1877 / 249 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Oct 1877 18:00:01 GMT) scan diff

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Versprechen als Grund der Verpflichtung zur Erfüllung (Aus- lobung, ‘dem Fa zu Händen Dritter, Jnhaberpapiere) ;

ge berathen, und die darin aufgestellten e en

IV. aus dem Familienrechte: die Obervormundschaft; V. aus dem Erbrechte: den Erbeinseßungsvertrag und die Schenkung von Todeswegen; VI. aus dem Familienrechte und dem Erbrechte: das Erbfolgerecht der Ehegatten.

Die Kommission hat diese Vorlagen in 21 Sißungen ein-

sen, mit einigen Ausnahmen, dur sachliche Beschlüsse er- [ledigt. Je eingehender und erschöpfender die einzelnen Er- örterungen waren, um so begründeter ist die Erwartung, daß die Redaktoren durch die Berathungen und Entscheidungen, welche sih an dieselben knüpfen, für die Fortseßung uer Arbeiten in gleicher Weise gefördert worden sind, wie dies der oben erwähnte Bericht von den Ergebnissen der früheren Kommissionssißungen hervorzuheben vermochte.

Ob jedoch die in diesem Berichte ausgesprochene Hoffnung, die Entwürfe würden {hon im Jahre 1878 zum Ab luß ge- langen, sih verwirklihen werde, ist einigermaßen zweifelhaft geworden. Die von den Redaktoren zu besiegenden, ins- besondere aus der bei verschiedenen Rechtsmaterien ebenso mühevollen als unentbehrlichen Feststellung des gegenwärtigen Rechtszustandes im gesammten Gebiete des Reichs entsprin- genden Schwierigkeiten haben sich fo zahlreih und erheblich erwiesen, daß die Vollendung der Entwürfe sih niht un- wahrscheinlih in das Fahr 1879 hinein verzögern und eine Berathung ¿er Kommission, wie die dicsjährige im Herbst 1878, noch erforderlih werden möchte.

Jn den deutshen Münzstätten sind bis zum 13. «Oktober 1877 geprägt worden, an Goldmünzen: 1,149,469,100 é Doppelkrónen, 362,219,180 46 Kronen, 12,918,220 4 halbe Kronen; hiervon auf Privatrehnung: 223,162,279 4; an Silbermünzen: 71,653,095 6 5-Marfkstücke, 97,288,586 6 2-Markstücke, 143,512,165 # 1-Markstüde, 64,427,362 A6 50 - Pfennigstüdcke, 35,717,922 446 80 S 20- Pio an Nickelmünzen: 23,502,530 4 70 S 10- Pfennigstücke, 11,657,813 M 75 Z 5-Pfennigstücke; an Kupfer- münzen: 6,213,207 #4 44 2-Pfennigstüe , 3,382,722 M 83 „S 1-Pfennigstülke. Gesammtausprägung an Gold- münzen: 1,524,606,500 M4; an Silbermünzen : 412,599,130! 80 Z§; an Nickelmünzen: 35,160,344 M 45 /Z; „an Kupfer- münzen: 9,595,930 M“ 27 S.

Der Kaiserliche Botschafter Graf zu Münster is nah London zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Kaiser- lichen Botschaft wieder übernommen.

Der Königliche Gesandte Graf zu Solms-Sonne- walde ist nah Dresden zurückgekehrt und hat die Leitung der Königlichen Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Kaiserliche General-Konsul für Egypten, Freiherr von Saurma, ist auf seinen Posten nah Alexandrien zurückgekehrt und hat die Geschäfte wieder übernommen.

Der Kaiserlih österreichishe Militär-Bevollmächtigte, n V Prinz zu Liechtenstein, ist hierher zurück- gekehrt.

Vorgestern starb zu Cöln der Wirkl. Geh. Rath, General-Prokurator a. D. Nicol ovius (geboren am 17. Juli 1797 zu Eutin).

Der Hauptmann von Pfuhlstein, ‘aggregirt dem 5. Thüringischen Jnfanterie-Regiment Nr. ‘94 (Großherzog von Sachsen) ist, unter Entbindung von dem Verhältniß als Adjutant beim Stabe der 4. Armee-Jnspektion und unter Ver- seßung in die Adjutantur, zum persönlihen Adjutanten Sr. D und Königlichen Hoheit des Kronprinzen ernannt worden.

Bayern. Viünchen, 20. Oktober. Der Finanz- ausschuß der Kammer der Abgeordneten erledigte in seiner gestrigen Sißung die Nachweisungen für das Jahr 1875, be- züglih der Etats des Justiz-Ministeriums, der Münzanstalt, des Geseß- und Verordnungsblattes und des Königlichen Hofes und Hauses. Der Aus\{uß beantragt, diesen Nathweisungen die Anerkennung zu ertheilen. Wie von finanzkundigen Abgeordneten versichert wird, wäre eine Bilanzirung des Budgets ohne eine Steuererhöhung niht unmöglich, jeden- falls aber würde ein wesentlih geringerer Steuer-Mehrertrag erforderlich sein, als Seitens des Finanz-Ministeriums bean- tragt worden ist. Dabei hört die „Allg. Ztg.“ mehrfach die Anjicht äußern, daß gegebenen Falles enisprehende Zuschläge zu einzelnen Steuergattungen einer Steuererhöhung in der beantragten Form vorzuziehen wären.

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Oesterreich-Ungarn. Wien, 19. Oktober. Bezüglich der Delegationen wird von Pest aus die Meldung ver- breitet, daß dieselben am 10. Dezember zusammentreten sollen. Die Meldung isst, wie dem „Prager Abendbl.“ von hier be- rihtet wird, noch nicht positiv, denn es sei selbstverständlich, daß für dieses Jahr der Zusammentritt der Delegationen dur den Stand der Ausgleichsfragen bedingt sei, da diese auf die einzelnen Positionen des gemeinsamen Budgets, wie auf die Vertheilung der unbedeckten Ausgabe-Etats von Einfluß seien. Gewiß sei nur, daß die Delegationen im Dezember zusammen- treten müssen, da das gemeinsame Budget für 1878 in irgend einer Form votirt werden müsse.

