1901 / 31 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Feb 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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thatsächlih in einer, wie ich hoffe, auch für den Herrn Vorredner be- friedigenden Weise geregelt.

Wenn er den Wunsch hat, daß dieser Rechtszustand auch in einer autoritativen Weise zur Kenntniß der betheiligten Kreise kommen möge, so ist dem auf der einen Seite bereits dadur entsprochen worden, daß die Reichsverwaltung den betreffenden Rheinufer- . staaten von dem Sahverhalt Mittheilung gemacht hat, und auf der anderen Seite hoffe ih, daß die Grklärung, die ich- namens der Reichsverwaltung hier abzugeben in der Lage bin, das Ihrige thun wird, um dem Wunsche des Herrn Vorredners zu genügen. Wir haben uns aber weiter mit der Anfrage an die Rheinuferstaaten ge- wendet, ob sie unter den dargelegten Verhältnissen, wo ja die Gerichte in Holland die in Deutschland bestellten Pfandrechte anerkannten, noch Werth darauf legten, daß ein Vertrag mit Holland geschloffen würde, der dieses auch vertragsmäßig, international-rehtlich feststellt. Ein Theil der Uferstaaten hat das Bedürfniß dazu verneint. Cin anderer Theil allerdings hat troßdem Werth darauf gelegt, daß ein folher Vertrag abgeschlossen werde. Wir haben uns entschloffen, dem Wunsch der leßteren Staaten entgegenzukommen, und es wird nun- mehr mit der niederländischen Regierung darüber verhandelt werden, um das, was jeßt besteht, auch noch in einem internationalen Ver- trage festzulegen, womit dann vollends den Wünschen der Interessenten Rechnung getragen sein wird. i

Was die Verhältnisse zu Belgien betrifft, so sind wir dort nicht in der glücklichen Lage, ähnlih“ prozedieren zu können wie Holland gegenüber, und das liegt daran, daß der Rechtszustand in Belgien, soweit es sich um die Bestellung von Pfandrechten an Flußschiffen handelt, nicht derart ist, daß wir ein Gegenseitigkeitsverhältniß eintreten lassen könnten. Wir werden aber unsererseits, indem wir die Wichtigkeit der Sache vollfommen aner- fennen, die Frage im Auge behalten und, sobald uns durch eine Aenderung des Rechtszustandes in Belgien die nöthige Unterlage ge- geben fein wird, versuchen, auch dort zu einer internationalen Verein- barung zu gelangen. Ade

Der Herr Vorredner ist dann auf die Frage der kaufmännischen Schiedsgerichte gekommen und hat einen Theil der für die Erledigung dieser Frage nah seiner Ansicht maßgebenden Gesichtspunkte des weiteren erörtert. Ich kann in diesem Punkte nur erklären, daß das RNeichs-Justizamt zur Zeit mit der Frage noch nicht befaßt ist. Die Frage liegt in dem zunächst und hauptsächlich betheiligten Ressort, dem Reichsamt des Innern. Ich bin zu meinem Bedauern nicht in der Lage, zu sagen, wie weit die Verhandlungen dort gedichen sind. Ich kann mich unter diesen Umständen auh auf eine Er- örterung der sachlichen Gesichtspunkte, die von dem Herrn Vorredner hier vorgetragen worden sind, nicht einlassen, da naturgemäß die Reichs - Justizverwaltung ihre Stellung erst nehmen kann, nachdem sich die Reihsverwaltung des Innern ihrerseits über die Gesichtspunkte, die sie einem eventuellen Entwurfe zu Grunde

legen will, {lüssig gemacht hat. Ich kann also dem Hexrn Borredner nur anheimgeben, wie ih dies übrigens auch s{on in früheren Jahren gethan habe, sich mit seinen Wünschen zunächst an den Herrn Staats- sekretär des Innern wenden zu wollen. (Zuruf.)

Endlich, meine Herren, ist der Herr Vorredner gekommen auf die Baubandwerker-Frage, um mich kurz auszudrücken. Da liegt die Sache so, daß die: Kommission, deren Thätigkeit ih im vorigen Jahre hier zu berühren Gelegenheit hatte, nunmehr sich s{lüssig ge- mat hat. Sie ist aber in ihren Entschließungen nicht voll- ständig einig geworden. Eine Majorität der Kommission hat einen Entwurf aufgestellt, von dem sie Abhilfe der bestehenden Vebelstände erwartet; eine Minorität ist diesem Standpunkt entgegen- getreten und hat ihre Auffassung in einem anderen Gesehentwurf niedergelegt. Es liegt zur Zeit bei der Königlich preußischen Re- gierung, sich darüber \{lüssig zu mahen, ob und welchem von diesen beiden Entwürfen der Kommission sie beipflihten will. Sie werden aber aus der Thatsache, daß diese Kommission, die doh aus Autoritäten auf dem fraglichen Gebiete bestebt, troß der langen und ernsten Ver- handlungen nit einig geworden ist, {ließen wollen, daß die Frage in der That nicht so leicht zu lösen ist, wie der Herr Abgeordnete vorher das bier anscheinend hat auseinander seßen wollen. Wenn er \ih auf das Buch des Salomonsobn über die einsclagenden amerifkfanis{hen Verhältnisse berufen bat, so kann ih anerkennen, daß das eine außerordentli verdienstlihe und gründliche Arbeit ift. Sie ist au der Kommission bekannt geworden ; gleihwohl hat die Kom

Herrn Dr.

