1901 / 52 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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Meine Herren, än diesen Wortlaut ließt die von mir an-

gezogene AllerhöG‘ie Verordnung vom 28. Dezember 1899 an, in der gesagt wird:

„Die Disziplin verlangt, daß auch im gerichtlihen Verfahren das Ansehen der Kommandogewalt, der militärischen Emrichtungen, Veror‘onungen und Gebräuche erhalten, der Sinn für die unbedingte Untfærordnung des Untergebenen unter den Vorgesetzten jeden Grades «Jewahrt und dem bereFStigten Ehrgefühl aller Betheiligten, ins- besondere derjenigen des Offizierstandes, Rechraing getragen wird.

Sobald dieser Grundsatz gefährdet ift, fei es nah dem Gegen- stande der Anklage, nah den Eigenheiten des zur Verhandlung fommenden Falles, nah der Persönlichkeit des Angeklagten oder der Zeugen, na zeitlihen oder örtlichen besonderen Verhältnissen, ift die Oeffentlichkeit auszuschließen.“

Diese Verordnung ist also völlig in den Grenzen des § 283 der Militär-Strafgerichts8ordnung geblieben. Ich möchte aber den Herrn Vorredner besonders darauf hinweisen, daß die ehemaligen bayerischen Bestimmungen in dieser Beziehung viel weiter gingen. In den Voll- zugsvorschriften des bayerishen Kriegs-Ministeriums zu Art. 138 heißt es nämlich:

„Von den militärdienstlißen Interessen ist das militärische Standesinteresse untrennbar.

Hieraus ergicbt sich, daß die in Art. 138 gestattete Beshränkung der Oeffentlichkeit auch dann platgreifen kann, wenn nah Be- schaffenheit des Falles zu besorgen steht, daß durch die öffentliche Verhandlung der Sache die militärishe Standeswürde, das An- fehen des Standes eine Beeinträchtigung oder Gefährdung er- leiden fann.“

Wenn dann der Herr Vorredner noch auf den Mörchinger Fall zurückgekommen ist, so darf ich erklären, daß die Oeffentlichkeit bei der Geridtsverhandlung überhaupt niht ausges{lossen war, und nur vor- übergehend bei einzelnen Vernehmungen nach Ansicht des Gerichts der Aus\{luß der Oeffentlichkeit nothwendig war. Jm übrigen bin ih nit in der Lage, auf den Fall jet näher einzugehen, da das Urtheil noch nicht rehtsfräftig und von beiden Seiten, vom Gerichtsherrn wie von dem Angeklagten, Berufung eingelegt worden ist.

Jnzwischen ist ein Antrag der Abgg. Graf von Carmer (d. kons.) und Genossen eingelaufen, wonah au für Unter- offiziere, die nah zwölfjähriger Dienstzeit noch länger im Dienst bleiben, die Dienstpräâmie von 1000 A an die be- treffenden Truppentheile zur zinsbaren Anlegung überwiejen werden soll, damit sie auch diesen bei ihrer Entlassung zu Gute komme.

Das Kapitel wird bewilligt. Bei den Ausgaben für die höheren Truppenbefehlshaber führt der 6

Abg. Haußmann - Böblingen (d. Volksp.) aus, daß eine Ver- fürzung der Dienstzeit bei der Kavallerie nothwendig erscheine. Die Entfremdung der Landleute von ibrem landwirthschaftlichen Beruf werde immer größer, je länger die Dienftzeit andauere. Redner er- flärt, feinen Antrag stellen, sondern nur eine Anregung geben zu wollen. Für jeden Monat der Abkürzung werde fih die Verwaltung den lebhaften Dank der Betheiligten verdienen.

Zum Ausgabenkapitel Merl egung der Truppen“ erstattet der Referent, Abg Graf vonNoon (d. kons.) Bericht über die in Aussicht genommenen Neuformationen: Maschinengewehr-Abtheilungen und Versuchs-Abtheilung der Verkehrstruppen. Von den Meldereitern oder Jägern zu Pferde sollten nah dem Etatsentwurfe fünf Eskadrons nah Posen gezogen und ein Regimentsstab für sie eingerichtet werden. Die Kommission hat diesen Negimentsstab ge}trichen. Die Einrichtung von zunächst fünf neuen Maschinengewehr- Abtheilungen hat die Kommission dagegen bewilligt, desgleichen die neue Versuchs-Abtheilung der Verkehrstruppen (Telegraphen- truppen und Luftschiffer-Abtheilung)

Ohne Diskussion wird der Titel 1, „Regiments-Komman- deure, Bataillons-Kommandeure, Haupileute, Oberleutnants, Leutnants 30640062 M“, nah dem Kommijsionsantrag, aljo unter Streichung des Obersten für die 5 Eskadrons Jäger zu Pferde, bewilligt. Í

Zu Titel 3, „Militärbeamte, Korps-Roßärzte, Ober-Roß- ärzte, Ober-Zahlmeister, Zahlmeister, Büchj)enmacher“, liegt eine Resolution der Kommission vor: den Herrn Neichskanzler zu ersuchen

die Gehälter der Korps-Noßärzte, Roßzärzte baldmöglichst erhöht werden.

Abg. Dr. Paasche Resolution und die til höhung der Anforder die Militärveterinäre Maturitätsprüfung verlangt.

Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.) {ließt sich diesen Aus- führungen an, mat außerdem darauf aufmerksam, daß in dem Wortlaut der Resolution di l übergangen seien. Man follte um einiger Hunderttausend Mark willen diese hochwichtige Frage nicht immer von z1 hinaus\chieben.

Zum Titel 7, „Mannschaften“, beantragt die Budgetkommission:

nzler wiederholt zu ersuchen, darauf hinzuwirken, daß die Stabshoboisten in die Servisklasse der Feldwebel versetzt werden.