Pest, 19. Oktober. Jm Abgeordnetenhause empfahl ey bei Gelegenheit der Generaldebatte über den Zucker- teuer-Geseßentwurf der Finanz-Minister Széll in län-

erer Rede die Vorlage. Der Minister sagte, daß er das auschalirungssystem als für die ungarische Jndustrie vor- theilhafter erahle, und sei eine Produktensteuer von Niemand empfohlen worden. Die Konkurrenz Oesterreihs sei nicht mehr so zu fürchten. Die ungarische Rübe entspreche der mittelmäßigen Rübe Oesterreihs und stehe die tehnishe Ein- xihtung auf gleicher Stufe. Alle Zuckerfabriken hätten Kom- munifkationen und hänge die Existenz dieser Jndustrie von dem Gange des internationalen Marktes ab. Der Minister polemisirte gegen die Sprecher der Opposition und erklärte, die Regierung wünsche niht den Ausgleih einzushmuggeln. Sie vertrete jede Vorlage einzeln, werde das Zollbündniß für fih vertheidigen und sih bei der Berathung desselben nicht auf die bereits angenommenen Vorlagen beziehen, weil keine dieser Vorlagen Gesey werde, wenn nit alle Vorlagen zu- sammen Gefeß werden könnten.

20. Oktober. Das Abgeordnetenhaus hat heute den

__ Schweiz. Bern, 18. Oktober. Die Zollrevi- sionskommission des Ständeraths hat ihre Sißungen vor- läufig geschlossen. Einige Punkte sind an das Zolldeparte- ment zurückgewiesen worden. Die bisherigen Beschlüsse wer- den den Mitgliedern der Kommission gedruckt zugestellt werden und die leßtere etwa Mitte November wieder zusammentreten. Am nächsten Montag tritt die ständeräthlihe Budgetkom- mission, welche zugleih die Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes vorzuberathen hat, hier zusammen.

Bellinzona, 20. Oktober. Gestern Morgen präsentirten sih zwei Gensd'armen bei der Munizipalität von Lugano, um auf dem Wege der militärishen Exekution die Ofkkupationsfkosten einzukassiren, und zwar auf Befehl der Regierung. Gestern Abend wurde jedo die leßtere vom Bundesrath telegraphish ersucht, sofort jeder vexatorischen Maßregel gegen Lugano ein Ende zu machen.

Frankreich. Paris, 19. Oktober. Das „Journal

officiel“ meldet: „Herr Reither hat dem Minister der Aus- wärtigen Angelegenheiten die Schreiben überreicht, welche ihn in der Eigenschaft eines Geschäftsträgers Bayerns in Paris akkreditiren.“ 20. Oftoter. Der „Français“ meldet, daß die ge- rihtliche Verfolgung gegen Gambetta keineswegs ein- gestellt sei, aber es müsse jeßt erst die Einwilligung der Depu- tirtenkammer eingeholt werden. Der „Français“ bringt ferner folgende Mittheilung: „Wir erklären nah wie vor jede Nach- rit für fals, die dahin geht, daß der Marschall sich ent- {lossen habe, auf die Politik des Widerstandes gegen den Radikalismus zu verzichten ; der Marschall hält sein Ministerium aufrecht und bleibt auf dem Boden der Verfassung, welche der höchste Ausdruck dieser Politik ist.“

Italien. Rom, 16. Oktober. Gestern Nachmittag wurde in dem neuen Palais des Finanz-Ministeriums ein Ministerrath abgehalten, welhem der Conseilspräsident und Finanz-Minister Depretis präsidirte, und bei dem, mit Ausnahme der gegenwärtig von Rom abwesenden Herren Za- nardelli C Arbeiten) und Majorana Calatabiano (Ackerbau, JFndustrie und Handel), sämmtlihe Minister zu- gegen waren. Avs Neapel kommt die Nachriht von dem Ableben des Senators Antonio Scialoja. Er war im «Fahre 1817 geboren, wurde am 16. November 1862 zum Mit- gliede der ersten Kammer ernannt und war viermal Minister. In den leßten Jahren war er finanzieller Berather des Khe- dive. Von den 5 Kassationshöfen hat sich nur der von Florenz für die poiafung der Todesstrafe erklärt, die übrigen (in Neapel, Palermo, Rom und Turin) halten die Beibehaltung der Todesstrafe für nothwendig.

Türkei. Konstantinopel, 20. Oktober. (W. T. B.) Layard hat heute eine Besprehung mit Edhem Pascha und Serwer Pascha gehabt. /

Aus Konstantinopel, 10. Oktober, wird der „Pol. Korr.“ geschrieben:

„Gestern hat das Bairamfest begonnen Wie gewöhnlich, begab sih der Sultan. mit großem Pomp in die Sultan-Ahmed-Moschee in Stambul, um sein Gebet zu verrihten. Diese Feierlichkeit hat sih nah dem herkömmlichen Ceremoniell vollzogen, mit dem einzigen Unterfchiede, daß die Türken dieses Mal Werth darauf legten, mit

einer - großen Tr naht zu paradiren. Während sont 4 bis R si diese “Gelegenhei auézurücken pflegten, bildeten

