1877 / 301 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Dec 1877 18:00:01 GMT) scan diff

auch des andern größeren Eisenbahngeseßentwurfs keineswegs schon gegeben ist. Jn Beantwortung einer bezüglichen Fnter- pellation erklärte der Minister von Pfreßschner: die Erhebungen über den Ausbau der Pfälzer Bahnen seien noh nit abgeschlossen, doch sei eine Vorlage darüber auf dem gegenwärtigen Landtage noch möglich. Der Bahn- bau Lohr-Wertheim wurde mit 121 gegen 31 Stimmen bewilligt. Die Berathung des Etats des E tg Mipiteriums wurde auf morgen verschoben.

enn dieser Etat morgen zur Erledigung gelangen kann, bis nah dem Neujahrsfeste vertagen. Am Freitag wollen sich dann die Mitglieder des Finanzausshu}ses nach Nürnberg begeben, um Einsicht von dem Bayerischen Gewerbemuseum ju nehmen, nachdem \ich dasselbe um Bewilligung einer erheblihen Summe an die Kam- mer gewendet hat. Nachdem die Kammer der Reichs - räthe S den Geseßentwurf bezüglih der Tax- und Stem- pelgebühren nah den en der Abgeordnetenkammer an- Ven hat, ist hierdurch der erste Gesammtbeschluß dieser

andtagssession erzielt worden. Dem Vernehmen nach steht eine weitere Verlängerung der Dauer des Landtags, und zwar bis Ende Januar, alsbald zu erwarten.

Sachsen. Dresden, 20. Dezember. Die Zweite Kammer bewilligte in ihrer heutigen Sizung den Etat des Gesammt-Ministeriums nebst Dependenzen, indem sie gleih- zeitig beshloß, die Staatsregierung zu ersuchen, der nächsten Ständeversammlung eine Vorlage, die geseßliche Feststellung der Wirksamkeit der Ober-Rehnungskammer und deren Verantwortlichkeit, insbesondere auch den Ständen gegenüber betreffend, zugehen zu lassen.

Württemberg. Stuttgart. 19. Dezember. (Cöln. Ztg.) Die Prinzessin Marie von Württemberg, Gemahlin des Thronfolgers Prinzen Wilhelm, is heute von einer Prinzessin glüdlih entbunden worden.

Baden. Karlsruhe, 20. Dezember. (Cöln. Ztg.) Der Großherzog ist gestern Abend gegen 12 Uhr von der Jn- spektionsreise in den Reichslanden hierher zurückgekehrt.

__ Mecklenburg. Sternberg, 21. Dezember. (W. T. B.) Die Regierung hat in die ständishen Beschlüsse, betreffend die Errichtung eines Landgerichts in Rosto und von Amtsgerichten in Kröpelin und Sülz, gewilligt, aber die Errichtung von Amtsgerichten in Neukalen, Brüel, Rehna und Krackow abgelehnt. Die landschaftlichen Beschlüsse, be- treffend die Dienstaufsiht und das Aversum zu den Kosten E S hat die Regierung ebenfalls ab- gelehnt.

Elsaß- Lothringen. Straßburg, 18. Dezember. (Straßb. Ztg..) Der Landesaus\{chuß erledigte in seiner heutigen 3. Plenarsißung zunächst den Etat der Tabaks- manufaktur (in Einnahme mit 683 938 s, in Ausgabe mit 513 784 A6 50 S). Fn der Debatte wurde die Frage der Einführung des Tabaksmonopols erörtert. Der Etat der Forstverwaltung gelangte in den fortlaufenden Ausgaben mit 691 812 M 50 S, in einmaligen und außerordentlichen Aus- gaben mit 87 500 / zur Annahme. Der Uebershuß des Etats der Forstverwaltung vom 1. Januar bis 31. März 1879 beträgt 949 712 M 50 _S. Ebenso wurden ‘der Etät der Wegebauverwaltung (Einnahme 65737 M 50 ._Z, fort- dauernde Ausgaben 332 965 4, einmalige und Geo lihe Ausgaben 122 945 4) und der Etat der Justizverwal- tung (Einnahme 42425 4, Ausgabe 401 352 4 50 5) genehmigt.

so will sich die Kammer

Oesterreich-Ungarn. Wien, 20. Dezember. (W. T. B.) Der Oberst - Stallmeister Prinz von Thurn und Taxis, der Ober-Landesgerichts-Präsident Weiser, der Oberst-Landmarschall Wodzicki, die Gutsbesißer Graf Kotulinsky und Graf Ladislaus von Thun-Hohenstein, der Prälat Gangelbauer von Krems- münster und der Präsident der Handelskammer Goegl sind zu Mitgliedern des Herrenhauses ernannt worden.

Schweiz. Bern, 19. Dezember. (N. Zürch. Ztg.) Der Ständerath erledigte heute das Budget und überwies das Jnitiativbegehren des Kantonsrathes von Zürih um einst- weilige Einstellung des Bezugs der halben Militärsteuer von den Kantonen und Einforderung von Geldkontingenten nah langer Debatte unter Namensaufruf mit 25 gegen 15 (ultramontane) Stimmen an den Bundesrath zum Bericht und Antrag.

Niederlande. Haag, 20. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat heute, nah Annahme des Budgets, die Vorlage, betreffend die Revision der Ein- theilung der Wahlbezirke, durh welche die Zahl der Deputirten um 6 vermehrt werden soll, mit 45 gegen 31 Stimmen angenommen. Von den antiliberalen Parteien war die Vorlage heftig bekämpft worden. Schließlih vertagte sih die Deputirtenkammer auf unbestimmte Zeit.

