1901 / 28 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Feb 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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brau, Ue ten über die Produktionsverhältnisse u. f. w. ent- halten: deshalb ind auch bei allen diesen MEE Ungen die Quellen n. Wenn im Zusammenhang hiermit des Wirthschaftlichen Ausfhusses edaht wird, fo möchte ih als Mitglied desselben hier bezeugen, daß dort mit der größten Unparteilichkeit gearbeitet wird. Á Cahensly (Bèntr.) begrüßt ebenfalls die Absicht, die „Nachrichten für Handel und Industrie“ ständig weiter erscheinen zu und ihre Verbreitung auszudehnen, mit Freuden. : P bg. Dr. Müller-Sagan: Ueber den Wirthschaftlihen Ausschuß und sein Verfahren an dieser Stelle in eine Erörterung einzutreten, ist wohl nicht der Ort. Die Verhandlungen des Ausschusses erfolgen hinter ges{lossenen Thüren; über die Unparteilichkeit einiger Sach- verständigenvernehmungen ist man im Publikum nah den in die A et gedrungenen Nachrichten niht der Meinung des Herrn ôller. Der Titel wird bewilligt, 7 j Unter Titel 12a sind A dem Gesey vom 25. Mai 1900 zur Errichtung und Unterhaltung von Postdampfer- perbindungen mit Afrika 1350 000 # ausgeworfen.

Abg. Dr. Oertel (d. kons.): Für die ostafrikanishe Dampfer- Tinie find für das laufende Jahr 450000 #4 mehr ausgeworfen als im Jahre vorher. Wir haben der Erhöhung nach langem Bedeuken zugestimmt und nur unter der Voraussetzung, daß die ostafrikanishe Linie das leisten werde, was man von einer fubventionierten- Linie mit Recht erwarten darf. Wir sind aber infolge einiger Nachrichten, die in der leßten Zeit |be- kannt geworden sind, einigermaßen s{wankend geworden. În einem jüngst erschienenen Buche des Professors Küttner sowie in der »„Deutsch- ostafrikanischen Zeitung“ sind Klagen erhoben worden über Nichtein- halten der Fahrzeit und über mangelhafte und häufig ver pâtete Beförderung der Güter, z. B. einer Sendung von Schulbänken. Auch die Neinlichkeit der Dampfer lasse viel zu O übrig; die Schiffe seien vollgepropst, und die Mannschaft werde inhuman behandelt. Die Zustände auf den Dampfern seien geradezu unwürdig. Auch briefliche Beschwerden liegen vor, in denen geradezu empfohlen wird, die Subvention der Gesellschaft zu entziehen. Die Deutschen in Ost-Afrika müßten wen dieser Vorkommnisse von anderen Ausländern manche höhnischen Bemerkungen hören. Da ih die Ausführungen meines Gewährsmanns nicht kontrolieren kann, bin ih weit entfernt, fie mir zu eigen zu machen; ich halte es aber für angezeigt, fie der Kritik zu unterbreiten. Sollten die Beschwerden sich als be- gründet erweisen, so müßte die Gesellschaft mit allem Nachdruck an

“thre Pflicht erinnert werden; denn die Subvention wird doch nicht

gewährt, um ihren Beutel zu füllen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Wenn Sie si die Verhältnisse vergegenwärtigen wie sie im Laufe des südafrikanishen Krieges eingetreten sind, so. werden Sie wissen, daß nach Ausbruch des Krieges einerseits eine große Anzahl von Ausländern wünschte, Süd-Afrika zu verlassen, und dazu die ostafrikanische Linie benußte, daß aber andererseits, nach- dem diejenigen Leute, die dort Geschäfte hatten, wegen der Unsicherheit der Verhältnissé ihre Reise dorthin aufgeshoben hatten, der Reise- verkehr sich wieder außerordentli verstärkte, als sih die Verhältnisse dort ctwas beruhigt hatten. Dadurch ist allerdings zeitweise eine erheblihe Ueberfüllung der Dampfer entstanden, und es mag, wie das in der Neisezeit im Hochsommer auf der Eisenbahn auch der Fall ist, manche Unbequemlichkeit mit dieser Ueberfüllung verbunden gewesen sein. Es sind zur Abhilfe beispielsweise eine Anzahl von Kabinen zweiter Klasse eingerihtet worden für Passagiere erster Klasse, und es sind fogar Kabinen der Schiffsoffiziere zu Kabinen für Passagiere eingerihtet. Meine Herren, welher Andrang nah diesen Dampfern herrshte, mag sih aus einem Briefe ergeben, der mir vorliegt. Dort schreibt ein Passagier :

„Ich depeschiere Jhnen spätestens bis 16., ob ih auf den zweiten Plat refiektiecre. Für mi schaffen Sie, bitte, unter allen Umständen Platz, und wenn es im Kohlenbunker ift.“

Nun ist ferner ein Fall angeführt worden, daß Schulbänke für die deutshe Schule in Pretoria niht rechtzeitig zur Absendung. ge- langt scien. Erst des persönlichen Einschreitens eines Comitémitgliedes habe es bedurft, um die cechtzeitige Absendung zu erwirken. Dazu hat die 'ostafrikanische Linie Folgendes bemerkt:

„Ein Theil

dieser Sculbänke also

war {hon im September 1899 frachtfrei befördert. Der Haupt- theil follte folgen, wurde aber wegen des inzwischen ausgebrochenen Krieges von den Versendern einstweilen nicht geliefert. Erst am 4. Juli 1900 fragte deren Vertreter, Simmer in Hamburg, an, ob diese Bänke nun troy des großen Güterandrangs befördert werden tönnten. Auf entsprehende Antwort vom 5. Juli gelangten sie am 14. August nach Hamburg und sind am 25. August mit dem Dampfer „General“ verschifft. Ob dies für Pretoria rechtzeitig war, ist der Direktion der Ost-Afrika-Linie unbekannt gewesen. "Die Linie hat die Sachen befördert, sobald sie von den Versendern ibr zugefertigt waren.“

Es ift auch Beschwerde darüber geführt worden, daß das Material des Rothen Kreuzes nicht rechtzeitig befördert ist. Die Direktion kann jeßt nicht mehr feststellen, ob es si hierbei um Beförderung zu er mäßigtem Satze handelte. Raum für die Sendung war vorber nicht bestellt, die Linie über die Ankunft der Sendung nicht unter- rihtei. Als am 14. März 1900 der Damvfer „Herzog“ unter Zurück- lassung größerer Mengen nicht mehr zu befördernden Materials ab- gefahren war, wurde bei der Linie angefragt, ob das Material des Rothen Kreuzes auch verladen sei. Dies war nit der Fall, weil das Material erfi am 12. März mit der Bahn angekommen war, und aur die bis zum 10. März eingetroffenen Güter befördert werden konnten. Gleihwohl ist das Material auf Wuns des Rotben Kreuzes, unter Betheiligung der Rhederei an den Kosten, sofort per Bahn nah Neapel gesandt und dort mit demselben Damvfer ver- Iladen worden.

