1877 / 295 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Dec 1877 18:00:01 GMT) scan diff

Ee E E f ettolies ves Fe A . T Le A I? D 2 Phi ewe N E A ta r L R

E E N A E E E

Vor einigen Wochen bereits machten wir an dieser Stelle auf tas bevorstehende Erscheinen eines neuen „Dichterbuhes aus Deut {land und Oesterreih“ aufmerksam, das den Titel „Ver- ich ollenes und Neues“ führen und unter der Autorität Friedri Böódenstedts ersdeinen sollte. Es hat das Werk nunmehr noch re@btzeitig genug, um den diesjährigen Weihnachtstish zu {müdcken, die- Presse verlassen. Entstanden ift diese Sammlung von Gedichten durch den Wunsch des Dichters der Mirza-Schaffy-Lieder, dem Publi- Yum au noch aus anderen Dich-ungen bekannt zu werden, die niht so verbreitet sind, wie sie es verdienen. Bodenstedt hat daher die Sammlung durch eine Anzahl eigener poetischer Schöpfungen ein- geleitet und ges{losen. Im Uebrigen sind in das Buch nur solche ¿erke noch lebender Dichter aus Deutschland und Oesterreich aufgenommen, die entweder noch unbekannt oder ibrem Werth nah noch nicht genugsam gewürdigt sind. Das Buch bietet daher eine Auswahl des Besten aus der neuesten poetischen Literatur. Die Helwingscbe Verlagshandlung in Hannover, bei welcher 2e On erscheint, hat für eine würdige Ausftattung derselben geforgt.

Einen nach zuverlässigen Quellen bearbeiteten Beitrag zur Geschichte der französisben Reoolutionskriege und des Unterganges des alten deutshen Reiches hat Karl Rothenbücher. mit der fürzlih im Verlage von Lampart & Comp. in Augsburg erschienenen Schrift: „Der Kurmainzer Landsturm in den Jahren 1799 und 1800* geliefert. Die vorliegende Abhandlung soll, wie ter Verfasser in dec Vorrede bemerkt, hauptsächlich ein Beitrag zur Geschichte der Spessarts, seiner Heimath, sein. Aus leßterem Grunde habe er Manches aus der Geschichte und Volkskunde dieser Wald- gegend auch dann beigefügt, wenn solhes mit dem Hauptgegenstande der Abhandlung gerade nicht in unmittelbarem Zusammenhange steht. Bei Erzählung der Errichtung und des Verlaufs des Landsturms ist der Verfasser den hierauf bezüglihen Akten der ehemaligen fur- mainzishen Regierung zu Aschaffenburg gefolgt und hat nebftdem die Anhaltëpunkte zu benußen gesuht, welche die Literatur und selbst die Tradition des Volkes für diesen Gegenstand bietet.

Land- und Forstwirthschaft.

Im Regierungsbezirk Hannover is das Ergebniß der Ernte im Ganzen ein günstiges zu nennen, nur in den dürftigeren Gegenden des Bezirks Osnabrück ist dasselbe hinter den Erwartun- gen zurückgeblieben. Der Roggen, ein Theil der Sommecfrüchte und der Buchweizen lieferten eine gute Mittelernte, während der Weizen und die Kartoffeln, welche überdies an Fäulniß leiden, hinter einer Durchschnittsernte zurückgeblieben sind. Sämmtliche Futterkräuter, mit Ausnahme d:s Klees, haben einen guten, bisweilez: reihen Er- trag geliefert, obgleich der zweite Schnitt durch Regen und Ueber- s{wemmung sehr gelitten hat.

Gewerbe und Sandel.

Nah dem JahrbuS für bremishe Statistik, herausgegeben vom Bureau für bremishe Statistik, Jahrgang 1876 (Bremen, G. A. von Herlem, 1877) hat fich die Einfuhr Bremens, wenn man den Werth derselben im Durchschnitt d-r Jahre 1847—1851 (106 499 060 A) gleih 100 seßt, gehoben in den Jahren 1852—1856 auf 157,01 (167211 568 A6), 1857—1861 208,79 (222 358 693 Æ), 1862—1866 229/40 (244 399 422 A6), 1867—1871 332,06 (353 637 478 M), 1872— 1876 452,04 (481 417 765 A). Die Cinfuhr von Ver- zehrungêgegenständen ist in der Periode 1847—1851 bis 1872—1876 gestiegen von 100 auf 395,94 (166 014915 A), die von Rohstoffen von 1009 auf 939,39 (171 513 879 M.), von Halbfabrifaten auf 1034,94 (31 988 238 M), von Manufakturwaaren auf 201,77 (61 618 298 M), von anderen Industrie-Erzeugnissen auf 413,85 (49 830 621 4). Die Ausfuhr von 1847—1851 (92092 234 4) = 109 gefeßt, hat si vermehrt 1852—1856 auf 163,27 (150 363 043 M), 1857—1861 920,68 (203 231183 M), 1862—1866 241,25 (222175391 A), 1867—1871 332,06 (330457081 M), 1872—1876 491,13 (452 289 437 A). Die Ausfuhr von Verzehrungsgegenständen ift in der Periode 1847—1851 bis 1872—1876 gestiegen von 100 auf 380,92 (161 638 877 A.), von Rohstoffen auf 1091,02 (164 394 191 M6), von Halbfabrikaten auf 1377,33 (29 298 458 #4), von Manufaktur- waaren auf 239,01 (53957 124 M.), von anderen JIndustrie-Erzeug- niffen auf 433,80 (42 889 755 A).