gegenüber gemacht hatte, und bat die Warnung ausgesprochen, daß man sih_ doch hüten möge, in die Selbständigkeit der Gerichte ein- zugreifen. Er hat dabei der Meinung Ausdruck gegeben, daß, wenn von seiten der Reichs - Justizverwaltung der Versuch gemacht:

werden sollte, einzuwirken auf die Thätigkeit der bayerischen Gerichte, der bayerishe Herr Justiz-Minister sich dies höflichst ver- bitten werde. Ich glaube, ih habe vorhin kein Wort gesagt, das darauf schließen lassen könnte, es sollte auch nur der leiseste Versuch. von unserer Seite gemacht werden, in die Selbständigkeit der Gerichte einzugreifen. Davon ist gar keine Rede; es handelte sich nur darum und lediglich in dem Sinne habe ih die Aeußerungen des Herrn Abg. Bassermann verstanden, in dem Sinne würde ich auch nur vor- gehen fönnen —, diejenigen Befugnisse auszuüben, die die Reichsverfassung der Reichsverwaltung oder dem Bundesrath giebt, um die richtige Durchführung der Reichsgeseße zu kontrolieren. Der bayerische Herr Justiz-Minister kennt mich zu genau, um nicht zu wissen, daß ih kein Ansuchen an ihn stellen würde, welches die Grenzen überschritte, die die Reichsverfassung der Zuständigkeit der Neichsbehörden seßt. Jch bin auch meinerfeits unter allen Umständen, wenn ich vorher zugesagt. habe, in die vom Herrn Abg. Basser- mann angeregte Frage einzutreten, willens gewesen, mich in den Grenzen zu halten, die die Reichsverfassung uns seßt, und ich glaube nicht, daß durch irgend einen Schritt, den ih etwa thun werde, der bayerishe Herr Justiz-Minister in die Lage fommen wird, mir gegenüber \sih etwas höflich zu .verbitten.

Der Herr Abgeordnete ift dann weiter auf die Gerichtsvollzieher gekommen und hat an die verbündeten Regierungen das Grsuchen gerichtet, diese Angelegenheiten doch von MNReichswegen zu ordnen. Wenn er sich nach Maßgabe des bestehenden Nechts- zustandes ganz korrekt ausgedrückt hätte, dann hätte er das Ersuchen aus\prehen müssen, einen Geseßentwurf vorzulegen, durch welchen die jetzigen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetßzes abgeändert werden. (Zuruf links.) Solange die jeßigen Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgeseßzes bestehen, glaube ich, ist jede Möglich- feit ausgeschlossen, in die jeßigen landesrechtlichen Zuständigkeiten ein- zugreifen. Wenn er nun aber Bezug darauf genommen hat, daß die gegenwärtige Ordnung des Gerichtsvollzieherwesens, wie fie in einem Theil der Bundesstaaten entweder in leßter Zeit geschaffen ist oder au seit einer längeren Reihe von Jahren ‘besteht, nicht be- friedige, so will ich ihm sehr gern zugeben, daß in gewissen Kreisen diese Befriedigung mangelt. Ich glaube aber, nah meiner Kenntniß der Verhältnisse sagen zu dürfen, daß bei den betheiligten Negierungen diese Befriedigung vorhanden ist: außer Preußen sind noch eine ganze Anzahl Staaten vorhanden, die eine Regelung baben eintreten lassen, die den Gerichtsvollziehern cine gewissermaßen amt- lihe Stellung verleiht. Ich glaube nicht, daß diese Staaten bereit fein werden, auf die ihnen durch das Gerichtsverfassungsgesez gegebenè landesrehtliche Zuständigkeit wieder zu verzichten, und ih bin auch nit in der Lage, dem Herrn Abg. Beckh gegenüber in Aussicht zu stellen, daß unsererseits zu einem folhen Vorschlage die Jnitiatjve ergriffen werden wird. Ich sehe voraus, daß ein folher Versuch aussichtslos bleiben würde. Dann ift der Herr Abgeordnete auf die Mittheilung gekommen, die in der leßten Uebersicht der Entschließungen des Bundes- raths auf die Beschlüsse des Reichstages enthalten ift, bezüglich der Frage der Ents{ädigung unschuldig Verhafteter. Der Bundes- rath hat \sich nach längerer Erwägung dahin \ch{lüsfig gemacht, daß den bezüglihen Anträgen des Reichstages feine Folge zu geben sei; es versteht sh ja ganz von selbst, daß, wenn der Bundesrath einen folhen Beschluß faßt, das heißt: rebus síc stantibus pro tempore; zur Zeit ift der Bundesrath nicht in der Lage, sich näher mit der Sache zu befassen; die gegenwärtigen Vorarbeiten genügen ihm nicht, um zu einer gesetz lien Regelung zu gelangen. Ob das in Zukunft mögli sein wird, das ift eine offene Frage.

der Ri ei es sebr t in den- E A ganz vers Urtheile erließ. : E Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding: Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat in seiner Rede cinzelne Vorgänge aus einem- großen, bekannten, hier in Bexlin spielenden Prozeß zum Gegenstand der Erörterung gemacht und im Anschluß daran gegen einzelne, in dem Prozeß thätig gewesene Be- amten den Vorwurf erhoben, daß sie ih gescuwidriger Uebergriffe und eigenthümlicher Geseßesauslegungen s{huldig gemacht hätten. Er hat an diesen Vorwurf die Frage geknüpft, ob seitens der MNeichs- Justizverwaltung das Verhalten der Beamten gebilligt werde, und was dagegen zu thun in der Absicht liege. Jch kann darauf nur erwidern, daß eine Beurtheilung der in einem Prozeß sich abfpielenden Vorgänge nicht zu den Aufgaben der Reichs-Juftizverwaltung gehört. Pflicht uud Aufgabe der Reihs-Justizverwaltung ist es, sich jeder Einwirkung auf einen Prozeß zu enthalten, aber nicht, fich zu Aeußerungen oder irgend welchen Schritten bestimmen zu lassen, die auf das Gegentheil ge- deutet werden könnten. Der Prozeß, von dem der Herr Abgeordnete gesprochen hat, shwebt gegenwärtig noh, er befindet sich in der Ne- visionsinstanz, und meine Aufgabe ist es nicht, in diesem Augenblick ein Urtheil zu- haben über dasjenige, was in der angegriffenen Instanz geschehen ist, sondern dasjenige abzuwarten, was das Reich8gericht als Revisionsinstanz nach dem Gefeß erkennen wird.

