1901 / 54 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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eine Vorentscheidung zugetheilt wird, die einen Eingriff in das bestehende System der Gerichtsbarkoitenthält (vergl. den Bericht der Justizkommission des Abgeordnetenhauses vom 5. Mai 1890, Druckfache Nr. 193, Ver- bandlungen 1890 Band I11l Anlagen Seite 2066), sowie ferner, daß die Bergbehörden hierbei vielfah in die Lage kommen würden, Kennt- nisse, die sie vermöge ihrer amtlihen Vertrauensstellung dem Berg- werksbesitzer gegenüber erlangt haben, zu Gunsten seines Gegners in einem Privatrechtsstreite zu verwerthen, was zu einer unerwünschten Störung des Verhältnisses zwishen den Bergbautreibenden und ihren Aufsichtsbehörden führen müßte.

In ciner im Jahre 1897 an den Landtag der Monarchie ge- richteten Eingabe des Westfälischen Bauernvereins ist sodann vor- geschlagen worden, sämmtliche, im Bezirk eines Ober-Bergamts oder in einem engern Bezirke belegenen Bergwerke den Besigern der durh den Bergbau beschädigten Grundstücke gegenüber zur gemeinsamen Entschädigung zu verpflichten. Aber auch dieser Vorschlag begegnet überwiegenden Bedenken.

Er will eine Zwangsgenossenschaft schaffen zu dem Zwecke, um den Gegnern der Genossen die Verfolgung ihrer Ansprüche zu erleihtern,®— also eine Zwangsgenossenschaft, die nicht dem Interesse der Genossen dient, diesem vielmehr direkt entgegentritt. Eine folche Zrwoangégenossenschaft würde ohne Beispiel dastehen; in dem Bericht der Jujstizkommission des Abgeordnetenhauses vom 29. Mai 1897 (Anlagen Seite 2999) ist sie als eine „rechtliche Ungeheuerlichkeit“ bezeihnet worden.

Auch würde die zweckmäßige räumliche Begrenzung einer folchen AZwoangsgenossenschaft auf große Schwierigkeiten stoßen. Ließe man fie zusammenfallen mit dem Ober-Bergamtsbezirke, so würde man die größten Schadenszufüger unter den Bergwerken mit solchen vereinigen, bei denen Bergschäden entweder garnicht oder nur ganz vereinzelt auftreten. No ilmeidigerweise müßten dann verschiedene Gefahren- flassen für die Abstufung der zu erhebenden Umlagen, niht minder auch eine Beschwerde-Instanz für die Einshäßung in diese Gefahren- Dae begründet werden. Wollte man dagegen kleinere Bezirke wählen, so würde überhaupt kein wesentlicher Schritt zur Abhilfe der bestehenden Uebelstände damit gethan sein, da der geshädigte Grund- besißer sich in vielen Fällen wieder vor die Frage gestellt sehen würde, gegen welche Genossenschaft oder gegen welche Genossenschaften er die Klage zu richten habe.

Jedenfalls würde die Verwirklihung des Vorschlags des West- fälishen Bauernvereins zu einer Geseßesänderung mit groyzen ein- \chneidenden Folgen führen; es erscheint aber mehr als fraglich, ob zu einer solchen aus den Bedenken gegen die jeßige Fassung des § 149 genügender Anlaß zu entnehmen ift.

Zunächst kommt in Betracht, daß dicse Bedenken bisher lediglich im Gebiete des Nubrkoblenbergbaus hervorgetreten sind; es würde sich faum rechtfertigen lassen, für den Bergbau im ganzen Lande eine AZwangsorganisation zu begründen, um nur vereinzelt hervorgetretenen und örtlich beschränfkten Beschwerden abzuhelfen.

Ferner sind au in dem engern Ruhrkohlengebiete nah der Fest- stellung der über diese Frage gehörten dortigen Gerichte die Fälle, in denen der § 149 Anwendung findet, in der Abnahme begriffen. Das Zusammenwirken eines Geviertfeldes mit einem nach älterm Nechte verliehenen Längenfelde ist {on zu ciner Seltenheit geworden. Die Geviertfelder werden aber im Interesse einer den wirthschaftlichen Bedürfnissen der Gegenwart mehr entsprechenden einheitlichen Be- triebésleitung immer mehr zu größern Bergwerksgesellschaften zusammen- gelegt, sodaß fich die Fälle des Zusammenwirkens der Bergwerke ver- schiedener Besißer bei einem Bergschaden immer mehr vermindern müssen. Zu einer Geseßesänderung mit tief einshneidenden Folgen ift daber auch in den besondern Verhältnissen des Ruhrkohlenbezirks genügender Anlaß nicht mehr gegeben. : :

Nus diesen Erwägungen hat man auf den son früher gemachten Vorschlag (vergl. Verhandlungen des Abgeordnetenhauses 1890, Band 111 Anl. S. 2066) zurückgegriffen, die Besißer zweier oder mehrerer Berg- werke, durch deren Betrieb ein Schaden verursaht wird, als Ge- sammtschuldner zur Entschädigung zu verpflichten.

Dem gegen diesen Vorschlag früher vielfah (vergl. auch den Bericht der Justizkommission des Abgeordnetenhauses vom 5. Mai 1890, Drucksade Nr. 193) erhobenen Einwande, daß danach beabsichtigt werde, die Solidarhaft auf ein Verhältniß anzuwenden, das durchaus feinen Deliktscharakter an sih trage, wird man eine durchs{lagende Bedeutung um \o weniger beimessen können, als das inzwischen in Kraft getretene Bürgerlibe Geseßbuh für das Deu che Reich die Solidarhaft au in einer Anzahl von Fällen zugelassen hat, in denen lediglih eine Gemeinschaft von vermögensrechtlihen Beziehungen die Gesammthaftung angemessen erscheinen ließ; vergl. u. a. die SS 1108, 1388, 1480, 1530, 2058 a. a. O.

Auch läßt sich für die Einführung der Gesammthaftung im Falle des § 149 anführen, daß dieser Schritt keineswegs außer Zufammen- hang mit der bisherigen Rechtsentwickelung steht. Denn nach der jeßigen Fassung des § 149, die er unter Abweichung von der Negie- rungévorlage bei ibrer Berathung im Landtage erhalten hat, muß beispielswelse ein Bergwerksbesitßer der neben einem zweiten ein Grundstück beschädigt hat, esizer des leßteren unter allen Umständen die volle Hälfte des adens erseßen, auch dann, wenn er den Beweis in Händen baben follte, daß seine Einwirkung. nur einen ganz vershwindend kleinen des Schadens veranlaßt habe. Von diesem Standpunkte aus ist es aber in der That nur als ein weiterer Schritt in derfell anzuseben, wenn man jeden einzelnen Schädiger dem Grundk gegenüber gleih in solidum haften läßt.