Von der Einfuhr kamen dem Werthe nach auf die europäische 1847—1851 71,47%/6, auf die tran8atlantishe 28,53%, 1872—1876 bezw. 55,36 und 44,64°/,. Die Einfuhr vom Deutschen Reich hat sich in dem Zeitraum 1847—1851 bis 1872—1876 von 56,38% auf 31,03% ermäßigt; diejenige von Großbritannien von 7,15 auf 15,72%, von den Vereinigten Staaten von 13,72 auf 28,11°/6 erhöht. Von der Ausfuhr trafen 1847—1851 70,88%, 1872—1876 78,96% auf die europäische, 28,06 bezw. 19,93 auf die transatlantische Aus- fuhr und 1,06 bezw. 1,11% auf die Ausrüstung der Handelsflotte. Die Ausfuhr nach dem Deutschen Reiche hat sich in dem Zeitraum von 1847—1851 bis 1872—1876 von 60,35 auf 55,62%, die nach den Ver-inigten Staaten von 23,019/ auf 17,84% ermäßigt, dagegen diejenige nach Großbritannien . von 2,75 auf 4,79%/9 und diejenige nah dem übrigen Euroya (außer dem Deutschen Reich und Gro - britannien) von 7,78 auf 18,55% erhöht.

In der gestrigen Generalversammlung der Deutschen Reichs- und Continental-Eisenbahnbau-Gesellschaft wurde die gesammte Tagesordnung nah den Anträgen des Aufsichts- ratks erledigt, und zwar die Verlegung des Domizils der Gesellschaft nah Cainsdorf, die Aendervug der Firma in „Königin Marienhütte, Ak tienge sellschaft“ und die Reduktion des Akti: nkapitals auf 6 000 000 , sowie der Abschluß eines Vergleichs mit der Posen-Creuzburger Eisenbahn.

Die Nürnberger Brauerei, vorm. Henninger, hat im leßten Geschäftsjahre einen Bruttogewinn von 615575 H. erzielt. Für Abschreibungen find 88 350 4, auf Reparaturenkonto 71 659 abgeseßt, für Hypothekenzinsen 62 070 4, für Tonn 74 373 M, Betriebsunkosten 183 353 Æ Die zur Auszahlung gelan- gende Dividende von 3 °/9 nimmt 117 000 4. in Anspruch.

Verkehrs-Anstalten.

München, 12. Dezember. (Lpz. Ztg.) Der der Abgeordneten- kammer vorgelegte, die Vervollständigung des bayerischen Eisenbahnneßes betreffende Geseßentwurf bestimmt 12 Linien zur sofortigen Ausführung, 10 zur allmähligen, und der Bedarf dafür ist auf 86 Millionen Mark festgeseßt. Unter den sofort auszufüh- renden Bahnen befindet sich von allgemeinerem Interesse die Linie: Forisevuns der Hochstadt-Stockheimer Bahn über Ludwig- tadt bis zur Landesgrenze bei Falkenstein und Donauwörth- Treuchtlingen, welche die direkte Verbindung von dem Norden nach der Schweiz und umgekehrt bedeutend abkürzen wird.

New-York, 13. Dezember. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Gellert“ if gestern Abend 7 Uhr hier ein- getroffen.

Berlin, 14. Dezember 1877.

Die Archäologishe Gesellshaft beging am 9. d. M. Abends das E e A naeh est. Der Vorsitzende, Geheimer Regierungs-Rath Curtius, eröffnete die Festvorträge, legte das Neueste aus Olympia vor und vertheilte das Festprogramm nebst einem Beitrage zur griechis{chen Gewihtskunde von Dr. Scilibach. Der Geheitne Ober-Regierungs-Rath Schöne hielt einen Vortrag über den verDienstvollen und perfönlich ausgezeineten italienischen Archäologen Carlo Promis, geboren 1808 in Turin, gestorben eben- daselbst 1873. Seine Charakteristik wurde bestätigt und ergänzt durch den Freznd des Verstorbenen, Hrn. Professor Theodor Mommsen, der einen Vortrag hielt das mit dem dritten Bande gur einem gewissen Abs{luß gelangte grofß- artige Werk über das unterirdishe Rom vor de ifi. Sodann berichtete Hr. Prof. Conze über die von der öfterreichischen

Regierung veranstalteten, von ihm geleiteten Ausgrabungen auf Samothrafe. Endlich spra Hr. Hübner über den großen rôömifcen Grenzwall, der \sich von Regenéburg bis an die niederländische Grenze hinzieht. “Beim Festmahle hielt, wie man der „Cöln. Ztg.“ schreibt, der Vorsitzende eine Rede, worin er sich über die Ausdehnung verbreitete, welhe namentlich in jüngster Zeit die Bestrebungen Winckelmanns erhalten haben, besonders auch dur die deutsche Re- gierung. Waren doch die Ausgrabungen in Olympia so zu sagen

indelmanns leßter Gedanke. Auch die archäologischen Institute in Rom und in Athen stehen unter dem Schuße Sr. Majestät des Deutschen Kaisers, auf dessen Wohl denn au von der Festver- fammlung die Gläser geleert wurden.

„Kunst und Alterthum in Elsaß-Lothringen.“ Be- \{reibende Statiitik, im Auftrage des Kaiserlihen Ober-Präsidiums von Elsaß-Lothringen herausgegeben von Dr. Franz Xaver Kraus, Professor an der Kaiserlihen Universität Straßburg. ï. Band 2. Abtheilung, mit 68 Holzschnitten, 2 photograpishen Ta- feln und 3 Plänen. (Straßburg. C. F. Schmidts Universitäts- Buchhandlung. Friedrich Bull. 1877.)

