1877 / 265 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Nov 1877 18:00:01 GMT) scan diff

ewinnen wird, und ob den Bedürfnissen und Wünschen des- elben Rechnung getragen ist, das möchten wir sehr bezweifeln. Vielleicht wird eine verhältnißmäßig kleine Summe im Budget erspart, die dann hundertfach vergrößert jene zu bezahlen haben, welche künftighin mit dem von Hauck vorgeschlagenen Verwaltungsorganismus in Berührung kommen müßts,. Der „Leipz. Ztg.“ wird geschrieben : Der gestern vozeg r Mehrheit der Abgeordnetenkammer beshlossene AÆbfcr1H der Summe von6200 ( als Dispositionsfonds des Staats- Ministeriums des Königlichen Hauses und des Aeußern hat zur Folge, daß vorausfihtlich auch die Dispositionsfonds der an- deren Ministerien abgestrihen werden, und bei diesen han- delt es sich s{chon um größere Summen. Nach den Regie- rungspostulaten betragen dieselben für das Justiz-Ministerium 15,600 M, für das Ministerium des Jnnern 11,000 A, für das Kultus-Ministeruum 5743 # und für das Finanz-M1- nisterium 9170 M, genau ebensoviel, als in dem bis- herigen Budget bewilligt war, in der Gesammtsumme also 47,713 immerhin ein sehr erhebliher Betrag, der nothleidenden Beamten, Wittwen und Waisen, welche bisher damit unterstüßt wurden, entgeht. Dem Vernehmen nach gedenkt nun die Mehrheit der Kammer, um nicht diese von ihr nicht beabsichtigte Folge herbeizuführen, und, wie der „Bayer. Kurier“, ein Organ derselben, sagt, „diesem Beschluß die Spiße nach dieser Richtung hin abzubrehen“, anderweitig die entsprehenden Summen, etwa bei dem allgemeinen, der Kontrole unterstehenden Unterstüßungsfond, soweit das Be- dürfniß sich herausstellt, zu genehmigen. Die Kammer der Abgeordneten nahm heute die Anträge des Finanz- ausschusses zu den Etats „Oekonomie und Gewerbe“ an. Bei der Position des Staatsguts Schleißheim wurde ein Antrag des Abg. Brandenburg auf Verpachtung abgelehnt. Für Raßzinger ist heute Michael Feuerstein in die Kammer ein- getreten. Der Tag für die nächste Sitzung ist noch nicht be- stimmt.

8. November. (W. T. B.) Der Kronprinz Rudolf von Oesterreich ist heute Nahmittag um 3 Uhr zu mehr- tägigem Aufenthalte hier eingetroffen. Der König hat sich gestern zu längerem Aufenthalte nah Hohenschwangau be- geben, ohne vorher wie erwartet worden war den neuen päpstlihen Nuntius Maselli empfangen zu haben. Gutem Vernehmen nach ist der Staats-Minister von Pfreßschner angewiesen worden, das Beglaubigungsschreiben Maselli's ent-

gegenzunehmen. S F F Er LRS

Sachsen. Dresden, 8. November. Die Königin- Mutter Amalie is heute Abend sanft entshlafen. Die Königin Amalia Augusta war geboren am 13. November 1801, des Königs Maximilian T. Joseph von Bayern Tochter, und Zwillingsshwester der am 14./15. Dezember 1873 verstor- benen Königin Elisabeth von Preußen und ältere Schwester der gleichfalls bereits aus dem Leben geschiedenen Zwillings- geschwister, der Erzherzogin Sophie von Desterreih (ge- boren am 27. Januar 1805, gestorben am 28. Mai 1872) und der Königin Maria von Sawhsen (ge- storben am 13. September 1877). Die Zweite Kammer hat in ihrer Sizung vom 7. d. M. ein Königliches Dekret, die Errichtung eines Gebäudes in Berlin für den Gebrauch der Bevollmächtigten zum Bundesrathe und der Gesandtschaft betreffend, an die Finanzdeputation ver- wiesen.

Neuß j. L. Gera, 6,.- November. (Thür. Korr.) Die gestrige Nachmittagssizung des Landtages hatte ein besonderes Jnteresse, weil in derselben die Frage der Fort- führung der Eisenbahn Gera-Eichicht verhandelt wurde, an der namentlich das Großherzogthum Sachsen und das Fürstenthum Reuß interessirt sind, da diese Staaten für die Zinsgarantie dieser Bahn erheblihe Opfer bringen müssen, während eine Fortführung derselben zum Anschluß an die bayerishen Bah1en in Hof eine wesentlihe Steige- rung des Verkehrs und somit eine Verminderung der für die Zinsgarantie zu leistenden Zahlungen herbeiführen würde. Der Abg. Jäger begründete seine An- frage, wie es mit der Aussicht auf Fortführuug genannter Bahn stehe, damit, daß nach Mittheilung bayerischer Comité- Mitglieder Bayern si bereit gezeigt habe, den Bau der Bahn von Eichicht nah Hof zu übernehmen gegen Erstattung des Baukapitals, das es indessen durch die pachtweise Uebernahme des Betriebes der Strecke zu verzinsen gedenke. Jett seien nun Verhandlungen zwishen Bayern und Meiningen im Gange über den Bau einer Bahn von Kronach nach Saalfeld, d. h. mit Umgehung des Anschlusses an die Gera-Eichichter ea Der Minister von Beulwißz erwiderte, daß die bayerische Regierung bis jeßt weder dem Reichs-Eisenbahnamte, daë schon im Jahre 1875 ersuht wor- den sei, in München für die Fortführung der Gera-Eichichter Bahn in der bei Abschluß der Verträge vorgesehenen Richtun zu wirken, noch der diesseitigen Regierung, die neuerlich direkt ein solches Ansuchen in München gestellt, eine Erklärung ab- gegeben habe. Bayern scheine überhaupt zur Zeit den Bau neuer Bahnen nicht übernehmen zu wollen.

Waldeck. Arolsen, 7. November. Der auf den 31. v. M. zusammenberufene Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont nahm in seiner 1. Sißung Wahl- prüfungen vor, erklärte dabei die Wahl eines Abgeordneten für ungültig, wählte den Abg. Hagemann zum Präsidenten und fonstituirte die Ausschüsse.