Der Herr Abgeordnete ist dann auf die Frage der Ueberlaftung der. Gerichte gekommen und hat zunächst die Zustände der Berliner Gerichte besprohen. Jh erkenne mit ihm an, daß . die Richter hier in Berlin eine ganz ungewöhnliche Arbeitslast zu tragen haben. Ich glaube, das erkennt auch der preußische Herr Justiz-Minister und mit ihm die Finanzverwaltung Preußens und niht minder auch die Landesvertretung an, die ja bei der Be- messung des Justiz-Etats und bei der Ausstattung der Gerichts- hôfe mitzuwirken hat. Zum theil beruht das ja unleugbar in. dem ungewöhnlihen Wachsthum der Stadt. Auf der anderen Seite is es aber auch bekannt, daß jährlich für die Vermehrung der Nichterzahl gesorgt wird, und wenn das nach der Meinung des Herrn Abgeordneten nit in der genügenden Weise geschieht, so würde das doch nicht nur noch einen Vorwurf gegen die Justizverwaltung, fondern auch gegen die Landesvertretung cein- ließen, die die Vorschläge des Etatsentwurfs prüft und genehmigt. Meinerseits kann natürli in dieser Sache nichts geshehen, das wird sich der Herr Vorredner bei seinem sachverständigen Urtheil in diesen Dingen auch selbst sagen. Wenn ih in dem von ihm gewünschten Sinne Auskunft von dem preußischen Herrn Justiz-Minister erbiiten wollte, so würde mir diejenige Antwort voraussichtlih ertheilt werden, die mir der Herr Abg. Beckh vorhin von seiten des Herrn bayerischen Justiz-Ministers in Aussicht stellte. (Heiterkeit.) Wenn der Herr Abgeordnete aber bei dieser Gelegenheit sagte, daß die Ueberlastung der preußischen Gerichtshöfe, namentlich des Berliner Gerichts dahin geführt habe, daß die Richter die Sache über das Knie zu brechen sich gewöhnten, so muß ih doch die Ehre und die Gewissenhaftigkeit der angegriffenen Richter entschieden wahren. Ih glaube nit, daß eine solhe Aeußerung be- rechtigt ist. Ich bin der Ansicht, daß die Richter troß der starken Arbeitsbelastung, mit der sie zu kämpfen haben, ihre Pflicht in vollem Maße thun, und daß der Vorwurf des Herrn Abgeordneten, sie brächen die Sache über das Knie, cin Vorwurf ist, der ihr Pflicht- bewoußtsein und ihre Gewissenhaftigkeit verleßt.

Was nun die Verhältnisse beim Neichsgericht betrifft, so hat der Herr Abgeordnete auf einen Vorgang zurückgegriffen, dessen ih mich sehr-wobl erinnere. In einer früheren Session des Hauses hat er be bauptet, daß die Strafsenate des Reichsgerichts überlastet seien. Aber

| er hat damals gemeint, und deshalb muß ich ihm entgegentreten die | Strafsenate seien so überlastet, daß bei ihnen viel eber eine Hilfe ein- treten müßte als bei den Zivilsenaten, für weldhe damals infolge der

Nun, meine Herren, man kann ja mit den Auëfübhruugen des Herrn Vorredners zu Gunsten unschuldig Verhafteter unbedingte Sympathie haben, ohne doch verkennen zu wollen, daf einer Regelung der Frage außerordentliche praktische Schwierigkeiten entgegensteben. Wir baben uns unsererseits näher mit der Frage befaßt, niht in dem Sinne, um sie zu vershleppen, sondern in der Absicht, sie, wenn es möglich wäre, zu ciner befriedigenden geseßlichen Erledigung bringen. I muß aber gestehen, bis jeßt ist uns das nit mögli

Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Erweiterung in Vor | schlag gebraht worden war. Das hohe Haus hat sich damals nicht | auf seine, sondern auf meine Seite gestellt, da ich nahweisen konnte, daß in der That am dringendsten die Hilfe bei den Zivilsenaten seie. Was nun die jetzige Belastung der Strafsenate betrifft, so will ih dabingestellt sein lassen, ob die Belastung der 4 Senate, die wir für Strafsachen haben, derart ist, daß die cinzelnen Richter übermäßig

gewesen. Meine Herren, blickden Sie zurück auf die Entwidelung,

mission nicht umhin gekonnt, zunächst die Stellung zu nehmen, die i Ihnen vorher dargelegt habe. Jn welchem Sinne dic preußische Ne- gierung sih den widerstreitenden Vorschlägen der Kommission gegen über {lüssig machen wird, daruber Auskunft zu geben, bedaure ih nicht în der Lage zu fein. Abg. Beh -Coburg (fr. Volksp.) glaubt, daß die Beschwerden über die Vers{leppung der Prozesse in bayerischen Pfalz stark übertrieben seien. Es würde böchst bedenklich sein, in die Selbitändig- feit der baverishen Gerichte einzugreifen. Er, Redner, würde sich als baverischer Justiz-Minister cine folde Einmishung durch das Reich niht gefallen lassen Bevor fkaufmännishe Sciedsgerichte er- rihtet würden, müßten Erhebungen stattfinden, ob solche Gerichte überhaupt Anklang fänden. Auch sei es schwierig, die Bei- siger aus dem Handelsstande zu nehmen. Ebenso schwierig fei die Frage der Sicherung der Bauhandwerker. Die Gesetzgebung müjsc in dieser intrikaten Frage sebr vorsichtig zu Werke gehen. Die Gerichts spracbe sollte mehr den beutigen modernen Anschauungen accomodiert werden dadur, daß man endlih den Zopf der Ineinandershachtelung der Sätze beseitige. Im Gerichtsvollzieherwesen werde zu fiskali\ch verfahren. Man habe den Gerichtsvollziebern ihre hohen Einnahmen mikgaönnt, und infolge dessen babe man in Bayern wie in Preußen die Gerichtsvollzieher gewissermaßen zu Gerichtsboten gemacht. Darunter leide die Schnelligkeit des Verfahrens. Es sei jeyt in später Tageêsstunde niht mehr mögli, einen Arrest dur einen Genhtsvollzieher anlegen zu lassen. Der jetzige Zustand müsse be- seitigt werden. Die vom Reichstage seiner Zeit einstimmig gefaßte Resolution wegen der Enkschädigung uns{uldig Verhafteter sei leider von der Regierung abgewiesen worden, und zwar auch hier wieder cinmal aus fisfalishen Rücksichten, obwohl es sich bier um eine der wichtigsten Fragen handle. Demgegenüber müsse man ih fragen, ob man überhaupt noch in einem Rechtsstaate lebe. Eine Frau hätte ein Jahr unschuldig in Untersuchungshaft gesessen und hâtte dann allerdings „auf dem Gnadenwege“ 500 Entschädi- gung erhalten. Nicht Gnade, sondern Gerechtigkeit müsje man verlangen. Wenn seine (Redners) Freunde heute eine Yicjolution in diejer ¿zrage nit einbrä@hten, so geschehe das nur deshab, weil sie wünschten, daß dieselbe von der Gesammtbeit des Hauses angenommen würde, nicht von einem so s{hwach besetzten Hause.