Den breitesten Raum in der vorliegenden 2. Abtheilung 1, Bandes des sich zu einem stattlicden Umfange erweitern- den Werkes nimmt, der alphabetishen Reihenfolge gemäß, natürlich die Stadt Straßburg und vor Allem das dortige Münster in Anspruch. Was dieses ehrwürdigste und intere}ssanteste Bauwerk der Reich3)"ande betrifft, so wird hier zum ersten Male eine Ges ichte seiner Entstehung auf urkundliher Grundlage dargeboten

Innerhalb des Buchstabens O mit dem Ort „Oberehnheim“ be- ginnend, beschreibt die vorliegende Fortseßung u. A. die Kirche zu Obersteigen, eine der interessantesten Shöpfungen der Uebergangspeciode, welche in 4 Holzschnitten detaillirt wird, in ausführliherer Weise. Weiterhin folgt: „St. Odilienberg, Kloster Hohenburg und Heidenmauec.“ In Be:ug auf die leßtere {ließt si der Verf. einem Gutachten des Oberst von Cohaufen an, der dieselbe wie alle jene großartigen Anlagen, welche als Steinmauern und Wälle die Höhen der Vogesen und des Hardtgebirges krönen, als Befestigungen ansieht, die bestimmt waren, der in der fruchtvaren Ebene zwishen dem Rhein und dem Gebirge wohnenden reichen Bevölkerung, seit dieselbe nicht mehr durch die Waffen und das Ansehen der Römer ges{hüßt wurde, als Zuflucht zu dienen. Die Situation der alterthümlichen Baudenkmale des Ddilienberzes veranshaulicht eine vortreffliche Uebersichtskarte. Aus dem Odilienkloster werden 3 sehr alterthümlihe Reliefs in Holzschnitt mitgetheilt, die der Verf. jedoch für im 12. Jahrhundert angefertigte Nawbildungen älterer Vorbilder (etwa aus dem 8. Jahrhundert) hält. Aus der Kirche zu Rosenweiler wird eine interessante alte Wand- malerei in Holzschnitt reproduzirt, welhe das jüngste Gericht und Episoden aus der Marienlegende darstellt und wahrscheinlih aus dem 14. Jahrhundert stammt. Dann folgen unter der Menge rein ftatistisher Aufzeihnungen, wie sie durch den Plan des Werkes geboten waren, detaillirtere Schilderungen der baugeschihtlich interessanteren Kirchen von Rosheim, Schaffhausen und Schlettstadt nebst Wiedergabe ihrer Grundrifse, Aufrisse, Quer- \chnitte und Details. E

Der umfangreiste Abschnitt des Werks „Straßburg“ beginnt mit einer Beschreibung der gallisch-römishen Reste und der Befesti- gungea der Stadt. Der leßteren, welche von dem Premier-Lieute- nant im Ingenieur-Corps, Hrn. von Pöllnitz, bearbeitet worden, ist ein sehr instruktiver „Plan zur Geschichte der Befestigungen von den ältesten Zeiten bis zu Ende des 16. Jahrhunderts“, welcher die alte römische Stadt Argentoratum, die erste Erweiterung um 720 und die weiteren bis zum Jahre 1441 in anschaulihster Weise dar- stellt, sowie das Facsimile des Grundrisses der Stadt Straßburg, „wie solche Anno 1680 im wesen gestanden“, beigegeben.

Was nun das altehrwürdige Mün ster betrifft, so wollen wir im Nachstehenden auf Grund der sorgfältigen urkundlihen Forschun- ges e Verfassers eine Skizze der B eite desselben zu geben versuchen.

Nach einer angeblichen Ueberlieferung wäre Pipin derjenige ge- wesen, der den Bau des Münsters begonnen hä:te, aber durch den Tod verhindert worden, denselben zu voilenden, was erft dur Karl d. Gr. geschehen wäre. Diese Angabe ift aber ebenso unbegründet, wie die von einem Chlodwigs-Bau, wogegen übrigens {on der Um- stand spricht, daß das fränkishe Strateburg erft mit dem 6. Jahr- bundert in die Geschichte eintritt. Urkundlih ht nur gel daß um das Jahr 826 dort ein Münster stand, welches im Jahre 1092, am 4. April, durch die Truppen Herzog Hermanns von Schwaben und Elsaß verbrannt und im Jahre 1097 durch Bliß völlig zerstört wurde. Der Bischof Werinhar ließ darauf in den Jahren 1015— 1028 den Bau wieder herstellen. In den Jahren 1140, 42, 50 und 76 wurde das Münster wiederholt durch Feuer theilweise zerstört. Der letzte Brand hat ohne Zweifel die Veranlassung zu einem völligen Neubau gegeben, der wahrscheinl:ch sofort begonnen wurde, wie die Bau- formen der im Stil des ausgehenden 12. Jahrhunderts aufsteigenden Oíst- theile erweisen. Das Langhaus des 11. Jahrhunderts mit der Westfront in geo bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts erhalten worden weil hier der Gottesdienst abgehalten werden mußte. Für den Ar- chitekten der Osttheile hält man den Baumeister Hermannus Auriga (wahrscheinlich Wegeman), ohne daß dies urkundlich zu belegen wäre. De steht wieder fest, daß in den Jahren 1261—1274 Conradus Oleymann als magister operis fungirte. 1275 wurde das Langhaus vollendet, 1276 die Fundamente und 1277 der Grundstein zu der Westfront gelegt. H