dies gegen FMann auf dem Wege des Sultans Spalier, sicherlih eine hohe Ziffer, wenn man erwägt, daß fortwährend Ver- stärkungen auf den Ktiegsshauplaß gesendet werden. Diese absicht- liche Machtentfaltung hat auch ihre Wirkung nicht verfehlt. In Pera war man darüber erstaunt, daß die Hauptstadt eine so große Zahl disponibler Truppen beherbergt, die nöthigenfalls für den Krieg noch verwendet werden könnten. Unter den aus- gerückten Bataillonen bemerkte man besonders jene der Palast- Bediensteten und die Bürgergarde von Konstantinopel, zumeist aus Söhnen der besten hiesigen Familien bestehend. Diese Truppen, oh» wohl erst in neuester Zeit formirt, hatten ein gutes Aussehen und bekundeten eine untadelhafte ung, Nach der kir{lihen Feier fand in Dolma-Bagdsche die Ceremonie des Handkufses statt. Der Sultan natm im großen Thronsaale die Huldigung und Glüc- wünsche der Minister und Staatswürdenträger entgegen. Der Sul- tan rihtete an demselben Tage ein Glückwunschtelegramm an alle Corpskommandanten, die vor dem Feinde stehen. Fn demselben be- grüßte der Sultan die Soldaten, lobte deren Bravour und drückte den Wunsh aus, daß der Krieg alsbald zum Vor- theile der Türkei beendet werden möge, damit die Soldaten in den Schooß ihrer Familien zurückkehren, um durch Arbeit die enor- men Verluste und Opfer wieder gut machen zu können, die sie sich mit so großer Selbstverleugnung für die Vertheidigung des Vaterlandes auferlegt haben. Die politische Situation hat si in keinerlei Weise geändert. Der einzige erwähnentwerthe Zwischen- fall betrifft einen allerdings {hon älteren Vorfall, der aber heute wieder aufs Tapet kam. Das leßte englisbe Blaubuch enthielt bekanntli eine Depesche des hiesigen englischen Botschafters Mr. Layard an Lord Derby mit der Meldung, daß der hiesige griechis{che General - Konsul mehrere, wegen verschiedener Verbrechen verurtheilte und in den Konsulatsgefängnissen in- haftirte Individuen freigelassen und in Gesellschaft anderer, der Hefe der hiesigen griechischen Bevölkerung entnommener O nach Griechenland geshickt habe Mr. Layard be- auptete überdies, daß diese Leute zu Einfällen auf türki- \hes Grenzgebiet und anderen Verbrechen verwendet werden sollen. Das Athener Kabinet, von dieser Depesche betroffen, hatte seinen hiesigen Vertreter, Hrn. Koundouriotis, beauftragt, von Mr. Layard Aufklärungen über diese Depesche zu verlangen, deren Inhalt nach Berichten der griechishen Behörden falsch wäre. Das Resultat dieser Reklamation war unbekannt geblieben, bis die griechis{hen Journale kfürzlih ein Schreiben Mr. Layards an Hrn. Koundouriotis *ver- öffentlihten, in welhem Ersterer Abbitte leistete und offen einge- stand, daß er irrthümlich berichtet worden sei. Die Veröffentlichung dieses Schreibens Seitens der griechischen Presse hat Mr. Layard in heftig: Aufwallung gebraht und wußte derselbe nun nihts Besseres zu thun, als die Existenz dieses Schreibens in der formellsten Weise in Abrede zu stellen. Er that dies, indem er dur den Botschafts - Sekretär Mr. Elliot an den „Levant- Herald“ ein Sthreiben richten ließ, in welchem er das in den griehis{en Journalen veröffentlihte ihm imputirte Schreiben als apokryph erklärte. Die heute Morgens erschienenen Freien Jouxnale reproduzirten dieses Dementi mit dem Vor- ehalte, auf diese Angelegenheit nah Einholung richtiger und authen- tischer Aufschlüsse zurückzukommen und sind der Ansicht, daß Mr. Layard nur wegen des durch die Ueberseßzung etwas alterirten Jn- haltes seines Schreibens protestire, daß aber das den Widerruf im- vird Stbreiben nichtsdestoweniger existire. Man ist darauf ge- pannt, ob die Journale Mr. Layard Sa werden können, daß er einen Gedächtnißfehler begangen habe. eberhaupt hat dieser Zwischenfall die ganze hierortige griehische Bevölkerung in lebhafte Aufregung verseßt und ist cs eine allbekannte Thatsache, daß die Griechen im Allgemeinen keine besonderen Sympathien für Mr. Layard hegen, dem sie offenbare Parteilichkeit für die Türken zum Vorwurfe machen.“

Zudckersteuer-Geseßentwurf mit,134 gegen 70 Stimmen zur Basis der Spczialdebatte angenommen.

(W. T. B.) Aus Cettinje wird der W. „Presse“ unterm 22. telegraphirt: Die Fürstin von Montenegro

ist mit ihren Kindern und Gefolge heute nach Neapel abge- reist. Die Einschiffung erfolgte in Cattaro, wo der Fürstin eine Kaiserliche Yacht zur Verfügung gestellt war.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 17. Oktober. (Hamb. Corr.) Der König wird am 20. d. M. hierher zurückehren. Die früher mehrfach aufgeworfene Frage, in Betreff der Berechtigung kleinerer dänisher Fahr- zeuge zur Küstenfahrt in Shweden gegen Rezipro- zität für s\chwedische Fahrzeuge in Dänemark, is neuerdings wieder auf die Tagesordnung gebracht worden, in- dem der diesseitige Minister des Auswärtigen bei dem Mini- sterium des JFnnern angefragt hat, ob nicht jeßt Veranlassung vorliege, dänischen Fahrzeugen unter 15 Lasten eine derartige Berechtigung gegen ent)prehende Begünstigungen {wedis{cher

ahrzeuge in Dänemark einzuräumen. Von den Autoritäten,

eren Erklärungen in Folge Ln eingeholt worden sind, haben jedoch sowohl die General-Postverwaltung wie das Kom- merz-Kollegium s\ih dagegen ausgesprochen ; ebenso die, Zoll- kammer zu Malmö, welche namentlih darauf hinweist, daß die Schwierigkeiten, den Schmuggel zu verhindern dadur wesentlih würden vermehrt werden. Nur die Helsingborger Zollkammer soll nihts dagegen zu erinnern gehabt haben, daß dänischen Fahrzeugen die genannte Berechtigung eingeräumt werde. Die |chwedische Kriegsflotte besteht, ciner offi- ziellen Da ufolge, aegenwärtig aus 14 gepan- zerten Dampfschiffen t onitors und 10 Panzerböten), 17 ungepanzerten Dampfschiffen (1 Linienschiff, 1 Fregatte, 3 Kor- vetten und -12 Kanonenböten), sowie 5 Segelsc iffen (4 Kor- vetten und 1 Brigg). Jm Bau befinden sich 3 Dampfkor- vetten und 5 Kanonenböte sowie 1 Minenfahrzeug.

Dänemark, Kopenhagen, 19. Oktober. Der Kron- prinz nebst Gemahlin sind heute, nah längerer Abwesenheit in Deutschland, wieder hier eingetroffen.

Der russisch-türkische Krieg.

Zur türkischen Kriegführung veröffentlihen der „Prawitelstwennyj Westnik“ und das „Journal de St, Pétersbourg“ nachstehenden Bericht des Herrn Nelidow an den Fürsten Gortschakoff, d. d. 24. September (6. Oktober):

„Se. Kaiserliche Hoheit der Großfürst Oberkommandirende hat mir aufgetragen, zwei neu'e Verleßungen der Kriegsregeln Seitens der Türkei zur Kenntniß Ew. Durchlaucht zu bringen.