In der heutigen 2. öffentlichen Sizung wurde: 1) die Geseßzesvorlage, betreffend die Uebernahme der in den Fürsten- thümern Waldeck und Pyrmont zur Ausführung ge- brachten Gemeinheitstheilungen, wirthschaftlichen Busam- menlegungen der Grundstückde und Ablösungen der Servituten in das Grundkatasker, sowie 2) der Etat der Jmmobiliar - Feuerversicherungs - Anstalt pro 1878/80 und 3) eine Regierungsvorlage, betreffend Ueber- weisung des Uebershusses der alten Brandkasse an den Re- servefonds der Jmmobil-Feuerversicherungsanstalt, von den Ständen einstimmig angenommen. 4) Die Staatskasserehnung vom Fahre 1875 gab zu besonderen Erinnerungen keinen Anlaß. Die Etatsüberschreitungen wurden genehmigt 5) Auf eine Eingabe des Hof-Buchdrukers eigel zu Mera yanen Entschädigung für sein durch die Reichs - Gewerbeordnung aufgehobenes Buchdruckereiprivileg betreffend, erkannten Stände an, daß eine Entschädi-

ung für das entzogene Buchdruckerei-Privileg, soweit si ein haden als begründet herausstellen sollte, durch die Staats- kasse zu leisten sei und ersuhten den Landesdirektor, nach desfallsiger Erörterung eine Geseßesvorlage zu machen. H) Auf eine Eingabe der Gemeindebürger zu Pyrmont, die

vom Domamêum zu Kurzweck@enjährlih aufzuwendenden 12,000 betreffend, wurde besi , das Fürstlihe Domanium zur Rechnungsstellung über die seit 1. Januar 1868 verausgabten Beträge zu veranlasse# 7) Nach Berathung einiger anderer Petitionen erklärte der Landesdirektor von Sommerfeld, daß zu- nächst weitere Vorlagen nicht zu berathen seien, daß der neue Accessionsvertrag mit Preußen und das Budget heut noch niht vorgelegt werden könne und er deshalb anheim gebe, ohne eine Vertagung “des Landtags auszusprechen, die An- beraumung der nächsten tuna dem Präsidium zu überlassen, worauf der Landtag-.bis auf Weiteres auseinander ging.

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Oesterreich-Ungarn. Wien, 7. November. Die nächste Sizßung der erre en Quoten-Deputation findet, der „Presse“ zufolge, Freitag Abends 1tatt. Fn dieser Sißung werde, dem leßtgefaßten Beschlusse der Deputation gemäß, der Bericht des Schriftführers, Baron Walterskirchen , über das Resultat der Verhandlungen mit der ungarischen Deputation zur Berathung gelangen. Am Schlusse der gestrigen Abgeordnetenhaussißung theilte der Präsident mit, daß er nach Erledigung des Eisenbahn - Expropriations- Gesetzes und der Vorlage, betreffend den Sachentransport auf Eisenbahnen, die Bankvorlage als nächsten Gegenstand auf die Tagesordnung stellen werde. Auch der Klub des linken Centrums hat den für die Mitglieder dieses Klubs bindenden Beschluß gefaßt, gegen den Minoritätsantrag Scha!:p (Vertagung der Spezialberathung über die Bankvor- lage) zu stimmen. Es. werden demnach fümmtliche Klubs der Verfassungspartei bis auf den Fortschrittsklub für die S des Antrages Schaup stimmen. Bei allen Klubs ist der betreffende Beschluß als bindend für die Mitglieder erklärt worden. Die aus Südtirol neugewählten Abgg. Baron Hippoliti und Don Gentilini sind in den Klub des linken Centrums eingetreten. Bekanntlich wurden von den National- liberalen Südtirols nur die Abgg. Baron Ciani und Dr. von Bertolini wiedergewählt. Leßterer hat nun in einem Schrei- ben an das Präsidium erklärt, daß ihn wichtige Geschäfte hindern, derzeit im Abgeordnetenhause zu erscheinen.

Schweiz. Zürich, 7. November. (N. Zürch. Ztg.) Der Kantonsrath von Obwalden beschloß in seiner Sißung vom 25. Oktober, die vom Bundesrath verlangte Einzahlung von 5573 Fr. 52 Rp. an die Gotthardbahn in der Weise zu leisten, daß das Betreffniß an die schon verbauten Kosten vorbehaltlos, der fixe Fahrbetrag aver auf den Fall der Sicherstellung des Unternehmens auszuhändigen sei. Der Regierungsrath von Zug beantragt, dem Kantonsrath nah einem Gutachten der Bau- und Eisenbahnkommission, dem- zufolge mit Rücksiht auf das Fallenlassen der Linie Arth-Zug, resp. das Nichteinhalten desjenigen Theilcs des Vertrages, der die diesseitige Behörde }. Z. wesentlich zur Subventionsgewährung bestimmte, die in diesem Monat fällige 5. Subventionsrate, die einshließlih des städtishen Antheils eine Summe von 31,834 Fr. 55 Rp. fordern würde, zu Gunsten des Gotthardtunnelbaues vor der Hand niht zu leisten sei —, aus diesen Gründen auch auf das außerordent- lihe Subventionsbegehren behufs Rekonstruktion des Werkes, wofür man Zug 150,000 Fr. zugemuthet, nicht einzutre- ten. Der Große Rath des Kantons Schaffhausen hat den Antrag der s\taatsmixth{zhaftlihen Kommission, sich an der Nachsubvention des Gotthardunternehmens mit 75,000 Fr. zu betheiligen, mit großer Mehrheit angenommen. Die Regierung des Kantons Baselstadt ist (wie schon gemeldet) bereit, bei ihrem Großen Rathe eine weitere Sub- vention bis auf höchstens 800,000 Franken zu beantragen, unter der Vorausseßun 7, daß auch die übrigen Regierungen der betheiligten Kantone sich bereit erklären, ihren Großen Räthen ebenfalls bezügliche Anträge, im Wesentlichen auf Grundlage des von der Siebenerkommission aufgestellten Repartionstableaus vorzulegen.

Sroßbritaunnien und Jrland. London, 7. November. An Stelle des Contre-Admirals Sir Beauchamp Seymour, dessen Kommando abgelaufen i}, übernimmt der Contre- Admiral Lord Fohn Hay den Oberbefehl über die Kanalflotte. Lord John Hay ist ein Bruder des jetzigen Marquis of Tweedale und des Lord William Montagu.