Abg. Jacobskötter (d. konf.) erinnert daran, daß der Reichstag ih \. Z. in einer N für Beseitigung der Militärhandwerker und Ersetzung derîe Zivilhandwerker ausgesprochen habe. In der Budgetkommission | f eine Anfrage, wie bei den Bekleidungs

instellung von Zivilarbeitern ausgefallen - Versuche seit dem 1. Oktober v. J. zunächst bei dem VI. gemacht worden und befriedigend aus gefallen seien. Doch könnten fie noch nicht als abgeschlossen gelten Man könne nur wi daß diefe Versuche. fortgeseßt werden. Der Redner führt aus, daß unter Umständen auch wohlhabende Innungen zu n eelieferungen herangezogen werden könnten. Als Öbermeister der Schneiderinnung in Erfurt habe er freilih bezüglich der Lieferungen für die Armee eigenthümliche Erfahrungen gemacht. Auf eine Anfrage habe er sich bereit erklärt, eine Lieferung zu übernehmen. Darauf sei ihm von dem betreffenden Be fleidungsamt geschrieben worden, daß für die Lieferung fo niedrige Preise offeriert werden müßten, daß die Waare, sih ein- \{ließlich der Transportkosten, billiger \telle als in Strafanstalten. Das ei etwas Ungeheuerliches angesichts der Klagen, welche von jeher von den Handwerkern über die Konkurrenz der Strafanstalten erhoben worden seien. Etwas mehr Nücksicht könnten die den Bekleidungs ämtern vorstehenden Offiziere, die als Obershuster und Oberschneider anzusfeben scien, wobl nehmen. An Versicherungen des Wohlwollens für das Handwerk babe es bis jeßt nicht gefehlt; möge man dieses Wohlwollen doch endlih in Thaten umsetzen.

Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:

Fcch bin einigermaßen erstaunt, diese Rede des Herrn Vorredners hier zu vernehmen. Wir haben in der Budgetkommission über den Gegenstand sehr eingehend verhandelt. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Ih habe nach jeder Richtung hin mein Entgegenkommen be- wiesen und begreife daher niht, daß diese Klagen nun im Plenum wiederholt werden. Dem Herrn Vorredner habe ih in der Budgetkommission erklärt, daß ih stets dafür eingetreten sei, Zivilßhandwerker zu beschäftigen, und wenn Sie berücksichtigen, was in den leßten Jahren in dieser Beziehung geschehen ift, so fann der Herr Vorredner seinen Vorwurf niht aufrecht erhalten. In den leßten Jahren is die Zahl der Oekonomie- handwerker von 8408 auf 5586, also um rund 3000 Mann, zurück- gegangen. (Hört, hört! in der Mitte.) Daraus ergiebt sich, daß wir auf dem Wege sind, den auch der Herr Vorredner befürwortet, und daß kein Gründ vorlag, in dieser Weise gegen die Armeeverwaltung vorzugehen. (Sehr richtig! in der Mitte.) Der Versu in Breslau ist in vollem Einverständniß mit dem Reichstage eingeleitet worden, und es kann {on heute ein günstiges Ergebniß desselben erhofft werden. Die entstehenden Mehrkosten sind eine Etatsfrage; ich bin jedoH durchaus bereit, auf diesem Wege fortzuschreiten und die er- forderlichen Mehrforderungen in den Etat einzustellen; zunächst bin ih jedoch an den Etat gebunden.

Auch bezüglih der Frage der Einberufung der Oekonomie- bandwerker behufs Ergänzung der Bestände, die für die China- Expedition gebraucht worden waren, habe ih bereits in der Budtget- fommission eingehend nahgewiesen, daß wir uns in einer Nothlage befanden und nicht anders handeln konnten, sollten die von der Armee hergegebenen Bestände mit Rücfsiht auf die planmäßigen Mobil- macungsvorarbeiten rechtzeitig wieder sichergestellt scin. Daß die Oekfonomiehandwerker zum Dienst bei der Armee einberufen werden fönnen, ergiebt sich aus dem Wehrgeseß, in welhem ausdrücklich festgeseßt ist, daß diejenigen Wehrpflichtigen, welhe zum Waffen- dienst nit die erforderliche Diensttauglichkeit besißen, zu fonstigen militärischen, den bürgerlidßen Beruf des Betreffenden entsprechenden Dienstleistungen herangezogen werden können. Für die Uebungen dieser Klasse von Mannschaften besteht dieselbe Verpflihtung, wie bei den mit der Waffe gedienten Mannschaften. Wenn sonst Dekonomäehand- werker zu Uebungen nicht herangezogen worden sind, so erklärt der erwähnte Nothstand die Ausnahme. Die geseßlichen Befugnisse sind hierbei in keiner Weise überschritten worden.

Vor allem muß ich aber noch die Charakteristik, die der Herr Vorredner den Offizieren der Bekleidung8ämter hat zu theil werden lassen, ablehnen. Diese Offiziere haben sich in jeder Beziehung be- währt, einzelnen derselben verdanken wir sogar Verbesserungen an den Maschinen. Wir haben in diesem Dienstzweige uns nah und nah Kavazitäten erzogen, die auch in Zivilkreisen volle Anerkennung ge- funden haben.

Ih möchte glauben, daß der Herr Vorredner keine Veranlassung zu dem der Armeeverwaltung hier im Plenum gemahten Vorwurfe hatte. Auch bezügliÞh der Heranziehung der Strafanstalten zu Arbeiten der Militärverwaltung ist in der Budgetkommisfion ein- gebend gesprochen und volles Einverständniß darüber erzielt worden, daß das Verfahren, welches die Armeeverwaltung befolgt, auch den Wünschen des Neichstages entspricht.

Fch möchte den Herrn Vorredner bitten, wenn er uns in dieser Form angreift, doch auch das nicht zu vergessen, was bei den Ver- handlungen in der Budgetkommission zum Ausdruck gekommen ist.

Abg. Jacobskötter: Ih habe mir ausdrücklih vorbehalten, die Erörterung im Plenum nochmals aufzunehmen. Ich habe mich dazu für berechtigt und verpflichtet gehalten sowohl im Interesse meiner Wähler als meines Standes. Es sind bier ungefunde Zustände vor- handen: wenn ich sie zur Sprache bringe, mache ih nur von meinem guten Rechte Gebrauch. Man kann auch in der Form vielleicht fehlen, wenn man auf solhe Erlasse zurückkommen muß, wie ih einen er- wähnt habe. Seit Weihnachten ist bei den Schneidern die Arbeits- losigkeit so groß, daß man fih nur hätte freuen können, wenn diese Arbeiten ibnen wären übergeben worden. Auch bin ih den Offizieren nit zu nahe getreten. Es kann doch unmöglich zur Regel werden sollen, daß der Offizier den Schneider beim Zuschneiden anleitet.

j Referent Abg. Graf von Noon verwahrt fsih gegen den Vor- wurf des Vorredners, daß er niht ausführlih auch über diese Kom- missionsverhandlungen Bericht erstattet habe. Er könne nicht jedes Wort wiederholen, er habe aber festgestellt, daß von der Sache in der Kommission sehr ausführlich die Rede gewesen sei.