Der Chef der 1. Infanterie-Division meldet, am 17. August sei der türkische Parlamentär Jsset Bey, der von Mehemed Ali Pascha beauf- tragt war, Sr. Kaiserl. Hoheit dem Großfürsten Nikolai Nikola- jewitsh einen Brief zu überbringen, aof unserem Vorposten erschienen. Als der Parlamentär in der Equipage dcs Chefs der Division, des Generals Prochoroff, in Kawatschiva anlangte, bat er, sein Pferd, welches ihm folgte, mit eirem von ihm geschriebenen Billet dem Chef der türkishen Vorposten zuzustellen, die längs dem Thal des Kara Lom gegenüber Sultankioi standen. Ein Offizier des Sofia- schen Regiments mit der Parlamentär-Flagge, die an eine Pike ge- bunden war, wurde in Begleitung eines Trompeters und einer Kosaken-Eékorte zur Ausführung dieses Auftrages entsandt. Doch kaum hatte er sich der türkishen Kette genähert und die üblichen Signale gegeben, als der Feind mit einer Flintensalve antwortete und in geschlossener Fronte gegen ihn anrückte. Der Trompeter wiederholte zweimal die Signale, aber jedesmal erneute man als Antwort darauf die Salv', und das Fli.tenfeuer währte so lange, b.s sih unsere Parlamentäre aus dem Bereich der türkischen Ku- geln zurückzoæen. Bei dieser Gelegenheit wurde das Pferd eines Kosaken der 6. Ssotnia des 8. Regiments verwundet. Jsset-Bey nahm sein Pferd auf dem Rückweg aus Gornji-Studen in Empfang und konnte sich persönlih von der Verleßung überzeugen, welche die türkische Armee sich hatte zu Schulden kommen laffen. Der zweite Fall betrifft den Mißbrauch mit der Fahne mit dem rothen Halbmond. Als es den Türken bei dem letzten Angriff auf den Swipka gelungen war, sich einer der Höhen des heil, Nikolai zu bemäctigen , zögerten sie nicht, daselbst eine Fahne aufzuhissen, welche wir als gleichbedeutend mit der Fahne, die von der Genfer Konvention zum Schuß der Anstalten für Kranke und Verwundete eingeseßt ist, anzuerkennen, eingewilligt haben. Unsere Offiziere, irritirt durch das Erscheinen des rothen Halbmonds, das sie zu respektiren den Befehl hatten, ents{lofsen sich Anfangs niht zum Angriff gegen die in die Hände des Feindes übergegangenen Posi- tionen, doch bald wurde®es offenbar, daß die Türken si dort nur mit der Errichtung einer Batterie aus Materialien beschäftigten, die vom Fuß des Berges hinaufgetragen wurden.“

Europäischer Kriegsshauplaßs.

St. Petersburg, 21. Oktober. (W. T. B.) ODffi- zielles Telegramm aus Gornji Studen vom 20. d.: Die Türken haben am Abend des 19. Oktober eine Redoute bei Plewna, welhe von den Rumänen am selbigen Tage erstürmt worden war, wieder erobert. An der unteren Donau haben die Kosaken am 17. d. auf dem Wege zwischen Tschernawoda und Silistria, bei Seilyk, einen aus 100 Wagen bestehenden und durch eine 150 Mann starke Eskorte beshüßten Provianttransport erbeutet. Von der Eskorte wurden 26 Mann niedergemaht und 32 Mann ge- fangen ; die übrigen zerstreuten \ch. Am 18. Oktober wur- den 2 Escadrons regulärer türkischer Kavallerie von den Kosaken zurüdckgetrieben, die Türken hatten dabei 7 Mann todt, 2 Mann fielen gefangen in die Hände der Kosaken.

Bukarest, 20. Oktober. (W. T. B.) Nach einer Mel- dung des Journals „Romanul“ griffen die rumänischen Truppen dreimal hinter einander die zweite Grivibßa- Nedoute an, wurden aber Oen Einzelheiten über diesen Kampf liegen noch niht vor. Gestern Morgen gegen 9 Uhr eröffneten die Batterien bei Kalafat das Feuer gegen Widdin. Der Zweck dieses Bombardements war die Zer- störung mehrerer Gebäude in dem Hafen und wurde voll- kommen erreiht. Die Wohnung des Gouverneurs, jeßt als Kaserne benußt, wurde in Brand geschossen. Die Türken er- widerte.1 das Feuer durchdie Beschießung Kalafats, ohne in- deß bemerkenswerthen Schaden anzurihten. Um 2 Uhr wurde das Bombardement wieder eingestellt.

Bukarest, 21. Oktober. (W. T. B.) Das Journal „Romanul“ bringt über den Kampf vor Plewna einen näheren, von gestern datirten Bericht. Danach A die Rumänen am Freitag die Tranchéen der Redoute Bukowa an und erstürmten dieselben im ersten Anlauf. Am Abend wurde die Redoute selbst von .den Rumänen angegriffen und die erste Reihe der Sens genommen. Bei dem Kampfe um die zweite Reihe der Brustwehren wurden die Rumänen durch überlegene türkishe Truppenmassen zum Rücckzug genöthigt, den sie in guter Ordnung bewerkstelligten. Heute Morgen ist das 6. russische Jnfanterie-Regiment hier durchpassirt.