Großbritannien und Jrland, (A. A. C) Der kleine Grenzkrieg, den die indische Regierung egen die Jowak is zu Mio hatte, ist, den neuesten erihten aus Lalcutta zufolge, als beendigt zu be- trahten. Beide gegen die räuberishen Stämme ausge- sandten militärischen Expeditionen sind erfolgreich gewesen. Die Stämme vermochten niht der Artillerie Widerstand zu leisten, und die Zerstörung von Jammu, Bori und anderer En Dörfer in ihrem Territorium {üchterte sie vollständig ein. Die leßten Depeschen melden indeß, daß am 12. d. Mts. die Jowakis einen großen Rath in prr hielten, in welchem beschlossen wurde, sich auf keine Unter- handlungen einzulassen, so lange englishe Truppen in ihrem “Territorium bleiben. Andererseits is} die indische Regierung entschlossen, niht eher die Truppen zurückzurufen, bis die Stämme sih bedingungslos unterworfen haben. Ueber den Nothstand in Fndien meldet das übliche Wochentelegramm bel Vizekönigs, daß die Aussichten im Allgemeinen sich gebessert aben.

Frankreich. Paris, 20. Dezember. (W. T. B.) Der rer der Rechten des Senats, Bernard, läßt in den konservativen Organen Namens der Rechten, im Gegensaß zu den verbreiteten GerüWhten, die Erklärung veröffentlichen, daß der unbedingte Beistand der Rechten be- hufs Eg der Politik des Widerstandes keinen Augen- blick für irgend Jemand zweifelhaft gewesen sei. Dem

„Temps“ zufolge wäre d‘e Vereinigung des Post- und Telegraphenwesens nunmehr vollendet. Beide Ver- kehrszweige würden unter die Direktion des Staats-Sekretärs Cochery gestellt. K

Das anal officiel“ vom 19. d. M. ver- öffentliht außer den angekündigten Personalveränderungen in den Präfekturen von 83 Departements unter anderen Er- nennungen die des Deputirten Savary zum Unter-Staats- sekretär im Justiz-Ministerium und des Hrn. Henry Aron, eve beim „Journal des Debats“, zum Redacteur der amt- ichen Blätter (,„Fournal officiel“ und „Bulletin français). Auf Grund eines im Ministerrath gefaßten Beschlusses ist, der „Fr. C.“ zufolge, der General-Postmeister angewiesen wor- den, den auswärtigen Blättern ohne Unterschied der Parteifarbe wieder freien Eintritt in Frankreich zu gestatten. Telegraphisher Meldung von der Jnsel Réunion (über Aden) zufolge is dort der Republifaner Hr. von Mahy ms Fo 899 von 12 300 Stimmen zum Abgeordneten gewählt worden.

Türkei. Konstantinopel, 20. Dezember. (W. T. B.) Sa dyk Pascha, welcher zum Präsidenten der Deputirte n- kammer gewählt worden war, hat die Annahme der Wahl abgelehnt; es findet demnach eine neue Präsidentenwahl statt. Die Deputirtenkammer hat heute 3 Kandidaten für die Präsidentschaft ci Us aus denen der Sultan den Präsi- denten wählen wird. Diese Kandidaten sind : Hassan, Fehmi Effendi, FJenichehirli Effendi und Assim Mollah, sämmtli Muhamedaner. Suleiman Pascha ist hier eingetroffen. Der Sultan hat demselben den Osmanie-Orden erster Klasse mit Brillanten verliehen. ¿

Nußland und Polen. St. Petersburg, 21. De- zember. (W. T. B.) Kaiser Alexander wird, den-bis- herigen Dispositionen zufolge, am Sonnabend, den 22. d. M., Lk 10 Uhr Vormittags, mit der Warschauer Bahn hier ein- reffen. :

Amerika. Washington, 18. Dezember. (Reuters Bureau). Es wird hier amtlich berichtet, daß die Unruhe- stister in El Paso in Texas nur aus 300 texani schen Einwohnern bestehen. Es haben keine Mexikaner den Fluß daselbst. überschritten, da die mcxikanischen Behörden jede Ueberschreitung positiv verboten hatten. (Die A in El Paso sind in Folge des bestrittenen Besißes gewisser Salzteiche entstanden und rein örtlicher Natur.) Jn einem heute abgehaltenen Kabi nets rath wurden Telegramme verlesen, welche andeuten, daß die Unruhen in der Abnahme be- griffen sind. Mr. Jarley -(Demokrat) ist zum Sekretär für Kalifornien an Stelle des Republikaners Mr. Sargent gewählt worden.

San Francisco, 1. Dezember. Das hiesige „zzournal of Commerce“ vom 14. v. Mts. enthält eine Uebersicht der Produktion von Edelmetallen in den Minen der Vereinigten Staaten von Amerika und in British Columbien für das Jahr 1877. Unter den Minen hatte ahres County“ in den ersten drei Quartalen des laufenden

ahres einen Ertrag von 26 560 200 Dollars, für das ganze ahr würde der Werth der Produktion derselben sih auf bei- nahe- 35 413 00&,Dollaxs stellen. L i m „EuLeka ‘Distkikt“ ‘ist der monatliche Ertrag an Blei und Silber auf eine Million Dollars berechnet, maht jährlich 12 Millionen Dollars, darunter für 10 Millionen Dollars Silber. Die andern Bezirke von Nevada werden wenigstens für 2 500 000 Dollars, die Mine Tailings für 2 Millionen

produziren. Dies macht für N 50 000 000 Doll.

Nevada

Kalifornien . 20 000 000 Kolorado . 10 000 000 Utah S 6 000000 Bla Hills 2 500 000 Arizona 2 000 000 JIdaho . 1500000 Montana . 2 500 000 Neu-Merxiko 500 000

Oregon and Washington 1 500000 ,„

| Jm Ganzen 96 500 000 Doll.

Wird der stets nah San Francisko kommende Betrag von British-Kolumbien mit 1 500 000 Doll. zugerehnet, so beträgt der Gesammtwerth der 1877 produzirten Edelmetalle nicht weniger als 98 Millionen Dollars.

Von dieser Summe kommen auf das Silber:

aus Nevada . E 33 000 000 Doll. Kalifornien 500000 Kolorado 6 000000 ,„ Utah. 5 500000 , Arizona . 1500000 Jdaho . 250 000 Montana . 300000 ,„ Neu-Mexiko 250 000

‘Macht Silber pro 1877 für 47 300 000 Doll. Bleibt für Gold ein Ertrag von 50700000 ,„

Der russis{z-türkische Krieg.

