer Prüfung bald, daß eine ganz genaue, jeden Zweifel und je- des Schwanken ausschließende Feststellung unmöglich ist und jeder desfallsige Versuch die Zweifel und Bedenken eher vermehrt als vermindert.
Mag das Wesen der Acker-Rahrung nur darin,
daß zur Bewirthschaftung der betrefenden Stelle Zugvieh nöthig, oder zugleich darin,
daß solche auch hinlängliches Futter liefert und einer ganzen Fa-
milie ausfêômmliche Subsistenz gewährt, i oder in irgend etwas Anderes geseßt werden: immer ergeben sich Fragen, welche nicht nach allgemeinen , untex allen Umständen passenden und anwendbaren Normen beantwortet werden können, sondern deren Beantwortung hauptsächlich von den im einzelnen fonfreten Fall obwaltenden Verhältnissen abhängt, und diese sind so mannigfaltig, daß sie sich gar nicht im voraus übersehen , noch weniger unter gewisse Regeln bringen lassen.
Die Maiorität der Stände hat zwar darauf angetragen :
auch in Nieder- Schlesien , wie in Ober-Schlesien, den Umfang “und die Qualität des Grundbestßes entscheiden zu lassen, | indeß steht diesem Antrage, abgeschen von dem Widerspruch einer sehr bedeutenden Minorität , und namentlich des ganzen Standes der Landgemeinden, abgeschen ferner davon, daß auch die für Ober- Schlesien ergangene Verordnung vom 13, Fuli 1827,
wonach nur cin Besißstiand von 25 Morgen mittlerer Bodenklasse,/
oder cinem entsprechenden Quanto in anderen Klassen, die Regu-
lirungs-Fähigkeit begründet, : in der praktischen Anwendung schwankend ist, da fast Alles davon ab- hängt, welche Bodenklasse als Mittelfklasse angeschen und welches Ver- hältniß bei der Reduciion anderer Klassen auf dieselbe zum Grunde gelegt wird, der erhebliche Umstand entgegen, daß gus gleicher Quan- tität und Qualität des Besistandes keinesweges ein gleiches BedÜrf- niß in Beziehung auf Spann-Vichhaltung, noch weniger die Gleich heit des Futtergewinnes oder gar des Geld-Ertrages folgt, und daß \o wenig in der cinen als in der anderen Beziehung ein Überall pas- sender Rormalsayß aufgestellt werden kann. j
Nicht blos die Art der Bewirthschaftung, die Lage und die Ver hältnisse des Orts und der Umgegend, sondern auch die Persönlich- feit, Lebensweise und Vermögens-Lage des Besißers und andere ähn- liche Umstände üben den entschiedensien Einfluß und führen, bet glei cher Größe und Beschaffenheit des Grundbesißes, zu den ungleichsten Resultaten.
Bei Erlaß der Verordnung vom 13. Fult 1827 is zwar hierauf nicht Rückficht genommen, indeß hat dadurch auch die Ablösungs Ordnung nicht deklarirt, sondern in der That abgeändert werden jol- len, und diesc Abänderung beruht, wie im Eingang ausdrücklich be- merft ist, auf ganz speziellen Gründen, namentlich den eigenthúmli- chen und abweichenden Rechts - Verhältnissen der kleinen Rustikal- Besißer in Ober-Schlesten , der dort allgemein vorhandenen Gelegen- heit zur Benußung des Spann-Viehes und der Schwierigkeit , die Dienste der Gärtner durch gedungene Arbeiter zu erseßen. *
Diese Gründe passen auf Nieder-Schlesien überall nicht, wo die größte Mannigfaltigkeit der Verhältnisse stattfindet, große Flächen von Acckern und Wiesen mit Waldgegenden , gewerbreicher Verkchr mit ausschließlicher Beschränkung auf den Landbau, die Nähe großer Städte, Flüsse und Chausseen mit völliger Fsolirung in den viel- fachsten Abstufungen wechseln; wo der Ertrag und Werth der länd lichen Grundstücke so verschieden ist, daß z. B. in den nächsten Ddr fern bei Breslau der Morgen guten Bodens in der Regel eben so hoch bezahlt wird, wie ein ganzer Bauerhof in manchen entlegenen Theilen der Provinz.