Frankreich. Paris, 8. November. (W. T. B.) Wie der „Moniteur“ meldet, habe der Marschall Mac Mahon in dem heutigen Ministerrathe zunächst seinen festen Entshluß bekundet, auf keinen Fall zurückzutreten und sodann die Minister gebeten, ihre Posten zu behalten, bis es thm gelungen wäre, die nöthigen Elemente zur Bildung eines neuen Kabinets zu sammeln. Der Marschall habe hinzugefügt, daß er es für den Augenblick für gut erachtet habe, alle Unterhand- lungen abzubrechen, und daß er dieselben erst wieder aufzu- nehmen gedenke, wenn die Haltung der einén oder der an- deren Kammer ihm die nöthige Basis hierzu gegeben hätte. Die Mitglieder des Kabinets U darauf wiederholt ihre Bereitwilligkeit erklärt, dem Marschall, so lange er esfür nothwen- dig erachte, zur Seite zu stehen. Wie dagegen aus parla- mentarischen Kreisen verlautet, hat der Herzog Decazes nur unter der ausdrücklichen Bedingung darein gewilligt, gleich seinen Kollegen seine Entlassung zurüczunehmen, daß sofort ein Nachfol- ger für ihn ernannt werdd, wenn das Kabinet aus irgend welchem Grunde sich entschließen sollte, definitiv im Amte zu bleiben. Canrobert, Depeyre, Daru, Bocher und Kerdrel begaben sich heute Abend als Delegirte der verschiedenen Gruppen der Nechten des Senats zu dem Marschall Mac Ma- hon, um demselben formell die Versicherung zu geben, daß er auf die Majorität des Senats bei der energishen Verthei- digung des Landes und der Gesellschaft rechnen könne. Der Marschall entgegnete denselben: Jhr Schritt beweist mir, daß ih Recht hatte, auf die Unterstüßung des Senats bei Befol- gung der konservativen Politik zu rechnen, welche, wie Sie wissen, die einzige ist, der ih dienen kann. In der heute Abend stattgehabten Plenarsißbung der verschiedenen Gruppen der Linken der Deputirtenkammer wurde ein Comité ernannt, welches seine Berathungen geheim halten wird. Sicherem Vernehmen na, hat der französishe Gesandte im Haag, der ehemalige Deputirte Target, seine Entlassung an- geboten. Die heute veröffentlichte Beförderung Leflô's zum Großoffizier der Ehrenlegion wird als ein Beweis dafür an- gesehen, daß dieser Diplomat ebenfalls zurüctreten werde.

9. November. (W. T. B.) Die Minister werden in der ges en Sitzung der Deputirtenkammer erscheinen und haben f bereit erklärt, Aufklärungen über die Haltung der Regierung zu geben. Die Rechte des Senats hat ihre Fnterpellation verschoben, um zunächst die

Haltung der Deputirtenkammer abzuwarten. Die „Agence Havas“ bestätigt, daß-die Majorität des Senates vol'kommen darüber einig sei, den Marschall Mac Mayon zu unterstüßen. y

(Fr. C.) Offiziós werden über das Stimmen - Ba O in den neuen und überhaupt in allen General- räthen folgende Ziffern angegeben: Vor den Wahlen ge- hörte die Majorität den Republikanern in 39, den Konser- vativen in 46 Generalräthen und in einem war sie zweifel- haft. Nach den leßten Wahlen ist die Majorität in 39 Ge- neralräthen republikanisch, in 41 konservativ, in einem zwei-

felhaft, und in 5 halten sich beide Parteien die Waage. Ae i t

zwei von diesen 5 leßteren werden Stichwahlen eine Entschei- dung bringen. Die in Paris lebenden Amerikaner haben am 6. d. M. Abends dem General Grant zu Ehren im Grand Hotel ein großes Bankett gegeben, an dem 300 Per- sonen, unter ihnen auch einige Franzosen, Theil nahmen. Der amerikanishe Gesandte, General Noyes, feierte in längerer Rede die Verdienste des ehemaligen Präsidenten der Republik um die Beendigung des Bürgerkrieges.

Versailles, 8. November. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Senats legte der Kriegs- Minister einen Gegen-Geseßentwurf zu dem gestern erwähnten Geseßentwurf über den Generalstab vor. Hier- auf wurde die Sizung aufgehoben. Die nächste Sißung findet am Mittwoch statt. Die Bureaux des Senats haben s\ih konstituirt. Von den 9 Vorsißenden derselben gehören 5 der Rechten, 4 der Linken an. Die Einbringung der von der Rechten des Senats beabsichtigten Fnterpellation, mittelst welcher ein Vertrauensvotum für die Regierung herbei- geführt werden soll, ist vertagt worden. Die Depu- tirtenkammer begann mit der Prüfung der Wah- len und hat die Wahlen einer Anzahl republikani- scher Deputirten für gültig erklärt. Bei der Prüfung der Wahl eines offiziellen Kandidaten beantragte Brisson von der Linken die Vertagung dieser Wahlprüfung, die zu gewichtigen Fragen Anlaß gebe, über welhe gegenwärtig nicht diskutirt werden könne. Cassagnac erwiderte, die offizielle Kandidatur sei im Jahre 1871 weit mehr als im Jahre 1877 gehandhabt worden. Der Antrag Brissons wurde \{ließlich mit großer Majorität angenommen. Um 8 Uhr trat die Kammer zu einer Abendsizung zusammen, um die Prüfung dec Wahlen fortzuseßen.

Türkei. (W. T. B.) Aus Belgrad wird vom 8. der „Polit. Korr.“ eine plögliche Zunahme der zwischen der P forte und Serbien bestehenden Spannung signalisirt. Es sei dies die Folge einer dem Belgrader Kabinete zugegangenen Verbal- note der Pforte, worin, unter Androhung energisher Maß- nahmen, die Zurückziehung des serbishen Observations-Corps verlangt werde.

Nußb§land und Polen. St. Petersburg, 5. No- vember. (Journal de St. Pétersbourg.) Die Ueberführung der sterblichen Ueberrestz Sr. Kaiserlichen Hoheit des Prinzen Ssergej Maximilianowitsch Romanowski, Herzogs von Leuchtenberg, von dem Bahnhofe der Nikolasbahu in die St. Peter- und Pauls-Kathedrale hat gestern Abend 8 Ühr unter allgemeiner Theilnahme in feierlihster Weise stattgefunden. Troß des s{hlechten Wetters drängte sich eine ungcheuere Menschenmenge an den Zugängen zu dem Bahnhofe und auf dem ganzen Wege, den der Trauterzug nahm. Heute Mon- tag, Vormittags 10 Uhr, hat die feierlihe Beisezung der Leiche Sr. Kaiserlichen Hoheit stattgefunden.