Konstantinopel, 21. Oktober. (W. T. B.) Die Armee Suleimans hat si seit Freitag in die Nähe von NOLareS zurüctgezogen, um dort | günstigere Positionen für die Verpflegung während des Winters zu beziehen. :

Konstantinopel, 21. Oktober. (W. T. B.) Reouf Pascha meldet aus Schipka von gestern: Heute richtete die feindliche Artillerie ein- heftiges Feuer auf unsere Redouten auf der äußersten Rechten, der uns zugefügte Schaden und Verlust ist unbedeutend. Dagegen fügen wir dem Feinde beim Wasserholen starke Verluste zu. Am Freitag griffen 2 Bataillone Russen, von Kavallerie und Artillerie unterstüßt, Dedebal bei Thirnovadere an, wurden aber mit einem Ver- lust von 200 Todten und 400 Verwundeten zurückgewiesen. Wir hatten nur einige Verwundete. EinjTelegramm Sul e i- man Paschas vom 20. d. besagt: Heute wurde durch einen im Dorfe Hessova stationirten Kavallerieposten ein von Kosaken gemachter Angriff unter leihten Verlusten zurückgewiesen. Eine von Silistria gegen Gabrißa vorgeschickte Rekognos- zirungsabtheilung ist noch nicht wieder zurückgekehrt. Die auf der Jnsel Sapa bei Silistria errihtete Redoute rihtet cin mörderisches Feucr auf die feindlichen Vorposten bei Kalara\ch{ch. Der Kommandant von Basard\chik meldet, von den Russen würden zahlreihe Rékognoszirungen gegen die in der Nähe liegenden Oertlichkeiten unternommen, er habe dana scine Maßregeln getroffen.

St. Petersburg, 19. Oktober. Der „Regierungsbote“ publizirt eine Verordnung des Ministers des Jnnern, wonach auf Befehl des Ober-Kommandirenden der Armce auf den Reichspostämtern private Sendungen an Angehörige der Armee bis zum Gewichte von 1 Pud (40 Pfund) an- genommen werden follen. Dadurch soll die Sendung von Wintereffekten Seitens der Privaten befördert werden.

Konstantinopel, 9. Oktober. Der „Moniteur“ ver- öffentlicht folgendes Reglement hinsichtlih der t\cherkes- sischen Hülfstruppen:

„Ari. 1. Die Offiziere der Ts\cherkessen sollen aus der Truppe selbst und zwar aus der paar der würdigsten Soldaten ernannt wer- den. Dieselben stehen ohne Ausnahme unter dem Oberbefehle des Höchstkommandirenden desjenigen Ortes, an welchem sie sich jeweilig befinden. Art. 2. Die Lscherkessen sind ihren Offizieren und Unteroffizieren unbedingten und strengsten Gehorsam \chuldig. “ei widerhandelnde sind straffällig. Art. 3. Die von den Ts\cherkessen emachte Beute soll dem Herkommen entsprehend ihnen verbleiben, fo zwar, daß die Offiziere dieselbe unter die Mannschaften nach Recht und Billigkeit vertheilen. Mit der Erlaubniß des Kommandanten dürfen die Ts\cherkessen ihre Beute beliebig verwenden und nach Wunsch auch hin- fenden, wohin sie wollen. Art. 4. Unter keinem Vorwande ist es den Tscherkessen gestattet, auf eigene Faust Krieg zu führen und beliebi ¡ zu fehten, wo sie wollen. Solche, welche dieses Verbot über.reten, werden als Deserteure betrahtet und in die regulären Bataillone eingetheilt werden.“ Dieses Reglement ist im Kriegs- Ministerium ausgearbeitet und vom Seraskier bereits genehmigt worden. Dem Vernehmen nach is man jeßt damit beschäftigt, auch für die Seibeks ähnliche. den Verhältnissen entsprehende Bestim- mungen zu treffen.

__— Vom bulgarischen Kriegsschauplazte berichtet die „Pol. Korr.“ aus Simniga, 16. Oktober:

„Außer den Witterungsverhältnifsen muß man den noch immer andauernden Stillstand in den Operationen auch anderen Umständen zuschreiben, die noch dur einige Tage maßgebend blciben werden. Auf russisher Seite will und kann man keine Schlappe mehr risfiren, da eine solche vor Einbruch des Winters einen höchst ungünstigen Rückshlag sowohl in der militärishen als in der diplomatischen Situation üben würde. Es wird daher mit großer Vorsicht vorgegangen und * die Ankunft aller disponiblen

erstärkungen erwart-t, ehe man zu einem entscheidenden Schlage auéholt. Auf türkisher Seite hat der Wesel im Kommando einen Zeitverlust von wenigstens zwei Wochen verursacht. Abgesehen von dem durch mehrere Tage hervorgerufenen Interregnum im Oberkommando, haben die vom neuen Oberkommandanten als nöthig erachteten großen Truppenverschiebungez alle Operationen um wenigstens zehn Tage verzögert. Suleiman Pascha hat gleih nach Ucbernahme des Oberbefehls die ganze Aufstellung der türkischen ODstarmee geändert. Vor Allem hat er die egyptishen und anato- lischen Regimenter aus der Front gezogen und dieselben in die Festungen verlegt. Weiter hat er seine Operationsarmee in zwei große Kolonnen getheilt, welche in ganz verschiedenen Richtungen ope- riren sollen. Eine soll die Jantralinie bedrohen und womöglich offensiv vorgehen, die andere mit Rustschuk und Sili- stria als ODperationébasis die Donaulinie, die russische Aufstellung und die Kommunikationslinie in Rumänien be- drohen. - Dieser Plan wurde \{chon vor einigen Tagen der russishen Kriegsleitung als wahrscheinlih angezeigt. Daß man im russischen Hauptquartiere über die Absibten der türkischen Ost- armee beunruhigt is, beweist die Bildung eines Observations- corps unter dem Großfürsten Constantin zwischen Kalarash und Olteniza. Dieses Corps soll aus der 24. und 36. Division und aus den reu ankommenden Grenadier-Divisionen gebildet werden und die Bewachung der Donaulinie zum Zwecke haben. Möglicher Weise wird diese russische Truppenkonzentrirung Suleiman Pascha zur Auf- lassung seines Planes bestimmen und dürfte derselbe _fih nur auf eine Demonstration beschränken, welche den Zweck hätte, russisbe Streitkräfte vom Kriegsschauplaße abzuleiten und somit die über- mäßigen Verstärkungen der russish-rumäniscen Armee vor Plewna zu verhindern. Jedenfalls ist seit einigen Tagen ein reges Leben in der türkischen Dstarmee bemerkbar. Beinahe alle Garnisonen sind gewechselt, große Truppenverschiebungen finden fortwährend statt, alle Kranken und BVlessirten, so wie die Feldspitäler sind zurück- verlegt worden. der Armeetroß ift bis auf ein Minimum verringert worden, kurz: die Armee ist in der Suleiman Pascha eigenartigen Weise marshfertig gemacht worden. Für die Russen hat dieser Scenenwesel infofern einen Vortheil, als sie dadurch in die Lage verseßt sind, in einer defensiven Stellung den Angriff Suleimans zv. erwarten und eine oder mehrere Schlachten zu liefern, welche auf den Gang des Feldzuges von entscheideuder Wirkung sein werden. Was die Dobrudscha anbetrifft, scheint die türkische Kriegsleitung diesen Theil des Kriegs\{auplaßes noch weniger wie früher in das Gebiet ihrer Operationen ziehen zu wollen. Außer der Garnison von Varna,