Dann ist Klage geführt, meine Herren, über die unregelmäßige Ginhaltung des Fahrplans. Jn dem cinen von der Presse namhaft gemachten Falle, wo der Dampfer „Kronprinz“ die Post dadurch um 36 Stunden verspätet abgeliefert hatte, weil er eine großé Ladung für Sansibar an Bord und diese dort niht gelöscht hatte, ist der Linie eröffnet worden, daß ihr Verfahren nit zu billigen sei, und daß der Dampfer vor der Löschung ter Ladung nach Dar-es-Salüm hâtte fahren und dort Post und Reisende bätte abseßzen müssen. In dem neuen Fahrplan, der vom 1. Januar d. I. für das erweiterte Unternehmen in Kraft getreten ift, ist Vorkehrung getroffen, daß Dar-es-Salüm auf der Ausreise stets vor, auf der Rückreise stets nach Sansibar angelaufen wird, sodaß der Verkebr zwischen Dar-es-Salüm und der Heimath durch einen Aufenthalt in Sansibar Verzögerung niht mehr erfährt.

Die Bevorzugung ausländischer Häfen ist wiederholt Gegenstand von Beschwerden aus dem Schutzgebiet gewesen, insbesondere nah der

Richtung, daß Ladung für das Schußzgebiet hinter Ladung für Süd-

Afrika hätte zurückstehen müssen. Die Beschwerden sind bei den lett-

jährigen Vertragsverhandlungen untetsucht worden. Es“ ist infolge

dessen in den Vertrag die neue Bestimmung in Artikel 26 aufge- nommen, daß deutsche oder für Deutschland bestimmte Güter oder

Güter von oder nah deutshen Schußgebieten bei gleichzeitiger

Anmeldung den Vorzug in der Beförderung vor aus-

ländishen oder für das Ausland bestimmten Gütern

haben sollen. Ich glaube, mit diesen thatsählihen Berichtigungen wird sih wohl der Herr Vorredner befriedigt erklären.

Was aber das Urtheil des Herrn Professors Küttner betrifft über die deutsche Ost-Afriïa-Linie, so möchte ih doch bemerken, daß andere Schriftsteller wesentlih andere Eindrücke gewonnen haben. So heißt es z. B. in dem Buche 20n Dr. Hans Meyer „Der Kilimandjaro“ :

i „Wer einmal mit dem „König“ und seinem vorzüglichen Kapitän Doherr gefahren ist, dem wird die ost-afrikanishe Seereise troß ihrer Länge in freundlihster Erinnerung bleiben; ih habe fast alle Meere der Erde befahren und kenne thatsählih kaum ein besseres Schiff. Aber auch die übrigen, kleineren Fahrzeuge der deutschen Ost-Afrika-Linie erfreuen sih der besonderen Gunst des reiser den Publikums aus den portugiesischen, britischen und burischen Kolonien Südost-Afrikas, wodurch die Linie es ermöglichen konnte, alle 14 Tage einen Dampfer verkehren zu lassen; es {wimmen ihrer jeßt 12 nah und von Oft-Afrika.“

Ein Engländer, meine Herren, eine in diesem Falle gewiß unparteiische

und unverdächtige Quelle, Roy Devereux, sagt in seinem Werke „Sige-

Light of South-Africa* (London, 1900), also einem ganz neuen

Buch, Seite 271/272: |

„In Betreff der Passagierbeförderung zwishen Europa und Afrika kann ich persönlich die ungeheure Ueberlegenheit der Schiffe der deutshen Ost-Afrika-Linie über die- jenigen der Castle- und der Union-Linie bezeugen. Die Art der Mnterbringung is unendlich besser auf den deutschen als auf den englischen Schiffen; dasselbe ist mit der Ladung der Fall und vor allem mit der Verpflegung. Da das Schiff, mit dem ih nach Afrika kam, und dasjenige, mit dem ich von dort zurückkehrte, beide die neuesten Boote der Flotte jener Gesellschaft darstellen, ist der Vergleich, den ih anstelle, ein durch- aus zuverlässiger.“

Das alfo, meine Herren, ist das Urtheil, das ein Engländer über diese Schiffe fällt; er erkennt ausdrücklich an, daß die ostafrikanische Linie erheblich besser sei als die Flotte jeder anderen Gesellschaft und hält seinen Vergleih in dieser Beziehung für einen durhaus zu- treffenden.

Jch werde die Beschwerden, die hier der Herr Vorredner an- geführt hat, nochmals der ostafrikanishen Linie mittheilen ; sollten sich dann noch irgendwelche Uebelstände herausstellen, so kann sich der Herr Borredner darauf verlassen, daß sie abgestellt werden werden!

Abg. Dr. Dertel: Es wird doch dem Reichsamt ebenso bekannt sein wie mir, daß eine große Anzahl folcher Klagen {hon wiederholt vorgetragen und begründet worden sind, so von Dr. Meyer. Professor Küttner reiste allerdings unter ers{chwerenden Umständen; aber die Dampferlinie muß auch unter solhen Umständen ihre Pflicht thun. Das englische Urtheil will für mich wenig sagen; ih bin aber dem Staatssekretär für feine Erklärung daukbar; ih sehe, W- Ut ent- \{lossen, alles anzuwenden, damit die fubventionierte Ost-Afrikalinie unter allen Umständen ihre Pflicht thut.

Der Titel wird bewilligt. S

Zum ersten Male sind 50000 # eingeseßt „zur Förderung des Absatzes landwirthschaftlicher Er- zeugnisse und zur Unterstüßung wissenshaftlich- tehnisher Bestrebungen auf dem Gebiete der Landwirthschaft“.