Der Titel wird bewilligt, die Resolution angenommen.

Zum Titel 13, „Dienstprämien für Unteroffiziere“, liegt

oben mitgetheilte Resolution des Abg. Grafen Carmer vor.

Abg. Graf von Carmer befürwortet die Annahme seiner {on in der Kommission angekündigten MNesolution. Zur Zeit seien 6000 Unteroffiziere in der Armee, die über 12 Jahre dienten. Dies sollten die Zinsen der Prämie nicht einbüßen. Nehme Resolution nicht an, îo boffe er doch, daß die Verwaltu regung Folge geben werde.

Ueber die Resolution wird bei der dritten Lesung abge- stimmt werden; der Titel selbst wird bewilligt.

Bei den Ausgaben für die Geldverpflegung der Truppen im sächsishen Etat behauptet der

Abg. Wurm (Soz.), daß die \sächsischen Militärbehörden einen Wirth in Plauen drangsaliert und mit der Verhängung des Militär verbots bedroht hätten, weil er dem Arbeiter-Konsumverein daselbt, der als sozialdemokratisch angesehen werde, seinen Saal zur Berfügung aestellt babe. Das sächsische Kriegs-Ministerium habe die Berechti- gl der erhobenen Beschwerde nit anerkannt. So sehe es mit der

Diiden Gemütblihfeit aus. Wohin solle es kommen, wenn die Militärbebörden \chon gegen fürthschaftlihe Vereinigungen derart porg1ingen.

Das Kapitel wird bewilligt.

Zum Kapitel 25, „Naturalverpflegung“, Titel 6, „Mund- verpflegung“, beantragt die Kommission folgende Re- solution: : :

„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, eine Abänderung des ihsgesetßzes über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht rieden, vom 21. Februar 1875, in der NRichtuñg in Erwägung ziehen, daß 1) die Normalsäte für die Vergütung der Natural- verpflegung, entsprechend dem heutigen Stand der Naturalpreise, einer

Revifion unterzogen werden, und 2) hierbei auf diejenigen Gegenden

besondere Nücksiht genommen wird, in welhen außergewöhnlich

häufig: Naturalverpflegung zu verabreichen ist.“

Abg. Dr. Müller-Sagan: Im vorigen Jahre hat der Reichs tag eine Resolution angenommen, wona der Reichskanzler dahin wirken follte, daß den Mannschaften während ihrer Dienstzeit einmal

| Gelegenkbeit zur unentgeltlihen Heimreise geboten werden sollte. Eine | zweite Frage ist die, jenen Mannschaften, welche überhaupt be-

urlaubt werden, außerhalb dieser besonderen Urlaubsreise die Urlaubs- | reisen zu dem Saß von 1 4 pro Kilometer in der lk. Klasse zu

ermöglichen. Für diesen Wunsch ist jeßt wenigstens die Mehrheit | der Budgetkommission gewonnen. Es würde nur dem allge- | meinen Interesse entsprehen, wenn die Verbindung zwischen der | Garnison und dem“ Heimaths8ort des Soldaten möglihst aufre{ht-

erhalten würde. Ie mehr die Ansprüche auf die Dienstleistungen er- | öbt werden, um so mehr muß auf diesem und ähnlichen Wegen für

Ausgleihung gesorgt werden. Möchten doch endlih die preußische Eisenbahn-Verwaltung und der Mann im Kastanienwäldchen auch in diesem Punkt ein Einseben haben! Für die reußis Eisenbahn- Verwaltung is doch der Militärfiskus der rößte Auftraggeber, sie kann also ‘au etwas entgegenkomnien. Freilih ift kein Verhältniß eigenthümlicher als das von Fisfus zu Fiskus.

Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:

Es ift ganz selbstverständlih, daß ich die Bestrebungen, welche die beiden Herren Vorredner hier zum Ausdruck gebraht haben, meinerseits unterstüße. Jh kann dem hohen Hause auch mittheilen, daß im preußisGen Staats-Ministerium darüber Einstimmigkeit be- stebt, den Militärtarif für Beurlaubte, der jeßt 1,5 4 für das Kilometer beträgt, auf 1 S herabzuseßen. (Hört, hört!) Die An- regung bierzu ist vom Herrn Reichskanzler ausgegangen. Sie sehen daraus, daß zwischen dem Herrn Reichskanzler, der preußischen Ne- gierung und diesem hohen Hause in dieser Frage völlige Ueber- einstimmung besteht.

Meine Herren, ih habe aber das Wort ergriffen, um etwaigen weiteren Angriffen, die gegen einen meiner Herren Kollegen beabsichtigt sein follten, von vornherein die Spiße abzubrechen. Die Frage ist an sich erledigt. Es handelt sich nur noch um die Zustimmung des Bundesraths.

Mas den Wunsch anlangt, daß alle Urlauber die Schnellzüge be- nuten dürfen, so halte ih diesen für {wer ausführbar. Soweit ih auch die Sache technisch beurtheilen kann, scheint mir doch durch eine folde Maßnahme eine Gefährdung des Betriebs bei der großen Zahl der Urlauber nicht ausgeschlossen. Ich glaube, die Herren untershäßen die Zahl der Urlauber. Die Einnahme dex Eisenbahn aus den Reifen der Urlauber ist größer als der Gewinn aus Militärtransporten. Man sieht daraus, eine wie große Zahl von Mannschaften jeßt hon auf Urlaub gehen und hierbei die Eisenbahn benußten.

Auch die Anregung, den Urlaubern die Löhnung zu belassen, wird in wohlwollende Erwägung gezogen werden. Schon jeßt kann aber den Mannschaften die Löhnung bis zu 14 Tagen belassen werden, in Ausnahmefällen sogar bis zu drei Monaten, und wenn es nothwendig sein sollte, kann das Kriegs-Ministerium noch hierüber hinausgehen. Sie sehen, meine Herren, auch daraus, daß in dem Wohlwollen für unsere Soldaten das hohe Haus und die Militärvèrwaltung durchaus einig sind. (Bravo!)