Auf einer unzweifelhaft unehten (übrigens auch niht mehr vor- handenen) J.\chrift beruht nun die bisherige Angabe, daß Erwin von da an den Bau geleitet habe. Daß derselbe der Erbauer eines Theils der Façade ist, wird man zugeben müfsen, über die Dauer sein-r Thätigkeit in Straßburg steht aber durchaus nichts fest, nit einmal, ob er den Bau der Westfront geplant oder begonnen, oder einen bereits in Ausführung genommenen überkommen und mo- difizirt hat. Zwar existirt eine Urkunde aus dem Jahre 1284, welche im Straßburger Stadtarchiv aufbewahrt wird und den Namen Erwins zuerst und allein unter allen Urkunden ausspriht. Jundefsen steht der Name, wie die dem Werke N eDene Photographie der- selben deutlich zeigt, in einer Rasur und i} offenbar von einer späteren Hand eingetragen. Die Frage, ob der Name nur nit auê- geschrieben gewesen, oder ob gar ein ganz anderer daselbst gestanden hat, muß freilich ofen bleiben.

Aus dem Jahre 1316 stammt der Bau der Marienkapelle durÞ Erwin; von einer darauf bezüglihen Inschrift werden drei Fragmente in Holzschnitt mitgetheilt. Im Jahre 1318 stirbt Erwin. Von seinem Epitaph im Leicheahöfel an der Nordost- jeite des Münsters (unter demjenigen feiner Frau und dem jeines Sohnes Johannes vorausgehend), welches von Goethe im Jahre 1770 vergebens geiude wurde, [iegt dem Werke ein Jp graphishes Facsimile bei. Der darin vorkommende Ausdruck Guber- nator fabrice eint darauf hinzuweisen, daß Erwin gegen Ende seines Lebens die R s gesammten Bauwesens übernommen hat. Den Antheil seiner Söhne und Enkel an dem Münsterbau näher zu bestimmen, ist nicht mögli.

Jahre 1365 wurde die Westfront bis zur Plattform voll- endet, aber erst aus den Jahren 1399 —1419 (nachdem das Münster 1384 abermals durch Feuer be châdigt worden) läßt fh wieder der Name eines Baumeisters urkundlich nachweisen: es ist der des Ulri von Cusingen welher {on vorher und wahrscheinlich auch päter noch in ieser Zeit nebenher als Dom-Baumeistec in Ulm

ngirte. Ulrich hat den Bau des Nordthurms an der Plattform aufgenommen und bis zum Abschluß des großen Fensters ares Jobnum uelß aus Göln (1419—1449) wird auf seinem itaph der „Vollbringer des hohen Thurns“ u Die Vollendung des Thurms fand urkundlih im Jahre 1439 statt.

Unter den zahlreichen weiteren Namen der Baumeister, welche von Kraus registrirt werden, erwähnen wir nur noch folgende, für die Bau- geshihte des Münsters wichtigere; Jakob von Landshut (14935—1509) ;

in diese Zeit fällt der Bau der Laurentiuskapelle. Hans Hammerer (151 ?— —1515?); in der Zeit von 1515—1520 wurde di: St. Martinskapelle erbaut; Johann Georg Heckler (16 4—1682); derselbe mate dem Rath den Vorschlag, den zweiten Münfterthurm auszubauen, wurde jedo ab- \chläglich beschieden. Andererseits war er es, der die Barbarei be- ing, Erwins Marienkapelle, den shônen Lettner und den spätgothi- seben Fronaltar abzubrechen; die Apsis wurde mit Stuckverzi en versehen, die alten Bogenfüllungen mit den gemalten Fenftern her- ausgeworfen und die Basen und Kapitelle der Wandpfeiler abge- s{lagen, um der zopfigen Gipsrocaille Plaß zu machen. us der neueren Geschichte des Gotteshauses wird das Dekret vom 4. Frimaire des Jahres Il (1793) erwähnt, welches die Zerstö- rung der Steinbildwerke an dem „Tempel der Vernunft“ anordnete. Der Munizipalrath legte zwar Verwahrung dagegen ein, das Dekret wurde jedoch am 15. Frimaire erneuert. Die Zahl der damals heruntergeshlage- nen Figuren wird auf 235 angegeben. Unter dem 7. Thermidor des Jahres II (1793) verfügten darauf die Departemental-Adminiftratoren des Niederrheins, „daß die Kirhthürme allenthalben niedergelegt werden sollen, ausgenommen diejenigen an den Ufern des Rheins, die zu militärishen Beobachtunzen dienen können, und. den des Tem- pels zu Straßburg, der ein eben so fühnes als fkoftbares und einziges Denkmal der alten Architektur darbiete.“ Nach dem 9. Thermidor und dem Sturze der Bergpartei wurde zwar eine Untersuhung über die am Münster begangenen Zerstörungen eingeleitet, eine Bestrafung der Schuldigen fand aber unter den bald wieder wechselnden poli- tischen Verhältnissen nicht statt. Im Jahre 18009 wurde das Münster dem katholischen Gottesdienste zurückgegeben.