Für den in Anspruch genomme Bergwerksbesitzer ist aber die Einführung der Solidarhaft nicht al e unbillige Ershwerniß an- zusehen. Zwar hat er den Nachweis der Mitschuld anderer Schädiger und nicht minder die Gefahr ihrer Z3ahlungsunfähigfkeit zu übernehmen. Doch wird ihm der N der Vi

Bergwerke durch die eigene fachmännische Bildung oder di Bildung seiner Organe wesentlich erleichtert werden. erwarten, daß, wenn erst einmal ein Schaden gegen einen Bergwerks- besitzer festgestellt worden is, und dieser sich hierbei erforder lihenfalls des Rechts der Streitverkündung an den muthmaßlichen Mitschädiger bedient hat, sich die Frage der Mitschuld unter den in Betracht kommenden Bergwerksbesitzern leiht im We( gütlichen Einigung erledigen lassen wird. Selbft die Erwartung erscheint nicht unberechtigt, daß nah Einführung der Solidarhaft in § 149 die Be- sizer solher Bergwerke, deren Betrieb nach_ ihrer Lage zu einander leiht zu gemeinschaftliher Beschädigung der Oberfläche V ranlafsung geben fann, sich aus eigenem Antriebe zu Verbänden zur gemeinsamen Tragung der Entschädigungspflicht zusammenschliezen werden.

Bezüglich des rechtlichen Verhältnisses der Besißer mehrerer

shädigender Bergwerke untereinander wird im ersten Satze des zweiten Absatzes der neuen Fassung bestimmt, daß „die Besizer der als ckchädiger ermittelten Bergwerke unter sich zu gleichen Theilen haften“, d. h. in derselben Weise, in der sie nach dem ersten Absah der jeßigen Fassung des § 149 von dem Grundbesitzer in Anspruch genommen werden können. Doch wird durch die neue Fassung: „der als Schädiger ermittelten Bergwerke“ zugleich ausgeschlo}sen, daß ein in s¿olidum in Anspruch - genommener Bergwerksbesizer deshalb seinen Rückgriff gegen die Mitschädiger verliert, weil deren Kreis nicht ab- geschlossen werden kann.

Der zweite Sah des zweiten Absatzes der neuen Fassung enthält daneben noch die Bestimmung des zweiten Absatzes der jeßigen Fassung, d. h. das Recht der beiden oder mehreren Schädiger, unter ch auch den Nachweis eines andern Antheilsverhältnisses an der Schadenszufügung zu führen. E

Dem Interesse der durch Bergschäden betroffenen Grundbesißer wird dur die nach der neuen Fassung des § 149 eintretende Be \chränkung ihrer Beweispfliht auf die Mitschuld eines Bergwerks unzweifelhaft in hohem Véaße gedient werden. Denn die Mitschuld eines Bergwerks ist in vielen Fällen hon durch Zugeständniß oder durh das Ergebniß früherer Prozesse oder durh das Gutachten außer» gerichtlich gehörter Sachverständiger außer Zweifel gestellt. In anderen Fällen wird der geshädigte Grundbesizer nur noch zu erwagen haben, welhen größeren oder kleineren Kreis von Bergwerken er einflagen

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muß, um mit Sicherheit wenigstens einen Schädiger zu erfassen. Allerdings kann ihn dabei immer noch eine gewisse Kostenlast treffen, die sih aber der Regel nah auf die außergerichtlihen Kosten der- jenigen Bergwerke beshränken würde, gegen welche die Beweisauf- nahme feinerlei Antheil an der Beschädigung ergeben hat. Auch in einer weiteren Beziehung wird die neue Fassung des 8 149 die rechtliche Lage des Grundbesißers wesentlich verbessern. Wie oben erwähnt wurde, zwingen die Be- HRRIES welhe die in ersier Instanz verurtheilten Berg- werksbesißzer einlegen, den Grundbesißer seinerseits nun au, den Nechts\treit gegen die in erster Instanz für nicht betheiligt erflärten Bergwerke in die zweite Instanz zu ziehen. Nach Einführung der Solidarhaft in § 149 wird aber von diesen Berufungen der Berg- werksbesitzer ein großer Theil wegfallen, nämlich alle diejenigen Be- rufungen, welche gegenwärtig auf die Behauptung gestützt werden, der Berufungskläger sei nicht der alleinige Schuldner, weshalb ihn nur ein Theil des geltend gemachten Schadens treffen köane.

Die vorgeschlagene Aenderung des § 149 dürfte hiernah als ein berechtigter und billiger Ausgleich eines Theils der zwischen dem Bergwerksbesiße und dem Grundbesiße sih naturgemäß und unvermeidlich ergebenden Kollisionen anzusehen sein. Mit Rücksicht auf die Bedeutung der neuen Bestimmung erscheint es angezeigt, hinsichtlih ihrer zeit- lichen Wirksamkeit im 3. Absaße des § 149 eine besondere Be- stimmung aufzunehmen, die dem Grundeigenthümer den Vortheil der neuen Vorschrift in thunlihstem Umfange sichert.

Zu Artikel I.

Nach § 214 des Allgemeinen Berggefeßes vom 24. Juni 1865 (Geseßz-Samml. S. 705) bleiben in den linkfsrheinishen Landestheilen die Dachschieferbrüche, die Traßbrüche und die unterirdisch betriebenen Mühlsteinbrüche der polizeilichen Beaufsichtigung durch die Berg- behörde unterworfen, obwohl Dachschiefer, n und Mühlsteine in den genannten Landestheilen nicht zu den nach 4 ergrecht verleihbaren Mineralien gehören, sondern dem Grundeigenthümer zustehen. DieUnter- stellung der fraglichen Betriebe unter die bergpolizeiliche Aufsicht war aber {on s die frühere französishe Gesetzgebung vorgesehen und ist als sachgemäß und dem Bedürfnisse entsprechend in der preußischen Gesetzgebung beibehalten worden. Demgemäß erklärt § 214 a. a. D. an erster Stelle den 9. Titel des Allgemeinen Berggeseßzes: „von der Bergpolizei“ auf die genannten Brüche anwendbar, außerdem noch die Vorschriften des 7. Titels dieses Geseßes „über die Knappschafts- vereine“. Die übrigen Bestimmungen des Allgemeinen Berggeseßes bleiben hiernach für die in Rede leben Betriebe außer Anwendung.