Staatssekretär des Neichs-Justizamts Dr. Nieberding: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat in scinen Ausführungen an die Bemerkungen angeknüpft, die ih dem Herrn Abg. Bassermann

auf die der Herr Abgeordnete Beckh schon hingewiesen hat: seit nahezu 14 Jahrhunderten wird diese Frage von Nechtsgelchrten und Philo sophen behandelt, überall wird ihr das größte Intereîse entgegen- gebracht ; aber nirgend sind bis jeßt faßbare Vorschläge gemacht worden, von denen aus man zu einer befriedigenden Regelung gelangen könnte, nirgendwo ist es gelungen, eine solde Regelung herbeizuführen, und ih glaube, man wird der Reichsverwaltung und MReichsgeteßgebung keinen Vorwurf daraus machen können, daf; fie bis jet nicht erreicht hat, was bisber von irgend einem andern großen nit erreicht worden ift.

Abga. Stadthagen (Soz.) behauptet, daß diese Frage nur deshalb iht geregelt werde, weil man befürchte, daß im Falle der Ent- s{âdigung die Energie der M epa mien und Staatsanwälte er- labmen und damit die Zahl der Verhaftungen abnehmen würde. (e A A . 1 4 - »Â mAAE zar Für die Ablehnung der Resolution des Reichstages wegen der Schaffung eines einheitlichen Arbeitärechts habe der Bundesrath nicht cinmal einen Grind angegeben: auch in Bezug auf die Resolution für cin einheitlihes Berg- und Wasserreht habe fsih der Bundesrath ablebuend verhalten. Vie partikularen Gejindeordnungen der Einzel staaten müßten vou Reichswegen beseitigt werden. Solange ein

RKeis-Strafvollzugsgeseß noch nit erlassen sei, müsse wenigstens das |

Wenige, was zum Schutze der Gefangenen bestehe, aufrecht erhalten werden. Der preußische Justiz-Minister habe ein Gefäugnißreglement erlassen, das mit dem Reichs-Strafgeseß_în Wiederspruch stehe, indem durch Beschränkung der Zeitungslektüre üher dieses Neichs-Strafgesey binauésgegangen sei. So sei u. a. auch der „Vorwärts“ verboten worden, auch bei Einzelhaft. Die Strafprozeßordnung müjje an Haupt und Gliedern reformiert werden. Vorläufig müsse die Reichsvenwaltung die. Einzelstaaten anhalten, die Reichögeseye strifte- zu befolgen. Redner kommt dann auf den Sternberg-Prozeß zu sprechen, dessen einzelne Phasen an die Tortur des Mittelalters erinnert hätten. Die Mängel bei der Vorunter:chung seien wahrhaft grauenerregend gewesen. Es müßte mit dem System gebrochen werden, dat; Polizeibeamte und Staatsanwälte unabhängig von den Gerichten Zeugen vernehmen können. Die Richter, k: B. die in Berlin, seien so überlastet, daß sie für ihre geistige Bildung wenig thun fönnten. Die Sachen in Berlin müßten übers Knie fge- brochen werden, weil die Justizverwaltung nit genügend Richter an- stelle. Die Berliner Richter müßten tägli 12 bis 14 Stunden arbeiten, darunter müsse die Rechtspflege leiden. Der Staatssekretär sollte fúr cine Statistik über die Arbeitszeit der Richter sorgen. Bei

¡n Anspruch genommen sind. Daß man von einer Ueberlaîstung der Senate nicht sprechen kanu, glaube ich daraus folgern zu können, day der Präsident des hohen Gerichtshofes in -den leßten Jahren, solange ich die Ehre habe, mein jetziges Amt zu führen, niemals den Antrag gestellt hat, die Senate zu vermehren. In der That find aber in den leßten sechs Jahren ih habe die Ziffern bei mir

| die Sachen bei diesen Strafsenaten auch niht gewachsen. Seit dem | Jahre 1895 ist die Zabl ‘der Sachen bei diesen Senaten folgende | gewesen ih zäble sie nur in Hunderten, abgerundet, auf, die kleinen | Ziffern haben kein Interesse für das hohe Haus: 1895 waren es 5300, | im folgenden Jahre 5000, dann 4700, dann 5100, dann wieder 5100 | und im leßten Jahre 5100. Diese Entwickelung der letzten sechs Jahre | ergiebt nihts, was von ciner Mehrbelastung gegenüber früheren Jahren | Zeugniß ablegen könnte. Nun, meine Herren, auf der anderen Seite j | |