_Es folgt dann eine eingehende Banbesrcibuin und ein Ver- zeihniß der Glas- und Wandmalereien fowie der Skulpturen des Münsters. Von den leßterea werden die carakteristishen und für die Kunstgeschichte interessanten Statuen am füdlihen Portal der Wef!ifront (darstellend drei der thörihten Jungfrauen und ihren Ver- führer), sowie zwei Reliefs am Friese des Nordthurms in Holzschnitt abgebildet. Die interessante, höchst freimüthig satirische , Thierprozession“ ist leider ebenfalls zerstört, indessen sind noch einige alte Hol schnitte vorhanden, für deren facsimilirte Nachbildung man dem Verfasser besonders dankbar sein muß. Weiter wird dann da? Mobiliar, die Grabdenkmäler, die Juschriften und Varia mit Sorgfalt verzeichnet und in dem Abschnitt über das Frauenhaus, dessen Räume zu ebener Erde jeßt als Museum dienen, und das im dritten Geschosse das Bureau des Dombaumeisters birgt, über die hier aufbewahrten alten Baur isse des Münsters eine Uebersicht gegeben und zugleich die wichtigsten in Holzshnitt reproduzirt, nämlih: 1) die füdliche Hälfte der Westfront bis zur Rose eins{ließlich, 2) die nördliche Hälfte der Westfront nebst Thurm, 3) die Innenansiht der südlichen“ Hälfte der Westfaçade bis zur Höhe der Rose, 4) die Kopie eines äußerst sorgfältig ausgeführten Risses zur Façade, aus dem Germanishen Museum.

Die anderen Kirchen Straßburgs werden, ihrer geringeren Be- deutung entsprehend, kürzer behandelt. Ven - Jung S. Peter“ find Grundriß, System und Detail im Holzschnitt mitgetheilt, von Skt. Stephan der Grundriß und eine Ansicht der Osttheile, von St. Thomas Grundriß, Ansicht und Detail. In der leßtgenannten Kirche sind der Sarg des Bischofs Adelochus und das Relief des h. Thomas, beide in Abbildung beigefügt, von größerem archäologi- schen Interesse. Aus allen Kirchen werden zahlreihe Grab- und Fn- schriften in sorgfältigen Kopien reproduzirt. Die öffentlihen und Privatgebäude, sowie die Museen und Sammlungen der Hauptstadt des- Elsaß beshließ:n den Artikel Straßburg.

Aus den ferner folgenden Städten verdient noch das schöne \pät- gothishe Sakramentshäushen z1 Walburg und die Abteikirhe St. Peter und Paul zu Weißenburg Erwähnung, welche in Jllustrationen vorgeführt werden.

_Der 1. Band des Werkes bietet sona ein vollständiges archäo- [ogishes bau- und kunstgeshihtlihes Archiv d:s Elfaß und auf allen diesen Gebieten, vermöge seiner lerikfalishen Form schnelle Auskunft, niht nur über den jedesmaligen Gegenftand, sondern auch über die darauf bezüglihe Literatur. Von der Gewifsenhaftigkeit, die den Verfasser bei der Sammlung seiner, Irrthümern so sehr ausgeseßzten Angaben geleitet hat, zeugt au die große Anzahl von Nachträgen und Berichtigungen, die er in einem Anhange beigefügt hat.

Das Werk ist in Druck, Jllustration und photographischen Bei- lagen vortrefflich ausgestattet.

: T (Fr. C.) Der von den Zeitungen ke- reits mehrfach erwähnte Betrüger, welcher in Mailand und ver- schiedenen französischen Städten auftauhte und unter dem Vorwande, er sei eia aus einer deutshen Festung entflohener französisher Offi- zier, der es dort habe büßen müssen, daß er im Jahre 1871 als Kriegsgefangener einen deutschen Offizier geobrfeigt hätte, nicht blos Unterstüßungen erwirkte, sondern geradezu als Märtyrer seiner Va- terlandsliebe gefeiert wurde, dieser Schwindler, Namens Charles Lebrun, erschien gestern vor dem Marseiller Zuchtpolizei- gerichte und wurde zu fünfzehnmonatlihem Gefängniß und fünf- jähriger Stellung unter Polizeiaufsiht verurtheilt.

Paris, 12. Dezember.

In der Nähe des Feuerlandes ift kürzlich eine feuerspeiende In sel auf der Oberfläche des Meeres erschienen und dann nach einiger Zeit wieder in den Wogen verschwunden. Der Kapitän des dänischen Segelschiffes „Lutterfeld“, J. O. Lunginers, hat, wie man der „Cöln. Ztg.“ schreibt, in Valparaiso darüber folgende Erklärung abgege- ben. Gegen Mitte Dezember 1876 kam er an die Zeuerlandstlitte, 140 Seemeilen von der Ma ane, an der Seite des Stillen Oceans. Das Schiff war nach Valparaiso bestimmt ; als es sich unter 650 15‘ 10“ füdl. Breite und 759% 12‘ 10“ westl. Länge befand, bemerkte der wahthabende Matrose 35 Uhr Morgens am 10. Dezember in ge- ringer Entfernung ein beträhtliches Stück Erde oberhalb der Wafser- fläche, in Gestalt eines etwa 30 m hohen Hügels. Unter der Gefahr, mit dieser Masse zusammenzustoßen, gelang es dem Steuermann mit genauer Noth, das Fahrzeug zu wenden, während der Kapitän si nur vorsichtig weiterbewegie uud sorgsam die Seekarten Pir um nicht vom reten Wege abzukommen, indessen fand er auf keiner das neugefundene Land verzeihnet und bes{loß daher, das Tageslicht ab- zuwartken, um genauer die Entdeckung zu untersuchen. Gegen 54 Uhr Mor- gens ersien die Maffe bereits bedeutend ges{chmälert ; nichtsdestoweniger ließ er ein Boot ausfeßen und fuhr mit dem Piloten und vier Matrojen nah dem Eilande. Bei näherer Forschung ergab sich, daß seine Gestalt kegelförmig war und die Seitenflähen in etwas steiler Steigung fi senften; einer der Matrosen sprang auf einen Ausschnitt des Se um das Sciffstau an einer Felsjspiße zu a mußte sich je o s{leunigst zurückziehen, da der Boden unter seinen Füßen eine uner- träglihe Gluth ausftrömte, ohne Rauh auszulafsen. Daraus er- klärte sich auch das Brodeln und Zischen an den Rändern des Kegels, die mit dem Meerwafser in- Berührung kamen ; allmählih ann dann die Masse zu sinken, bis gegen 8 Uhr Morgens ihre leßte Eee verschwand. Cin Stunde später fuhr das Schiff ohne legene he Gefahr durch die Wasserstrecke, welche das vulkanishe Eiland einge- Man bringt dieses Phänomen mit den zahlreichen