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.): Die Bewilligung von Mannschaften für landwirtbschaftlihe Arbeiten, béfonders für Erntearbeiten, ist noch immer nit genügend; der Minister wolle in diesem Punkte das irgend thunlihe Wohlwollen walten lassen.

Abg. N ißler (d. kons.) erklärt, er könne die Anregung des Abg. Müller-Sagan nur freudigst begrüßen. Insbesondere treffe das Be- dürfniß für die in den Reichslanden garnisonierenden Truppen zu. Es handle \fih um eine Forderung der Gerechtigkeit. Gebe man den deutschen Dienstpflichtigen die Möglichkeit, einmnal eine Heimreise fostenlos zu machen, so würden noch viel mehr Altdeutshe in Metz und den anderen reihsländishen Garnisonen ihrer Dienstpflicht genugen.

Abg. Dr. Müller- Sagan: Auch der Anregung des Abg. Dr. Habn stehen wir freundlih gegenüber. Sehr erfreulich ist, daß der Tarif für die Urlauber - und die Kommandierten nah der Erklärung des Kriegs-Ministers demnächst gleichgestellt werden foll; damit ist wenigstens auf diesem Gebiete ausgleichende Gerechtigkeit geschaffen.

Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler:

Ich habe dem Herrn Abg. Nißler meine Freude auszusprechen über die Beurtheilung der Lage der bayerishen Truppen in den Neichslanden. Es ist ja allgemein bekannt, eine welch vorzügliche Truppe die bayerische Brigade in Met is, und ich bin gewiß, daß die Erleichterungen, welche den übrigen Truppen zu theil werden, au auf sie Anwendung finden werden. (Bravo!)

Das Haus wendet sich zu der oben mitgetheilten Resolution, betreffend die Abänderung des Naturalleistungsge}etzes.

Abg. Broekmann (Zentr.) wiederholt die Klagen, welche die Quartiergeber {hon seit Jahren über die zu niedrigen Säße der Naturalverpflegung geäußert haben. Namentlih die Quartiergeber am Nhein beschwerten sich darüber, daß sie im Laufe cines Jahres nit unerbeblihe Zuschüsse zur Verpflegung der Truppen zu leisten hätten. Die Frage habe den Reichstag und die Provinzialvertretung wiederholt beschäftigt. 80 „Z reihten für die Verpflegung des Mannes pro Tag nicht aus. i: j Abg. Cahensly (Zentr.) beshwert- sich über die Prägravierung

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eines Dorfes bei Limburg mit Einquartierung. Kriegs-Minister, General der Jnfanterie von Goßler: Meine Herren! Es is ja unmögli, auf die einzelnen Fälle, die bier vorgetragen worden sind, sofort im Einzelnen eingehen zu

fönnen. I bin aber sehr gern bereit, dieselben näher zu prüfen. (

73 wäre mir deshalb erwünscht gewesen, vorher von denselben Kenntniß zu erbalten. Der Kriegs-Minister veranlaßt die Manöver nicht, er ist daber auch nicht in der Lage, über derartige Fragen ohne weiteres Auékunft zu geben. Im allgemeinen wird bei der Veranlagung der Manöver nach einem bestimmten Turnus verfahren. Jeder Korps- bezirk wird von dem betreffenden General-Kommando in eine be- stimmte Anzabl Abschnitte getheilt, sodaß jeder derselben innerhalb dieses Turnus etwa alle vier bis fünf Jahre an die Neihe kommt. Da wo dieses in den einzelnen Korpsbezirken mit Nücksiht auf ihre geographishe Gestaltung auf Schwierigkeiten #ößt, ist auf Aler- höchsten Befehl ein Ausgleich vorgenommen worden, d. h. die Negelung ist so erfolgt, daß alle Theile des Korpsbezirks möglichst gleichmäßig bei den Manövern in Anspruh genommen werden. Was in dieser Hinsicht geschehen konnte, ist geschehen.

Wenn \ich bezüglih der Eifel die Verhältnisse thatsächlich so gestaltet haben, wie die von dem Herrn Vorredner angegebenen Zahlen dieses ergeben, so verstehe ‘ih nicht, weshalb nicht die Provinzialbebörden das General - Kommando ersuht haben, die Angelegenheit einer Prüfung zu unterziehen, denn von der Zentralstelle aus is dieses unmöglich. Es ijt ja bekannt, daß mit der Errichtung der großen Uebungspläße auch cine Erleichterung der Landbevölkerung herbeigeführt werden sollte. Es wird daher zu- nächst mit den betreffenden Provinzbehörden zu erörtern sein, wie ih die bier vorgetragenen Verhältnisse erklären und wie die zur Sprache gebrachten Uebelstände über so ungleihmäßige Einquartierungsla}ten mögli gewesen sind. Ich kann daher nur empfehlen, zur Abstellung dieses Uebelstandes sih zunähst an das Obérpräsfidium und das General-Kommando zu wenden, und ih bin fest überzeugt, daß da, wo Mißstände vorliegen, diese dann ohne Schwierigkeiten werden ab- gestellt werden.

Abg. Dr. Hahn: Es giebt auh arme Gegenden, j. B. die Marscen an der Nordsee, die sich überhaupt niht zum Manöver eignen. Anderen Gegenden muß die Militärverwaltung nach Mög-

L ' .. . ' lichkeit entgegenkommen. Die Provinzen und Kreise dürfen nt

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Lasten tragen, die eigentlich Lasten des Meites sind. 80 F Ent- A ung pro Mann reichen auf keinen Fa hin. „Aus landwirth- aftlichen Kreisen sind mir mehrere Klagen zu egangen. Die Manöver werden von vielen Gutsbesißern als eine Last empfunden. Man würde diese Last gern tragen, wenn man sie einigermaßen er- leichtert.