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liegt uns der. Wunsch, daß die Richter des höchsten Gerichtshofes

nit wu stark belastet seien, mindestens ebenso nabe, wie dem Herrn

Abg. Stadthagen. Wir haben uns wiederholt mit dem Gedanken be- | schäftigt, ob hier eine Abhilfe geboten sei. Wir kennen | keine andere Abhilfe ih babe {on früher Gelegenheit achabt, das im hohen Hause zu erwähnen kennen | feine andere Abhilfe als im Wege der Revision der Strafprozeß- | ordnunh, die ja leider gegen den Wunsch der Regierungen sih hinaus- gezogen hat. Eine Vermehrung der Senate, meine Herren, würde ein großes Unglück sein, denn dann würden diejenigen Meinungsverschieden- beiten, Zweifel und Widersprüche, die der Herr Abgeordnete unter der jetzigen Einrichtung der Gerichtshöfe beklagt ih weiß nicht, wie weit sie vorhanden sind, und lasse das dahingestellt —, aber wenn sie vorhanden wären, würden sie jedenfalls in Zukunft noch mehr wachsen. Ich kann also dur irgend eine Aenderung in der Organi- sation des Gerichtäbofes eine Verbesserung der gegenwärtigen Zu- stände nicht in Aussicht stellen.

(Fortseßung in der Zweitén Beilage.)

zum Deutschen Reichs-A

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

von Czaklinski (Pole) kommt auf die on früher wiederholt von polnischen Abgeordneten vorgebrachten eshwerden zurück, welche die ungeseßliche Weigerung der Standesbeamten in den polnischen Landestheilen, polnische Vornamen iu die Standesregister einzutragen, zum Gegenstande haben. _Ausgeschlossen follten do nur anftößige und unanständige Vornamen sein, jeder andere Vorname müsse eingetragen werden. Nah dem Grundsaß „noblesse oblige“ könnten doch die Standesbeamten die polnischen Arbeiter und Land- [eute über die geseßlichen Anforderungen belehren; aber leider geschieht das niht. Was die Vergewaltigung polnischer Familiennamen be- treffe, so sei er (Redner) feiner Zeit hier im Hause ausdrüklich da verwiesen worden, seine Beschwerden beim Reichs - Justizamt vorzubringen. Man könne nicht umhin, eine formelle Tendenz, die mit Uebereifer verogt werde, zu erkennen in dem Ver- halten mancher Landrathsämter, Magistrate und selbst Gerichte gegen die es BamLtennauten mit weiblicher Endung. F8 gebe nach der polnischen Grammatik z. B. feine Frau und kein Fräulein von Czarlinski; das wäre ein Unsinn, es grie _heißen

Czarlinska. Bei den Verhandlungen über das Bürgerliche Geseßbuch sei von allen Seiten Uebereinstimmung dahin bekundet worden, daß diéses keine polnishe Frau oder Tochter hindere, diese weibliche Gndung dem Familiennamen anzuhängen, und keinen Standesbeamten, diese Form des Namens in die Standesregister einzutragen.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Der Herr Abg. von Czarlinski hat diese Frage beim Etat des Reichsamts des Innern berührt. Jch habe davon Kenntniß genommen und habe so Anlaß bekommen font würde ih darüber nit orientiert sein können —, mich über das, was in Preußen für die Praris besteht, und als maßgebender Grundsatz gilt, zu unterrichten.

Ich kann allerdings keine Auskunft geben über die einzelnen Fälle, die der \Herr Abgeordnete erwähnt hat. Jh habe aber auch in den Verhandlungen des Reichstages vom Jahre 1899 die Bemerkung eines anderen Herrn aus seiner Fraktion gefunden, des Herrn Abgeordneten von Dziembowski, dahin gehend, daß er Einzelfälle im Reichstage nicht berühren wolle, die könnten hier im Neichstage nit diskutiert werden, die gehörten vor den Landtag. Jch werde von der Erlaubniß, die Herr von Dziembowski damit mir gegeben hat, Gebrauch machen und die Einzelheiten, die der Herr Vorredner erwähnt hat, nicht erörtern. Was aber die Sachen im allge- meinen betrifft, die der Herr Abgeordnete berührt - hat, die Schreibung der Familiennamen auf ki und ka, so verhält sich die Zadhe folgendermaßen. Es besteht in Preußen eine ganze Anzahl volnisch lautender Namen, bei denen der Name der Frau nit, wie bei den eht polnischen Namen, mit ka am Ende geschrieben wird, sondern wie der Namé des Mannes mit ki. Das ist that- sächlih zweifellos. Auf der anderen Seite giebt es allerdings auch eine große Zahl von Familien, in denen der Name des Mannes mit ki endigt und der Name der Frau dem Polnischen entsprechend auf ka ausläuft. Als in der preußischen Ver- waltung die Regelung dieser Verhältnisse zur Sprache kam, hat man eine grundsäßlihe Richtshnur für die Standesbeamten gegeben, und der Grundsatz geht dahin, daß in allen denjenigen Fällen, in denen es hergebraht war, ‘in der betreffenden Familie den Namen der Frau auf ka endigen zu lassen, der Standesbeamte diese Uebung zu respektieren und den Name der Frau mit ka cinzutragen babe, daß aber in allen denjenigen Fällen, in denen bisher der Name der Frau unbeanstandet auch in der Familie selbst mit ki geschrieben und gesprochen worden ist, es ebenfalls bei dieser Ucbung zu verbleiben habe. Mit anderen Worten: man hat den bestehenden Zustand auf rechtbalten und den Standesbeamten abhalten wollen, irgend etwas zu thun, was nach einer Germanisierung oder Polonisierung ausfehen fkönnte. Man hat die traditionele Gestalt des Namens, so wie er bisber geschrieben worden ist für dic Standesamtsregister aufrecht erhalten wollen , um feine Zweideutigkeit und Unklarheit aus einer Vêrschiedenheit zwischen der Vergangenheit in der Zukunft erwachsen zu lassen. Ih halte diesen Standpunkt im Sinne unseres Personenstandsgesezes für den richtigen, und ih glaube, es läßt \ich gegen cine sol&e Anordnung nichts ein- wenden, sie steht auh im Einklang mit demjenigen, was der Herr Abg. von Czarlinski aus dem Kommissionsberichte zu dêm Bürger- lichen Geseybuch vorgelesen hat, und ih nehme an, daß, wenn die Frage, was ja möglich ist, einmal zur Entscheidung der Gerichte fommt, au die Gerichte in diesem Sinne erkennen werden. Für uns liegt jedenfalls keine Veranlassung vor, etwas in dieser Sache zu thun.