welche aus egyptischen Truppen und einigen aus Batum herüber-

ebrabten Bataillonen besteht, und einem aus 8000 Mann bei Zasardschik in befestigten Stellungen lagernden Corps hat Su- leiman Pasha auf dem östlihen, vom Schwarzen Meere be- grenzten Theile Bulgariens nur tscerkessishe Freicorps und einige Bataillone Mustehafiz zurückgelassen. Suleiman Pascha scheint zu einer kompleten JIgnorirung dieses entfernten Hege entschlossen zu sein, indem er sogar die ganze Region, welche sich südli des Trajans-Walles bis nahe an Basardschik erstreckt, unbe- seßt ließ und den größten Theil der dort zerstreuten Streitkräfte an lich gezogen hat, um seine Operationsarmee zu verstärken. Jedenfalls zeugt dies von einem bestimmten offensiven Plane nah der Jantra- linie hin und von einer richtigen Würdigung der Verhältnisse, da man türkischerseits entweder das Corps des Generals Zim- mermann mit überlegenen Streitkräften (etwa 50 bis 69,000 Mann) angreifen müßte, um R die russische Auf- stellung an der unteren Donaulinie gefährden, oder es unv wäre, cem russishen Corps eine ansehnlide Macht unthätig ent- gegenzustellen. An ein offensives Vorgehen des isolirten Corps Zim- mermann war und is gar nit zu denken, da dasselbe niemals über 35,000 Mann stark war und somit nicht die nöthige Kraft hatte, um mit Nachdruck im Süden gegen die Linie Varna - Pravady oder im Westen gegen Silistria zu operiren, desto weniger, um Beides zu- glei zu thun. An der unteren Donau ist also -nichts zu erwarten, was irgend welchen Einfluß auf den allgemeinen Gang des Feldzuges

haben könnte. Bei Plewna is ein Angriff Seitens der ruffish-rumänishen Armee spätestens in den nächsten acht Tagen zu erwarten. Alles, was von einer Entmuthigung der Armee vor Plewna verlautet, ist vollständig aus der Luft gegriffen. Weder Russen noch Rumänen haben, troß der überstan- denen Strapazen, auch nur im mindesten den moralischen Halt ver- loren und man brauht blos 24 Stunden sich im Lager zu bewegen, um sih davon zu überzeugen. Auf der Eisenbahn haben die Truppen- transporte stark nachgelassen. Außer einigen Ergänzungsabtheilungen pafsiren wenig Truppen mehr. Dafür is der Aufmarsh auf den Chausseen viel gedrängter geworden. In den letzten Tagen ist eine Division Grenadiere über Tekutsh-Fokschani gegangen , eine andere folgt ihr auf dem Fuße. Darch Galat sind 7 Batterien dieser Division passirt. Die Bender-Galaßz-Eisenbahn wird in 20 Tagen dem militärishen Verkehre übergeben werden. Mit der Simnita-

| Giurgewo-Bahn wird es etwas länger dauern.“

Aus St. Petersburg, 16. Oktober, wird der „Wiener Abendpost“ geschrieben :

„Die bier feststehenden Anschauungen und Pläne lassen sih in folgendem Raifonnement zusammenfassen : „Die Grausamkeiten der Türken gegen ihre bulgarishen Stammesgenosen sind die eigentlichen Ursachen des gegenwärtigen Krieges. R:-ßland ist gegen seinen eigenen Willen in den Krieg hineingezogen worden. Der Kaiser und die größte Anzahl der höheren Staatébeamten haben Alles gethan, um den Krieg zu vermeiden. Enthusiasmus beim Volke hat für diesen Krieg nie existirt und die Opferfreudigkeit der Russen kann nur ihrer Anhänglichkeit an den innig verehrten Kaiser zugeschrieben werden. Jetzt wird der Krieg im Volke als eine Art Chrensache betrachtet. Er muß mit Anstrengung aller Kräfte und seinem Ziele entsprechend zu Ende geführt werden. Die Türken vertheidigen si mit großer Hart- näckigkeit, ihre Mittel werden aber immer s{wächer. Das größte Elend soll in den asiatishen Provinzen herrschen, aus denen alle kräftigen Männer zum Heere berufen sind, während die daheim bleibenden Greise, Frauen und Kinder die Feld- und Fabriksarbeiten nit ausführen können. Der Jammer in der Türkei ist groß, Elend und Hungersnoth stehen bevor, „man fürchtet in einigen Gegenden, selbst in der Hauptstadt, Aufstände. Hier ist man überzeugt, daß, wer den lebten Rubel, den leßten Mann hergeben kann, Sieger bleiben würde, Die Türkei, welhe in ihren europäischen Pro- vinzen (na der offiziellen „Turquie“) etwa 15 Millionen Menschen zählt und in den asiatischen 16} Millionen, kann bei 24 Millionen mohammedanischer Unterthanen nur mit großen Anstrengungen fünf Percent, d. h. 1,200000 Mann aufstellen. Von diefen sind wenigstens 200,000 durch Krieg und Krankheiten aufge- rieben. on dem Reste besteht die Hälfte der türkishen Armee aus unregelmäßigen Truppen. Rußland aber besitt nah den leßten Berenungen über 92 Millionen Einwohner. Rechnen wir hiervon etwa 10 Millionen ab für diejenigen asiatishen Völker, welche für diesen Krieg keine Truppen zu stellen brauchen, so bleiben 82. Mil- lionen übrig, von denen nur drei Prozent eine den Türken zweieinhalb Mal überlegene Armee abgeben. Was den Staatskredit anbetrifft, so wird der Papier-Rubel nur künstlih, meist durch Spekulationen fremder Börsen, gedrückt. Die Masse des im Umlaufe befindlichen Papiergeldes. von kaum 10 Rubeln für den Kopf ist nicht eiumal den Bedürfnissen entsprechend. An die Möglichkeit eines Staatsbankerotts denkt hier Niemand. Jedermann weiß, taß der Exporthandel be- deutend zunimmt, daß die Frage na russischen Rohprodukten größer ist, als die Lcistungefähigkeit und daß sogleih nah dem Aufhören des unglüdseligen Kriegcs für das ganze Reich eine neue Aera des Wohlstandes beginnen werde. Auf die hiesigen Verhältnisse übt das Sinken des Papier-Rubels so gut wie gar keinen Einfluß. Die Preise der Lebensmittel, Kleider, Wäsche, kurz aller inländischen Waaren, mit Auénahme der Gegenstände in Gold und Silber, sind die alten geblieben, der Lohn der Dienstboten is nicht gestiegen; die Miethe der Wohnungen ist, zum Theile auch in Folge der vielen Neubauten, um 25 Prozent gesunken. Sogar ausländishe Waaren, voa welchen vor der Einführung des Metall; olles bedeuteade Vorräthe angeschafft wurden, sind noch immer billig zu haben. Der Finanz-Minister thut das Seinige, um den Cours zu halten. Neue Emissionen von Pa- piergeld finden nur temporär und in geringen Summen statt.“