Abg. Freiherr von Wangenheim - Pyriß (d. kons.) dankt dem Staatssekretär für diese Einstellung und bedauert, daß man diesen Dank heute erst zum ersten Mal aussprechen könne. Die deutsche Landwirthschaft sei mit 600 000 A im Etat des Reichsamts des Innern fehr gering bedaht, wovon fast 500000 für die Grenzsperre gegen Minderpest kämen, ein \prechendes Zeugniß für die unglaubliche Begehrlichkeit der Agrarier! MNedner sucht nachzuweisen, daß, wenn Deutschland auf der Pariser Welt- ausstellung Rindvieh und Schweine hätte ausstellen können, es sämmtliche übrigen Staaten ge\{lagen und sämmtliche Preise davon- getragen haben würde. Was sage wohl der Abg. von Siemens dazu, der die Anschauung von dem technisheu Nükgang der Landwirth- schaft, gestützt auf seine große Autorität, den Abg. Steinhauer, vertrete ? Auch Professor Kühn in Halle könnte den Abg. von Siemens noch erheblich in Sachen der deutshen Viehzucht belehren. Für die Förderung der Ausfuhr der Erzeugnisse deutscher VBieh- zucht sei noch viel zu thun. Der: Abg. von Siemens habe auch be- hauptet, der Getreidebau könne in Deutschland nicht mehr ausgedehnt werden. Fürst Bismarck habe ihn aber schon daran erinnert, daß durch Veränderung der Fruchtfolge viel Areal gewonnen werden könnte. Nach den Angaben der Katasterämter gebe es im Ganzen noch 382,8 Quadratmeilen Moor, außerdem sehr erbeblihe Haidestrecken, welhe nah dem System Schuly - Lupiß aufgeshlossen werden könnten. Bei dem Abg. von Siemens sollte sich doch Interesse für diese nothwendigen Meliorationen zeigen, wenn sie auch im Inlande lägen; er sei ja bei seiner Kapazität und seinen Mitteln der Mann dazu. Der Moorverein bekomme jeßt eine ganz minimale Staatssubvention. Die Herren von der Linken sollten doch auf diesem Gebiete bahnbrechend vorgehen. Die Provinzial-Moor- kommission thue, was sie könne, aber die Kulturthätigkeit des „Nordost“ verhindere, daß man gewisse Stellen in Pommern in Kultur nehmen könne. Es beißa dann immer: „Ihr werdet doch von diesen Kerls nicht Geld nehmen, die wollen ja nur Eure Stimmen!“ Redner {ließt mit dem Wunsche, daß nicht allein die verbündeten Regierungen, sondern auch die Mitglieder des Hauses sih etwas mehr für das Mesliorationswesen interessieren möchten. Im Februar 1903 werde in Berlin eine Ausstellung für das Moorkulturwesen stattfinden, welche troß dem Abg. von Siemens zeigen werde, was die Landwirthschaft in dieser Kultur leisten könne ; or werde dann vielleicht einige Millionen niht mehr nach Anatolien s{icken, sondern für diese Zwecke in Deutschland verbleiben En (Präsident Graf von Ballestrem bittet, niht weiter abzus{hweifen, da man sonst garniht weiterkomme.) Man solle über die Land- wirthschaft niht scharfe und ungerechte Urtheile fällen, wenn man nit ganz genau zur Sache unterrichtet sei.

Abg. Steinhauer (fr. Vgg.): Der Vorredner bringt den „Nordost“ in Verbindung mit jenen Bauern, welche die Hilfe im Punkte der Moorkultur abgelehnt baben. Herr von Wangenheim sollte doch Namen nennen, dann würde die Sache aufzuklären sein. Meines Wissens ist eine solche Ablehnung von Mitgliedern des „Nordost“ nicht erfolgt.

Abg. Freiherr von Wangenheim -Pyriß nennt zwei Namen; später stehe er mi1 mehr zur Verfügung.

Der Titel wird bewilligt.

Bei den Ausgaben für das Neichskommissariat für

das Auswanderungswesen erwidert auf eine Bemerkung des Abg. Cahensly (Zentr.) der

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Staatssekretär des Junern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner: A j

Meine Herren! Mir ist es zweifelhaft, ob die legte Kategorie, die der Herr Vorredner angeführt hat, „Auswanderer“ sind; aber wir werden jedenfalls der Frage nähertreten, ob bei der Rükbeförderung Deutscher aus Amerika etwa Mißstände eingetreten sind, die durch die Thätigkeit der Auswandererkommissare vielleiht gemildert oder be- seitigt werden könnten.

Was die Berichte der Kommissare betrifft, so gestatte ih mir zu bemerkén, daß sie für das Kalenderjahr geliefert werden, und daß es hon wegen der Zahlen, die darin benußt werden müssen, \hwierig ist, die Berichte früher als bisher vorzulegen. Sie sind aber für 1900 bereits eingegangen, und ih hoffe, daß sie binnen 14 Tagen dem Reichstage gedruckt werden zugängig gemacht werden können.

__ Zu den Ausgaben für die RNeichs-Schulk ommission liegt folgender Antrag des Abg. Dr. Müller- Sagan (fr. Volksp.) vor:

„den Reichskanzler zu ersuchen, baldigst geeignete Schritte zu thun, um für das T iet und, soweit angängig, 2A ür die benah- barten deutschen s prachgebiete von Oesterreich - Ungarn und der SO eine möglihst gleihmäßige deutshe NRechtschreibung zu erzielen.“

Abg. Dr. Müller-Sagan: Die gegenwärtigen Zustände sind unhaltbar; die verschiedene Orthographie führt zu den größten Miß- ständen. Jch bitte die verbündeten Regierungen um Berü ichtigung unseres Antrages und das Haus, ihn anzunehmen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Der preußische Herr Kultus-Minister hat Vor- arbeiten, die auh {hon zu cinem gewissen Abschluß gediehen sind, unternommen, um das Wörterbuh der \ogenannten Puttkamer’schen Orthographie und das hierzu gehörige NRegelbuch, bestimmt für den Gebcauh in den Schulen, einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Man ist im preußischen Kultys - Ministerium bei diéser Prüfung zu der Ueberzeugung gekommen, daß- die nothwendigen Aenderungen immerhin nur fo geringfügige sein werden, daß die nah der alten Puttkamer’shen Orthographie gedruckten Schulbücher nach wie vor im Gebrauch bleiben könnten und niht unbrauchbar würden eine wichtige Frage in finanzieller Beziehung.