Dänemark. Kopenhagen, 8. November. (W. T. B.) Nach elfstündiger Debatte nahm der Reichstag heute, in Uebereinstimmung mit der Regierung, den Antrag auf vor - E Bewilligung des provisorishen Bud- gets an.

Der russisch-türkifhHe Krieg.

_St. Petersburg, 8. November. (W. T. B.) Ein von hiesigen Zeitungen veröffentlichtes Londoner Telegramm, nah welchem sih der Herzog von Edinburgh und der hiesige cng- lishe Botschafter, Lord Loftus, ins Hauptquartier begäben, um Friedensvorschläge zu überbringen, wird von Lord Loftus selbst als dur haus unbegründet bezeichnet.

Europäischer Kriegsschaupla ß.

Konstantinopel, 8. November. (W. T. B.) Suleiman Pascha meldet unter dem 7. d.: Eine Abtheilung Kosaken, welche mit Wagen in die Nähe von Kozloubey gekommen waren, um Getreide fortzunehmen, wurden von den Türken zerstreut. Gestern verjuhten darauf 4 Com- pagnien von Fenikeni aus den Transport wiederzunehmen und griffen Kozloubey an, wurden aber nach einem drei- stündigen Gefechte zum Rücßzu gigen. Achmed Pascha telegraphirt aus Rustschuk vom 7. d.: Der Feind bombardirte Rustschuk 2 Stunden lang, wir erwiderten das Feuer. Wir verloren einen Todten. Bei Pyrgos hat zwischen Tscherkessen und Kosaken ein Rekognoszirun gs- gefeht stattgefunden. Die Vorposten bei Kalarash unter- halten fortdauernd das Feuer mit der Artillerie und Jn- fanterie, welche die Jnsel Soba, gegenüber von Silistria be- jeßt haben. Ein Telegramm Reouf Paschas vom 7. d. meldet: Heute wurde den ganzen Tag hindurch von beiden Seiten ein heftizes Feuer unterhalten. Wir hatten einen Todten und einen Verwundeten.

London, 9. November. (W. T. B.) Der Korrespondent der „Daily News“ bespricht in einer Korrespondenz aus Bogot, 4. d., ausführlih die Lage Osman Paschas und hebt hervor, daß seit mehr als einem Monat keine Zufuhren nach Plewna gelangt seien. Die Stadt sei von Erdwerken umzingelt, deren Bemannung durch täglih neu eintreffende Truppentheile fortdauernd verstärkt werde. Es sei fast als sicher anzunehmen , daß Osman Vascha keine großen Vorräthe hat und es sich also nur um die Frage handelt, ob er fkapi- tuliren oder versuhen werde, durchzubrehen. Die russischen Cernirungslinien seien durch den Telegraphen vollständig ver- bunden ; jede Konzentrirung der türkishen Truppen sei von allen Theilen der russishen Positionen aus bemerkbar. Das russische Reservesystem bewährt sich vortrefflih. Das Corps des Generals Skobeleff, welhes am 11. September so stark gelitten hatte, zählt jeßt wieder 11,500 Mann.

Baris, 8. November. (W. T. B.) Wie der „Agence avas“ aus Tunis gemeldet wird, würde der Bey von unis der Türkei demnächst 5000 Mann Hülfstruppen

senden.

Aus Sistowa, 5. November, wird der W. „Presse“ gemeldet: „Ueberläufer von dem Corps Reouf Paschas sil- dern die Lage der türkischen Truppen im Shipkapasse und im Tundschathale als eine sehr s{lechte. Es foll befon- ders an Allem und Jedem zur Ueberwinterung fehlen. Viele Soldaten gehen noch immer barfuß und ohne Mäntel herum und an die Etoblirung von Vorrathsmagazinen wird noch nit gedacht. Jn Folge dessen leiden die türkischen Truppen jeßt schon an Hunger und Krankheiten und die Redifs marodiren zwischen Kasanlik und Philippopel massenweise. Auch das Elend unter der Bevölkerung foll ein großes sein. Leßteres ist übrigens au unter den bulgarischen Flüchtlingen der Fall, welche sih in den Bezirken von Selwi, Tirnowa, Gabrowa und Elena befinden. S

Bei Plewna ist Alles ruhig. Der Czar ließ sich den gefangenen Hifzi Pascha, der Großfürst Nikolaus 17 Offiziere vorstellen. Die Gefangenen sind fast nur Jrreguläre; unter ihnen befinden sih viele Afrikaner. Osman Pascha wollte die Bewohner von Plewna aus der Stadt treiben, um die Er- nährung der Truppen zu erleihtern. Die Russen zwangen die Leute, nah Plewna zurückzukehren. General Todleben befindet sich in Tutscheniza.“ s

Nach Angabe des „West. Nar. Pom.“ sind vom- 26. Oftober bis zum 2. November bei der russischen Armee auf dem Kriegsshauplaß an der Donau. 2859 Mann aus der Fronte geschieden. Von dieser Zahl find 32 Offiziere gefallen und 138 verwundet. Der Gesammtverlust bis zum 2. No- vember beträgt 64,801 Mann.