Abg. Graf von Oriola (nl.): Es werden nit allein die armen Gegénden überlastet. Auch in wohlhabenderen Gegenden haben die Gemeinden für die von seiten des Reichs nicht genügenden Vergütungen aufkommen müssen. Das ist ein unbilliges Verlangen. Bei der Magazinverpflegung aber würde die ländlihe Bevölkerung noch \{lechter wegkommen, Unsere Bauern haben ein viel zu gutes Herz für die Soldaten, als daß sie sie auf die bloße Nation der Militär- verwaltung angewiesen sehen wollen. Jch will nit hoffen, daß die Militärverwaltung infolge unserer Resolution zur Magazinverpflegung übergeht. Die Einquartierungsfrage spielt eine so große Rolle, daß Käufer eines Gutes fich stets erkundigen : Wie steht es in dieser Gegend mit der Einguartierung? Im übrigen wird die Einquartierung von der Bevölkerung mit Freuden empfangen.

__ Abg. Gröber (Zentr.): Die Ziffer 2 der Resolution, welche die befonders armen Gegenden unterstüßen will, möchte ich besonders unterstreichen. Die Ünzulänglichkeit der Entschädigung wird besonders bart empfunden, wenn die Einquartierung sich in einer gewissen S alle Jahre oder alle paar Jahre wiederholt. Im legten Jahrzehnt haben ih die Lasten der großen Manöver erheblih ver- \cärft. Die Kaisermanöver nehmen allmählih eine Ausdehnung an wte nie zuvor. Vom militärishen Standpunkt mag es gerechtfertigt sein, daß man jeßt wenige Gemeinden dicht belegt; für die Zivil- bevölferung ist das eine |chwere Last. Ueber die 80 8 geht man in der Regel nicht hinaus, obwobl das Gefeß es gestattet bei einer außer- gewöhnlihen Höhe der Preise. Diese Bestimmung haben wir gerade in der Kommission bekämpft. Es genügt, daß eine Gemeinde öfter mit Einguartierung belastet wird. Diese öftere Belastung ist leichter festzustellen als der außergewöhnliche Preis.

Die Resolution wird in ihren beiden Theilen an- genommen. i

Beim Kapitel „Garnisons- und Serviswesen“ bringt der

_Abg. Werner (b. k. F.) die unzulängliße Besoldung der Kasernen-Inspektoren zur Sprache. Diese Beamten wollten mit den Ober-Post-Assistenten gleih behandelt werden. Außerdem beshwerten sich die Kasernen-Insvektoren darüber, daß sie keinen Urlaub erhielten und daß sie in Uniform nicht gegrüßt würden.

__ Zum Kapitel „Militär-Medizinalwesen“ s{lägt die Kom- mission Dae Resolution vor:

„den Reichskanzler zu ersuhen, in Erwägungen darüber einzutreten,

wie die Gehbaltsverhältnisse der Militär-Apotheker zu verbessern,

fowie deren Ausbildung und Rangverhbältnisse anderweit zu ordnen find, und baldmöglichst entsprechend erhöhte Beträge für die Ge- hälter der Militär-Apotheker einzustellen.“ ;

_ Abg. Graf von Oriola unterstüßt diese Resolution. Bei der Vorbildung, die die Militär-Apotheker auch als Nahrungsmittel- chemiker haben müssen, sei ein Anfangsgehalt von 1200 Æ viel zu niedrig. Daneben müsse die Frage der Ausbildung und der Nang- verhältnisse der Militär-Apotheker eingehend geprüft werden. Es fei unhaltbar, daß akademisch gebildete Leute nah der Instruktion der Unteroffiziere niht gegrüßt werden dürften. Der Apotheker müsse ein halbes Jahr mit der Waffe dienen, ein halbes Fahr im Lazaretk beschäftigt sein.

Abg. Dr. Hermes (fr. Volksp.) {ließt sih diesen Ausführungen an. Die gegenwärtigen Verhältnisse der Militär-Apotheker seten un- haltbar. Im gewöhnlichen Leben vflege man {on die Apotheker die Neunundneunziger zu nennen. Beim Militär seien fie vollends die Zielscheibe des Spottes. Redner weist auf eine Petition der Militär-Apotheker hin, die ihre Wünsche in maßvoller Weise dem Neichs- tage vortrage. Er, Redner, babe selber vor vierzig Jahren als frei- williger Apotheker gedient. Er hätte sich eine Ugiform zugelegt, eine Phantasie-Uniform mit goldenen Lißen. Der Dienst bestand natürli aus dem Pillendrehen und dem Verfertigen von Rizinusol. Das dauerte, fährt Redner fort, etwa zwei Stunden täglih. Dann zogen wir die Uniform aus. Als wir die Uniform anzogen, hatten wir den Nang eines Vize-Feldwebels und wurden auch danach behandelt. Wir wurden gegrüßt von den Mannschaften und Unteroffizieren. Wir wurden mehr gegrüßt, als eigentli nothwendig war, weil man die Uniform nicht kannte. Wenn wir an der Wache vorbeigingen, wurde wiederholt „Raus!“ gerufen. Wir wußten uns nicht anders zu helfen, als daß wir in vornehmer Weise abwinkten. Scherz bei Seite: die Stellung der Apotheker ist unhaltbar.

Titel und Resolution werden angenommen.

Um 5/4 Uhr wird die Weiterberathung auf Freitag 1 Uhr vertagt.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Hause der Abgeordneten ist der nachstehende Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung in den Stadt- kreisen Berlin, Charlottenburg, Schöneberg und Rirdorf, zugegangen:

Der Stadtkreis Berlin dem Kommunalverband der Provinz Brandenburg 1 Stadtkreise Charlottenburg, Schöneberg und Rirdorf bilden cinen besonderen Verwaltungsébezirk Berlin, an dessen Spitze der Ober-Präsident von Berlin steht.

An die Stelle des Negierungs-Präsidenten tritt in den ibm geseß lih obliegenden Geschäften für den Verwaltungébezirk Berlin, soweit es sih um polizeilihe Angelegenheiten handelt, der Polizei-Präsident von Berlin, im übrigen der Ober-Präsident.

Durch - Königlihe Verordnung können einzelne dem Ober Präsidenten von Berlin gescblich Arriatie Geschäfte, ausgenommen die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der Gemeindeangelegen- heiten, dem Polizei-Präsidenten von Berlin übertragen werden.