Inzwischen hat sich aber die Königlich württémbergische Negie- rung in sehr dankenswerther Weise an den Herrn Neichskanzler ge- wendet mit der Anregung, ob nicht über eine einheitliche deutshe MNechtschreibung Vereinbarungen zwischen sämmtlichen verbündeten Regierungen herbeizuführen seien. Der Herr Reichskanzler ist auf diese Anregung eingegangen und ‘hat fich au namentlich damit einverstanden erklärt, daß mit sämmtlichen Bundesregierungen nach dieser Nichtung hin Verhandlungen angeknüpft werden. Diese Verhandlungen werden sich nur gründen können auf das System, was jeßt in den preußishen Schulen und auch in den Schulen anderer Staaten Anwendung findet, und was, wie gesagt, von dem jetzigen preußischen Herrn Kultus-Minister zur Zeit einer erneuten Prüfung unterzogen wird; sie werden sich aber nicht gründen können auf die fogenannte Sprache des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Meine Herren, ih glaube, nur auf diesem Wege, daß mindestens innerhalb der deutschen Staatsgrenzen eine einheitliche Nechtschreibung stattfindet, wird es sih ermöglichen lassen, . den Riß auszufüllen, der jeßt noch zwischen der Schulorthographie, der amtlihen Ortho- graphie und der Orthographie im bürgerlichen Leben stattfindet. Was nun aber den Versuh betrifft, eine einheitliche Necht schreibung einzuführen, foweit auch in fremden Staaten die deutshe Sprache verbreitet ist, so glaube ich, werden dem außerordentlide Schwierigkeiten entgegenstehen, solange - wir nicht eine einheitlißhe Schriftsprahe in Deutschland selbst haben. Jm übrigen möchte ih glauben, daß {hon in der Thatfache, daß eventuell Deutschland eine einheitliche Rechtshreibung erringt, die dann auch hoffentlich allgemein acceptiert wird, ein Moment licgen dürfte, was sprachbildend für alle diejenigen Stämme deutshér Zunge wirken wird, welche außerhalb der Grenzen Deutschlands leben. Wie das Bürgerliche Geseßbuch seiner Zeit geschaffen ist, wurde mir gegen- über von einem hervorragenden Jüristen meines Erachtens sehr treffend hervorgehoben, daß das cinheitlihe Bürgerliche Gesetzbuch deshalb eiue so unendlihe Bedeutung für die Stellung Deutschlands und speziell für den Einfluß deutschen Kulturlebens und deutschen Rechtsbewußtseins haben werde, weil, wenn wir in Deutschland ein einheitlihes bürgerlihes Net hätten, dieses Recht auch vor- bildlich wirken werde auf das Recht derjenigen deutshen Stämme, welche außerhalb Deutschlands ihren Wohnsiß hätten, - und so glaube ih, meine Herren, daß in der gleihen Weise {hon durch die Schwer- kraft der Thatsache, daß sich das gesammte deutshe Volk eine cin- heitlihe Rechtschreibung shüfe, leßtere auch maßgebend und vorbildlich sein würde für die deutshe Schriftsprache überhaupt, soweit siè außer- halb Deutschlands zur Anwendung kommt. Jh möchte deshalb die Herren bitten, zunächst die Erfolge abzuwarten, die die Verhandlungen zwischen den deutschen Regierungen über die Einführung einer einbeit- lien Recbtschreibung haben werden, dann können wir weiter \eben, ob es möglich sein wird, das, was wir als richtig erkannt baben, viel- leicht auch noch weiter zur Anerkennung zu bringen, wenn auch viel- leiht nidt so weit, wie die deutshe Zunge klingt.

Abg. E ickhoff (fr. Volksp.) unterstüßt den Antrag Müller-Sagan und fragt sodann, ob den Anstalten in Elsaß-Lothringen noch das Recht der Ertheilung des einjährigen Zeugnisses belassen werden dürfe, wenn nicht ihre Perfonalverhältnisse eine ganz außerordentlihe Aenderung erführen. Hierauf verbreitet sih der Redner über Uebelstände an den Gymnasien in Mecklenburg-Strelitz. Die Lehrer würden zu niedrig bezablt und seien auf Privatunterricht angewiesen, für den sie pro Stunde 3 erhielten, selbst wenn fie Prinzen unterrihteten. Das Gehalt bedürfe vertan dringend einer Aufbesserung, ebenso aber auch die Pensionsverhältnisse. Man habe dort das Institut der Probe- E An ciner Anstalt unterrihte ein 72 jähriger Greis, dessen Pensionsgefuh von dem Großherzoglichen U E in dem kein einziger Lehrer e abgelehnt worden sei. Er habe s verpflichtet

gefühlt, diesen Uebelstand zur Sprache zu bringen, und bitte die Ne-

gierung dringend, diesen unwürdigen Zuständen ein Ende zu machen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr, Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Jh möchte den Herrn Vorredner darauf auf merksam machen, daß die Aufgabe der Reichs-Schulkommissinn ‘nur darin besteht, festzustellen und gegenüber dem Herrn Reichskanzler w begutahten, ob der Lehrplan einer Schule den Anforderungen und Vorschriften entspriht, welche nothwendig sind, um der Schule die Berechtigung zu ettheilen, das sogenannte Einjährigen - Zeugniß auszustellen. Die Reihs-Schulkommission is indessen bei öffent-

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lihen Schulen, soweit ‘meine Kenntnisse der Dinge reichen, noch nie in die innere Verwaltung ciner Schule eingedrungen, sondern sie hat \sich nur auf die Prüfung der oben ange- deuteten Frage beschränkt. Würde eine Schule einen derartigen Lehrplan aufstellen, der dazu führt, ihr die erwähnte Berechtigung zu ertheilen, würden aber dann innere Zustände eintreten, die es in hohem Grade wahrscheinlih oder klar machen, daß sie gar nicht in der Lage ist, diesen Lehrplan auszuführen, dann würde die Frage ent- stehen, ob man einer folhen Schule nicht die bereits vom Reichskanzler ihr ertheilte Berehtigung wieder entziehen soll. Aber, meine Herren, das ist nt die Aufgabe der Reichs-Schulkommission und kann es nicht sein, überall da in die innere Verwaltung einer Schule ein-

zugreifen, wo lediglich das Aufsichtsreht der maßgebenden Landes- behörde entscheidend sein kann.