Aa 20. Dezember. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach ist der Pforte auf die Cirkulardepesche, betreffend die Med iation , bis jeßt außer der Empfangsbe stätigung keine weitere Antwort Seitens einer der Großmächte zugegangen.

__ London, 2. Dezember. (W. T. B.) Die „Times“ ist nicht der Ansicht, daß das Motiv für die Einberufung des Parlaments die Forderung eines Kredits für mili- tärishe Maßnahmen wäre. Die Forderung eines Kredites sei allerdings sehr wahrscheinlich, indessen nur zu dem Zwee, um gewisse Jnteressen Englands im Auslande mit diesem Gelde zu shüßen.

St. Petersburg, 21. Dezember. (W. T. B.) Der „Gol os“ bespriht die Einberufung des englischen Parlamentes und die voraussichtlihen Maßregeln des Cart Ben Kabinets und hebt hierbei hervor, Rußland könne den Ablauf dieser politishen Episode ohne Besorgniß abwarten und in der begonnenen Sache ruhig fortfahren in der vollen Ueberzeugung, daß die Jntriguen Lord Beacons- fields den Triumph Rußlands nicht verhindern würden.

Europäischer Kriegsschauplaßt.

Bukarest, 20. Dezember. (W. T. B.) Der Kaiser Alexander hat von der rumänischen Grenze aus ein Tele- gramm an die Fürstin von Rumänien gerichtet und in

„den Balkan nah

demselben seinen Dank für den ihm in Rumänien bereiteten Empfang ausgesprochen. Das Telegramm s{chließt mit den Worten: Möge uns Gott gestatten, möglichst bald einen er- sprießlihen und ruhmreichen Frieden zu s{ließen. Fürst Karl von Rumänien hat einen Tagesbefehl an die rumänische Armee erlassen und derselben darin im Namen des Landes und in seinem eigenen Namen für ihre glänzen- den Thaten und für ihre aufopfernde Tapferkeit gedankt. Konstantinopel, 20. Dezember. (W. T. B.) Einem Telegramm Chafk ir Paschas aus Kamarli vom 19. d. zu- folge - ist von Etropol her eine heftige Detonation gehört worden. Man glaubt, daß die Russen Minen sprengen, um Wege herzustellen. Weiter wird aus Kamarli hierher gemel: det, daß die dortigen even mit Schnee und Eis bedeckt und die Engpässe unpassirbar sind. __ Konstantinopel, 21. Dezember. (W. T. B.) Alle einexerzirten Truppen der hiesigen Garnison, die nah dem Kriegsschauplay entsendet wurden, sind durch neue aus den Provinzen kommende Rekruten erseßt. Der Sultan get die Bitte der Eleven der Militärshule, auf den Kriegs- chauplaß gesendet zu werden, bewilligt. Die Vorbereitun- gen zur Vertheidigung des Balkan werden fortgeseßt. Wien, 20. Dezember. (W. T. B.) Telegramme der „Presse“: Aus Bukarest vom 19. d.: Die Verwaltung der rumänischen Eisenbahnen ist benachrichtigt worden, daß dem- nächst 24 000 Mann mit Pferden und Geschüßen nach Bul- garien durchmarschiren würden. Aus Sistowa: Bei der Insel Warden und bei Satunowo sollen zwei neue Brücken über die Donau errichtet werden. Die Hauptmacht S u- leiman Paschas hat sih aus der Umgebung von Rustschuk zurückgezogen. Aus Konstantinopel: Die Vertheidi- ung in Rumelien wird neu organisirt. Suleiman ascha erhielt den Befehl, seine ganze Armee unter Zurü- lassung der für die Festungen crforderlihen Besazungen über ' umelien zu dirigiren. Derselbe ift hier eingetroffen, um an den Berathungen eines Operationsplanes

theilzunehmen. London, 20. Dezember. (W. T. B.) Dem „Bureau

Reuter“ wird aus Konstantinopel gemeldet, daß Man- thorpe den Oberbefehl über die mit der Blokade der Krim beauftragten Flottenabtheilung crhalten hat:

Nach den bis zum 13. Dezember reichenden Nachrichten der russischen Verlustlisten sind auf dem europäischen Kriegs- schauplage 4 Offiziere und 46 Soldaten gefallen, 27 Offiziere und 63 Soldaten verwundet worden, und außerdem sonst noch 2023 Offiziere und Soldaten -als kampfunfähig aus der Front geschieden. Mit diesen Verlusten von 2163 Mann zusammen Ee der Gesammtverlust bis zum 13. Dezember 77 658

ann.

__— Der Korrespondent der russishen „Neuen Zeit“ ent- wirst eine Schilderung der Zustände, wie die Russen sie nah dem Einrücken in Plewna vorfanden. Er schreibt unter dem 12, be:

„Man entdeckte in Plewna und in der Umgegend Massen von Leichnamen. Die Keller der Häuser sind damit angefüllt, den tür- kishen Verwundeten ward Hülfe erst von den Russen zu Theil, Mehrere Hospitale waren von den Türken verlosen worden, welche die Verwundeten vor Hunger und an ihren Wunden umkommen ließen, ohne ‘ihnen ein Obdach zu gewähren. Bei einem GEeeN . Besuch der Stadt fanden wir in 17 Häusern

eichname in Verwesung. In Plewna herrscht die größte Thätig- keit. Man begräbt die Todten, man reinigt die Keller und die Häuser, man ernährt die zahlreichen Hungernden und räumt die größten Häuser aus, um dort die türkishen Verwundeten niederzu- legen. Die Straßen sind von den Leichen gesäubert und aus den Gefangenen hat man Abtheilungen von Krankenwärtern, Straßen- kehrern u. \. w. organisirt. Bei den reihen Bulgaren hat man Gefkreidevorräthe gefunden, welche den Türken entgangen sind. Die türkishen Soldaten leiden viel von der Dyssenterie, bei den unsrigen ist noch kein Fall vorgekommen.“

Aus Simnigza, 14. Dezember, geht der „Pol. Korr.“ folgender Bericht zu :