_D'A

An die Stelle der Negierungs-Abtheilung für Kirchen- und Schulwesen tritt in den ihr ge}eßlih obliegenden Geschäften der kir- lichen Verwaltung für den , Verwaltungsbezirk Berlin der Polizei Präsident von Berlin.

8 3.

An die Stelle der Regierungs-Abtheilung für Kiren- und Nur wesen tritt in den ihr geseßlich obliegenden Geschäften des Schulwesens für den Verwaltungsbezirk Berlin das Provinzial- Sqhulfollegium für Berlin und an Stelle des Ober-Präsidenten der Unterrichts-Minister.

__ Unberührt bleibt die Zugehörigkeit der Städte Charlottenburg, Schöneberg und Rirxdorf

s 1) zu der Elementarlehrer-Wittwen- und Waisenkasse für den Regierungsbezirk “Potsdam (Gesetz, betreffend die Erweiterung, Um wandlung und Neueinrihtung von Wittwen- und Waisenkassen für Elementarlehrer vom 22. Dezember 1869, Gesez-Samml. 1870, S. 1),

2) zu der Nuhcgehaltskasse für den Regierungsbezirk Potsdam (Gesetz, betreffend Nuhegehaltskassen für die Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlihen Volksshulen vom 23. Juli 1893, Geset- Samml. S. 194),

3) ju der Alterszulagekasse für den Regierungsbezirk Potsdam (Geseh, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlihen Volksschulen vom 3. März 1897, Geseß-Samml. G. 29),

4) zu der Wittwen- und Waisenkasse für den Regierungsbezirk Potsdam (Geseg, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Lehrer an öffentlichen Volks\{Gulen vom 4. Dezember 1899, Gesetz-

_—

Samml. S. 587).

Es ift jedoch der auf diese Städte bezüglidße Theil des Ver- theilungsplans des Bedarfs _der zu 2—4 benannten Kassen von dem Provinzial-Schulkollegium für Berlin in dem für seine Bekannt- machungen bestimmten Blatte bekannt zu machen. Die Frist für die den Sculverbänden zustehende Klage gegen den Vertheilungsplan be- ginnt mit diefer Bekanntmachung. :

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An die Stelle der Regierungs-Abtheilung für direkte Steuern, Domänen und Forsten tritt in den ihr ge]eßlih obliegenden Ge- schäften der Verwaltung der direkten Steuern für den Verwaltungs- bezirk Berlin die Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern. __ Diese Behörde wird in Betreff der Zuständigkcit in Disziplinar- sachen den in § 24 des Gesetzes, betreffend die Dienstvergehen der nicht rihterliben Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand vom 21. Juli 1852 (Geseßz-Samml. S. 465) bezeichneten Provinzialbehörden gleichgestellt. ;

- Für die Stadtkreise Charlottenburg, Schöneberg und Nirdorf wird eine besondere Berufungskommission 41 des Einkommensteuer- geleßes vom 24. Juni 1891, Geseßz-Samml. S. 175) gebildet. Die zu wählenden Mitglieder derselben werden vom Provinzial-Aus\{Guß der Provinz Brandenburg aus den Einwohnern der genannten Stadt- kreise gewählt. -

E L E A _ Vie Stadtkreise Charlottenburg, Schöneberg und Rirdorf zu- jammen bilden für die -Gewerbesteuerklassen 1 und 11 (S8 6 ff. des Gewerbesteuergesees vom 24. Juni 1891, Gesetz-Samml. S. 205) je einen besonderen Veranlagungsbezirk. :

E E G : :

Die Provinzial-Steuer-Direktion, die General-Kommission und die Direktion der Rentenbank für die Provinz Brandenburg fungieren auch für den Verwaltungsbezirk Berlin. i A 8 rlin ist ents{eidende Disziplinar-

S J 0. _Das Polizei-Präsidium zu Berli behörde eriter In|tanz

a. für die bei den Ortspolizeibehörden der Stadtkreise Char- lottenburg, Schöneberg und Rirxdorf angestellten, niht unter § 24 Nr. 1 des Gesetzes, betreffend die Dienstvergeben der icht richterlichen

Z-

2: : hen der n Beamten u. |. w. vom 21. Juli 1852 (Geseßz-Satuml. S. 465)

fallenden Beamten, L b. für diejenigen Kategorien der im Verwaltungsbezirk Berlin angestellten Beamten, bezüglih deren niht die Zuständigkeit einer anderen Disziplinarbebörde begründet ist. : _ Die Einleitung des Verfahrens, die Ernennung des Unter- suchungskommifsars und des Vertreters der Staatanwaltschaft für die erste Instanz steht im Falle zu a dem Polizei-Präsidenten von Berlin, im Falle zu b dem Ober-Präsidenten von Berlin zu.

N 9.

Klagen von Staatsbeamten über vermögensrechtlihe Ansprüce aus ihrem Dienstverhältniß (§8 1 f. des Gesetzes, betreffend die Er- weiterung des Rechtsweges vom 24. Mai 1861 (Gesetz - Samml. S. 241) sind, soweit der Verwaltungsbezirk Berlin in Betracht tommt und niht die Zuständigkeit einer Provinzialbehörde eines be- sonderen Verwaltungsressorts begründet ist, gegen den Ober-Präsidenten von Berlin zu richten. E i

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_An die Stelle des Provinzialraths tritt in den Fällen, in wel{en derselbe in erster Jnstanz beschließt, für den Verwaltungsbezirk Berlin der Ober-Präsident von Berlin, in den übrigen Fällen der zuständige Minister. f Ó

SAIL.

_Für den Verwaltungsbezirk Berlin besteht ein besonderes Bezirks- aus\chuß. Auf denselben finden die §§ 28, 30 Sah 1, 31 Sat 3, 32, 33, 34 des Geseßes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesez-Samml. S. 195) mit folgenden Maßgaben Anwendung : i

l) Bei dem Bezirksausshuß werden drei Abtheilungen gebildet.

Die erste Abtheilung ist zuständig für die polizeilichen Angelegen heiten aus dem Verwaltungsbezirk Berlin, die zweite für die sonstigen zur Zuständigkeit des Bezirksausshusses gehörigen Angelegenheiten aus dem Stadtkreise Berlin und die dritte für die sonstigen zur Zu- ständigkeit des Bezirksauss{usses gehörigen Angelegenheiten aus den Stadtkreisen Charlottenburg, Schöneberg und Nirdorf.