Ich habe mich für verpflichtet gehalten, diefe Erklärung ab- zugeben, um nicht durch mein Schweigen einem Jrrthum Vorschub zu leisten.

Abg. Dr. Oertel: Die Reichs-Schulkvinmission kann die Groß- herzoglih-mecklenburgishe Schulbehörde niht vor ihr Forum ziehen. Sie würde, wenn sie dies versuchen sollte, einfach ausgelacht werden. Einverstanden bin ih damit, daß die dortigen Gymnafial- lehrer besser bezahlt werden müssen. Mit Anerkennung ist es zu begrüßen, daß nun Aussicht vorhanden ist, daß die Nealschul- Abiturienten unterschiedslos zum Universitätsstudium een werden sollen. Nah der Erklärung des Herrn Staatssekretärs können wir wohl für den Antrag Müller. stimmen, wenn ih ‘mir von demselben auch nicht zu viel verspreche. Die Einheitlichkeit der Rechtschreibung erlangen wir für die Schule sicher, für die Behörde vielleiht, für die Gesammtheit in der Gegenwart s{chwerlich, wir müßten denn die Nichtbefolgung der einheitlihen Orthographie mit Leibes- und Lebensstrafen bedrohen. Der Fraktionsgenosse des Abg. Müller, Herr Beh, hat erst heute in einer Kommission esagt, er lasse sich seine Orthographie von keinem Menschen vorschreiben. Herr Beckh gehört R der älteren Generation an, und unsere Nach- kommen werden sich wohl an die einheitliche Nechtschreibung gewöhnen. Ich stimme deshalb für den Antrag Müller.

Abg. Beh - Coburg (fr. Volksp.): Wir hören, daß Verhand- lungen unter den deutschen Regierungen s{chweben, daß die Anregung von Württemberg ausgegangen ist. Das ist ja erfreulih; daß aber auf das Bürgerliche Gefeßbuch keine Rücksicht genommen werden soll, ae mir weniger gefallen. Die Puttkamer’sche Atectfchreibung wird eute ebenso wenig wie vor zwanzig Jahren in Deutschland Beifall finden, und ih habe im“ Gegensaß zu meinem Freunde Eickhoff

den Widerspruch und das Auftreten des Fürsten Bismark gegen dieses"

System mit Freuden begrüßt. Die deutsche MNechtschreibung ist eine nationale Angelegenheit von der größten Wichtigkeit. Leider hav. 1 wir jeßt durch den preußishen Vorgang cine ‘sächsische, eine bayco He und eine württembergishe Rechtshreibung bekommen, und der Zustand ist s{limmer als vorher. Man hätte doh ein System wählen sollen, sei es das etymologische, sei es das phonetishe; aber man ging mit reiner Willkür zu Werke. Das System der Etymologie hat jedenfalls die größeren Vorzüge. Jm Putt- kamer’shen System ist überhaupt kein System vorhanden. Sanders hat sih nas auch auf das kräftigste gegen die Puttkamer’'sche Schreibung gewehrt. Die fkunterbunten Aenderungen, welche an - der alten Orthographie in den verschiedenen deutschen Staaten vorgenommen worden sind, haben zu manchmal ganz grotesken Abweichungen geführt, namentlich was die Anwendung des Dehnungs- „h“ und der Doppelvokale betrifft. Jn Bayern wurde das „y“ abgeschafft und dur „i“ ersetzt, aber für das Wort „Bayer“ wurde das Reservat- recht geschaffen. „Orthographie“ schreibt man baycrisch mit D „Elefant“ aber mit „f“. „Ging“, „fing“, „hing“ wird in Württemberg „gieng, fieng, hieng“ geschrieben. Die Heimath hat in Württemberg „th”, in Bayern bloß „t“. Cirkus muß mit „C“, Zirkular dagegen mit-„Z“ geren werden u. f. w. Diese Art der Herstellung einer einheitlihen Rechtschreibung ift absolut nicht die richtige.

Abg. Dr. Hasse (nl.): Es hätte der Anführung dieser Beispiele garnicht bedurft, uin uns die Mißstände vor Augen zu führen, welche auf dem Gebiete der deutschen Nechtshreibung vorliegen. Wir werden für den Antrag Müller stimmen. Jch freue mich, in dem Antrag- steller cinen Bundesgenossen für meine Juteressen insofern zu erblidken, als er auh die Ausdehnung dieser einheitlichen Necht- {reibung auf die außerdeutshen Landestheile mit deutscher Sprache wüns{cht. Der Bundesrathsvertreter hat ih dagegen ablehnend ver- halten. Beschränken wir uns auf das Deutsche Reich, so wird sicherlich die Einführung unserer Rechtschreibung in diesen“ Gebieten hwieriger fein; man follte deshalb den beiden erwähnten Staaten bei den Verhandlungen selbs {on das Wort verstatten.

Damit schließt die Erörterung. Die Ausgaben für die Reichs-Schulkommission, 6500 #{, werden bewilligt, der An- trag Müller - Sagan gegen die Stimmen eines Theils des s und der konservativen Partei angenommcn. Die Ausgaben für die übrigen Reichs - Kommissariate für das Bundésamt für das Heimathwesen, für das Schiffs- vermessungsamt, für die entscheidenden Disziplinar- behörden, für das Ober-Seecamt und die Seeämter werden ohne Debatte bewilligt.