Die thatsächlihe Bedeutung der letztern ergiebt sich daraus, daß im Jahre 1898

162 Dachschieferbrüche mit zusammen 1 937 Arbeitern,

302 Mühlsteinbrüche. , ù 2 682 f und

906 Taube ù 951 é in Betrieb und unter Aufsicht der Bergbehörde gestanden haben. Betriebe mit namhafter Arbeiterzahl finden J insbesondere beim U Q erra in 1898 waren hierbei neben zahlreichen kleineren Betrieben aht Gruben mit einer Belegschaft zwischen 50 und 100 Arbeitern und zwei Gruben mit einer Belegschaft zwischen 100 und 200 Arbeitern vorhanden. Die Dachschieferbrüche werden zur Zeit, mit Ausnahme einer ganz geringen Zahl von Brüchen im Bergrevier West-Saarbrücken, ausschließlich unterirdi\c, die Traßgewinnungen ausschließlich oberirdisch betrieben; jedoch sind Verschiebungen in dieser Beziehung für die Zukunft nicht ausge- \{lossen. Die unter der Aufsicht der Bergbehörde stehenden Mühl- steinbrühe werden theilweise unter, zum theil aber auch über Tage betrieben. Da nah dem Wortlaut des Gesetzes aber nur die unter- irdi\ ch betriebenen Mühlsteinbrühe Gegenstand der bergpolizeilichen Aufsicht bilden sollen, so wird auf diese Unstimmigkeit zwischen der geseßlichen Vorschrift und dem thatsächlihen Zustande päter (unter II1) noch zurückzukommen sein.

J]. Dadurch nun, daß auf sämmtliche in Rede stehenden Betriebe nach Vorschrift des § 214 die Bestimmungen über die Bergpolizei Anwendung finden, wird es ermöglicht, die erforderlichen Anordnungen ¿um Schuße ihrer Arbeiter gegen Gefahren für Gesundheit und Leben zu treffen. Ebenso wird dur die Anwendbarkeit der ge|\eß- lichen Vorschriften über die Knappschaftsvereine geeignete Fürsorge für diese Arbeiter und ihre Hinterbliebenen auf dem Gebiete des Arbeiterversiherungswesens gewährleistet. Auch ist, insoweit die fraglichen Betriebe obe rirdisch über Tage betrieben werden, in Beziehung auf die fonstigen Zweige des Arbeiterschutzes genügende Fürsorge getroffen, da nach § 154 der Neichs-Gewerbeordnung auf die in oberirdischen Brüchen und Gruben beschäftigten Arbeiter, soweit diese Anlagen nicht bloß vorübergehend oder in geringem Umfange be- trieben werden, die Vorschriften der §§ 134—139 b der Gewerbe- ordnung, die Verhältnisse der Fabrikarbeiter betreffend, entsprechende Anwendung finden. Zu einer etwaigen Ergänzung dieser Vorschriften der Gewerbeordnung im Wege der Landesgesetzgebung liegt aber in den besonderen Verhältnissen der auf den linksrheinischen oberirdisch betriebenen Traß-, Dachschiefer- und Mühlsteinbrüchen kein Anlaß vor. In den §§ 214 und 214a des Entwurfs ift daher für diese oberirdishen Betriebe der bisherige Rechtszustand unverändert beibebalten worden. Wenn in § 214a, abgesehen von den im ur- sprünglihen § 214 benannten berggeseßlichen Bestimmungen, auch noch die 88 58 und 59, sowie der VIII. Titel des Berggesetes auf die fraglichen Betriebe anwendbar erklärt werden, ]o 11 dies weniger der Sache, als nur der Form nah eine Neuerung, da nah Annahme der Praris diese leßteren Vorschriften für die in § 214 a bezeichneten Betriebe auch \chon früher gegolten haben. ;

[1. Anders gestaltet sih aber die Rechtslage in Beziehung auf den Arbeiters{uß bei den unterirdisch betriebenen Brüchen und Gruben. Diese gehören zum „Bergwesen“ im Sinne des F b der RNeichs-Gewerbeordnung, deren Vorschriften daher hierauf nur insoweit Anwendung finden, als sie ausdrückliche Bestimmungen darüber ent- bält. Durch §8 154 a a. a. O. sind aber auf die unterirdish be- triebenen Brüche und Gruben auédrücklich anwendbar erklärt nur die 88 115—119 a, enthaltend im wesentlichen die Vorschriften wider das Trucksvstem ; die §8 135—139 a über die Beschäftigung jugendlicher und weiblicher Arbeiter; § 139 b über die Gewerbeaufsiht und die ZF 152 und 153 über die sog. Koalitionsfreiheit; außerdem finden noch An- wendung die Bestimmungen über die Sonntagsruhe in den §§ 10%a und ff, ferner die besondere Vorschrift des §, 1543, wonach

in Betrieben der genannten Art nit unter Tage verden dürfen, und dic zu den vorstehend genannten Bor-

n gehörigen Sfrafbestimmungen. Dagegen fehlt es hier an

gesetzlichen Regelung insbesondere hinsichtlich folgender Punkte:

1) Verpflichtung minderjähriger Personen zur Führung von

Geitäbüchern (§8 107—114 der Gewerbeordnung);

2) Besvch der Fortbildungsschulen 120); 7 .

3) Kündigungsfristen und Gründe soforliger Entlassung und sofortigen Austritts aus der Arbeit (§§ 122—124 a); :

4) Haftung des Arbeitgebers wegen Verleitung des Arbeiters zum Bruch des Arbeitsvertrags 129) ; l

5) Verhältnisse der Betriebsbeamten (88 133 a—133e0),

6) Vereinbarung von Schadenersaß für rehtswidrige Auflösung des Arbeitsverhältnisses 134 Abs. 2);

7) Erlaß von Arbeitsordnungen (§§ 134 a—134 h).