„Die strategishen Folgen der Katastrophe von Plewna sind vor der Hand in ihrem ganzen Umfange noch nicht abzusehen. Man hat noch mit der Dislokation der gefangenen türkischen Armee, mit der Neubildung der taktishen Unitäten, mit allerlei Wechsel in dea Kommandos, mit der Vorbereitung des Weitermarsches und der Fe it- stellung des zu befolgenden Kriegsplanes vollauf zu thun. Es ist wahrscheinli, daß erst nah der Abreise des Kaisers Alexander der Abmarsch der Armee vor sich gehen werde. Nur die südli von Plewna gestandenen Abtheilungen Skobelefs und die russischen Garde- und Grenadier-Abtheilungen, welche den westlichen Theil der Cernirungslinie gebildet haben, haben sh {on nach Lowtscha und Selwi in Bewegung geseßt. Von den türkischen Gefangenen werden 10,000 ann über Turnu-Magurelli unter rumänischer Be- deckung nach Bukarest marschiren und die anderen 26,000 tür- fishen Gefangenen werden, von einer rumänischen Division bewacht, in verschiedenen Orten Rumäniens internirt werden. Der Anblick Plewnas soll für die eindringenden Russen und Rumänen ein über- raschender gewesen fein, Erstens waren die von den Türken errichteten Werke von dem Feuer der Belagerer nur unbedeutend beschädigt; die Stadt selbst hat mehr gelitten; was aber allgemein auffiel, ist die Ordnung, welche in dem von der türkischen Armee während 44 Mo- naten beseßten Städtchen herrs{chte. Die Straßen waren in fahr- barem Zustande, die Häuser - vechältnißmäßig reinlih gehalten und nit verwüstet, die Kirchen aller Konfessionen respektirt. Im Allge- meinen zeigt der Anblick der Stadt, der Befestigungen und sogar der

efangenen Armee von einer umsihtsvollen, bei orientalischen Ver- hältnissen ungewohnten Leitung. Man fühlte überall die eiserne Hand eines erprobten, einsihtsvollen Führers, der den Bedürfnissen einer Armee Rechnung trug und auf Alles bedacht war. Nur der anitäre Zu- stand ist erbärmlich gewesen Die Hospitäler waren mit Kranken und Verwundeten überfüllt, denen es an Allem fehlte. Der Mangel an Aerzten war ein großer und die wenigen, welche da waren, hatten weder Verbandzeug, noch Medikamente, sogar die chirurgishen In- strumente waren durh den Gebrauch größtentheils abgenüßt und un- brauchbar geworden. Am fühlbarsten war in leßterer Zeit der Mangel an Brennholz. Der \{lechte sanitäre Zustand und der Mangel an Feuerungsmaterial sollen es besonders gewesen sein, welche Osman Pascha zu dem entscheidenden Durhbruchsversuche zwan“ gen ; denn nach Aussage von Augenzeugen ist ein Proviantvorrath no für mehrere Wochen gefunden worden. Was die erbeuteten Trophäen betrifft, \heint Osman Pascha auch in dieser Hinsicht seine Pflicht bis zum leßten Augenblicke erfüllt zu haben. Nach Aussagen der gefan- enen Öffiziere oll er alles Krieg8material, welches er bei seinem Durch- ruche nicht mitnehmen konnte, vernichtet oder vergraben haben. Kanonen, für welche keine Bespannung mehr vorhanden war, wurden dur Dynamit zerstört. Im Kampfe selbst sah man nur zwei Fahnen flattern, kurz, e: wurde türfkischerseits Alles gethan, um den russish- rumänishen Erfolg so viel wie mögli zu verringern und denselben wenigstens des äußeren Glanzes zu berauben. Es is unmöglich, daß ur Urmirung der Werke, der e anan und für den unumgaäng ih nothwendigen Artilleriebedarf einer Armee von 50000 Mann 77 Kanonen genügt hätten. Hier herrscht nur einstimmige Anerkennul0 der Haltung des türkischen Generals. Vom fahmännishen Standpun!le ist viel an seiner E gmetle der leßten Zeit Rees: vont Standpunkte der Kriegsmoral aber kann sicherlich das Benehmen

Osman Paschas nur als ein Muster strenger Anshauung von mili- tärisher Pflicht und Ehre gelten. Sobald es im russischen e quartiere bekannt wurde, daß Osman Pascha sich ergeben habe und verwundet sei, ließ Kaiser Alexander ihm einen Hofwagen anbieten, um sich zu ihm zu begeben, worauf Osman Pascha dankend ant- wortete, daß er bei seinen Soldaten bleiben wolle. Hierauf besuchten ihn Fürst Karl und Großfürst Nikolaus und drückten ihm die Hand. Als der Kaiser am 11. d. in Plewna einzog, gab er dem türkischen General seinen Säbel wieder. Die Wunde Osman Paschas ift nicht so \chwer, als man glaubte; dieselbe wurde durch einen Grandt- splitter verursaht. Man hofft, daß bei der ihm zu Theil werdenden sorgfältigen Pflege die Wunde keine üblen Folgen haben dürfte.

Auf dem ofstbulgarishen Kriegsschauplate ist Sulei- man Pascha wieder einmal mit dem Kopfe gegen die Mauer gerannt! Wie bei Schipka und bei Elena hat er sich auc auf seinem reten Flügel vor der russishen Stellung in Metschka verbissen. Schon zwei Mal war ihm die Forcirung der unteren Jantra-Linie dort mißlungen. Troßdem unternahm er am 12. neuerdings einen äußerst energisch durchgeführten Vorstoß auf dieselbe Stellung. Schon am 11, d. M. Nachmittags ließ er 25000 Mann bei Krasna über den Lom-Fluß seßen, so daß der Großfürst Wladimir volle Zeit hatte, si für den Angriff am 12. vorzubereiten. An diesem Tage drangen 49 türfishe Bataillone über Han-Göl-Cisme gegen die russischen Stellungen in Metschka vor und griffen dieselben mit Ungestüm an, während andere Abtheilungen gleichzeitig über Trestenik dieselben zu umgehen suchten. Beides gelang nicht und bis 2 Uhr waren alle türkischen Angriffe durch das 12. russische Corps abgeschlagen. Die Türken er- litten bei ihren wiederholten Sturmangriffen auf die vershanzten russishen Stellungen sehr qroße Verluste. Um 3 Uhr Mien russische Abtheilungen, welche von Bebrowa und Obertenik herbeigeeilt waren, in den Kampf ein, indem sie den linken türkischen Flügel umgingen undeden ohnedies {hon dezimirten Abtheilungen in die Flanke fielen In dem Augenblicke ging die ganze russishe Linie zur Offensive über. Unaufgehalten drangen die frischen russishen Truppen rets von der Rustschuker Chaussee vor, die Türken vor si treicend, und zwangen dieselben, sih auf Krasna und Soudzik, anstatt auf ihre Operationsbasis Jovan Tschiftlik-Kossowa, zurückzuziehen. Man er- klärt sih in fahmännischen Kreiscn diesen Versuch Suleiman Paschas dur dringende Befehle aus Konstantinopel, welhe ihm noch vor dem Falle Plewnas geschickt wurden, Osman Pascha um jeden Preis zu degagiren. Wahrscheinlih wird dieser Vorstoß das leßte offensive Vorgehen der Türken in Nord-Bulgarien sein; fortan find dieselben {on durch die Ueberlegenheit der Russen an Zahl, auf strenge De- fensive angewiesen.“ |