Bei dem Kapitel „Statistisches Amt“ kommt der Abg. Thiele (Soz.) auf die Berichte der Gewerbe-Inspektoren zurück und giebt dem Statistischen Amt des Deutschen Neichs anheim, die von diesen Beamten gelieferten statistisden Angaben bei seinen Publikationen besser, als es bisher geschehen, zu berückichtigen. Sehr interessant würde \sich in diesen Publikationen die Zusammen- stellung der von den Gewerbe - Inspektoren erstatteten Straf- anzeigen und der wirkih erfolgten Bestrafungen ausnehmen: in Pommern z. B. -sei auf 517 Anzeigen “auch nidt eine cinzige Bestrafung erfolgt; in Waldeck habe nicht eine cinzige Anzeige stattgefunden. Bei den Bergarbeiteryu \ei eine Uebersicht über das Verhältniß von Schichtlohn und Accordlobn, in dem die Beleg- schaft stehe, nothwendig, desgleichen eine solche über den Wechsel in den Belegschaften unter aleidteitigee Angabe der Arbeitszeit. Erst dann würde die Statistik det Bergbehörde allen Ansprüchen genügen. Auch eine Nachweisung über die Art und Menge der verhängten Strafen, geordnet nah den Oberlandesgerichtsbezirken, wäre dringend erforder- lich. Nedner kommt dann auf die Beschuldigungen zurück, die er seiner Zeit gegen den Obersteiger Note im Mansfeldiscen crhoben, der beim Bau seiner Häuser ch Material der Mansfelder Gewerk- schaft angecignet habe. Die Mechnungen, welche Herr Arendt ihm jugeschickt habe, um facuuisen, daß der Betreffende aus eigenen itteln gebaut habe, scien von Sachverständigen geprüft worden, ohne daß die auffälligen Differenzen hätten aufgeklärt werden können. Diese Rechnungen machen den Eindruck, als ob sie nahträglih ad hoe angefertigt worden wären. Der Obersteiger Rote sei lange Jahre Steiger gewesen, _habe im Jahre 1888- zwei Häuser gebaut, leich biiaut aber seine Stellung im Stich gelassen und fei in eine remde Stadt gegangen.

Vize-Präsident Dr. von Frege-Welgtzien ersucht den Redner, ur Sache zurückzukehren. Da aber Redner in seinen Auseinander- eßuüngen mit dem Abg. Dr. Arendt fortfährt, wird er vom Vize-Präsi- denten Dr. von Frege abermals zur Sache gerufen mit der Bes merkung, daß er feinen Streit mit dem Abg. Dr. Arendt bei anderer Gelogenzeit ausfechten könne.

L bg. Dr. Arendt (Rp.) nimmt den Obersteiger Note » gegen die Angriffe des Vorredners în Schut- und fordert den Abg. Thiele auf, seine Beschuldigungen Rote's außerbalb des Neichôtages zu wiederholen, damit Note sih sein Ret bei Gericht suchen könne. Den Reichstag sede ie Sa

. garnichts an. Es sei unerhört, daß ein Ehrenmann im Re

êtage als Betrüger hingestellt werde.

äsidént Graf von Ballestrem: Nachdem der Abg. Thiele den Fall Rote wieder zur Sprache gebracht hatte, konnte ich den Vor- redner nicht verhindern, ebenfalls Daraus zurückzukommen. Ich halte aber nunmehr die Sache bei diesem Tite für abgeschlossen und werde richt zugeben, daß fie weiter erörtert wird.

Abg. Schrader (fr. Vag.) stimmt dem Abg. Thiele darin bei, daß die Reichsstatistik noch Manches zu wünschen übrig lasse und nah mancher Richtung hin verbessert werden könnte. Man sollte

wenigstens einmal versuchen, zu einer Lohn- und Arbeitslosen-Statistik zu kommen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wedner:

Ich will mi in meiner Antwort lediglih auf das beschränken, was wirklich zum Ressort des Statistishen Amts gehört. Denn es ist unmöglich, meine Herren, daß wir hier beim Statistishen Amt alle die Zustände erörtern, in welhe die Statistik hineinleuchten könnte; dann wäre, glaube ih, die Debatte völlig unbegrenzt, jeden- falls würde ih nit in der Lage sein, alle die hiernach möglichen Fragen zu beantworten. Jch will mi also nur auf die sachlichen Anregungen des Herrn Vorredners beschränken.

Der Herr Abg. Thiele hat eine Kritik geübt an den Tabellen, die auf Grund der Berichte der Gewerbe-Jnspektoren aufgestellt werden. Jch bemerke zunächst, daß diese Tabellen niht zum Ressort des Statistischen Amts gehören, \ondern zum Ressort der Gewerbe - Jnspektoren, die unter den einzelstaatlißhen Ministern stehen. Es ist richtig, daß eine solche Statistik, wie ‘er sie wünscht, d. h. in welher auch der Prozentsaß der revidierten Anlagen angegeben ist, durchaus nüßlich wäre; aber cine solche Statistik konnte bisher nicht aufgestellt werden, weil der Kreis der revisionsvflihtigen Betriebe in jedem Einzelstaat verschieden gezogen war, und deshalb die verschiedenen Statistiken und Prozentsäße nicht quadriert hätten. Jh babe joßt ein Verzeichniß sämmtlicher revisionspflichtigen Betriebe aufgestellt und habe die ver- bündeten Regierungen gebeten, daraufhin die Statistik von den Ge- werbe-Inspektoren aufstellen zu lassen, die Betriebe aber, die sie sonst noch revidieren und die uicht im Verzeichniß aufgenommen sind, nicht bei dieser Statistik zu berücksihtigen. Auf Grund dieser einheitlichen Statistik wird es nunmehr mögli sein, eine erheblich verbesserte Statistik der Revisionen aufzustellen und au den Prozentsaß der Nevision zu den vorhandenen Anlagen anzugeben.

Wenn der Herr Abgeordnete auch die Produktions\tatistik erwähnt hat, so bemerke ih, daß wir niemals die Produktionsstatistik hätten aufstellen können, wenn wir uns nicht gegenüber Denen, welche uns das Material geliefert haben, verpflihtet hätten, diese Produktions statistik absolut geheim zu halten, und uur die äußersten Zahlen der Produktionsstatistik sind von mir veröffentlicht worden, aber mit aus- drücklicher Zustimmung der betheiligten Kreise.