Aus Bukarest, 7. November, wird der „Pol. Korr.“ gemeldet: : S

„Trotzdem das russische Garde-Corps bereits fast vollständig auf dem Kriegsschauplate sich befindet, rücken noch immer neue ruf- \ishe Truppenabtheilungen der verschiedensten Waffengattun- gen in Rumänien cin. Nachrichten aus Küsten df che zufolge haben die meisten höheren Offiziere vom Stabe des Corps des Generals Zimmermann alle verfügbaren Wohnungen bis zur ärmlichsten Hütte dort und in der Umgebung gemiethet, woraus man {ließen will, daß dort der Feldzug für dieses Jahr als beendigt angesehen werden wird. Nur die Kavallerie des Corps Zimmermann seßt ihre Streifungen fort. In den leßten Tagen drangen russische Kaval- lerie-Detachements auf einer solchen Streifung bis in die Nähe von Silistria vor, wo \sih zumeist bulgarische Dörfer befinden. Die Ein- wohner von zwei folhen Dörfern gingen mit ihrem Geistlichen an der Spitze den sich nähernden Russen mit Brod und Salz entgegen. Kaum daß die Russen fich wieder zurückzogen, wurden die Einwohner der beiden bulzarischen Dörfer von t \cherkessischer Kavallerie überfallen, durch Plünderung und Mißhandlung gezüchtigt und \{ließ- lih die beiden Dörfer in Brand gesteckt.“ : :

Die Lage auf dem bulgarischen Kriegsschau- pbaße wird vom „Golos“ folgendermaßen gekennzeichnet :

„Die Blokade Plewnas von der Westseite aus ruft in der türkischen Armee eine vertärkte Tbätigkeit hervor. Von allen Seiten her eilen Verstärkungen für Osman Pascha herbei: aus Widdin über Drewna, von den serbischen Grenzen, aus Orkhanie. Aus Orkhanie fommt Chefkfet Pascha, ‘der unsere Truppen auf dem rechten Ufer des SFsker in Radomirze traf und auf das linke Ufer zurückginz, ohne die Brücke zerstören zu können. Nach ausländishen Nach- rihten wird das Gerücht über die Formirung einer türfi- schen Armee unter Mehemed Ali Pascha zur Aktion gegen Serbien aus dem Grunde verbreitet, um das eigentlihe Ziel nah Orkhanie und weit.r nach Plewna zum Entsaße Osmans zu marshiren zu maskiren. Die Türken haben in der gegen- wärtigen Kampagne eine solhe Energie gezeigt, daß es nicht zu ver- wundern wäre, wenn sie einen Versuh zur Befreiung Osman Paschas machten. Aber dieser Versu}h muß auch nur ein Versuch leiben, da jeßt, bei dem Zustande, in welchem sich die Truppen Cheffet Paschas befinden, es nicht so {wer sein dürfte, mit den Türken fertig zu werden. Aus ausländischen Quellen erfahren wir, daß das bisher bei Medschidje aufgestellte Corps des Generals Zimmermann einen Belagerungspark erhalten hat und einen Vormarsch nach Silistria unternimmt, um diese Festung zu blokiren. l haben wir feine offizielle Nachricht, die diese Gerüchte estätigt.“ -

(W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Kat- taro vom 8., die Montenegriner hätten am 6. d. M. das Bombardement des Forts Serdan bei Spuz begonnen und v g desselben 20 Geschüße von Podgorißa dahin gebracht.

Asiatischer Kriegsschauplaß.

Konstantinopel, 8. November. (W. T. B.) Ein Telegramm Moukhtar Paschas aus Erzerum vom 5s. d. meldet, die Russen hätten am Sonntag seine Positionen rets und links angegriffen, er habe rechts die Russen Anfangs zu- rüdckgewiesen, nachdem sih aber die Russen des linken Flügels gegen das aus unvollständigen Erdwerken bestehende Centrum gewandt hätten, sei es den Truppen des Centrums nicht möglich gewesen, sih zu behaupten. Dieselben hätten unter

urücklassung mehrerer Geschüße die Flucht ergriffen. Er abe darauf die Unmöglichkeit eingesehen, seine Positionen zu ehaupten und das Signal zum Rückzug nach Erzerum egeben. Die unter den Truppen des Centrums ausgebrochene

anik fei dem unehrenhaften Verhalten einiger Offiziere zu- zuschreiben, die vor das Kriegsgericht gestellt werden würden. Seine Truppen hätten die befestigten Werke von Erzerum be- seßt, er habe Vertheidigungsmaßregeln getroffen.

Konstantinopel, 8. Oktober. (W. T. B.) Derwisch Pascha telegraphirt aus Batum vom 7. d.: Der Feind, wel- cher Truppen und 6 Geschüße großen Kalibers als Verstär- kung erhalten hat, eröffnete ein heftiges Artilleriefeuer und griff heute mit einer Kolonne unsere Front an, wobei er von dem Feuer aus den Verschanzungen unterstüßt wurde. Der Kampf dauerte 3 Stunden; der Feind wurde gezwungen, sih hinter die leßten Befestigungswerke zurückzuziehen. Wir hatten mehrere verwundete Offiziere und 16 Mann todt. Die Ver- luste der Rufsen sind bedeutender.

Ein Korrespondent der „Daily News“ bei der tür- fishen Armee in Armenien sendet seinem Blatte folgende Baideg s über den fluhtartigen Rückzug M oukhtar

ajhas :

„Am 14. Oktober entdeckten wir, daß 25 russishe Bataillone unseren reten Flügel umgangen hatten. Sie eröffneten am Nach- mittag des genannten Tages das Feuer. Die Russen stürmten den Hügel, wo Moukhtar Pascha felbst sih befand. Er sc{ickte all sein Gepäck nah Kars. Am 15. begannen die Russen das Feuer auf Awliar-Tepeli und deckten so das Vorrücken der angreifenden Macht. Sie nahmen diesen Hügel. Moukhtar und sein Stab fingen den Rücfzug nah Sivri Tepe an; 30 Bataillone mit 25 Feldgeshüßen wurden so aufgegeben, weil der Awliar-Hügel den einzigen Weg beherrsht, auf dem sie zurückgezogen werden konnten. Um 3 Uhr folgte eine Panik, die Truppen flohen in Unordnung von ihren Verschanzungen aus Sivri Tepe und es folgte eine allgemeine Verwirrung. Infanterie und Kavallerie stürzte in wilden Mengen auf Wisinkiösi und Kars. Eine Linie Infanterie mit gefälltem Bajonnet ward aufgestellt, sie zum Halten zu bringen

und hatte eine Weile Erfolg. Einige Male ward von Flüchtigen auf sie geschossen. Hussein Bey, Befehlshaber der Artillerie in Kars, hieli mir einen Revolver vor dea Kopf und zwang mi, zurüzu- gehen. Ih wurde durch die zeitige Ankunft eines Adjutanten aus der Situation befreit. Die irreguläre Reiterei war wild vor Furcht, sie zog ihre Shwerter und Wunden und Tod folgten überall. Die Araber aus Orfa und Aleppo liefen zuerst davon. Die Panik in Kars war furchtbar. Die Einwohner flohen in Massen. Die Russen drängten vor, um die Verbindungen mit Erzerum abzu- schneiden.