Bekanntlih betreffen die unter 1—7 angeführten Bestimmungen Rerbältnisse, welche für die eigentlichen Bergarbeiter durch die Novelle zum Allgemeinen Berggeseß yom 24. Juni 1892 (G.-S. S. 131 ff.) in den §8 80—92 der jetzigen Fassung dieses Gesetzes ihre besondere Negelung nach dem entsprechenden Vorgang der Gewerbeordnung ge- funden haben. | i

Unzweifelhaft ist es niht unbedenklich, die zablreihen Arbeiter der linksrheinischen unterirdishen Bruchbetriebe eines wesentlichen Theils desjenigen Schubes ihrer Interessen entbehren zu lassen, den das Gesek im allgemeinen für Arbeiter gleichartiger Betriebe-Für er- forderlich erachtet hat. Diesem Bedenken hat auch {on eine bei

Gelegenheit der Berathung der Berggesetznovelle vom 24. Juni 1592 | gefaßte Resolution des Abgeordnetenhaujes Ausdruck gegeben, wodurch | die Staatsregierung ersuht wurde,

den. Erlaß eines Gefeßes in Erwägung zu nehmen, dur welches Bestimmungen des Allgemeinen Berggeseßes, namentli diejenigen über die Bergleute (§§ 80—92) außer auf den Cisen- steinbergbau im Herzogthum Schlesien uad den Salzbergbau in der Provinz Hannover nöthigenfalls auch auf sonstige, unterirdisch betriebene Brüche ausgedehnt werden.

Für den \lefischen Eisenerzbergbau und den Hannoverschen Stein- und Kalisalzbergbau ist dieser Resolution durch die Geseße vom 8. April 1894 (G.-S. S. 41) und 14. Juli 1895 (G.-S. S. 295) Folge gegeben worden. In entsprechender Art au für die im § 214 des Allgemeinen Berggesetzes bezeichneten unterirdishen Betriebe Für- sorge zu treffen, empfiehlt nh mas bloß im Interesse der dabei be- s{aftigten Arbeiter, sondern auch ihrer Arbeitgeber. Denn die Berichte der betheiligten örtlichen Bergbehörden lassen erkennen, daß die gegenwärtige mangelhafte, auf zum theil veraltetem Herkommen beruhende Ordnung der Arbeiterverhältnisse einer gedeihlihen Fort- entwickelung der fraglichen Betriebe, deren, wie später noch näher darzulegen sein wird, insbesondere der links-rheinische Dachschieferberg- bau durchaus fähig ist, vielfah hemmend im Wege steht. Es ist deshalb in Ausficht genommen, durch §214 þ auf die mehrbezeihneter unterirdischen Bruchbetriebe auch den 3. Abschnitt des 111. Titels dei - Allgemeinen Berggeseßes „von den Bergleuten und den Betriebs- beamten“ anwendbar zu erklären. Selbstverständlich sollen daneben die für diese Betriebe gegenwärtig {hon geltenden Vorschriften des AlU- gemeinen Berggeseßes auch fernerhin in Anwendung bleiben, wie sich aus der Fassung des § 214a ergiebt.

Sollte hiergegen etwa der Einwand erhoben werden, daß für die darunter in größerer Anzahl vorhandenen Kleinbetriebe eine andere als die hergebrahte Ordnung des Arbeitsverhältnisses, insbefondere der Erlaß ausführlicher Arbeitsordnungen, entbehrlich sei, so ist diesem Bedenken, soweit es als begründet anerkannt werden kann, in den Geseßzesvorschriften, deren Ausdehnung vorgeschlagen wird, {hon dadurch Rechnung getragen, daß nah § 80 a Abs. 5 a. a. O. die Bergbehörde bei Betrieben von nur geringem Umfange von dem Erlaß einer Arbeits- ordnung oder von der Aufnahme einzelner der in § 80 þ bezeichneten Bestimmungen entbinden kann.

I1IT. Es ist oben {on darauf hingewiesen worden, daß, während nah der Vorschrift des bisherigen § 214 des Berggesetßes nur unter- irdisch betriebene Mühlsteinbrühe der Aufsicht der Bergbehörde

unterliegen sollen, auf dem linken Rheinufer thatsächlih auch zahl- reiche oberirdisch mittels Tagebaus betriebene Mühlsteinbrüche dieser Aufsicht unterstehen. Es erklärt sich dies in folgender Weise:

Zur Zeit des Erlasses des Allgemeinen Berggeseßes waren in dem fraglihen Gebiete nur unterirdish betriebene Mübhlsteinbrüche vorhanden. Diese alten Betriebspunkte lagen durchweg auf der Höhe eines Hanges; das zur Anfertigung der Mühlsteine geeignete Material die Basaltlava war durh ein mächtiges Deckge irie überlagert. Man ging daher mit einem Schachte durch das Dek- gebirge in die Tiefe und begann dann in der Basaltlava einen nah unten sich glockenartig erweiternden Bau. Infolge des in neuerer Zeit erfolgten außerordentlichen Aufschwunget der Basaltlavaindustrie wurden zahlreihe neue Betriebs- vunkte eröffnet, die sih meistens thalwärts nah dem Abhange des Gebirges hin an die älteren anschlossen. Mit dem Fortschreiten ins Thal nimmt aber die Mächtigkeit des Deckgebirges ab, \odaß die Gewinnung der Basaltlava ganz allmählich aus dem unter- irdishen Betrieb in den offenen Tagebau überging. Bei der An- meldung des Betriebs bei der Aufsichtsbehörde stand aber vielfach die Art des spätern Betriebs noch nicht fest, weil auch der Tagebau mit dem Betrieb eines Gesenks durch das Deckgebirge begonnen wird und vielfa erst nach dor Feststellung der Mächtigkeit des letztern die Entscheidung über die Betriebsart stattfindet. Da die verschieden- artigen Betriebe \ich eng an einander reihen, nicht selten au der einzelne Betrieb aus der einen Ge- winnungsmethode in die andere nur ganz allmählich übergeht, so is eine Scheidung in der Beaufsichtigung prak- tis faum durchführbar. Da zudem auch die Tagebaue in der Regel verhältnißmäßig eng und {hmal, aber sehr tief bis zu 30 m sind, so erklärt es fh leicht, daß die Bergpolizeibehörden stets unbe- stritten von der Ortspolizeibehörde auch die Aufsicht über diese lebz- teren Baue geführt haben. Es empfiehlt sich, diesen unzweifelhaft dem praktishen Bedürfniß entsprechenden Zustand auch zu einem unbedenklich geseßlihen zu machen. Zu diesem Behufe ift in den §§ 214 bis 214b und 2144 des Gesetzentwurfs der *Ausdruk „unterirdisch betriebene Mühlsteinbrüche“ ersetzt durch „Basaltlavabrüche“, da die Basaltlava aus\{ließlich das Mineral bildet, aus dem die Mühlsteine hergestellt werden. Diese Gesetßesänderung empfiehlt sich auch noch aus dem Grunde, weil schon seit langer Zeit aus der gewonnenen Basaltlava nur zum geringsten Theile Mübhlsteine, zum überwiegenden Theil aber andere Produkte, Werksteine, Treppenstufen und dergl hergestellt werden. Es ergiebt sih daraus, daß an dem Werthe det Gesammtgewinnung dieser Brüche im Jahre 1898 von 2358 156 A die Produktion von Mühlsteinen nur mit einem Werthe von 91 697 M = 3,9 9/6 betheiligt gewejen 1/t. /