Die „Times“ bringen aus Bukarest, 16. d. M., nachstehenden Bericht ihres Korrespondenten: E

„Auf meiner Reise von Plewna nah Bukarest war ich über- rast, die Straßen in gutem Zustande zu finden, mit Ausnahme derer in der Nähe von Bogot und einem kleinen Theile der Straße ent- lang der Donau oberhalb Sistowa. Schöne Chausseen sind über die Inseln zwishen den Pontonbrücken gelegt worden und die Zugänge in Simnißza und Sistowa sind beide -in guter Verfassung. Die Straßen sind hier erhöht und eingedeiht worden, so daß die Bildung grundloser Gruben nah jedem Regenschauer nicht mehr befürctet zu werden brauht. Große Hospitäler sind in Simniga und Petroscheni errihtet worden. Depots von irgend welcher Bedeutung sind bislang in Bulgarien nicht gebildet worden.“

Konstantinopel, 20. Dezember. (W. T. B.) Der Kommandant von Charkeni meldet, daß eine serbische Kavallerie-Abtheilung ein türkishes Rekognos- zirungs-Detachement bei Sion am Ufer des Temirka- slusses angegriffen habe, aber zurückgeshlagen worden sei. Die Serben hätten bei diesem Kampfe 15 Todte verloren.

Wien, 2. Dezember. (W. T. B.) Der „Pol. Korr.“ wird aus Belgrad vom heutigen Tage gemeldet: Der Be- seßung von Profkoplje dur serbishe Truppen ging ein mehrstündiger Artilleriekampf voraus. Die Türken steck- ten vor ihrem Rückzuge 30 Häuser und Magazine in Brand. Unter den Gefangenen befindet sih ein verwundeter englischer Arzt. Die Serben beseßten auch Kurschumlje, südwestlih von Prokoplje. i

Dem „Standard“ telegraphirt man aus Semlin, 16. d. M.:

„Gleich nach der Unabhängigkeitserklärung Serbiens marschirte die Morawa-Armee unter Leschjanin von Supovaß ab. Gestern Morgen ging sie ‘über die Grenze und beseßte ohne Widerstand Setschanißa und Topolniza, wo Verschanzungen errichtet werden. Leschjanins Corps zählt eiwa 18000 Mann mit 48 Geschüten. An der Drina haben die Türken die serbishen Vorposten bei Bujukli- jada angegriffen, doch ohne Erfolg. Fürst Milan ging heute um 7 Uhr Morgens von Belgrad nah dem Hauptquartiere ab, begleitet von dem russischen Obersten Pubrikoff und dem General Protics.“

Einer der „Pol. Korr.“ unterm 20. - aus Zara zu- gegangenen Meldung zufolge machte die türkische Besaßung von E odgoriba einen Ausfall und drängte die Monte- negriner gegen die montenegrinishe Grenze zurück, in der offenbaren Absicht, Skutari und Antivari zu entseßen. Die montenegrinishen Truppen halten die Antivari beherr-

- jhenden Positionen beseßt.

Asiatischer Kriegsschauplaß.

St. Petersburg, 21. Dezember. (W. T. B.) Of fi- zielles Telegramm aus Tiflis vom 20. d.: Am 17. d. nahm unser Detachement unter General Kamaroff Ar- danutsch. Unser Verlust bei diesem Kampfe is ganz un- bedeutend.

De: W. „Presse“ wird unterm 20. aus Tiflis ge- meldet: General Heimann forderte die Konsuln in Erzerum auf, mit ihren Staatsangehörigen die Stadt zu verlassen, da eine Belagerung und Beschießung derselben bevorstände.

London, 21. Dezember. (W. T. B.) Einem Telegramm des „Reuterschen Bureaus“ aus Erzerum zufolge befindet sich das Gros der russishen Armee jenseits des Soghanli. 10 Bataillone russisher Jnfanterie sollen von Alexandrapol nah Kars abgesandt sein. Der Kommandant der Division von Bajazid, General Tergukassoff, soll mit 12 Bataillonen nah Batum marschiren.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des statistishen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standes8ämtern in der Woche vom 9. De- ember bis incl. 15. Dezember cr. zur Anmeldung gekommen: 170 Ehe- V blehungen. 898 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene, 501 Sterbefälle.

Gewerbe und Handel.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Alexander hat die Kaufleute und Fabrikanten August Friédrih und Gustav Devrient (ia Firma: Hensel & Schumann zu Berlin) zu Höchstseinen Hoflieferanten ernannt.

Die amm og der Luxemburger Bergwerks- und Saarbrücker Eisenhütten-Aktien-Gesellschaft hat die Dividende incl. Zinsen für das abgelaufene Rechnungsjahr auf 10% oder 80 M resp. 100 Frcs. pro Aktie festgeseßt.

__ Wien, 20. Dezember. (W. T. B.) Wie die „Presse“ er- fährt, hat der Verwaltungsrath der Ungarish-Galizischen Eisenbahn bes{hlossen, den am 1. Januar fälligen Coupon der

Aktien voll einzulösen.