Der § 58 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung

t auf die Bestimmung der Zuständigkeit der zweiten oder der 8s Bezirk8ausschusses entsprehende Anwendung.

e des Regierungs - Präsidenten tritt ein vom König ernannter Präsident. Die Ernennung dieses Beamten kann im Neben amt auf die ines Hauptamtes erfolgen. Beamte des Polizei Präsidiums find von diefer Ernennung ausges{lo#}sen.

Der Präsident und die ernannten Mitglieder und deren S vertreter gehören allen drei Abtheilungen an, sofern nicht für

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tell eine befondere Mitglieder oder Stellvertreter bestellt sind.

gewählten Mitglieder und deren Stellvertrer werden für

Abtheilung gefondert bestellt.

Für die erste Abtheilung werden je zwei Mitglieder und deren Stellvertreter auf sech8s Jahre gewählt

a. durch den Magistrat und die Stadtverordneten-Versammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin unter dem Vorsitz des Bürger meisters aus den gemäß § 28 des Gesetzes über die allgemeine Landes verwaltung wählbaren Einwohnern des Stadtkreises Berlin. Das selbe Kollegium beschließt an Stelle des Provinzialaus\{Mufses über das Aufhören einer der für die Wählbarkeit vorgeschriebenen Be dingungen. Die Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordneten Versammlung sind von der Wählbarkeit ausgeschlossen.

b. dur den Provinzialaus\{Guß der Provinz Brandenburg aus den gemäß § 28 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung wählbaren ŒEinn der Stadtkreise Charlottenburg, Schöneber( und. Nirdorf.

Für die zweite Abtheilung werden vier Mitglieder C Stellvertreter dur den Magistrat und die Stadtverordneten-Versamm lung der Hau und Nestdenzstadt Berlin nach den Vorschriften unter a des zweiten Absatzes gewahlt.

Für die dritte Abtbeilung werden vier Mitglieder und deren Stellvertreter durch den Provinzialaus\{chGuß der Provinz Branden burg nah den Vorschriften unter b des zweiten Absatzes gewählt.

8 12.

Zur Zuständigkeit des Bezirksausschusses für Berlin gehören die im Verwaltungsstreitverfahren zu behandelnden Angelegenheiten und diejenigen im Beschlußverfahren zu behandelnden Angelegenheiten, welche im einzelnen durch die Geseße seinêr Zuständigkeit überwiesen werden : in Betreff der übrigen im Beschlußverfahren zu behandelnden Angelegenheiten tritt für den Verwaltungsbezirk Berlin an die Stelle des Bezirksausshusses der Ober-Präsident von Berlin, soweit nicht in den Gesetzen ein Anderes bestimmt ist.

Bezliglich derjenigen gelegenheiten, welche bisher durch Gesetz der Zuständigkeit des Bezi ausschusses für den Stadtkreis Berlin überwiesen worden sind, ist Bezirksauss{huß für Berlin für den gesammten Verwaltungsbezirk Berlin zuständig.

S 13

Gegen die gemäß § 20 Nr. 1 des Sesetes über die Zuständig keit der Verwaltungs- und Berwaltungsgerihtsbehörden vom 1. August 1883 (Geseßz-Samml. S. 237) ergehenden Strafverfügungen des Ober-Präsidenten findet im Verwaltungsbezirk Berlin innerhalb zroei Wochen die Klage beim Oberverwaltungsgericht statt.

S 14.

In den Fällen der §8 124 und 141 des Gesetzes über die Zu ständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerihtsbehörden vom 1. August 1883 (Geseß-Saminl. S. 237) beschließt im Verwaltungs- ezirk Berlin an Stelle des Bezirksauéshusses der Ober-Präsident ; gegen den die Genehmigung versagenden Beschluß des. Ober-Präsi- denten findet innerhalb zwei Wochen die Klage beim Oberverwal

tungsgeridht statt.

& 15. i Zuständig im Verwaltungsstreitverfahren in den Fällen der SS 2, 8 Absaßz 2, 9, 15 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Ver- waltungs- und Verwältungsgerihtsbehörden vom 1. August 1883 (Gesez-Samml. S. 237) und des § 7 des Gesetzes, betreffend die Anstellung und Versorgung der Kommunalbeamten, vom 30. Juli 1899 (Gefeßz-Samml. S. 141) ist für den Verwaltungsbezirk Berlin das Oberverwaltungsgericht. : 16.

__ In den Fällen der §8 115 und 117 des Geseßes über die Zu- ständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerihsbehörden vom 1. August 1883 (Gefeß-Samml. S. 237) beschließt an Stelle des Bezirksaus\chusses der Polizei-Präsident von Berlin. Gegen den ver- sagenden Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die Klage beim Bezirksaus\chuß statt. :

H O Sf

U dem Falle des § 150 des Geseßes über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 (Geleß-Camml. S. 237) beschließt für den Verwaltungsbezirk Berli an Stelle des Bezirk8aus\chusses die erste Abtheilung des Poslizei- Präsidiums zu Berlin. ;

, 8 18.

In dem Verwaltungsbezirk Berlin erfolgt die Wahrnehmung der in den 9, 8 und 9 des Gesetzes, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Pläßen in Städten und ländlichen Ortschaften, vom 2. Juli 1875 (Geseß-Samml. S. 561) dem Kre?s- aus\chuß beigelegten Funktionen L den Minister der öffentlichen Arbeiten und die Bestätigung der Statuten nah 8 12 und 15 a. a. O. durch den Minister des Innern.

L 19.

Die Aufficht des Staats über die Verwaltung der städtis{en Angelegenheiten und über die Amtsführung der Standesbeamten (§8 7 und 154 des Geseßes über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerihtsbehörden vom 1. August 1883 [Gesetz-Samml. S. 237]) wird tm Verwaltungsbezirk Berlin in zweiter und letzter Instanz vom Minister des Innern geführt. |

GS-90;

Die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängig gemachten An- gelegenheiten find von den bisher zuständigen Instanzen zu entscheiden. 8 21.