nommen hatte. l tfüste kürzlih so hart mit-

Erdbeben in Verbindung, welche die genommen haben.

:Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl besuhte gestern, Donnerstag, das Friedrich-Wilhelmstädtishe Theater und wohnte daselbst der Aufführung der Posse: „Unser \{chönes Berlin“ bis zum Schluß béi:

E Redacteur: J. V.: Riedel.

Berlint Verlag der Expetition (Kessel). Druck: W. Elsner. Drei Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage).

Deutsches Neis.

Nachweisung der Einnahme an Wecselstempelsteuer im Deutschen Reiche für die Zeit vom 1. April bis zum Schlusse des Monats November 1877.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußishen Staals-Anzeiger.

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Berlin, Freitag, den 14. Dezember

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Ober - Post- Direktions - Bezirke.

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im Monate November 1877.

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Verwaltungs- Bezirke.

Im Reihs-Postgebiete.

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25 89 30 39 60 59 85 45 40 35 80 20 85 60 80 15 90 05 05 60 05 25 20 49 40 39 45 39 15 60 90 05 95 80 30 50 30 99 50 10

121 809 20 765 92 576

428 572 25 834 51 112 90 353 17 831 35 570 23 643

128 811 51 062 59 521

121 134 59 289 66 782 44 683 50 589 11 727 38 192

138 402 25 961

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252 035 13 743 76 554

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| 20 | 40 ¡80

15 75 65 70 39 39 90 40 00 00 75 10 95 90 25 65 10 40 80 50 3

133 736 23 889 104 452 482 146 29 693 58 518 98 972 19 643 39 923 26 639 146 686 57 735 62 577 140 570 63 374 76 595 51 371 57 999 13 636 43 756 153 544 29 447 226 038 113 751 56 725 25 845 286 132 16 005 87 695 231 474 100 665 36 574 87 038 22 582 30 294 37 588 129 431 588 660 134 033 29 119

15

| 65 | 30 99

45 30 20 25 10 05 65 55 00 55 70 45 70 45 85 T5 80 90 90 T5

100 371 22 515

31 395 60 946 100 712 16 283 40 996 26 220 167 845 61 974

135 994

76 485 43 370 53 337 13 656

160 743 30271 230 203 134 619 62 763 27 309 308 205

86 385

36 327

92614 } 466 373 |

61 974 | 65 160 |

43 387 |

16 922 | 86972 | 239 568 | 100588 | 35 672 |

24015 | 30071 |

148311 | 563 706 | 126 118 | 30 433 |

35 25 20 50 30 25 25 95 10 70 30 00 | 00 | 67 00 40 95 20 00 70 10 85 85 15 60 60 | 05

95 05 30 35 45 10 80 35 85 35 45 60 70

38 364 1374 11 838 15 773 1701 2 427 1 740 3 359 1073 418 21 158 4 238 603 4 575 1785 110 8 091 4 662 19 369 7 198 823 4 166 20 867 6 037 1 464 22 072 917 723 8 093 76 901 653 1433 | 223 | 1260 | 18 879 | 24 953 | 90 |

7914 | 1313 | 75

Summe 1.

79S 981 | 38 463 18 273

————— --

70 20 10

3 660 582 255 066 128 519

80 59 20

4 159 567 293 529 146 792

4 160 823 275271 144 201

| 87 | 05 30

1256 | 37 18 258 | 70 2 591 | 00

Zahl der im Betrieb

Ueberhaupt Berlin, im Dezember 1877.

befindlichen Rübenzucker-Fabriken.

555 721 |

00

4 044 168 |

59

4 599 889 |

Haupt-Buchhalterei des Reihskanzler-Amts.

NUebersiwt

4 580 296

[722

H++ 1 ++ 1+ +E+FEL F T ++E E T T I ++++

19 593 | 33

gebiets versteuerten Rübenmengen, sowie über die Einfuhr und Ausfuhr Monat November 1877.

Einfuhr vom Zollauslaude. Ausfuhr nach dem Zollauslande (mit

und ohne Steuerrückvergütung).

Ver-

Raffinirter Zucker aller Art

Rohzucter

Art und Syru

Melasse aller

Raffinirter Zuder aller Art

Nobzuker

Melafße allec Art und Syrup

steuerte Rüben- menge.

|

Verkehr.

unmittelbar

in den freien

Centner.

auf Niederlagen.

aller Art

auf Niederlagen.

unmittelbar in den freien Verkehr.

unmittelbar in den freien

Q - [—/

auf

Verkehr. Niederlagen

unmittelbar aus dem freier

a d r =

- - L

s aus Niederlagen unmittelbar

aus dem freien

4 Ctr. n. Ctr. v.

Verkehr. aus

Niederlagen. unmittelbar aus dem freien Verkehr.

aus Niederlagen.

X

do

ck L

3.