Wien, 21. Dezember. (W. T- B.) In der heute stattgehab- ten Generalversammlung der Dur-Bodenbacher Bahn waren 14 166 Aktien mit 693 Stimmen durch 37 Aktionäre vertreten. Der Seende theilte mit, daß behufs Sanirung der Lage der Gesellshaft ein neues Uebereinkommen mit der „Société Belge“ getroffen sei. Die großen Aktionäre und großen Miicqgi i a hätten \sich indessen gegen das Ueberein- kommen erflärt und sei es der Verwaltung hierauf gelungen, von der „Société Belge“ eine Abänderung diesez Uebereinkommens dahin zu erwirken, daß die Prioritätsobligationen 2. Emission statt mit 3 9% mit 3# °/o verzinft und daß das Aftienkapital statt auf ein Drittel auf die Hälft: reduzirt werde. Die Sitzung dauert fort.

Verkehrs-Anstalten.

Southampton, 19. Dezember. Das Postdampf\chiff „Hermann“ vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welches am 8. Dezember von Newyork abgegangen war, ist heute wohlbe- halten hier angekommen und hat, nach Landung der für Southamp- ton bestimmten Passagiere, Post und Ladung, die Reise nah Bremen sortgesept. Der „Hermann“ überbringt 117 Passagiere und volle Ladung

New-York, 20. Dezember. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Frisia“ und der Dampfer der National- Dampfschiffs-Kompagnie (C. Messing she Linie) „Ftaly“ sind hier eingetroffen.

Berlin, 21. Dezember 1877.

Der Kourierzug 4 der Ostbahn traf am 21. d. Mts. um 8 Uhr 40 Minuten Vormittags, anstatt um 6 Uhr 10 Minuten Vormittags hier ein. Grund der Verspätung: Radreifensprung des Tenders der Zugmaschine in Döllens- Radung, wodurch die Maschine entgleiste. -; A

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D E P A I E O R Lt R E D E E cue E S E E, T Doe UAEE: Een: M M AgrRGE

Ueber die Winckelmannfeier im deutschen archäolo- gishen Institut zu Rom wird der „Allg. Ztg.“ geschrieben :

Rom, 15. Dezember. Das Kaiserlih deutsche arbäologische Institut feierte gestern das Gedächtniß der Geburt Winkelmann 3 durch eine Festsißzung, welche zugleih zur Einweihung des auf Reichs- kosten erbauten neuen Institutsgebäudes diente. Der erste Sekretär, Professor Henzen, gab eine gedrängte Uebersicht über die bisherige Geschichte des Instituts, welhes aus geringen Anfängen im Laufe von bald fünfzig Jahren sich zu einer angesehenen MReichs- anstalt eatwickelt habe. Er hob neben den Verdiensten der ersten Gründer, namentliÞch Gerhards und Bunsens, die Untexstüß :ng hervor, welche dasselbe in {weren Zeiten in der Munificenz des Herzogs von Luynes gefunden, zugleiß ausführend, wie das Bestehen der Anstalt niht möglihch gewesen sein würde, wenn sie nicht einen großherzigen Beshüßer in Friedrich Wilhelm [lV. gefunden bätte, welcher, nachdem er bereits als Kronprinz das Pro- tektorat Übernommen, als König die Gehalte der Sekretäre aus Staatsfonds bewilligte. Er zeigte sodann, wie das Institut, auch nachdem es durch*Se. Majestät den Kaiser Wilhelm während dessen Regentschaft eine förmliche Dotation erhalten, dennoch im Grunde noh einen privaten Charakter bewahrte, bis es nah Wiederaufrih- tung des Deutschen Reichs im Jahre 1871 noch zu Versailles zur preußischen Staats- und im Jahre 1874 bei Gelegenheit der Stif- Lung des Athenischen Instituts zur deutschen Reichsanstalt erklärt wurde.

Schon kurz vorher, ehe das Institut in diese leßte Phase ein- trat, war der Bau des neuen Gebäudes bewilligt worden, das, wie der alte Saal, auf dem Kapitol gelegen, neben dem s{chönen und ge- räumigen Bibliotheks- und Sitzungssaale die Wohnungen der beiden Sekretäre, sowie Zimmer für die Stipendiaten und andere hier wei- lende Gelehrte enthält. Der Vortragende {loß mit dem Hinweis auf die bisherige Thätigkeit des Instituts, welches in seinen Schriften wie in seinen Räumen, ohne Nücksiht auf politische oder nationale Spaltungen, allen, denen die Wahrheit und die Wissenshaft am Herzen liege, einen neutralen Boden biete; daß dem auch ferner so sein werde, das bewiesen niht nur die Büsten der italienishen und der französishen Gelehrten, welche zugleich mit den deutschen sowohl das Innere als die Façade des neuen Saales s{chmüdcken; es bewiese ihm vor allem die zahlreihe Versammlung, welche sich eingefunden, und der Umstand, daß er jeßt das Wort dem größten unter den lebenden Archäologen Italiens, dem alten und bewährten Freunde des Instituts und seinem Kollegen bei der gee des „Corpus iascriptionum ?atinarum“, Hrn. G. B. de Rossi, abtreten könne.