_ Großherzogli sähsisher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ge- | heimer Legationdêrath Dr. Paulssen stellt fest, daß die Gesindeordnung | von Sachsen-Weimar-Eisenach nicht, wie der Abg. Stadthagen be- haupte, die gewaltsame Zurückführung des Dienstboten in den Dienst au dann zulasse, wenn die Dienstherrschaft sih Handlungen erlaubt babe, die gegen die guten Sitten verstoßen.

_ Abg. Dr. Müller - Meiningen (fr. Volksp.) fragt nah dem Stande der Erwägungen über die Einführung der bedingten Ver urtbeilung bezw. der bedingten Begnadigung und nach den Aussichten für die Vorlegung mehrerer {hon früber in Ausficht gestellter Er gänzungsgeseße zum Bürgerlichen Geseßbuch, sowie für das Straf- vollzugögesep und auf die Vereinheitlihung des Nechtöstudiums und der Prüfungen. Weiter kritisiert - auch diejer Redner die nach seiner Meinung ungeseßliche Einmischung des Ministeriums des Innern und der Kriminalpolizei in den Gang des Sternberg-Prozesses. Wie geduldig überhaupt das Berliner Publikum such UÜeber- griffe der Polizei gefallen lasse, sei erstaunlich. Diese Zroitterstellung der Polizei zwishen der Staatsanwaltschaft und dem Ministerium des ZFnnern könne die Dinge nur vershlehtern, und daher müsse auch das Neichs-Justizamt sich angelegen sein lassen, auf Abstellung dieses

Meikßstandes hinzuwirken. S ließlich weist Redner auf drei neuerdings 6x logs vorgekommene Fälle von Justizverweigerung bin. In cinem

Zweite Beilage

Berlin, Dienstag, den 5. Februar

brauchen könnte. Jh bitte also um die Erlaubniß, mich möglichst kurz zu fassen und Ihre Zeit niht übermäßig in Anspruch zu nehmen. Der Herr Vorredner hat mich gefragt, wie es mit der Ausarbeitung des Privatversicherungsgesetzes stehe. Diese Ausarbeitung ist im Gange, sie kann erst beendet werden, nahdem das jeßt dem hohen Hause vorgelegte Versicherungsgesci seine Verabschiedung ge- funden haben wird. Sind wir auf Grund dieser Verabschiedung zu einem festen Entwurf gelangt, dann wird es unvermeidlich sein, über diesen Entwurf Sachverständige zu hören, um die Bedürf- nisse der Praxis im Anschluß an die Bestimmungen des Entwurfs kennen zu lernen. Sobald wir die Sachverständigen-Urtheile haben, wird der Entwurf entsprechend umgearbeitet werden und dann dem Bundesrathe zugehen können. Sie sehen daraus, daß die Sache noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, aber in einer festen Bahn si befindet, die zur rechten Zeit einen Abschluß verspricht. Der Herr Vorredner hat mich dann gefragt, wie e3 mit der geseßz- geberischen Behandlung der strafbaren Jugendlichen stehe, eine Frage, die ih schon verschiedene Male hier im Hause habe berühren können. Meine Herren, in dieser Frage hatten wir uns an dic Bundes- regierungen gewendet, um über gewisse Hauptgesichtspunkte die Auffassung der einzelnen hohen Regierungen kennen zu lernen. Das Resultat ist nun wider unfer Erwarten ein solches gewesen, daß wir in eine neue Erwägung des Gegenstandes eintreten müssen und daß i nicht in der Lage bin, die Aussicht aufrecht zu erhalten, die i früber machen zu dürfen glaubte, daß in der nächsten Zeit bereits eine Regelung dieses Gegenstandes dem Hause würde vorgeschlagen werden können. Meine Herren, es handelt sich bei der ganzen Frage ja hauptsählich darum, ob man die jugend- lichen Uebelthäter, die das 14. Lebensjahr noch nit erreicht haben, von der strafrechtlihen Verfolgung auënehmen soll und sie einem anderweitigen, gewissermaßen vormundschaftlichen Zuchtverfahren unter- werfen soll. Wir waren früher geneigt in Nebereinstimmung mit einer starken Strömung, die sh auch in der Nechtswissenschaft geltend gemacht hat, dem Gedanken näher zu treten, daß die 12- bis 14 jährigen Kinder von der Strafverfolgung auszunehmen seien, während sie gegenwärtig unter das Strafgesezbuch fallen. # Wir find aber auf Grund der Aeußerungen der Bundesregierungen und des Materials, was uns auf diesen Wege zugegangen ist, doh zweifelhaft geworden. Einmal kommt dabei in Betracht der Stand der Kriminalität für die jugendlichen Ucbelthäter. Wir haben bis dahin angenommen, daß die Gesetzesverleßzungen, die den 12- bis 14 jährigen Kindern zur Last fallen, verhältnißmäßig un- bedeutende feien und auf anderem Wege als demjenigen des Straf verfahrens zur rihtigen Sühne gebracht werden könnten. Diese An shauung is aber bei uns ershütter. Wir haben nicht nur feststellen müssen, daß die Zahl der Verfehlungen der Kinder unter 14 Jahren eine verhältnißmäßig große ist, sondern auch, daß ein Theil derjenigen Thaten, die ihnen zur Laft fallen und die zur strafgerichtlichen Verfolgung gelangen, sehr s{hwerer Art sind. Meine Herren, in den Jahren 1894 bis 1898 sind nicht weniger als 45 510 Fâlle der Bestrafung von 12- bis 14jährigen Kindern zurgeritlicchen Behandlung gekommen, und unter diefen Fällen sind noch nicht einmal einbegriffen die kleinen Vergeben, die gegen die Forstdiebstabl- und Feldpolizeigesetze sich rihten. Aber weiter, unter dieser großen Zahl von Gesetzes- verleßungen befinden sich sehr ernste, wie zum Beispiel Mord in 8 Fällen, Münzverbre{en in 15 Fällen, Raub und räuberisbe Er prefsungen in 116 Fällen, vorsätlihe Gefährdung eines Eifenbahnzuges in 11 Fällen, vorsäßliche Brandstiftung in222 Fällen, Unzucht mit Gewalt oder an Kindern in 726 Fällen. Es bedarf doch sehr reiflider Er wägung, und wir sind uns bis jeßt darüber noch nit s{lüssig ge worden, ob es möglich ift, in folhen Fällen das Eintreten der Straf gewalt beiseite zu lassen und die Besserung und Züchtigung der artiger Uebelthäter auf einen anderen Weg zu verweisen. Ich bin daber heute noch nicht in der Lage, auf die Herrn Vorredners zu sagen wie Arbeiten ab schließen werden. Dazu kommt, daß in neuerer Zeit ja der Weg der bedingten Verurtheilung uns ein Mittel giebt, diese Kinder zur Bestrafung zu bringen, ohne sie doch der gefährlichen Berührung mit den Strafanstalten auszusetzen. Gerade auf diese jugendliden Sträf linge ist ja die bedingte Verurtheilung vorzugéweise berednet. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß die Anwendung der bedingten Ver- urtbeilung auf die Jugend in immer weiterem Maße Play greifen wird. Wir halten es für rihtig, zunähst abzuwarten, welhe Folgen \ih hieraus ergeben werden