Moukhtar erreichte Kars am frühen Morgen des 16. mit dem Rest seines Heeres. Er zog am 17. fcüh wieder ab, auf Ardost zu mit 2800 Mann. Ich hatte eine Unterredung mit ihm: Er sagte, daß die Russen 12,900 Mann gefangen nahmen, 25 Feldgeshüße und viele höhere Offiziere. Sein Heer ift im Zustande äußerster Demo- ralisation und Desorganifation. Die Lage von Kars ist fast hoff- nungélos. Es ift wenig Vorrath dort und 4000 Kranke und Ver- wundete. Brennholz fehlt durchaus.“

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des ftatistisben Bureaus der Stadt Berlin find bei dea hiesigen Standesämtern in der Woche vom 28. Ofk- tober bis incl. 3. November cr. zur Anmeldung gekommen: 282 Ehc-. \{ließungen, 813 Lebendg-borene, 46 Todtgeborene, 463 Sterbefälle.

Auf Grund eines Beschlusses des Bundesraths vom 24 Of- tober 1875 sind statistische Aufnahmen über die Aerzte und das medizinishe Hülfspersonal, die Apotheken und die Heilanstalten, sowie die wissenschaftlichen medizinischen und pharmazeutischen Vereine im Reiche nach dem Stande vom 1. April 1876 ausgeführt worden. Die Resultate dieser Erhebungen sind vom Kaiserlichen statistischen Amte im Septemberheft der Monatshefte zur Statistik des Deut- schen Reichs für 1877 veröffentlicht worden, und entnehmen wir daraus folgende Angaben:

Im Deutschen Reiche praktizirten 13,728 approbirte Aerzte. darunter 12,049 frei praftizirende Civilärzte, 344 aus\{ließlich für Anstalten beschäftigte und 1335 Miilitärärzte. Außerdem waren 1565 Wund- und Landärzte vorhanden, welche zwar die Appro- bation zur Heilpraris erworben haben, aber den Titel Arzt nicht führen dürfen. Von den Aerzten wohnten 7816 in Städten mit 5000 und mehr Einwohnern, die übrigen 5912 in kleineren Orten. Im Durchschnitt fommen auf je 100 Qu.-Kilometer der Reichsfläche 2,54 approbirte Aerzte, von denen 2,23 frei prafktiziren, und auf je 10,000 Einwohner 3,21 approbirte, unter ihnen 2,82 frei praftizirende Aerzte. In den Städten von 5000 und mehr Einwohnern finden si auf je 10,000 Einwohner 7,49, im übrigen Lande nur 0,79 approbirte Aerzte. Neben den Aerzten und Wundärzten, welche ihre Praxis auf Krankheiten aller Art ausdehnen dürfen, wurden noch 498 approbirte Zahnärzte gezählt. Geprüfte Heildiener werden 4723 angege- ben, außerdem in Lübeck 1 geprüfter Krankenpfleger und 3 militär- ärztlich geprüfte Lazarethgehülfen. In Baden, Meklenburg-Schwe- rin, Oldenburg, Reuß à. L. und Lippe sind Heildiener unbekannt und auch in Sachsen, Württemberg und Elsaß-Lothringen nur in geringer Zahl vorhanden. An ausgebildeten Krankenpflege- rinnen sind 633 frei prafktizirende, 1760 Diakonisfinnen, 5763 barmherzige und andere Ordensshwestern und 525 Angehörige an- derer Genossenschaften und Vereine gezählt; es sind unter leßterer Zahl vorzugsweise die unter dem Schutze der Frauenvereine wirkenden Krankenpflegerinnen zu verstehen, welche weder Diakonissinnen sind, noch einem geistlichen Orden angehören. Hebammen waren 33,134 vorhanden, davon 5078 in Städten von 5000 und mehr CEinwoh- nern. Es fanden sich danah dur{hschnittlich 6,14 Hebammen auf je 100 Qu.-Kilometer und 7,755 auf je 10,090 Ein- wohner. In Städten von 5000 und mehr Einwohnern wurden nur 4,86 Hebammen durs{nittlich auf je 10,090 Einwohner gezählt, ein Verhältniß, welches eine sehr viel günstigere Vertheilung der Hebammen über das flache Land erkennen läßt, als sie bei den Nerzten der Fall ist. An nicht approbirten Medizinalper- \onen, welche sich mit der Behandkung kranker Menschen notorisch befassen, bez. ihren Gewerbebetrieb bei der Behörde angemeldet haben, find 575 männliche und 95 weibliche nachgewiesen; eine vechältniß- mäßig große Zahl folcher Personen findet fich in den Regierungs- bezirken Frankfurt, Coblenz und Wiesbaden, im württembergischen Donaukreis, in Hamburg und im Unterelsaß, namentlich aber in den sächsischen Bezirken Dresden, Leipzig und Zwickau. Thierärzte sind im Ganzen 3255 (darunter 580 aktive Militär-RNoßärzte) gezählt worden. Danach finden sich auf je 100 Qu.-Kilometer durhschnitt- lih 0,60 approbirte Thierärzte, und auf je 10,009 Einwohner deren 0,76, Vergleicht man die Zahl der Thierärzte mit der Menge des im Reiche vorhandenen Nutviehes, so ergiebt sich, daß auf je 1 Thierarzt die Zahl von 7357 Haupt Großvieh im Durchschnitt kommt.