Q 4 2 Q en “18 Q s

D J]

00|* hi]

i

18. f

1, Preußen.

1) Peer n reußen .

Preußens Westpreußen.

2) Provinz Brandenburg . 3) Provinz Pommern .

4) 5 è s Provinz Sachsen, eins{l.

7)

8

N 10 11)

II, Bayern

ai Posen

rovinz Schlesien .

der Fürstlih Schwarz- burgischen Unterherr- A S oa, Provinz Schleswi z-Hol- stein .

rovinz annover ; : rovinz estfalen . . rovinz Hessen-Nafsau heinÞrovinz . Summe I.

I SaMIen e 1V. Württemberg .

V, Baden . VI,. He VIIL, Medcklenburg

en

. . .

VIiL Thüringen, eins{l.

X: e X. Braunschweig.

der Großherzoglich Sächsishen Aemter Allstedt und Oldis- 127 T E Oldenburg

X1. Anhalt. . . . - X11, Elsaß-Lothringen X11, Luxemburg . . -

Ueberhaupt

Hierzu in den Vormonaten

Septbr. und Oktbr. 1877

usammen

In demselben Beltinis

Sp. 7 angegebenen 7295 Ctr. in Sp. -9 nachzuweisen.

des Vorjahres ._.-+

_|

bO

65 115 733 130 360 710

88 675

2 271 360

i J Ido 0 D

8 482 260 50

93 540) 12 821 1612084] 504 53 7251 25 020| 303 762 275) 320

[Ey I dD n P

1272 401

2157

712

16 282 1 062 115

9

232

19 228

8

125

60 676

94 903

1

469

56

J O

do j O [00 R

wll mals

14 547 894] 14 103 76 260 A 366 130 24

95 2001 282

159 130 679 9

277 001 S

2023359

1814333) 5 542

555561 21

22 442 1 989

179

96 44 365 6) 152 57 8

2

79

N O

Ilallllla

do G9 C0

—“

211 232

5 808

p

27

dD O j) Gn

E

A

2

1353

19 386 411] 20 417 27 033 662] 24 792:

2720| 14 234 5 06025326

24 179

11 660} 41 165 14 030/*17766| 57 129

801 217 8 501/ 154

067| 12 347/ 21 047 992| 32 152] 78 595 9 158

J

46 420 073] 45 209,

37 906 779| 53 217)

5 853

7780! 39 560 4 664

38 209! 29 426! 98 294 50 481! 23 469] 60 058

l

*) Laut einer nachträglich eingegangenen Berichtigung sind die in der Uebersicht für den

Berlin, im Dezember 1877.

Kaiserliches statistishes Amt.

9 081] 372 8 531] 426

059| 44 499] 99 642 17 523

787

1 556] 76 030, 27 746

Monat Oktober 1877 bei Westpreußen in

1877 *

Nicztauntliches.

Berlin, 14. Dezember. Jn der gestrigen (35.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welher am Ministertische der M nister für Handel 2c. Dr. Achenbah und mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, war ein Geseß- entwurf, betreffend die Betheiligung des Staates bei dem Bau einer Eisenbahn von Kiel über Eckernförde nah Flens- burg eingegangen ; vom Herrenhause sind die gestern dort erledigten Geseßentwürfe berübergekommen.

Das Haus setzte die Debatte über den Etat der Ei sen-

bahnverwaltung fort. 5 Der Abg. Richter (Hagen) behauptete, daß Derjenige, welcher die Erwiderung des Handels-Ministers auf seine gestrige Rede aufmerksam lese, finden werde, daß derselbe die Hauptsachen unerwähnt gelassen habe. Er, Redner, vertrete nicht das Prinzip der kürzesten Linie, sondern wolle nur die gleiche Konkurrenz zwischen Privat- und Staatsbahnen wahren. Der Minister habe gesagt, daß die Güterablenkung feine spezifische Krank- heit der Staotsbaynen sei. _ Er habe _also in ihr eine Krankheit anerkannt; und jedenfalls seien die Staats- bahnen äußerst geeignet, dieje Krankheit zu generalisiren. Das Verfahren der Staatsregicrung in der Angelegenheit der Stettiner Bahn sei zum mindesten geeignet, die Bildung spontaner Spekulantenkonsortien zu begünstigen. Die ganze Tendenz der Eisenbahnpolitik der Regierung gehe dahin, nur das Gebiet der Staasbahnen beständig auszudehnen, ohne da- bei einen reformatorishen Gedanken zu verrathen. Die Behauptung, die jeßige Politik knüpfe an die alten preu- gishen Traditionen an, sei ohne jede Bedeutung, denn von folhen Traditionen könne man bei unserem jungen Eisenbahn- wesen gar nicht sprechen. Wenn der Minister ihm entgegen- halte, daß er bereit sei, für Staatsbahnen zu stimmen, wenn dieselben für Ostpreußen gebaut werden sollten, fo erwidere er, daß in Ostpreußen Privatbahnen überhaupt nicht gebaut wür- den, also vor der Alternative stehe, diejen Landestheil über- haupt ohne Eisenbahnen zu lassen oder Staatsbahnen anzu- nehmen. Jn diesem Falle wähle er natürlich das Lettere. Hierauf erwiderte der Minister für Handel 2c. Dr, Achenbach: : / i :

Meine Herren! Ich habe für meinen Theil noch niemals einen Zweifel darüber ausgesprochen, daß der Verr Vorredn:r bei seinen Bestrebungen ebenso das Wohl des Landes im Auge habe, wie ih selbst; es wird mir keine Aeußerung nachzuweisen sein, worin ih etwas Entgegengesetztes behauptet hätte. Ich bin nur wegen meines abweichenden Standpunktes leider in der Lage, schr häufig mit ihm in sehr eraste Diskussionen einzutreten, um die Stellung, die ih selb#stt cinnehme, zu vertheidigen, und das muß ih auch heute noch einmal thun, obschon ih mich bestreben werde, ret furz zu sein.