Von Basaltlavabrüchen haben im Jahre 1898 im Bergrevier Koblenz 11 Brüche mit 229 Arbeitern unter der Aufsicht der allgemeinen Polizeibehörden, dahingegen 302 Brüche mit 2682 Arbeitern unter der Aufsicht der Bergbehörde gestanden. Infolge der vorgeschlagenen Ge- sezesänderung würden die erstgenannten 11 Brüche aus der Aufsicht der allgemeinen Polizeibehörden ausscheiden und unter die Aufsicht der Bergbehörden übertreten.

[V. Eine besondere Berücksichtigung erfordern sodann noch die linkörheinishen Dachschieferbrüche. Wenn diese in § 214 des Allgemeinen Berggeseßzes den Traß- und Müblensteinbrüchen în rechtlicher Beziehung ganz gleichgestellt worden sind, so entsprach dies zwar den beim Erlaß des Allgemeinen Berggeseßzes noch obwaltenden einfahen Verhältnissen. Dieser Rechtszustand ist aber infolge des eingetretenen Umschwungs niht mehr haltbar.

Der Dalschicferbergbau in der Eifel und auf dem Hunsrück die Gewinnung des sog. Moselschiefers ist zur Zeit in sehr er freulidem Aufs{wung begriffen, wie die oben gemachten Angaben über Zahl und Umfang der dabei jeßt {on vorhandenen größeren Betriebe erkennen lassen. Diese aufsteigende Entwickelung nad) Möglichkeit zu fördern, ist aber um fo mehr als eine natürliche und dringliche Aufgabe der Gesetzgebung anzusehen, als es sih dabei um die Ersließzung weiterer Quellen des Wohlstandes und der Ver mehrung der Arbeitsgelegenheit für wirthschaftlich ungünstig gestellte Theile des Staatsgebiets handelt, deren Hebung schon seit längerer Zeit den Gegenstand besonderer Fürsorge der Staatsregierung ge bildet hat.

Œs fommt nun aber namentlih darauf an, dem linksrbeinishen Dachschieferbergbau die Entwickelung zu größeren, planmäßig geleiteten Betrieben in noch weiterem Umfange zu ermögen, da nur în solchen ein gleihmäßig gutes Produkt in den verschiedenen Sorten, welche die mannigfahen Verwendbungsarten erfordern, hergestellt und dauernd zum Absatz beteit gehalten werden kann. Zu diejem Behufe bedarf es aber, abgesehen von der bereits besprochenen Möglichkeit einer besseren Ordnung/ der Arbeiterverhältnisse, erleichternder ge|eß licher Vorschriften noch in mehreren anderen Beziehungen, welche in § 214c vorgeschlagen werden.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 54.

Berlin, Montag, den 4. März

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

1) Das wesentlihste Hemmniß einer gesunden Weiterentwickelung dieser Betriebe war bisher darin begründet, daß der Besißer einer Dachshiefergrube keine, ein fremdes Grundstück oder eine frenide Schieferlagerstätte (sog. Nicht) berührende unterirdische Arbeit vor- nehmen darf, so lange er nicht die ausdrücklihe Erlaubniß der betreffenden Besißer erhalten hat. Bei der gewöhnlich großen Zahl dieser anderen Besißer findet sich aber fast immer der cine oder andere, der die Durchfahrung seines Grundstücks oder seiner Richt entweder überhaupt nicht oder nur gegen unerschwingliche Gegenleistungen gestatten will. Ohne Benußung oder Berührung fremden Grund- oder Lagerstätteneigen- thums ift aber eine planmäßige Dachschiefergewinnung nur in seltenen, besonders günstig gearteten Fällen ibeüßeba: S8 empfiehlt fich hierna, die Bestimmungen der §§ 60 bis 63 des Allgemeinen Berg- geseßzes über das Hilfs baureht auch auf den Rheinischen Dach- \chieferbergbau entsprechend anwendbar zu machen, wie in § 214c unter 1 geschieht.

9) Eine weitere Ershwerung findet die Entwickelung des links- rheinishen Dachschieferbergbaues dadur, daß ihm die Benußung fremder Grundstücke über Tage gegen den Willen ihrer Besißer gänzlich versagt ist. Zwar wird der Besißer einer Dachschiefergrube in der Regel in der Lage sein, über den unmittelbar über seiner Lager- stätte belegenen Grund und Boden zu verfügen, denn entweder ist er gleichzeitig auch dessen Eigenthümer, oder er kann fh beim Erwerb der Berechtigung zum Abbau der Schieferlagerstätte von dem Grund- besißer zugleih auch die Benußung der Oberfläche füx seine Be- triebszwecke sichern. Er bedarf aber auch, namentlih im Fall des Großbetriebs, der Benußung der außerhalb seines engeren Gruben- feldes belegenen Grundstücke, namentlich zur Herstellung von Ver- fehrêanlagen im weiteren Sinne, Wegen, Eisenbahnen, Kanälen; ferner zur Herstellung von Wasserläufen jeder Art und von Hilfs- bauen. Häufig wird er erst durch die Herstellung einer solchen Anlage die Möglichkeit gewinnen, seiner Grube Wasser- und Wetterlösung zu verschaffen und seine Produkte überhaupt in den Verkehr zu bringen. Die Einräumung einer Enteignungsbefugniß in dem in § 214c unter Nr. 3 dieses Gesetzentwurfs vorgesehenen Umfange liegt daher im dringenden Interesse dieses Bergbaues.