Was schließlich die Statistik der Arbeitslöhne betrifft, so möchte ih bemerken, daß in der „Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen“, welhe hier in Berlin erscheint und vom preußischen Handels - Ministerium herausgegeben wird, bereits eine Statistik der Arbeitslöhnè im Bergbau vierteljährlich veröffentliht wird, und daß diese Statistik auch jährlich erscheint. Ich glaube, der Herr Vorredner würde, wenn er diese Statistik be nußen wollte, viel vori dem Material finden, was er suht. Auf die

übrigen Wünsche des Herrn Vorredners in Bezug auf die Statistik

e

kann ih nit weiter' eingehen. Welche Anregungen da etwa zu be

nußen sind, kann man erst prüfen auf Grund des stenographischen |

Berichts. Jh möchte aber dringend warnen, daß wir nicht in der Statistik so weit gehen, daß die eine Hälfte der Menschen nichts zu thun hat als Statistik für die andere Hälfte der Menschen zu machen. (Bravo! und Heiterkeit.)

Nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abga. Thiele und Dr. Arendt, bei welchen der Abg. Thiele sih wegen einer beleidigenden Aeußerung gegen den Abg. Dr. Arendt einen Ordnungsruf zuzieht, wird das Kapitel bewilligt.

Beim Kapitel „Normal-Aichungsko mmission“ regt der _ Abg. Noesicke-Dessau (b. k. F.) den Aichungszwang für Bier fässer an.

Staatssekretär des Junern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Jch kanu das von dem Herrn Vorredner angeregte Bcdürfniß durchaus als berechtigt anerkennen. Es ist bereits in der Normal- aihungskommission der Entwurf einer neuen Maß- und Gewichts ordnung ausgearbeitet. Jn dieser neuen Maß- und Gewichtsordnung ist der Aichungszwang für Bierfässer vorgesehen, ebenso die Bestim mung der periodishen Nachaihung. Das leßtere ist allerdings cin sehr zweifelhaftes Thema; ih hoffe aber, daß dieser Entwurf so weit vorbereitet werden kann, daß er in der nähsteu Session dem boben Hause vorgelegt wird.

Darauf wird die weitere Berathung um 5!/, Uhr auf |

Freitag 1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

16, Sißung vom 31, Januar, 11 Uhr. Ueber den Beginn der Sißung is} in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. Die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1901 wird im Etat der landwirthschaftlihen Ver- waltung fortgeseht.

Prämien bei Pferderennen sind 250 000 M ausgeworfen. (Der Fonds für den gleihen Zweck im Ordinarium, der gestern bereits bewilligt worden, ijt mit 210000 Æ, d. #. 21 000 Me mehr als im Vorjahre, dotiert.)

Abg. Ur. Wiemer (fr. Volksp.): Meine politishen Freunde sind nicht in der Lage, für diese Position zu stimmen. Die ver- minderten Einnahmen der Rennvereine sind eine Folge der Be- steuerung des Totalisators, nachdem im vorigen Jahre bei der Berathung des Flottengeseßes der Stempel erhöht worden ist. Infolge dieser Erhöhung sind die Einnahmen der Renn- vereine heruntergegangen, sodaß jeßt aus der preußisden Staats kasse ein Zuschuß an diese Vereine erfolgen soll, um den Renn- vereinen eine Entschädigung für den entgangenen Gewinn zu gewähren. Wir sind der Ansicht, daß derartige böhere Aufwendungen von Staatsmitteln ih nicht rechtfertigen lassen. Es ift die Ver- minderung der Einnahmen der Rennvereine dur die Besteuerung des Totalisators in der Budgetkommission bereits zur Sprache gekänmmen. An sih halten wir die Besteuerung des Totalisators / für durchaus gerechtfertigt, ja, wir balten sogar das Verbot des Totalisators für durchaus begründet; denn ohne Zweifel wird durch ibn die Spvielsucht

| werden.

gefördert. Ih möchte aber noch darauf aufmerksam machen, daß die Besteuerung des Totalisators eingeführt worden ist zur Deckung | der Kosten der Flottenvorlage. Die Renninteressenten gehören aber auch zugleih dem Flottenverein an: sie follten fig also nicht. an die Steuerzahler wenden, fondern die Flottenvereinsmitglieder heranziehen. Man sagt daß die Pferderennen nit zu entbehren seien, weil auf diese Weise die Pferdezucht gefördert werde. Selbst Sachverständige find aber über den Werth der Pferderennen im Zweifel. Der Ausgang der Rennen läßt doch niht immer auf die Bualität des serdes s{licßen. Es giebt da allerlei Schwierig- keiten: Terrain hwierigkeiten, Witterung und vor allem die Be- fähigung des Joeys. Der Werth der Rennen für unsere Kavallerie is sehr zweifelhaft; darum können wir eine so hohe Forderung von 250 000 nicht glatt die Bahn passieren lassen. Wir müssen auch dagegen Einspruh erheben, daß Staats- mittel eintreten als Ersaß für entgangene Einnahmen. Das würde zu bedenklichen Konsequenzen führen. Die Freunde der Rennen werden vielleiht sogar verlangen, die 250 000 \( in das Ordinarium einzu- stellen. Ein solches Verlangen ist bereits in der Budgetkommission gestellt. Die Regierungsvertreter haben sich dagegen erklärt; wir unsererseits müssen P den Saß betonen: Beuge vor; denn wir können nit wissen, ob nicht der Finanz-Minister dem Verlangen stattgiebt. : /

_ Ober-Landstallmeister Graf von Lehndorff: Ich habe seiner Zeit im Reichstage gesagt, daß die Sache für die Negierung so wichtig sei, daß sie die Hände nicht in den Schoß legen dürfe. Ueber die Zweckmäßigkeit der Nennen zu entscheiden, ift allerdings diese Ver- sammlung nicht der rehte Ort. Die landwirthschaftlihe Verwaltung | hat sich einstimmig für die Beibehaltung der Rennen ausgesprochen.

Geheimer Finanzrath Foerster erinnert daran, daß auch der

Abg. Nichter im Reichstage der Förderung der Pferdezucht fich nicht abgeneigt gezeigt habe, und weist den Vorwurf des Abg. Wiemer zurü, daß der Finanz-Minister nur deshalb diefe Position eingestellt habe, weil sie von der rechten Seite verlangt worden sei. Die Staatsregierung entscheide aus sachlichen Gründen, gleichgültig, ob eine Forderung von der rechten oder linken Seite des Hauses gestellt worden sei. _ __ Abg. Herold (Zentr.) möchte einen Unterschied zwischen der ¿örderung der Pferdezucht und der Förderung der Wettrennen machen. Für den ersteren Zweck müßten viel höhere Summen in den Etat eingestellt werden, wie denn überhaupt für die Biehzucht höhere Mittel bewilligt werden müßten.