Innerhalb des Verwaltungsbezirks Berlin sind bei Störungen der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, bei Feuersbrünsten und in fonstigen dringenden Fällen die Beamten der Ortspolizei- behörden gleichmäßig zur Vornahme von Amtshandlungen berechtigt. Den Anordnungen des zuständigen Ortspolizeiverwalters haben dabei auch die thm nit unterstellten Beamten Folge zu leisten.

S 22.

Der 1V. Abschnitt des Gesetzes über die allgemeine Landes- verwaltung vom 30. Juli 1883 (Geseß-Samml. S. 195) (§8 41—47) sowie das Gesetz, betreffend die Polizeiverwaltung in den Stadtkreisen Charlottenburg, Schöneberg und Nirdorf, vom 13. Juni 1900 (Gesetz- Samml. S. 247) werden aufgehoben. ,

S123: as Gese tritt am 1. April 1902 in Kraft.

i er Minifter des Junern erläßt die zur Ausführung des Gesetzes

erforderlichen Bestimmungen. :

Diesem Gesetzentwurf . ift folgende Begründung bei- gegeben :

Die im preußishen Staat ihrem Umfange und ihrer Art nah einzig dastehende Entwickelung der Haupt-" und Residenzstadt Berlin hat im Laufe der Zeit eine besondere, von den für das übrige Staats- gebiet ‘geltenden Normen abweichende Organisation sowohl der staatlichen wie der kommunalen Verwaltung erforderlich gemaht. Bis zur Ver- waltungsreform der siebziger und achtiger Jahre des lezten Jahrhunderts bildete die Stadt Berlin sowohl in kommunaler wie in administrativer Beziehung einen Theil der Provinz Brandenburg unter dem Ober- Präsidenten von Brandenburg. Die Befugnisse des Negierungs- Präsidenten bezw. der früheren Regierungs - Abtheilung des Innern waren für Berlin zwischen dem Polizei - Präsidenten von Berlin, der Ministerial-, Militär- und Baukommission zu Berlin und dem Regie- rungs - Präsidenten bezw. der Regierungs - Abtheilung des Innern in Potsdam vertheilt; die kirhlichen Angelegenheiten wurden abgeseben von den befonderen Bestimmungen über das landesßberrlihe Patronat

“von dex Negierüngs - Abtheilung für Kirhen- und Schul- wesen in Potsdam,® die Angelegenheit der öffentlihen Schulen von dem Provinzial - Shulkollegium der Provinz Brandenburg in Berlin, die Steuerangelegenheiten von der Regierungs-Abtheilung für direkte Steuern, Domänen und Forsten in Potsdam bearbeitet. Durch le Berwaltungsreform wurde Berlin sowohl in kommunaler wie in administrativer Hinsicht von der Provinz Brandenburg getrennt. In- dessen blieb der Ober-Präsident von Brandenburg zuglei Ober Präsident von Berlin; ebenso fungierten auch einzelne andere Be hörden der staatlihen Provinzialverwaltung, insbesondere das Pro izial-Schulkollegium, weiterhin gemeinschaftlich für beide Verwaltungs-

Veit der Loslôösung von dem Landesverwaltungsbezirk der

vinz Brandenburg war für Berlin naturgemäß auch die Loslösung

Regierung zu Potsdam verbunden. Die bisherigen Befugnisse

igs-Abtheilung des Innern, insbesondere die Kommunals-

wur unmittelbar dem Ober-Präsidenten übertragen: die

Angelegenheiten der Regierüngs-Abtheilung für Kirchen

vesen gingen auf den Polizei-Präsidenten von Berlin, die

gelegenheiten der Regierungs - Abtheilung für direkte

c. auf die neugeschaffene Direktion für die Verwaltung de Steuern zu Berlin über.

Die eigenartige Entwickelung der Verhältnisse der Stadt Berl

threr Umgebung hat dann weiterhin zu dem Erlaß verwaltungs

tliher Sondervorschriften nit nur bezüglich des eigenen “Berlin, fondern au bezüglih einiger angrenze gesührt. Der unmittelbar örtlihe Zusammenhang

einigen dieser Vororte machte eine engere Angliederung

an die Stadt Berlin vor allem in polizeilicher zichung erforderlich. Es erging in dieser Hinsicht zunächst das Gesetz, betreffend die Uebertragung polizeilicher Befugnis

in den Kreisen Teltow und Nieder-Barnim sowie im Stadtkreise Charlottenburg an den Polizei-Präsidenten zu Berlin, vom 12.

1889 (Gefeß-Samml. S. 129) und dann weiterhin das an die

dieses Geseßes getretene Gesetz, betreffend die Polizeiverwal den Stadttreisen Charlottenburg, Schöneberg und Ni 13. Juni 1900 (Geseß-Samml. S. 247). Durch leßteres

dejjen Begründung und parlamentaris{che Materialien bier nommen werden darf, sind bekanntlich die drei Vororte Charlott Schöneberg und Rirdorf in polizeilicher Hinsicht von dem Negie bezirk Potédam losgelöst und mit der Stadt Berlin zu einem ceinbeit- lichen Landes-Polizeibezirk unter dem Polizei-Präsidenten von Berlin vereinigt worden. Von einer Angliederung anderer V e bezw. der Ertheilung einer bezüglitßen Vollmacht an die iatêregierung zu einer solchen Maßnahme, wie dies in dem vdn der Staatsregierung dem Landtage im Jahre 1889 vorgelegten erten bezüglichen Geset: entwurf vorgeschlagen war, ist Abstand genommen wor

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Haus der Abgeordneten ein Bedürfniß zur Vororte einstweilen niht anerkannt hat. Das Vororts-Polizeigeseß vom 13. Juni seiner Begründung und den parlamentarischen Verhandlungen klar er giebt, lediglih den Zweck verfolgt, eine nach Lage der Verbältnisse unbedingt gebotene und einen weiteren Auf{ub nit mebr zulassende Abänderung der für Berlin und die Vororte bestehenden Organi der allgemeinen Landesverwaltung auf polizeilichem Durchführung zu bringen. Soweit \sch{ in der kurz Geltung übersehen läßt, bat {G das Gese als wee: währt und damit dargethan, daß das ibm zu Grunde die in ihrer Entwickelung am weitesten vorgeschrittene Berliner Verbältnifssen am meisten verwachsenen Abtrennung von der Potsdamer Megierung binsi organifation Berlin glei(zustellen, ein richtiges ?