3) Wird aber dem Besitzer einer Dachschiefergrube das Hilfsbau- recht und die Befugniß zur Zwangsenteignung in dem angegebenen Umfange eingeräumt, so wird - ihm hinwiederum in § 214c unter 3 als Korrelat dieser Berechtigungen auch die unbedingte Haftung für den dem Grundeigenthum durh den Abbaubetrieb zuge- fügten Schaden, wie sie im 2. Abschnitt des d. Titels des Berggefeßes ausgesprochen ist, -aufzuerlegen sein. N 9) Dev: Bettieb- der Dachschiefergruben unterscheidet sih, was seine Gefährlichkeit und die Nothwendigkeit einer geregelten Aufficht durch die Bergbehörde anbelangt, gegenwärtig kaum mehr von den sonstigen bergbaulihhen Betrieben; wegen der durch die eigenthümlichen BesiterverHältnisse bedingten Lage der eng aneinander grenzenden Betriebe ist er sogar theilweise noch gefährlicher wie mancher andere Bergwerksbetrieb. Es ist daher nothwendig, der Bergbehörde alle geseßlichen Mittel zur Durhführung einer sahgemäßen und wirksamen Aufsicht an die Hand zu geben; zu diesem Zwecke ist -auch die Ausdehnung der dem Bergwerksbesizer nah den §§ 66—79 des All- gemeinen Berggeseßes der Bergbehörde gegenüber obliegenden Ver- pflihtungen auf den linksrheinishen Dachschieferbergbau in § 214 c des Gesetßentwurfs unter Nr. 2 vorgésehen worden.

Infolge der Ausdehnung der im Vorstehenden unter TV Nr. 1—4 erwähnten bergrehtlihen Bestimmungen auf diesen Bergbau erlangt derselbe im wesentlichen die gleiche rehtlihe Stellung, wie sie durch frühere Geseße hon für andere Zweige des fog. Grundeigenthümer- bergbaues geordnet worden ift ;

vergl. u. a. Gesetz vom 22. Februar 1869, die NRechtsverhält- nisse des Stein- und Braunkohlenbergbaues in den ehemals

Königlich sächsischen Landestheilen betreffend (G.-S. S. 401);

Art. X[1—X1[1 der Königlichen Verordnung vom 8. Mai 1867, die Einführung des Allgemeinen Berggeseßes in das Gebiet des vormaligen Königreihs Hannover betreffend (G.-S. S. 601); Gese vom 14. Juni 1895, die Ausdehnung verschiedener Bestimmungen des Allgemeinen Berggeseßes auf den Stein- und Kalisalzbergbau in der Provinz Hannover be

treffend (G.-S. S. 295).

Es verdient ferner noch hervorgehoben zu werden, daß der links- rheinishe Dachschieferbergbau durch die vorgeschlagenen Gesetzes- änderungen nicht etwa in eine rechtliche Sonderstellung gelangen, sondern vielmehr der Rechtslage des rehtsrheinishen Dachschieferberg- baues nur näher gebracht werden wird. Denn entweder ge- hört der Dachschiefer in den rechtêrheinischen Landestheilen, wie im ehemaligen Herzogthum Nassau, auf Grund der noch geltenden Geseßgebung zu den verleihbaren Mineralien (vergl. Art. TT der Einführungsverordnung vom 22. Februar 1867 cOeles Samml. S. 237}), oder die Berechtigung zur Gewinnung derselben ist hier fast in allen Fällen unter der Herrschaft der früheren Gesetzgebung im Wege der bergrechtlihen Verleihung erworben worden. In dem einen wie in dem andern Falle unterliegt alfo der rechtsrheinische Dachschieferbergbau bereits den Bestimmungen des Allgemeinen Berggeseßzes (vergl. auch § 222 h. 1.), welchem Nechts- zustande jeßt auch der linksrheinishe Dachschieferbergbau näher ge- bracht werden soll.

__ V, Bei der vielfa weitgehenden Zersplitterung der Besitßz- und Eigenthumsverhältnisse an den in § 214 benannten Brüchen und Gruben hat \sih der Mangel einer geseßlichen Bestimmung über die Vertretung mehrerer, einen Bruch oder eine Grube gemeinschaftlich be- treibender Personen sehr fühlbar gemaht. Jn § 2144 des Entwurfs wird daher die Bestimmung des § 211c (in der Fassung des- Ge- seßes vom 8. April 1894 [G.-S. S. 41]), welche den gleichen Mangel für den Eisenerzbergbau im Herzogthum Schlesien und der Grafschaft E abzustellen bezweckt, auf die in § 214 bezeichneten Betriebe ent- \prehend anwendbar erklärt.

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Der Inhalt des Artikels TIT des Entwurfs rechtfertigt sich durch den späteren Beginn der Geltung der in Rede stehenden Vorschriften der Novelle vom 24. Juni 1892 (G.-S. S. 131).

Hervorzuheben ist noch, daß die Bestimmungen in Artikel 11 und TIT diefes Geseßentwurfs dem Provinzial-Landtag der Nhein- provinz zur Begutachtung Vorgelegen haben, und daß der Provinzial- Landtag ih einstimmig für ihre Erhebung zum Geseße aus- gesprochen hat.

Zu Artikel TV.

Die alsbaldige Inkraftsezung der Vorschriften in Artikel T des Gesezentwurfs is unbedenklich und im Interesse der Deer erwünsht. Die Bestimmungen in Artikel 11 und 111 berühren aber mehrfach in eingreifender Weise die betrieblihen Verhältnisse der darin benannten Brüche und Gruben, weshalb es sich empfichlt, ihren Besitzern eine dewilie Zeit zur Vorbereitung * der erforderlichen neuen Einrichtungen zu belassen. Für diesen Theil des Gesetzentwurfs ist daher der Eintritt der Gesetzeskraft am 1. Januar 1902 vorgesehen.