Was die Apotheken betrifft, so waren an sclchen einschließlich der Filialen am 1. April 1876 überhaupt 4416 und daneben 903 ie ia pte aller Art vorhanden. Unter den eigentlichen Apotheken aus\chließlich von 144 Filialen befanden sich im Privat- besi 1884 realberechtigte bez. privilegirte, 2092 perfonalberechtigte bez. konzessionirte und 283 sonstige, die übrigen 43 waren im Besitz der Krone, des Staats, der Gemeinden und Korporationen. Unter den Dispensiranstalten waren 466 ärztliche Hausapotheken, 274 Dispensiranstalten des Militärs und 163 bei Krankenhäusern. Auf 100 Qu.-Kilometer kommen durchschnittlich 0,822 Apotheken und 0,17 Dispensiranstalten, auf je 10,000 Einwohner 1,03 Apotheken und 0,21 Dispen/firanstalten. 1643 Apotheker führen ihr Geschäft ohne Gehülfen oder L-hrlinge, während in 1683 Apotheken je 1 Gehülfe oder Lehrling, in 684 je 2, in 198 je 3, in 148 je 4 und in 60 je 5 und mehr Gehülfen oder Lehrlinge beschäftigt werden. Das phar- mazeutishe Personal in den Apotheken und Dispensiranstalten betrug, außer 4465 Besißern, Pächtern ode“ Verwaltern, 1796 approbirte, 1511 nit approbirte Gehülfen und 1369 Lehrlinge. Bezüglich der Heilanstalten haben die Ermittelungen ergeben, daß 1678 allgemeine öffentliche Krankenanfstalten mit 65,819 Betten im Reiche vorhanden waren; daneben bestanden 307 allgemeine Krankenanstalten mit privatem Charakter mit zusammen 9883 Betten, 348 Militärlazarethe mit 26,473 Betten, 102 öffentlihe Irren-, Heil- und Pflegeanstalten mit 24,440 Pläßen, 97 private fsolche Anstalten mit 3892 Pläßen, 498 andere óffentlibe und private Anftalten für spezielle Heilzwecke und Heilmethoden mit 10,392 Betten, so daß also die Zahl sämmt- liher Heilanstalten im Reiche 3030 mit 140,899 Betten oder Pläßen betrug und durchschnittlich ein Bett oder Plaß derselben auf je 303 Einwohner kommt. An wissenschaftlichen medizinischen und pharmazeutischen Vereinen endlih sind im ganzen Reiche 294 (davon 126 in Preußen) gezählt worden, und zwar: 244 wifssen- schaftliche ärztliche (davon 100 in Preußen), 12 thierärztlihe (davon 9 in Preußen) und 38 pharmazeutische Vereine (davon 17 in Preußen).

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Die rechtliche Natur der Antragsdelikte.“ Von Arthur Kirchenheim, Dr. jur, Tübingez, Baupp. 1877. Diese vor Kurzem erschienene Monographie behandelt ein in den leßten Jahren durch_ die neuere Strafgeseßgebung und Wissenschaft zu lebhaftem Interesse gelangtes Thema von einem neuen Stand- punkte aus. Ein einleitender Theil giebt einen geschihtlihen Ueberblick, welcher das österreichische, englishe und französishe Recht berüd- sichtigt und eine graphisch2 Darstellung der neuen Landes- geseßgebungen giebt. Der Haupttheil der Arbeit bietet eine neue Lebtsphilosophifche Darlegung, die eigene Ansicht des Verfassers. Dieselbe ist neu und eigenthümlich begründet und geht im All- gemeinen darauf hinaus, daß der Verfasser als Antcagsdelikte die- jenigen hinstellt, welche gegen die ideellen Güter der Einzelmenschen gerichtet sind. Ein Schlußtheil giebt sodann nah einer formellen Begriffsbestimmung ergänzende Einzelheiten der Lehre. Das Werk dürfte allen Denen reihes Material und mannichfahe Anregung bieten, welche für das Emporkommeu der neuen Begriffe im Straf- recht Interesse haben.

Unter dem Titel „Beiträge zur Geschichte Hessen- Cassels, Hessen, Frankrei, Jahr 1791 bis 1814“ \ind vom Geh. Archiv-Rath a. D. Dr. Strippelmann in der Elwer:schen Verlagsbuchhandlung zu Marburg soeben wichtige urkundlih: Mit- theilungen über die Geschihte von Hessen-Cafsel aus dec Zeit von 1791 und folgende Jahre veröffentliht worden. Dieselben geben Nathricht über einzelne historisch erhebliche, thatsählich noch unbe- fannte oder noch nit genügend festgestellte Momente, Ereignisse, Zustände und Verhältniffe, enthalten niht eine fortlaufende, zusam- menhängende Geschichte Hessens, sondern nur historishe Bruch- stücke, Markstücke und Vorarbeiten für den künftiaen Fortbau dieser Geschichte. Sie sind dem ehemaligen Haus- und Staatsarchivz, ins- besondere dem dazugehörigen Kurfürstl. hessishen Geh. Kabinets- Arcive, dermalen zu Marburg, entnommen und sollen im Ganzen in 32 Abschnitten oder Nummern die Zeit von 1791 bis 1814 um- fassen. Von diesen liegen bis jeßt in dem 1. Hefte, das soeben er- schienen, die 8 ersten Abschnitte oder Nummern vor. Dieselben reichen von 1791 bis zum Jahr: 1806 und legen die Veranlassung dar, durch welche Hessen-Cafiel zur in Rede stehenden Zeit mit der französischen Republik in feindlihe Berührung kam. Sie beginnen mit den von der Hessen-Darmstädtischen Regierung an Hessen-Cafsel im Jahre 1791 gerichteten Vorsc lägen, mit ihr und Kur-Mainz gemeinschaftlich Maßregeln gegen die Verbreitung der französis ' en Revolution zu ergreifen; berihten sodann über die Verhandlungen zwischen den Brüdern Ludwigs XVI. und Landgraf Wilhelm IX. von Hessen - Cassel bezüglich der beabsihtigten Gegen-Revolu- tion in Frankreih, sowie über die Unterhandlungen der gedachten Prinzen mit Hessen-Cafel wegen Aufnahme der fran- zösishen Emigranten in Hessen, referiren über die Erobe-ung von pet a. M. am 2. Dezember 1792 durch die Hessen, und end- ih Über den in Folge des Krieges Deutschlands mit der franzö- sishen Republik im Jahre 1794 gestifteten Fürsten - Verein zu Wil- helinsbad. Hieran \{ließen sich Mittheilungen über die Besetzung Hannovers durch die Franzosen im Jahre 1803 und die von da aus an den Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen gemacbte Zumuthung einer Zwangsanleihe von 4—5 Millionen Livres zur Bestreitung der fran- zösishen Armeebedürfnisse. Darauf folgen Nachrichten über die mehr- wöchentliche Anwesenheit Napoleons in Mainz zur Entgeg nn2hme der Huldigung deutscher Fürsten im Jahre 1804 “und endlih über die Verhandlungen zwischen Frankreich und dem Kurfürsten von Hessen-Cafsel wegen Ausweisung des englis{en Gesandten Taylor aus Cassel und Bernadotte's neutralitätswidrigen Durhmars{h durch Hessen im Jahre 1805. Obwohl vorzugêweise Hessen-Cafel betref- fend, enthalten diese urkundlihen Mittieilungen doch zugleih aut garnicht unwichtige Beiträge zur Geschichte des übrigen Deutschlands und Preußens auz derselben Zeit. Eine besonders eingehende Be- handlung hat der Verfasser der Darstellung der Stiftung des Fürsten- Vereins im Jahre 1794 gewidmet. Hier werden eine Menge von Schreiben der verschiedenen deutschen Fürsten und Staatsmänner theils im Wortlaut, theils im Auszuge mitgetheilt.