Asiatischer Kriegsschauplaß.

__ _St. Petersburg, 22. Oktober. (W. T. B.) Offi- ziel les Telegramm aus Karajal vom 21. Oktober: Nah dem Kampfe vom 15. Oktober rückten unsere Hauptstreitkräfte auf Wisinskoi und auf die Anhöhen von Orlok und wendeten sich gegen die Positionen bei Wladikars, Sary, Kamischi und Mazra. Die Truppen Jsmail Paschas in der Stärke von 27 Bataillonen, griffen am 14. Oktober die Stellungen des Generals Tergukassoff an; dieselben richteten den Hauptangriff gegen das Dorf Chalfaly, wurden aber von unseren Truppen allenthalben bis an ihre Trancheen zurückgedrängt. Jn der Nacht vom 16. zum 17. Oktober räumte Jsmail Pascha seine Positionen am FUH des Gebirges und trat den Rückzug an. General Ter- gukassoff verfolgte denselben und bezog am 18. Oktober eine Stellung auf den Anhöhen von Sary, dem zurückgezogenen Feinde gegenüber. Am 17. c. umzingelten die Khoperschen Kosaken unter Oberst-Lieutenant Perin bei dem Dorfe Sary ein türkishes Detachement; das aus 23 Offizieren und 200 Soldaten mit 3 Gebirgsgeshüßzen bestehende Detachement gab sich gefangen. Unser Verlust am 14. Oktober übersteigt niht 24 verwundete Soldaten. Jn dem südlihen Daghestan isst seit dem 14. Oktober die Ruhe wieder hergestellt; im mittleren Daghestan dagegen fanden am 15. und 16. Oktober zwei Zusammenstöße mit den Auf- ständischen bei dem Dorfe Ls statt. Von den Truppen des Oberst Nakadschidse wurden dabei 300 Aufständische nieder- gemacht und eine große Anzahl von Fahnen, Pferden und anderem Kriegsgeräth erbeutet. Wir hatten 24 Soldaten und Milizen todt oder verwundet. Jn dem am 15. Oktober auf den Höhen von Aladja stattgehabten Kampfe stellt sih unser Verlust auf 7 todte und 49 verwundete oder kontusio- nirte Offiziere und auf 223 todte und 1162 verwundete oder kontusionirte Soldaten.

Konstantinopel, 21. Oktober. (W. T. B.) Jsmail Hakki Pascha meldet aus Massoun vom 15. d. M.: Heute stießen die rechts und links von mir ausgeschickten Rekognos- zirungsiruppcn bei Fgdyr und Ts\chankili auf doppelt starke Streitkräfte des Feindes. Es kam zu einem fehs- stündigen Gefecht, in welhem wir die e zurücks{hlugen. Die Russen hatten 70 Todte, unsere Verluste sind un- bedeutend.

London, 23. Oktober. (W. T. B.) Die „Daily News“ melden aus Karajal vom 17. d. M.: General Heimann marschirt auf Erzerum, Kars ist umzingelt, es sollen Unterhandlungen wegen Uebergabe dieses Plaßes eingeleitet sein. Das russishe Hauptquartier ist gegenwärtig in Ver- inkoi. General dana ref ist auf dem Marsche gegen Asmail Pascha.

Nr. 21 des Central -Blatts der Abgaben-, Ge- werbe- und Handelsgeseßgevung und ena in den Königlich preußishen Staaten hat folgenden Inhalt: T. Allgemeine V.rwaltungEgegenstände: Nachweis der aus dem Reichsinvalidenfonds

zu erstattenden Invalidenpensionen. Erhöhung der Verwaltungs- fostenteiträge um den Betrag der Dienstbekleidungszuschüsse der Auf- seher. Cinziehung von Münzen Landgräflih und Kurfürstlich hes- lischen Gepräges. Zeitpunkt, zu welhem die Kassenanweisungen von 1851, 1856 und 1861 ihre Gültigkeit verlieren. Verände- rungen in dem Stande und in den Befugnissen der Zoll- - und Steuerstellen. 1IJ. Indirekte Steuern: Erkenntniß des König- lihen Obcr-Tribunals. Brausteuer. Vorräthe. Aufbewahrung. Erkenntniß des Königlichen Ober-Tribunals. Stempel. Mietl;- vertrag. Verlängerung. VI. Personalnacri{ten

Kunst, Tissenschaft und Literatur. Elberfeld, 18. Oktober. Der Naturfors%er Professor Dr. Fuhlrott ist gestern früh gestorben.

Land- und Forstwirthschaft.

___ (Göln. Ztg.) Die englishe Kartoffelernte ergiebt in diesem Jahre einen mittleren Ertrag. Die Knollen sind klein, die Reifezeit ungefähr 14 Tage später als in anderen Jahren ein- teten, Beinahe überall is die Krankheit mehr oder weniger Mee an einigen “Orten mit sehr bedrohlihem Charakter auf- getreten. ;

Washington, 21. Oktober. (W. T. B.) Nach den aus allen Theilen des Landes eingehenden Berichten ist die diesjährige Weizen- ernte die ergiebigste, die überhaupt jemals in den Vereinigten Staaten vorgekommen ift.