Nr. 2 des „M inisterialblatts für die gesammte innere Verwaltung in den Königlih preußishen Staaten“, herausgegeben im Bureau des Ministeriums des Innern, vom 928. Februar, hat folgenden Inhalt: T. Allgemeine Verwaltungssachen. Ausführungsbestimmungen vom 18. Dezember 1900 zu dem Geseß über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger. Verfügung vom 30. Januar 1901, betreffend die Feststellung der Zahl der zum Pro- vinzial-Landtage zu wählenden Abgeordneten. IT. Polizei- verwaltung. A. Im Allgemeinen. Verfügung vom 9. Januar 1901, betreffend Verhütung von Unglücsfällen auf unbewachten Cisenbahnübergängen. B. Gewerbe-Polizei. Verfügung vom 19. November - 1900, betreffend die Errichtung und den Be- trieb von Anlagen zur Herstellung von nitroglycerinhaltigen Sprengstoffen. C. Sicherheits-Polizei. Verfügung vom 27. De- zember 1900, betreffend die Körpermessungen und Beschreibungen nach dem System Bertillon?s. 111. Verwaltung der öffentlichen Arbeiten. Verfügung vom 21. November 1900, betreffend die Mitwirkung der Königlichen Eisenbahn-Direktion bei der Planfeststellung von Klein- bahnen im Enteignungsverfahren. Verfügung vom 20. Dezember 1900, betreffend die Ausführungsvorschriften für die staatliche Unfallversiherung im Bereiche der allgemeinen Bauverwaltung. 1V. Verwaltung für Handel und Gewerbe. Verfügung vom 17. November 1900, betreffend die Handwerkergesellen- Prüfungs8ordnungen. Verfügung vom 10. Dezember 1900, betreffend die Gefährlichkeit der Häute milzbrandkranker Schafe. Verfügung vom 27. Dezember 1900, betreffend die Uebereinstimmung zwischen den Handelsregistern mit dem thatsächlichen Bestande der Firmen. Verfügung vom 29. Dezember 1900, betreffend die den Ingenieuren der Dampfkessel-Ueberwachungsvereine zu behändigenden Ausweisfkarten. Verfügung vom 5. Januar 1901, betreffend die zur Errichtung und Verwaltung von Fortbildungsschulen gebildeten Zweckverbände. Verfügung vom 15. Januar 1901, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Noßhaarspinnereien. V. Präjudize.

Statistik und Volk8wirthschaft.

Die Ergebnisse der Anwendung der in den deutschen Einzelstaaten für die bedingte Begnadigung geltenden Vorschriften in den Jahren 1899 und 1900.

Der bedingten Begnadigung, wie sie in deutschen Einzelstaaten neuerdings sich Geltung verschafft hat, liegt die Erwägung zu Grunde, daß unter Umständen, namentlich gegenüber einem noch nicht be- straften Verurtheilten, es dem Zwecke der Strafe besser ent- spricht, wenn auf deren Vollzug unter der Bedingung verzichtet wird, daß der Verurtheilte sich während einer ihm bewilligten Probe- zeit gut führt. Die Einrichtung geht davon aus, daß die Bewilligung eines Strafaufschubs, der dem Verurtheilten Gelegenheit geben soll, {ih den Erlaß der Strafe zu verdienen, ‘besonders aber dieser Erlaß selbst Sache der Gnade sei. Demgemäß find dur landesherrliche Anordnung die obersten Justiz-Verwaltungsbehörden zur Bewilligung von Strafaufshub mit der Maßgabe ermächtigt worden, daß bei guter Führung des Verurtheilten die endgültige Begnadigung in die Wege zu leiten, anderenfalls die Strafe zu vollstrecken ist. Eigene An- ordnungen über die bedingte Begnadigung sind nur in Sachsen- Weimar, Mecklenburg-Streliz, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Neuß älterer und Reuß jüngerer Linie noch nicht ergangen. Jedoch wird au bier von dem landesherrlichen Begnadigungsrecht häufig in der Weise Gebrauch gemacht, daß die Strafe dem Verurtheilten unter der Bedingung, ih während einer ihm bewilligten Probezeit gut zu führen, erlassen wird.

Die Vorschriften der Einzelstaaten über die bedingte Begnadigung zeigen Verschiedenheiten nur in einigen weniger erheblichen Punkten.

In Baden werden Verurtheilte, die nicht zu den Jugendlichen

gehören, unter keinen Umständen berücksichtigt; die übrigen Bundes taaten lassen ausnahmsweise die bedingte Begnadigung auch für folche Personen zu, die zur Zeit der That das achtzehute Lebensjahr bereits vollendet l chaumburg-Lippe und Lübe ift ferner di bedir te B qung Gru idiai lich IUT solche Personen beschr ft, wel eine Freibe | dixser Bezi

staaten i

geseßt, daß für cine darüber diunausg è trafe nur unter be tonderen Umî\tänden von der bedingten Degnadtg Gebrauch gemacht werden foll. as Höchstmaß beträgt in Bayern, Württemberg, Oldenburg und Lippe drei Monate Preußen und der Mehrzahl der anderen Bundesstaaten sechs Monate. Baden {ließt bei Frei- heitsstrafen über drei Monate, Lübeck bei Freiheits\strafen über ses Monate die Vergünstigung unbedingt aus. Endlih hat Baden noch die Besonderheit, daß Personen, die sich in Untersuchungshaft be- finden, die bedingte Begnadigung versagt wird.

Fn den meisten Bundesstaaten ist die Prüfung der Frage, ob die Ausfetzung des Vollzugs beantragt werden soll, den Strafvollstreckungës behörden überwiesen, also hinsihtlih der von den Amtsgerichten oder Schöffengerichten Verurtheilten den Amtsgerichten, . hinfichtlih aller übrigen Verurtheilten den Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten. In Bayern ist für amtsgerichtliche und höffengerihtlide Sachen der | Amtsanwalt berufen, die Bewilligung des Strafaufschubs zu beantragen. | Einige Bundesstaaten haben die Mitwirkung des erkennenden Gericht: vorgesehen. So kann in Württemberg, Meklenburg - Schwerin und Schaumburg-Lippe nicht nur die Vollstreckungsbehörde, fondern ebenso das erkfennende Geriht den Strafaufshub anregen. Jn Württemberg wird das erkennende Gericht immer auch über die Frage des endgültigen Straferlasses gutachtlih gehört. In Hessen haben bei den Amtsgerichten, falls die Entscheidung und Bollstreckung nichk demselben Richter zusteht, die Nichter über den Antrag auf Aussetzung ins Benehmen zu treten; im Falle einer Meinungsverschiedenheit darf der erkennende Nihter den Antrag selbständig \tellen. In Bremen ist der Antrag stets Sache des Strafgerichts.

Auch die Vorschriften über die Bemessung der Bewährungsfrist stimmen nit durchweg überein. In Preußen, Oldenburg, Anhalt und Libeck ist die Frist regelmäßig auf zwei Jahre und nur in leid) teren Fällen oder, wenn anderenfalls Verjährung der Strafvollstreckung eintreten würde, auf ein Jahr oder auf einen noch kürzeren Zeitraum festzuseßen. Nach den bayeris Wen Bestimmungen soll die Frist nicht mehr als fünf Jahre, in der Negel | aber nicht weniger als ein Jahr betragen. Meklenburg- | Schwerin hat als Höchstmaß eine Frist von drei Jahren | und für die Fälle, in welchen die Strafvollstreckung binnen zwei Fahren verjährt, eine solhe von anderthalb Jahren vorgesehen. In Schwarzburg-Sondershausen wird die Bewährungsfrist regelmäßig nah |

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der Dauer der Verjährung der Strafvollstreckung bemessen, !odaß, falls ein Widerruf des Strafaufshubs innerhalb der Frist nicht erfolgt, | die Strafe mit dem Ablauf der Bewährungsfrist verjährt und ein ausdrücklich endgültiger Erlaß der Strafe si{ch erübrigt. In den übrigen Bundesstaaten sind besondere Vorschriften hierüber nicht ergangen. :

Nach ciner dem Reichstage vorgelegten Zusammenstellung der Er- ebnisse der Jahre 1899 und 1900 bei der Anwendung der in den Einzelstaaten für die bedingte Begnadigung geltenden Vorschriften beträgt die Zahl der

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Fälle, in denen die Ausfeyzung der

1901.