Gewerbe und Handel.

Die Hannoversche Eisengießerei vertheilt für das Betriebsjahr 1876/77 eine Dividende von 6%, während der aus dem Jahres8gewinn noch verbleibende Rest von 21,226 #. dem Amorti- sations- und Erneuerungsfond überwiesen wird.

Die „New-Yorker Hdl.- Ztg.“ äußert sih in ihrem vom 26. Oktober datirten Wochenbericht über die Geschäftslage folgendermaßen: In der Situation des Geldftandes ist während dieser Berichtswoche keine Veränderung eingetreten. Jm Gold- markte ruhte die Spekulation während dieser Bericht8woche fast gänzlich. Das Agio fluktuirte zwishen 3 und 23, mit leßterem Course als Schlußnotirung. Auf dem Waaren- und Pro- duktenmarkt herrshte in der Import - Branche eine festere Stimmung. Der Waaren- und Produkten-Import wäh- rend der am 20. Oktober beendeten Woche repräsentirt einen Gesa nmt- werth von 5,243,393 Doll. gegen 5,688,223 Doll. in der Vorwoche, eine Abnahme von 444,830 Doll. ergebend. Fremde Webstoffe par- tizipiren am Gesammtwerth des leßtwöchentlihen Imports mit 1,382,995 Doll. resp. mit 197,00s Doll. mehr als in der Vorwoche, während der Import diverser Produkte und Waaren um 641,836 Doll. geringer war. Am Waaren- und Produktenexport während der am 23, Oktober beendet:zn Woche dessen Gesammtwerth in Höhe von 6,623,045 Doll. gegen die Vorwoche cine Zuz1ahme von 681,477 Doll. aufweist partizipirt Baumwolle mit 7163 Ballen im flarirten Werth von 418,517 Doll. gegen 7919 Ballen im Werth von 438,999 Doll. in der Vorwoche und 5043 Ballen resp. 6529 Ballen im Werth von 267,300 Doll. resp. 303,543 Doll. in der Parallelwoche beider Vorjahre.

Berlin, 9. November 1877.

Die Stadtverordneten-Versammlung ehrte in ihrer gestrigen Sitzung zuerst das Andenken des am 1. d. verstorbenen Ehrenbürgers von Berlin, General-Feldmarschalls Grafen von Wrangel durch Erheben von den Sigen. j A

In Folge der von der Versammlung gefaßten Beschlüsse, be- treffend die Errichtung eines Central-Vieqmarktes mit öffentlihen Shlachthänfern, hat der Magistrat die \pe- ziellen Entwürfe und Kostenanschläge z1 den zunächst zu errihtenden Gebäuden ausarbeiten lassen und alle Vorbereitungen getroffen, um die Bauausführung \ofort in Angriff zu nehmen, damit der Stadt- gemeinde der in Aussicht stehende Vortheil der unentgeltlichen Veberlassung des rund 2 Heftaren (ca. 8 Morgen) großen Plaßes R. der Abtheilung XIl1, des Bebauungsplanes Sei- tens der Aktiengesellschaft „Berliner Neustadt“ nicht verloren geht. Demgemäß hat der Magistrat der Stadtverordneten- Versammlung übersendet: 1) den ursprünglichen, sowie einen in einigen unwesentlihen Punkten abgeänderten Situations- plan des gesammten Bauterrains; 2) den speziellen Bauplan zu den 10 Stück Markt-Stallgebäuden für Rinder nebst speziellem Kosten- anshlag im Betrage von 118,090 4. für jeden Stall; 3) desgleichen zu den 4 Hammelställen nebst Kostenanschlag im Betrage von 85,000 A für jeden Stall; 4) 2 Blatt ursprüngliche Skizzen zu den Gebäuden ad 2 und 3. Mit diesen Ausarbeitungen hat sowohl die durch den Kommunalbeschluß vom 12—17. Oktober 1876 niederge- seßte gemishte Deputation für Vorarbeiten, welche die Errichtung eines städtischen mit öffentlihen Schlachthäusern verbundenen Central- Viehmarktes betreffen, wie auch die Bau-Deputation sich einverstan- den erklärt. Der Magistrat beantragt demna bei der Versamm- lung, die ihr vorgelegten speziellen Entwürfe zu 10 Stück Rinder- ställen und zu 4 Hammelställen nebst dea dazu gehörigen Kostenan- {lägen zu genehmigen Einer Geldbewilligung über die bereits zur Res gestellte Summe von 500,000 Æ bedarf es vorläufig nicht.

Nach länger r Diskussion wurde bei der Abstimmung ein An- trag auf Vertagung der Berathung bis zur zweiten Sißzung im näh- sten Januar abgelehnt, cin Antrag auf Vertagung der Beschluß- fassung abgelehnt und \{ließlich stimmte die Versammlung mit großer Majorität dem Antrage der Stadtverordneten Misch und Löwe bei, die Vorlage des Magistrats zu genehmigen, an weitere Geldbe- willigungen aber die Bedingung zu knüpfen, daß die Inkommuna- lisationsfrage zuvor im Sinne der bisherigen Beschlüsse erledigt werde. Ingleichen genehmigte die Versammlung, daß die schon früher bewilligten 500,000 A zu Baulichkeiten mit verwendet werden können.

Am Sonntag findet in Krolls Theater: wiederum zu er- mäßigten Preisen eine große Vorstellung statt, welhe der langen Dauer wegen um 6 Uhr ihren Anfang nimmt. Zur Aufführung gelangen die beliebten Repertoirestücke „Der Herr von Papillon“, „Ein Schußgeist“ und zum Schluß „Die neue Magd.“

Die Zeitungen berichten über den Erfolg, den am Stadt- Theater zu Königsberg „Goethe's Iphigenia“ mit der dortigen Heroine, Fr. Eisenmann , in der Titelrolle gefunden hat.