Gewerbe und Handel. Se. Königlihe Hoheit der Prinz Georg von Preußen hat die Kaufleute und Fabrikanten August Friedrich * und Gustav Devrient (in Firm: Hensel & Schumann zu Berlin) zu Höchstseinen Hoflieferanten ernannt.

Hannover, 18. Oktober. Die Abhaltung der für das Jahr 1878 geplauten Ausstellung von gewerblichen Erzeugnis- sen der Provinz Hannover ist in einer Sitzung der vereinigten Ausschüsse am 15. d. M. endgültig beschlossen worden.

Hamburg, 20. Oktober. (W. T. B.) In der heute statt- gs zweiten außerordentlihen Generalversammlung der

ktionäre der Hamburg-Amerikanishen Packetfahrt- Aktiengesell\chaft, welhe nah den Statuten in Betreff der in der ersten Lesung angenommenen Anträge der Direktion erforderlich war, wurden die Anträge auf Herabseßung des Grundkapitals der Gesellshaft auf 15 Millionen Mark und auf Ab: nderung der Sta- tuten dahin, daß künftig jede Zweidrittelmajorität in der zweiten Generalversammlung beschlußfähig sein oll, definitiv angenommen.

Verkehrs-Anstalten.

New-York, 20. Oktober. (W. T. B.) Der Dampfer „Greece“ von der National-Dampfschiffs-Compagnie (C. Messingsche Linie) ift eingetroffen.

Verlíin, 22. Oktober 1877,

Dic Kunstausstellung der Königlichen Akademie der Künste. V

(S. Nr. 237 d. Bl) Jdeales Genre. Kostümbilder.

Einer der bewährtesten Meister idealer Malerei, F er- dinand Schauß in Berlin, erscheint diesmal kaum seinem Ruf entsprechend vertreten. Die oftmals von ihm bewiesene entschiedene Begabung für die Darstellung der nackten mensch- lichen Gestalt verleugnet sih zwar weder in dem „Leander“, dessen Leiche das unter düsterem Himmel stürmisch einher- wogende Meer an den öden Strand geworfen hat, noch in der als „Rêverie“ bezeichneten, in ungesucht zierlicher Haltung träumerisch finnend an einer einsamen Küste dasißenden blond-

haarigen Mädchenfigur, die, von den Hüften herab in ein bläulih graues Gewand gehüllt, sich vor einer tiefblauen, weißlih gestreifsten Luft abhebt; ganz abgesehen indeß von der hier wie dort minder gelungenen, obgleih be- deutsam genug mitsprechenden landschaftlihen Scenerie, drängt sih in leßtcrer Arbeit der malerishe Effekt, eine neue Varia- tion eines schon mehrfah von dem Künstler behandelten kolo- ristischen Themas, dem Auge in so nackter Absichtlichkeit auf, daß eine nachhaltigere poetishe Wirkung damit verloren geht, während in dem anderen Bilde die trefflich gezeihnete, in einem kühlen bräunlih grauen Ton mit eingehendstem Ver- ständniß modellirte Jünglingsgestalt, die in kunstvoll angeord- neter, gefällig graziôser Haltung daliegt, zu sehr an das Ar- rangement des Modells erinnert, um den Beschauer unmittel- bar zu ergreifen und ihn den tiefen Ernst des Todes empfin- den zu lassen.

Die dekorative Malerei idealen Stils repräsentiren in erster Linie die beiden außerhalb des Katalogs ausgestellten, bereits bekannten Allegorien des Frühlings und des Som- mers von Wislicenus in Düsseldorf, deren poetishe Kon- zeption bei einer durhgehend bestimmteren Modellirung und ciner minder weich zersließenden Farbe sich noch ungetrübter zur Geltung bringen würde. An sie reiht sich ferner eine figurenreiche Komposition von Foh. Schaller in Berlin, eine „von den Winden getragene Psyche“, die bei unver- kennbarem dekorativen Geschick doch nicht blos in den Details der Zeichnung und Malerei an manchen Mängeln leidet, sondern auch im Aufbau des Ganzen eine edlere Bewegung und einen reiheren Schwung der Linien vermissen läßt, sowie endlih eine von Norbert Schrödl in Berlin gemalte „Fortuna“, eine lebensgroße, von einer hoh in die Luft auf- ragenden Architektur aus weit vorgebeugte und im nächsten Moment sich von ihr gänzlich loslösende nackte weibliche Ge- stalt, trie, von einer leihten Draperie umflattert, mit der aus- gestreckten Hand nach einer Seifenblase greift. Mehr seltsam als originell gedacht, ist sie ziemlih flach und körperlos model- lirt, und überdies deckt sie. den gegebenen Raum so wenig, daß dadurch das Bild noch leerer und E U wird.

Wie mit ihm, so hat der Maler auch mit den „im Bade überrashten Sabinerinnen“, die sih, zum Theil schon unter- liegend, mit leidenschaftliher Anspannung ihrer Kräfte der an öder Meeresküste über sie hergefallenen Räuber zu iinbeit, suchen, einen wenig glücklihen Wurf gethan. Die Kühnheit, mit der er sih an eine derartige, in jeder Hinsicht über das Gewöhnliche hinausgehende Aufgabe heranwagte, erheischt allerdings zum mindesten eine anerkennende Beachtung; die umfangreiche Komposition indeß, der man deutlich die mit dem erdrücenden Stoff angestrengt ringende Mühe der Arbeit an- merkt, ist in keiner eue als eine befriedigende Lösung u betrahten. Die überlebensgroßen Figuren des Bildes End mehr äußerlih gewaltsam bewegt als von wirklich lebendiger, von innen heraus si entwickelnder Energie erfüllt. Sie drängen sich überdies so zufällig und willkürlih anein- ander, daß der Aufbau des Ganzen des dominirenden Mittel-

unktes entbehrt und man statt einer in sich untrennbar ge- s&losenen Darstellung eine zusammethangslose Anhäufung einzelner Gestalten und Gruppen zu erblicken meint, von denen

keine sih der anderen unterzuordnen gewillt ist. Fn einzelnen