Anfrage des unserc

bevor wir zu der prinzipiellen Frage weitere

Stellung nebmen.

Dann ift der Herr Abgeordnete auf die Frage der bedingten Ver urtbeilung gekommen. Jch habe bier zunächst meinem Bedauern Ausdruck zu geben, daß dem boben Hause noch nit die

nzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1901.

adoptiert. Es zeigt sih auf diesem Gebiet sehr deutlih, was dem einen Lande frommt, scheint nicht auch dem anderen zu frommen. Jedes Land sucht die Sache auf dem für seine Verhältnisse besonders passenden Wege zur Erledigung zu bringen. Jh kann Ihnen nur versprechen, daß die Neichs-Justizverwaltung den Gegenstand im Auge behalten wird, muß aber auch darauf hinweisen, daß alle ihre weiteren Schritte abhängig sind davon, daß die Regierungen, die im Bundes- rath doch die Entscheidung haben, sich überzeugen, daß eine weitere Entwickelung auf dem Gebiete anzubahnen ist. Nach meiner Meinung würde es ein taktisher Fehler fein, wenn das Reichs-Justizamt dur übermäßiges Drängen in den Erwägungen der einzelnen Regierungen auf diesem Gebiete eine Beschleunigung herbeizuführen suchen wollte. Jch glaube, \olhe Bemühungen würden gerade das Gegentheil herbeiführen, und ih fann Sie daber nur bitten im Interesse der Sache: haben Sie Geduld!

Meine Herren, der Herr Abgeordnete hat mi dann gefragt, wie es mit der geseßlichen Negelung des Strafvollzugs stehe. Er hat behauptet, daß ein großer Theil der Bestimmungen, die von den Bundesregierungen in Bezug auf den Strafvollzug vereinbart worden sind, nach seinen in Bayern gesammelten Erfahrungen nur auf dem Papier stehen. Ich kann dem Herrn Abgeordneten nur anheim geben, wenn das der Fall ist, von seinen Wahrnehmungen doch der Königlich bayerischen Regierung Mittheilung zu machen, und wenn dieser Weg nicht zum Ziele führen sollte, würde er vielleicht geneigt sein, uns Mittheilung zu machen. Natürlich sind die einzelnen Landesregierungen verpflihtet, dasjenige, was dur Vereinbarung im Bundesrath geschaffen is, auch durchzu- führen. und \o gut man geseßlihe Bestimmungen auf diefem Gebiete dur{führen fann, ebenso gut kann man auch ver- tragsmäßige Vereinbarungen durchführen, wie sie hier vor- liegen. Es fehlt, wie ih annehme, nicht an dem guten Willen der einzelnen Regierungen, das zu thun. Wenn nach dieser Richtung hin nicht alles so ift, wie es sein sollte, so kommt es nur darauf an, das zur Kenntniß der Regierung zu bringen.

Dann hat mich der Herr es in Preußen mit der für Berlin beschlossenen Regelung. der Kriminalpolizei und der daraus sich ergebenden Stellung der Polizei zum Staatsanwalt stehe, was die Reichsregierung in diesem Punkte gegen die preußische Verwaltung des Innern zu thun gedenke. Meine Herren, wir gedenken nichts zu thun. Ich bin der Ueberzeugung, daß die Anordnung, die die preußishe Verwaltung des Innern getroffen hat, nicht dahin führen wird, die Stellung zu ändern, die durch die reihsgeseßlichen Vorschriften der Staatsanwaltschaft gegen- über der Kriminalpolizei gegeben ist. Wird aber dasjenige, was das Gerichtsverfassungsgesez und die Strafprozeßordnung in dieser Be ziehung an grundsäßlichen Bestimmungen enthalten, nit verletzt, so fehlt der RNeichsverwaltung jede Legitimation, die Organisation, die in dem einzelnen Staat getroffen wird, anzugreifen.