Meine Herren! Der Herr Vorredner, der in seiner Rede ret freundlich gegen mich selbs war, {hien mir eigentlich dieselbe Freund- lihkeit dem hohen Hause gegenüber nicht zu bewahren, denn er sagte, in den Jahren 1873 und 1874 seien die Regierungsvorlagen aus dem Grund: angenommen, weil der Herr Minister die Gabe besie, seine Reden oratoris auszushmücken und eine rbetorishe Apostrophe an das Haus zu richten. In der Begeiste- rung, die solhe Worte herbeiführten, würden die Negierungsvorlagen angenommen. Meine Herren, ih glaube doch nicht versichern zu dürfen das hohe Haus weiß es ja selbst besser wie eingehend die betreffenden Vorlagen in deu verschiedenen Stadien geprüft wor- den sind und wie wenig das Herz hierbei thätig gewesen ist, sondern immer der Verstand. Das Haus hat ganz bewußt dasjenige ange- nommen, was ihm von Seiten der Staatsregierung vorges{lagen worden. So ist es mit der Berlin-Weßlaer Bahn und mit allen denjenigen Bahnen geschehen, die seitdem gebaut, oder zu bauen unternommen worden sind. Der Herr Vorredner wälzt die Strömungen, welche augenblicklich dahin gehen, das Staatseisenbahn- nei zu vermehren, auf die unglücklichen Konjunkturen der leßten Jahre, auf die mannigfachen hieraus entstandenen Schwierigkeiten. Fa, meine Herren, das mag in einer gewi}en Art richtig sein. Man fann es {on aus den Akten des Jahres 1848 f.nnen lernen, daß damals bei verwandter Lage fast bei allen Privatbahnen der Nuf an die Königliche Staatsregierung erging, hie zu übernehmen, sie zu faufen, weil die trostlosen erhältnifse es nicht mehr gestatteten, den Betrieb mit Aussicht auf gute Erfolge fortzuführen. Hätte die da- malige wirthschaftlihe Nothlage länger fortgedauert, so würde viel- leiht schon in jener Zeit diescr Prozeß sih vollzogen haben. Jch glaube indessen, daß man die, auf das Staatsbahnsystem gerichtete Strömung der Gegenwart nicht hinlänglih erklärt, wenn man sie lediglich auf jene Ursache zurückführt, Es wird Niemanden, auch dem Herrn Vorredner nicht entgehen, daß diese Strömung nicht allein bei uns vorhanden is, sondern daß sie cigentl1ch auf dem

anzen Festlante existirt. Noch vor Kurzem haben wir gesehen , daß eispielsweise die öôsterreichishe Regierung ganz gewaltige An- strengungen macht, um in den Besiß der Privatbahnen zu gelangen, und zwar auf einem Wege, den wir seit vielen Jahren eingeschlagen haben, nämlih auf Grund der geleisteten Utta sih zunächst die Verwaltung der Bahnen und später das igenthum derselben an- zueignen. Es muß also do wohl die Völker des Kontinents das Gefühl durchdringen, daß der Staat auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens starke and, daß er hier einen erheblichen Besiy haben müsse, um die Harde zu erreichen, die auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens im öffcntlichen Interesse anzustreben find. Jch glaube, es ist eine immer mehr zunehmende Auffassung, daß die Eisenbahnen in der That öffentliche Wege sind. Sodann aber muß hevorgehoben werden ih habe es hon in meiner legten Rede fr daß nach meiner persönlichen Ueberzeugung sih immer mehr und mehr ich mag mich ja vielleiht irren das Eisenbahnne verdichtet, daß diese NVerdichtung zwar auf der einen Seite den Wohlstand des Landes heben, also au die Transportmengen vermehren wird, daß aber auf der anderen Seite die Vermehrung der Transporte doch nicht in dem- selben Maße, wie die Vermehrung des Anlagekapitals und die Stei- gerung der Kosten der Bahnen P dürfte. Jch glaube daher, daß nah und nah es unmöglich werden wird, in den Eisenbahnen Privatvermögen anzulegen. Das ma noch ret fern liegen, vielleicht 50, 60 und mehr Sahre dauern, aber daß dieser Prozeß sich bis dahin vollziehen wird, glaube ih annnehmen zu dürfen ch nehme an, daß diese Rnfsuliung leineswegs eine isolirte ist, sie dringt in viele Schichten der Gesellschaft, und auch aus diesem Grunde er- klärt es si, daß man mehr und nun die Eisenbahnen diese öf- fentlichen Wege zu Lasten MRE gen sehen will, der \{ließlich diese Bürde doch allein zu Hg m Stande sein wird.

Meine Herren! Wenn dies die Grundlage der augenblicklichen Richtung sein dürfte, fo Ne ih sie viel weniger in dem Umstande, daß man, wie der Herr Vorredner meinte, sich nah dem Polizeistaat sehnt, daß man eine wirthschaftliche Reaktion, wie er es nannte, in- auguriren will. Ich bin vielmehr der Meinung, daß diese Wand- lungen und Strömungen in der öffentlichen Meinung mit einer wirthschaftlichen Reaktion gar keinen Zusammenhanz haben. Wenn