Abg. Ur. Sattler (nl.): Ich bin Gegner des Totalisators; ich wünschte, daß der Totalisator ganz verboten und zugleich die Buch- macher ganz von den Rennplähßen vertrieben würden. Der Nennsport wird nicht von allen Seiten für nothwendig gehalten; aber darüber ließe sich streiten. Ich wäre bereit, für die Nennplätze alle mögliche staatliche Beihilfe zu bewilligen, wenn nur der Totalisator abgeschafft würde, dessen unsittliche Wirkungen zweifellos sind. Für die Position werde ih stimmen.

Abg. Dr. Wiemer: Die Herren haben den Abg. Nichter nicht verstanden. Auch er hat sih gegen den Totalisator ausgesprochen, aber nicht für eine staatlihe Unterstützung der Rennvereine. Ich spreche heute auf Grund eines Fraktionsbeschlusses, an dem auch Abg. Nichter theilgenommen hat. Die Förderung der Vollblutzuht könnte doch in anderer Weise erfolgen. Uns ift sehr zweifelhaft, ob die Pferdezucht vornehmlich durch die Nennen zu höherer Blütbe gebracht werden kann. Die Wettrennen sind keine Prüfsteine für die Ge s{windigkeit der Pferde u. \. w.; fie sind das größte Hazardspiel.

Ober - Landstallmeister Graf von Lehndorff: Ein anderes Mittel als das vorgeschlagene, die Leistungen der Pferde und die Bollblutzucht zu fördern, giebt es nicht; und wenn der Vorredner eins weiß, so möchte ih ibn bitten, es mir* mitzutheckfen.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Ich stehe auf einem anderen Stand punkt als der Abg. Wiemer; ih bin mit der Regierung der Ansicht, daß die Pferderennen nothwendig sind. Da das Reichs-Stempelgeseßz noch weiter fortbestehen wird, so sollte die Position im nächsten Jahre in das Ordinarium gestellt werden.

Abg. von Sanden (nl.) erkennt die Nothwendigkeit der Nenn ptämien voll und ganz an, weil die Leistungen der Pferdezuht nur durch diefe gesteigert werden können.

Abg. Dry. Wiemer: Wir haben nihts dagegen, wenn die Neun- vereine ihre Thätigkeit fortsetzen, mißbilligen aber, daß sie dur Staatsmittel unterstüßt werden.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein: 4

Meine Herren! Jch glaube, cs ist faum nöthig, die Bitte an das hohe Haus zu richten, das\felbe wolle den im außerordentlichen Etat

| ausgeworfenen Betrag bewilligen. Die Geschichte der Pferdezucht er

weist, daß die Pferdezucht, namentli die Vollblutzuht, ohne Probe leiftungen, die durch Nennen gewährt werden, nicht gedeiben kann. Wenn diese Hilfe ausfiele, würde zweifellos unsere Pferdezucht ge sährdet werden. Jh weiß aber gewiß, daß das preußische Abgeordnetenhaus ein warmes Herz für die Bedürfnisse der Armee sür die Bedürfnisse der Pferdezuht hat, und deshalb bereit willig für deren Bedürfnisse einzutreten gewillt sein wird. Kein Zweig der landwirthschaftlißen Verwaltung erfreut \ih aber so allgemeinen Juteresses Kie die Hebung der Pferdezucht. Kein Ab- geordneter wird die Verantwortung dafür übernehmen wollen, dur Streichung dieser Position aus den Mitteln zur Hebung der Pferde zucht ein fehr wesentlihes Glied auszuschalten. Auf keinem Gebiete darf so wenig experimentiert werden, wie auf dem Gebiete der Pferde zuht. Dort muß konsequent im Rahmen der historis{hen Entwicktelung mit den bisher als nüylich erwiesenen Mitteln weiter gearbeitet jut man das nit, und s{icbt man ein sprungweises Vor

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| gehen binein, fo find die dadurch eintretenden Nachtheile von viel

längerer Dauer und in kurzer Zeit {wer wieder zu beseitigen

Jch habe niht das Wort ergriffen, weil ich wirklich ernstlich fürchte, daß im preußischen Abgeordnetenhause nothwendige Mittel fün die Hebung der Pferdezucht nicht bewilligt werden würden, sondern weil ih geglaubt habe, es könnte zu Mißwverständnissen führen, wenu ih zu dieser hohwichtigen Frage niht das Wort ergreifen würde

Berichterstatter Abg. von Arnim (kons.) skizziert kurz die Verhand lungen der Kommission, die mit allen gegen eine Stimme die Position

| angenommen habe. Es sci kein Zweifel, daß ein großer Theil der Nenn Zur extraordinären Verstärkung des Dispositionsfonds zu |

bahnen eingehen und daraus die {ädlichsten Folgen für die Pferde zut entstehen würden, wenn die Forderung abgelehnt würde; denn man könne annehmen, daß die Vereine infolge des neuen Neichsgesetzes 500 000 Æ Einbuße erleiden würden. Die Erhaltung der Vollbluts- zuht sei für die S{lagfertigkeit der Kavallerie und damit unsere: Armee unbedingt unentbehrlich.

Der Titel wird gegen die Stimmen der beiden freisinnigen Gruppen bewilligt.

Bei den Ausgaben zur Unterstüßung landwirthschaftlicher Vereine und zur Förderung der Landkultur im allgemeinen richtet

Abg. Hirt (kons.) die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Bedeutung der landwirthschaftlihen Vereine, besonders in der Provinz Schlesien. Die landwirthschaftlichen Vereine, fübrt er aus, sollen den Landwirthen mit Rath uud That zur Seite steben, die Fortbildungéshulen fördern, die Viehzuht im Auge behalten sür das beste Saatkorn sowie für Züchtung besserer Obst. sorten sorgen. Praktishe Zweckde müssen vor allen Dingen gefördert werden. Auch die Rechtskenntniß der Landwirtbe müßte“ vermehrt werden und dem Darlebnskassenwesen größere Auf merksamkeit geschenkt werden. Die Kreisvereine müfsen mit den land-