Endlich, meine Herren, ist der Herr Abgeordnete auf einen sehr bedauerlichen ih stehe nicht an, es so zu bezeichnen Konflikt zu sprehen gekommen, der zwischen dem Neichsgeriht und dem preußischen Gerichtshofe zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten entstanden ist. Ich gehe auf die Sache, die der Herr Abgeordnete ausführlicher be- handelt hat, niht ein. Jch erkenne an, daß der Zustand, wie er jeßt ist, unleidlih werden muß und zu Verhältnissen führen kann, die, wenn fie auh keine Justizverweigerung darstellen, doch in der Wirkung auf eine Justizverweigerung hinauskommen können. Jh erkenne auch die Verpflihtung der Geseßgebung an, bier Abhilfe zu schaffen, fobald wir flar darüber sind, daß; durch eine Verständigung der Gerichtshöfe unter ih eine Abbilfe nit zu erhoffen ist. Nun, meine Herren, liegt gegenwärtig von neuem dieselbe Frage, die {hon in drei anderen Fällen zu dem Konflikt zwischen dem Kompetenzgeridtshof Preußens und dem obersten Ge rihtshof des Reiches geführt hat, wieder zur Entscheidung dem Reichs geriht vor. Das Reichsgeriht wird diesmal niht, wie in früheren Fällen, durch cinen Senat seine Stellung festlegen, sondérn es ist dur

Abgeordnete gefragt, wie

für jedes Jahr in Aussicht genommene Zusammenstellung der Er- gebnisse aus der Anwendung der bedingten Verurtbeilung in den einzelnen Staaten zugegangen ist. Die Zusammenstellung hat sich ctwas verzögert, weil verschiedene Oberlandeägerihte ibre Mit theilungen nicht so korrekt und so vollständig gemacht baben, wie es für die Vorlage an den Reichstag erforderlich ist. Jh hoffe aber daß in kurzem die Vorlage an den Reichâtag gelangen wird. Daß wir, innerhalb der Reichéverwaltung, den lebbaîten Wunsch haben, die Ungleichheiten in der Behandlung der bedingten Ver urtheilung, die auf Grund der landeurehtlihen Verordnungen zur Zeit bestehen, zum Ausgleich zu bringen, das, glaube ih, brauchc ih wohl nicht weiter hervorzuheben. Daß der Weg der Geseugebung der dienlichste sein würde, um diesen Ausgleich berbeizufüubren, ist gleifalls meine Ueberzeugung, aber, meine Herren, wie dieser Aus

derselben sei nah Juanspruchnahme von 11 Instanzen und nach zehn- | jährigem kostspieligen Prozefsieren entschieden worden, daß fein Necht | gesprochen werden könne. Das seien doh unbaltbare Zustände. | Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding: | Meine Herren! Der Herr Vorredner bat cine so große Neibe | von Fragen hier berührt, daß, wenn ich auf alle diese Fragen eine |

ershöpfende Antwort geben wollte, ich eine ganze Sihung dazu

gleich sich gestalten soll, welche Ausgestaltung für die bedingte Ver urtheilung gewäblt werden soll, das ist noch eine offene Frage, deren Lösung, wie ih vorausfehe, noch manche Auseinandersetungen mit den einzelnen Landebregierungen werden vorausgebhen müssen. Der Herr Abg. Dr. Müller hat \sih zwar sehr peremptorisch ausgesprochen für die Annahme des norwegischen Systems, aber, meine Herren, das norwegisde System ist keine@wegs bisher von anderen Staaten

den zuständigen Senat der Antrag gestellt worden, eine Plenar entscheidung herbeizuführen, die zur Erledigung der ganzen Frage führen dürfte. Diese Plenarentscheidung, meine Herren, ist in nicht allzu Tanger Zeit zu erwarten. Von ihrem Inhalt müssen wir unsere weiteren Schritte abhängig machen. Sollte das Reichsgericht seine Ansicht ändern und der Entscheidung des preußischen Kompetenz- gerihtshofes beipflihten, dann würde sich die Sache von selbst er- ledigen. Sollte das Reichsgericht dics nit thun und auf seinem Standpunkt beharren, dann wird eine gesetzliche Regelung unvermeidlich sein. Ich kann Ihnen eine solche bestimmt in Aussicht stellen. Ich glaube alfo, daß zur Zeit keine Veranlassung bier vorliegt, dem Gegen- stande noch näher zu treten.

Abg. Dr. Spahn (Zentr., sehr {wer verständlich) scheint fich mit demselben Fall zu beschäftigen und mit dem Abg. Múller Remedur zu verlangen. Wenn das Reichögericht wirklich überlastet sei, so werde es gewiß mit seinen Wünschen beim Reichätage und bei den ver bündeten Vegierungen volles Verständniß finden. Was aber die Ueber- lastung der Richter im allgemeinen betreffe, so habe das Reichs Justizamt leider nur cinen sehr bedingten Einfluf ic Entscheidung über die Abhilfe liege in den Einzelstaaten bliefilih unterstügt Redner das Verlangen des polnishen Vertreters

Abg. Dr. Böôckel (b. k. F.) kommt auf die Gerichtsvollzieherwesens in Preußen zurück, die man großes Verdienst des preußischen Iustiz-Ministers as Interesse des Schuldners werde jet mebr als früher gewahrt. ie in jüngster Zeit dagegen eingeleitete Agitation babe gar keine Berechtigung Redner fordert wiederum die Herabsetzung bezw. gerechtere Vertheilung der Gerichtskosten, die ein dringender Wunsch der weitesten Volkekreise sei Der Standpunkt des Fiskus allein föônne doch in ciner wichtigen sozialpolitisben An- gelegenbeit niht maßgebend sein. Sc{blicßklih wendet sich Redner gegen die einseitige Uebertreibung des Anklagemeonopols gegen die Massenanklagen, gegen die Verfolgung von Majestätöbeleidigungen, dic in der Trunkenheit ausgestoßen worden scien. So lange der Staat noch Millionen für die Erhebung nutuloser Anklagen aufwende, sei es eine Edbrenpfliht, auf die Verminderung der Gerichtskosten bin zuwirken. Noch beute sei ter scheußlihe Mord an dem Gvmnasiaften

Neuordnung des s ein besonders

Ï anzuerkennen babe.

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