Hierauf nahm Hr. de Rosfi das Wort und besprach die graphi- schen Quellen der römischen Topographie und seiner Monumente bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, fowie ihren Zusammenhang unter einander. Er theilte seinen Vortrag in drei Theile: die Perioden des klassishen Alterthums, des Mittelalters und der Renaiffance. Die erstere betreffend, zeigte er, daß der berühmte kapitolinische Marmorplan aus den Zeiten - des Septimius Severus nicht allein stehe, indem er seinen Ursprung, seine Vorbilder, verwandte und ähn- liche, frühere und spätere Dokumente nachwies. Er verweilte dabei besonders bei den Arbeiten Prof. H. Jordans über den Stadtplan, indem er dessen Verdienste um denselben in anerkennendster Weise hervorhob. Von mittelalterlihen Dokumenten erwähnte er zuerst die Beschreibung eines Palastes, welchen man bisher für denjenigen der langobardischen Herzoge von Spoleto hielt, wäh- red er darin die Beschreibung eines Planes der Kaiserpaläste in Rom wieder gefunden. Sodann besprach er den von Karl dem Gro« ßen besessenen Stadtplan, der nicht ganz verloren gegangen, da sich das berühmte Einsiedlensishe Jtinerar auf denselben zurückführen lasse. Aus der Periode vom 10. bis 13. Jahrhundert habe er keine Spur von römischen Plänen gefunden. Erst im Jahre 1335 erscheine im „Codex Vaticanus 1960“ ein sehr roher Stadtplan, von dem eine Durczeichnung vorlag ; die Publikation desselben bei Höfler sei sehr ungenau. Zwanzig Jahre später beshrieb Fazio degli Uberti Rom in den Versen seines „Dittamondo“, welches Gedicht in einem Pari- ser Coder aus dem Jahre 1447 mit einem Stadtplan aus der Vogel- perspektive illustrirt ist, dem ein älteres Eremplar zu Grunde zu liegen scheint. Hinsichtlih der Periode der Renaissance machte der Vortragende zunächst aufmerksam auf die Handschriften des Ptole- mäus, von denen einige, namentlih die prächtige im Jahre 1472 für die Herzoge von Urbino angefertigte, eine Reihe wichtiger Stadt- plâäne aus der Vogelperspektive eathalten, so von Alexandria, Kairo, Damaskus, Jerusalem, Konstantinopel, Rom u. a. m., von denen er die Photographien der beiden leßten vorzeigte. Die Skizze eines ähnlichen, aber weit reiheren Planes von Rom befindet sih in dem berühmten epigraphishen Coder des Redi, geschrieben von Alexander Strozzi im Jahre 1474; auch von ihr lag eine Photographie vor. Herr de Rossi :eigte sodann wie alle diese Pläne in engstem Zusam- menhange unter sih und mit der unter Augustus angefertigten focma urbis Rowæ stehen, und {loß mit einer Hinweisung auf die zahl- reihen werthvollen Zeichnungen einzelner Oen Monumente, welche, von Architekten des 15. Jahrhunderts herrührend, noch unedirt find. Er zeigte diejenige des Francesco di Giorgio Martini, welche eine Turiner Handschrift etwa aus dem Jahre 1460 enthält und SOFTaG deren Herausgabe in den Abhandlungen der Turiner

ademie. rofessor Helbig besprach einen bei Chiusi gefundenen polychromen Thor Sehr über den er bereits im „Bulletino“ des Instituts Nachricht gegeben. Er zeigte zunächst, wie derselbe, da in ihm ein As gefunden, das dem Uncialfuß angehört, nicht vor 217 v. Chr.

verfertigt sein kann, während die auf dem Kasten angebrachten Schalen mit eingepreßten Blatt - Ornamenten auf die zweite Hälfte des 3. oder die erste des 2. Jahrhunderts hin- weisen, da sie den mit lateinischen Namen versehenen Calener Vasen ähnli sind. Sodann wurde die Wichtigkeit des Mo- numents für die Kostümkunde hervorgehoben. Während die griechische und die von ihr abhängige römishe Kunst di: Tracht der Wirklichkeit nah ästhetishen Gesichtspunkten vereinfaht, hat die etrusfishe an den Deelfiguren die Einzelheiten der Toilette g:znau wiedergegeocn. Die Finger der linken Hand z. B. sind mt einer Menge von Ringen bedeckt, wie es im wirklihen Leben gewöhnli war. In dem Hellviolett, welhes an bezeichnenden Stellen die vvr- herrschende Farbe der Gewänder, das Weiß, nüancirt, erkannte der Vortragende die purpura ametbystina oder ianthina, und wies {ließ lih darauf hin, daß die Figur die tanica interior zeigt, deren Dar- stellung in der Plastik sehr selten ist.

Die Versammlung, welcher der Kaiserlihe Botschafter, Hr. von Keudell, mit den sämmtlichen Herren von der Botschaft und viele einheimische und fremde Notabilitäten beiwohnten, verweilte auch nah dem Schlusse noch längere Zeit in den {önen Räumen der Schöpfung des deutschen Architekten Hrn. Paul Laspeyres und sprach namentlich ihre Verwunderung des Treppenhauses und des großen Saales aus, welcher der allmählich bedeutend an- gewahsenen, durch das Vermähtniß des Dr. Parthey ansehnlich vermehrten Bibliothek die würdigste Unterkunft gewährt. Letztere ist in den jüngst verflossenen Monaten nach den Anforderungen der bibliothekarishen Wissenschaft von Hrn. Dr. Klüg- mann unter aufoxfernder Beihülfe Hrn. Dr. Kieseritzky's neu kata- logisirt und geordnet worden, und gewährt fremden und einheimi- {en Gelehrten für ihre Studien die reihsten Hülfsmittel. Den Saal s{chmüdckt, außer der bereits früher vorhandenen Büste König Friedri Wiltems 1V., das Porträt Sr. Majestät des Kaisers von der Hand des Bildhauers Kopf.