Gerade hier würde es daher am wenigsten angemessen seyt, die Ablösbarkeit der Dienste lediglich von der Quantität und Qualität der zur verpflichteten Stelle gehörigen Grundstücke abhängig zu ma chen und dafür ein bestimmtes, in der ganzen Provinz zur Anwett- dung kommendes Maß festzuseßen. Selbst etne distriktöweise Feststel sung von Rormalsäßen, in ähnlicher Art, wie sie nach der Ablösungs- Ordnung vom 13. Juli 1829 stattgefunden, um die Gränze zu be- stimmen, über welche hinaus der Verpflichtete zu einer Land-Abtre- tung nicht gezwungen werden kann , würde den dortigen Verhältnis- sen nicht entsprechen. Selb wenn — wie jedenfalls geschehen müßte — cine schr große Zahl von Distrikten gebildet und für ieden der- selben ein befonderer Normalsaß bestimmt würde, dürften, bei der großen Mannigfaltigkeit der Verhältnisse, immer noch schr viele eit- zelne Fälle vorkommen, in denen der in dem betrefenden Distrikt zur Anwendung kommende Normalsaß den Lokal-Verhältnissen keineswe- ges entspräche, und mithin die Folge eintreten , daß Dienste ablösbar würden, die es gegenwärtig nicht stnd, und umgekehrt.
Es dürften also auch dadurch die Beschwerden nicht erledigt werden, während sich deren Bescitigung in Folge der angeordneten, mit den bestehenden geseßlichen Vorschriften Überall im Einklang stehenden und zugleich zur Abkürzung der Verhandlungen, so wie zux Verminderung der Kosten, wesentlich beitragenden Maßregeln mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten laßt.
Unter diesen Umständen kann es nicht für angemessen erachtet werden, J L
dem Antrage der Schlesischen Provinzial-Stände Folge zu geben. Berlin, den 19, Fuli 1841. : (gez) von MocMow
Provinz Posen. Denkschrift zu dem in Nr. 226 der St. Z. gegebenen Landtags- Abschiede.
DenkscchLti}t
úber den Zustand der Rechtspflege in der Provinz Posen und über die von dem Landtage in Antrag ge- brachte Erweiterug der Kompetenz der dortigen Land- und Stadt-Gerichte. Bor der Reorganisation der Justiz- Behörden im Jahre 1835 wurde in der Provinz Posen die Rechtspflege verwaltet von :
1) 7 Land-Gerichtetn N : ein jedes derselben erstreckte sich über 4 bis 5 landräthliche
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Kreise mit 160 bis 200,000 Einwohnern, einem jeden Land-
gerichte waren 5 bis 6 Friecdensgerichte untergeordnet, é ) 2 Hypotheken - Deputationen über adliche Güter, welche mit
den Landgerichten zu Posen und Bromberg verbunden waren, 3) 4 großen Fnquisitoriaten, und
4) von dem Ober-Appellationsgericht zu Posen,
aus 2 Senaten bestehend.
Den Friedensgerichten waren :; die Bagatell-Sachen , Possesso- rien - Prozesse bei itädtischen und bäuerlichen Grundstücken, Fniu- rien-Prozesse, Holz-Defraudationen und in Kriminal-Untersuhungs- sachen die Feststellung des Thatbestandes und Verhaftung des Ver- brechers, die Vormundschafts- und Nachlaßsachen bis zu 200 Tha- lern und endlich die Ausúbung der freiwilligen Gerichtsbarkeit Über Gegenstände bis zu 200 Thaler, die Auf- und Annahme von leht- willigen Verordnungen und einseitigen Handlungen unter Leben- digen ;
den beiden Hypotheken-Deputationen die Führung des Hypothekenbuchs über sämmtliche adlihe Güter, den Funquisi- toriaten die Führung der fiskalischen und Kriminal-Untersuchun- gen úberwiesen.