Soeben ist von der Verlagsbuchhandlung von Justus Perthes in Gotha der „Gothaishe Genealogische- Hofkalender“ für das Jahr 1878 ausgegeben worden. Es ist dies der 150. Jahrgang dieses \o verdienstlichen, fast unentbehrlichen Handbuches. Die Redaktion iit wiederum überall bemüht gewesen, die neuesten Angaben herbeiz1- bringen. Wie in früheren Jahren giebt auch dieëmal der Kalender zuverlässige Auskunft einerseits über den Personalstand der regieren- den Häuser, sowie der hervorragendstey Familien des euroväishen hohen Adels, andererseits eine gedrängte und doch anschauliche Uebersicht über die Verhältnisse der Staaten hinsihtlih ihrer inneren Organisation, ihrer politischen Bedeutung, ihrer Finanzen und ihres Verkehrs. Das Material ist in gleihartigen Gruppen zusammen- gestellt und in systematisher Weise geordnet, so daß sich im fleinsten Rahmen doch ein deutlichhes Bild ergiebt, welches die Beurtheilung der Verhältnisse der Staaten nach allen Seiten hin erleichtert. Was den ‘genealogischen Theil betrifft, so ist die bisher angenommene Ein- theilung beibehalten und nur auf Vervollständigung der ver- schiedenen Artikel, sowie auf Wiederaufnahme einzelner, im vorigen Jahrgange nur hinweisend aufgeführter Familien- artikel Bedacht genommen worden. Im politishen Theile ist besondere Sorgfalt verwandt auf die Mittheilungen über die Organisation und die Stärkeverhältnisse der verschiedenen Armeen und Flotten. Jun die Handelsstatistik ist eine ausführlichere Ueber- sicht über den Handel Frankreihs nach den amtlihen „Documents gur le c-mmercs de la France” eingefügt und hierbei, wie au bei allen anderen Ländern, der besseren Uebersiht wegen das in Deutschland adoptirte System der Waareneintheilung in An- wendung gebracht. In Betreff der Areal- und Bevölkerungs- angaben ist die Redaktion bemüht geblieben, die neuesten und zuver- lässigsten Zahlen herbeizushaffen. Hervorzuheben ist, daß für das Deutsche Reich die definitiven Ergebnisse des Census vom 1, Dezember 1875 benußt worden find. Neue Volkszählungen haben in europäischeà Staaten seit vorigem Jahre nicht statt- gefunden, ausgenommen in Frankreih. Die Hauptergebnisse der französishen Zählung find aber erst am 8. November publizirt wor- den und haben daher nur in den Nachträgen eine Stelle finden fönnen. Auf Grundlage der offiziellen Berehnungen und Schäßungen sind dagegen für viele Länder neue bevölkerungsstatistishe Angaben beigebracht. So sind neue Areal- und Bevölkerungszahlen für das britische Reich, besonders für dessen Kolonien, für Japan, Montenegro, die Niederlande, Oesterreih-Ungarn, Portugal, die Schweiz und Venezuela, neue Bevölkerungsangaben für Belgien, die französischen Kolonien und Algerien, Haiti, Italien (in den Nachträgen), Paraguay, Peru, Finnland, Schweden, die Türkei, Serbien, Samos und Uruguay, neue Arealzahlen für Preußen eingestellt und die Areale von Baden, Hessen, Waldeck und Hamburg berichtigt Aus der Reihe der selbständigen Artikel sind die Trans- vaalshe R-:publik wegen ihrer am 12. April d. F. erfolg- ten Einverleibung in die britischen Besißungen und Tripolis, das nur eine Provinz des türkishen Reiches ist, gestrichen. Dafür ift nach dem in dem Hofkalender stets beobachteten Prinzip, nah welchem alle diejenigen Staaten“ in selbständigen Artikeln behandelt werden, die in diplomatischer Beziehung zu Europa stehen, das Königreich Annam neu aufgenommen worden, wo Vertreter Frankreichs in den neu eröffneten Häfen installirt find. Zu dea vergleichenden Tabellen im Anhange sind mehrere neu hinzugekommen. Dahin gehören die Tabellen über die Armeen und Flotten der europäischen Staaten ; die Angaben über Frequenz und Einnahmen der Eisenbahnlinien Europas von Professor Dr. Stürmer in Bromberg und über Produktion 2c. der Edelmetalle, Münz- und Bankwesen von Dr. Ad. Soetbeer in Göttingen. Wie die Redaktion in der Vor- rede anführt, haben diese beiden Herren diese Tabellen eigens für den Gothaer Almanach ausgearbeitet. Die genannten Eisenbahn- tabellea füllen în der Verkehrsstatistik des Almanachs infofern eine wesentliche Lüdke aus, als bisher nur auf die Längen der Bahnnete, nicht, wie dies bei der Post und den Telegraphen geschehen ist, auf ihre Leistungen Rücksicht genommen wurde, während die Soetbeerschen Vebersichten wegen der allgemeinen und bedeutenden Wichtigkeit ihres Gegenstandes als nüßliche Zugabe angesehen zu werden verdienen.

Eine Zierde des vorliegenden Jahrgangs des Kalenders bilden die demselben beigefügten, vortrefflich ausgeführten Bildnisse des Prinzen Wilhelm von Preußen, der Prinzessin Thyra von Dänemark, der Erzherzogin Antoinette und des jeßigen Präsidenten der Ver- einigten Staaten von Amerika, Rutherford B. Hayes.

Gleichzeitig mit dem Hofkalender sind die Jahrgänge für 1878 von den in demselben Verlage erscheinenden genealogischen Taschen- büchern der Gräflichen und derFreiherrlichen Häuser aus- gegeben worden. Von dem erjteren ist der vorliegende Jahrgang der 51., von dem leßteren der 28. Beide find nah den bewährten Prin- zipien fortgeführt, und soweit nothwendig einer Revision resp. Er- neuerung Ls worden. In dem Gräflichen Taschenbuche betreffen die eingetretenen Erweiterungen zunächst die neu aufgenommen Artikel über 6 Gräfliche Familien. Alsdann sind die ausgeschiedenen histo- risch-genealogishen und heraldishen Mittheilungen durch neue Ma- terialien erseßt worden, welche zur Förderung der Geschichts- und Wappenkunde der Gräflichen Geschlechter beitragen. Von den seither dargestellten Freiherrlihen Genealogien haben diejenigen eine Erneue- rung gefunden, welche erst in der leßten Ausgabe des Taschenbuches zur speziellen Ausführung gelangt sind. An diese reihen sich 20 ganz neu aufgenommene Familien an. Somit ergänzen sich der 28. und der 27. Jahrgang wiederum gegenseitig. Als Titelbild ist diesmal dem Gräflichen Taschenbuch das Porträt des Kaiserlichen und Königlichen österreihish-ungarishen Botschafters zu Paris, des Grafen Felix von Wimpffen und dem Freiherrlichen Taschenbuche das Bildniß des Kaiserlih Deutschen Botschafters a. D. des Freiherrn Carl von Werther beigegeben.

worden.

Im Stadt-Theater geht morgen, Sonnabend, „Dur- gebrannt“ oder „Die Herren Verwaltunzgsräthe“ zum ersten Male in Scene.