Alle übrigen Rechts-Angelegenheiten der Civil- und Kriminal- Gerichtbarkeit mit Einschluß des Erkenntnisses 1ster Fnstanz gehdr- ten zum Ressort der Landgerichte.
w Dem Obver-Appellationsgerichte stand das Recht der Ober-Auf- sicht zu.
Der 1ste Senat des Ober-Appellationsgerichts erkannte in 2ter; der 2te Senat desselben in leßter Fnsianz. Die Amts- Geschäfte dieser Behörden hatten im Laufe der Zeit dergesialt zugenommen, daß die Friedens - und die Landgerichte die ihnen obliegenden Ar- heiten zu überwältigen nicht im Stande blieben; der Zustand der Rechtspflege verschlimmerte sich von Fahr zu Fahr , bis zu einem bedenklichen Maße, und von allen Seiten her wurden Klagen laut.
Des hochseligen Königs Majestät fanden sih dadurch zu einer gründlichen Reform des Justizwesens im Großherzogthum Posen ver- anlaßt. Die Verordnung vom 16, Juni 1834 Úber die Einrichtung der dortigen Justiz - Behörden wurde erlassen und mit großen Opfern für die Staaskassen, aber mit eben so großer Umsicht ins Leben gerufen.
Fn Folge derselben wird gegenwärtig die Fustiz statt der Friedens- und Landgerichte:
von 30 kollegialisch gebildeten Land- und Stadgerich-
ten verwaltet,
an 33 Orten werden Gerichtstage gehalten, die Geschäfte der
Fnquisitoriate bis auf das zu Posen sind auf die Land- und Stadt-
gerichte Übergegangen. L
Die beiden Ober-Landesgerichte haben mit Rücksicht auf das Ressort der beiden landschaftlichen Directionen die Führung des Hy- pothekenbuchs Über die Domainen und Rittergüter, alle auf dieselben sich bezichenden und damit in Verbindung stehenden Rechts-Angele- genheiten, Prozesse/ Vormundschaften und Nachlaß-Regulirungen,
außerdem aber alle wichtigeren Angelegenheiten, die Prozesse Über
persdnliche Verbindlichkeiten, deren Gegenstand 500 Rthlr., die Vor- mundschaften und Nachlaßsachen, wenn der Nachlaß 2500 Rthlr. und bei obwaltender Güter-Gemeinschaft 5000 Rthlr. Übersteigt, die Abfassung der Erkenntnisse in Kriminalsachen
in wichtigeren Fällen in 1ster Justanz,
in minder wichtigen (deren Entscheidung in 1ster Fnstanz den Land-
und Stadtgerichten zusteht) in 2ter Fnstanz, e Oberaufsicht über die Land- und Stadtgerichte zugetheilt erhalten.
Das Ober-Appellationsgericht erkennt in 2er Fnstanz in allen Civilsachen und in den Kriminalsachen, in denen die Ober-Landesge- richte in 1er Fnstanz erkannt haben.
Das Geheime Ober-Tribunal entscheidet auf die Rechts- mittel der Nevision und der Nichtigkeits-Beschwerde.
Diese neue Organisation der Gerichte hat den davon gehegten Erwartungen vollkommen ensprochen, der gegenwärtige Zustand der Rechtspflege läßt kaum etwas zu wünschen übrig, sämmtliche Ge- richts-Behörden erfüllen die Pflichten ihres Berufs mit regem Dienst- cifer, großem Geschick und rühmlichem Fleiß; der ganze Geschäfts- Betrieb ist fast durchgehends musterhaft. Keine Klage Über mangel- hafte Justiz-Einrichtungen hat sich seitdem vernehmen lassen.
Dieses glücklichen Erfolges ungeachtet bringt der Landtag nach eben erst abgelaufenen 6 Fahren neue Veränderungen in Antrag.
Es wird gewünscht, den Land- und Stadtgerichten :
1) die Civil-Prozesse bis 4000 Rthlr.,
2) alle Todes-, Blödsinnigkeits- und Prodigalitäts-Erklärungen,
insofern kein Rittergut zum Vermögen des Provokaten gehört, und
3) unter gleichen Beschränkungen alle Vormundschaften zu Úber-
tragett.
Rach diesen Anträgen würden von den beiden Ober-Landesgerich- ten die jeßt bei denselben anhängigen
400 Prozesse über Objekte von 500 Rthlr. bis 4000 Rthlr.,
welche bei den Ober-Landesgerichten als persbnlicher Gerichts- stand verhandelt werden, i
9 Vormundschaften,
1 Nachlaß-Regulirung,
12 Blödsinnigkeits-Prozesse-
1 Prodigalitäts-Prozeß und
78 Todeserklärungen auf die Land- und Stadtgerichte übergehen.
Diesen Anträgen steht entgegen, daß diese Ressort- Veränderung eine nicht unerhebliche Verminderung des Geschäftskreises der Ober- Landesgerichte und konsequenterweise eine Verminderung des Arbeits- Personals bei denselben zur Folge haben würde, ohne allgemeine Vor- theile dadurch zu erreichen.
Wenn es einzelnen Stadt- und Landbewohnern bequem erscheinen mag, einen wichtigeren Prozeß in ihrer Nähe verhandelt zu sehen, o würden durch die Gewährung des Antrages andererseits die Besißer von Rittergütern , die in allen Real - Angelegenheiten bei den Ohber- Landesgerichten Recht nehmen müssen, nicht blos in den minder wich- tigen, jondern guch in den wichtigeren persdnlichen Rechtsstreitigkei- ten den Land- und Stadtgerichten überwiesen, alle Gerichts - Einge- sessenen aber in der Freiheit ihrer Wahl unter der größeren Zahl der bei den Ober - Landesgerichten angestellten Fustiz- Kommissarien be- schränkt werden.
Dazu kommt, daß nach einer uralten Sitte die meisten wohlha- benden Einwohner der Provinz und alle Geschäftsleute sih zu be- stimmten Zeiten des Jahres in Posen und Bromberg einfinden, und daß hier alle wichtigeren Geschäfte abgeschlossen und erfüllt werden. Würde der Antrag des Landtags gewährt, so würden die Kontrahen- ten ihre Gegner oft bei entfernten Land- und Stadtgerichten belangen müssen und doch auch, wenn sich der Verpflichtete in Posen oder Bromberg betreffen läßt, vor den Land- und Stadtgerichten dieser A Orte als Gerichtsstand des geschlossenen Kontrakts belangen
önnen.
Der Theilungs - Grundsaß von 500 Rthlr. entspricht genau dett geseßlichen Vorschriften Über das Rechtsmittel der Revision und dem angeordneten Fnstanzenzuge. Die bei den Ober-Landesgerichten ange stellten Justiz-Kommissarien würden endlich durch cine solche Verän- derung einen Theil der Mittel zu ihrer Subsistenz verlieren.
3 ist, im Allgemeinen betrachtet, ein offenbarer Vorzug für die Bewohner der Previnz Posen, daß alle wichtigeren Prozesse- ormund- schaften und Nachlaß - Regulirungen bet den Ober - Landesgerichten konzentrirt sind und dort idre angemessene Behandlung Ander, beid
Bei Untersuchungen des Gemüthszustandes erleichtern die beiden großen Provinzial- Städte die Zuziehun g ay S geschickter Sachverständigen, Prodigalitäts - Prozesse kommen berhaupt nur selten vor.