Strafvollstreckung

Ï mit Audßsicht auf Begnadigung ge- währt wurde:

seit Einführung der bedingten Begnadi- gung bis zum 31. Dezember 1898 durh- überhaupt | s{hnittlih | jährlich

Preußen (23. Oktober 1895) 10 085 3185 | 4168| 4386 Berlin M. F407 4 444 601 580 N l 818 574 T4 754 G 184 58 Hai 50 G 646 | 204 276 957 Köln . C 129 | 404 38 TOL gott ap c 340 107 Z 87 N 769 | 243 Zt 350 U L 2090| 81 î 78 A S 823 | 260 27 214 G DER e i N 442 | 140 I 180 N A 836 264 i 338 T s 736 | 233 Go T S E N 493 | 156 211 E DE 18 19 Bayern (15. Januar 1896). . 978 | 659 ( 605 M 478 159 F 136 S E 109 36 | 50 Bamberg N 674 225 24! 223 S E 459 153 C F Me N 258 | 86 | 83 Sachsen (25. März 1895) . . 814 : 929; 499 Württemberg (24. Februar 1896) 609 21! 130 Baden (12. Januar 1896) . 682 2 202| 223 Die C9 U S) 95 é 31| 58 Mecklenburg-Schwerin (7. Juli T C 204 82 i 117 Oldenburg (30. Oktober 1896) 63 23 24 Sachsen - Meiningen (18. März I e E Sachsen-Coburg-Gotha (18. Ja- nuar 1896) R i (i 81 A (O E S0) C 2 39 40 Schwarzburg - Sondershaufen (Ale Deeiiber: 189) 08 7 2: 2 31 Schwarzburg-Nudolstadt (3. Ja- O s ia od Schaumburg-Lippe (20. August T ee S Lippe (1. April 1899) Ï - LUbeck (30, Mitt 18960) ._., 3 12 Bremen (11. September 1896) 24: 105 Hamburg (20. April 1896). . 2 33 875 Elsaß - Lothringen (5. Februar I N id P12 196 in sämmtlichen voraufgeführten Bundesstaaten /

in den Bundesstaaten bezw. ium JZahré Oberlandesgerichtsbezirken

(Zeit der Einführung der be-

dingten Begnadigung) s i

E 1899 | 1900

59

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18 295 6 041 | 7 000] 7 176

Die Gesammtzahl der Fälle, in denen seit der Einführung der bedingten Begnadigung _ bis zum 31. Dezember 1900 im Deutschen Reiche der Strafaufshub mit Aussiht auf Be gnadigung bewilligt worden ist, beträgt 32471. Hiervon gehören der Zeit bis zum 31. Dezember 1898: 18295, dem Jahre 1899: 7000, dem Jahre 1900: 7176 Fälle an. Nach der in Spalte 2 vorgenommenen Berechnung ergeben \sich bis zum 31. Dezember 1898 durchschnittlih für das Fabr 6041 Fälle. Demgegenüber zeigt das Jahr 1899 eine Zunahme um 959 Fälle oder 16 9/6,

28 1900 eine Zunahme um 1135 Fälle oder 1909/4. Was die Tnen Bundesstaaten ermittelten Zahlen betrifft, so haben n die Fälle, i n das Begnadigungsrecht dem Minister

wirtbs{aft, Domänen und Forsten zusteht, keine Aufnahme Wird diefer Umstand in Betracht gezogen fo stellt sih heraus, daß die hinsihtlich der Häufigkeit des Vorkommens der bedingten Begnadigung zwishen den einzelnen Bundes staaten obwaltenden WVerschiedenheiten verhältnißmäßig nicht erbeblich sind. Eine Ausnahme bildet Hamburg, wo von der Einrichtung ein bedeutend \tärkerer Gebrauch als in allen übrigen Bundesstaaten gemaht wird. Die Zahl der Fälle einer Ausfeßtzung der Strafvollstreckung hat in den meisten norddeutshen Staaten (ins- besondere in Preußen, Sachsen, Hessen und-Mecklenburg-Schwerin) wie {on im Jahre 1899, so auch wieder im Jahre 1900 zu genommen. Dagegen hat in Württemberg und Elsaß-Lothringen die ahl in beiden Jahren abgenommen, und auch in Bayern und Baden bleibt die Zahl für 1900 hinter der für die Zeit bis zum 31. De zember 1898 zurü.

Der Natur der Sache nah waren es überwiegend Männer, denen die Maßregel zu gute kam (1899: 77 9/9, 1900: 78 0/6). Immerhin ist die Zahl der betheiligten Personen weiblichen Geschlechts (23 bezw. 22 9/9) höher, als sih gegenüber der allgemeinen Kriminalität, wie sie auf Grund der Kriminalstatistik für dieses Geschleht ermittelt ift,*) erwarten läßt.

Dem seitens der meisten Bundesstaaten befolgten Grundsatze, die bedingte Begnadigung in erster Reihe jugendlihen Personen zu ge währen, ‘entspricht es, daß mehr als drei Viertel aller Fälle (1899: 76 0 0, 1900: 80 9/9) Jugendliche betreffen.

Im allgemeinen is die Maßregel auf Personen beschränkt ge lieben, die noch keine Freiheitsstrafe verbüßt hatten. In beiden Jahren

U} 4 'etraf nur ein Prozent aller Fälle solhe Personen, welche {hon früher zu Freiheitsstrafe verurtheilt worden waren.

Die strafbare Handlung, auf welche sich die bedingte Begnadigung bezog, war meistens (1899 in 70 9/6, 1900 în 69 9/9 aller Fälle) ein Bergeben; die übrigen Fälle vertheilen \sich ungefähr je zur Hälfte auf Verbrechen und Uebertretungen.

In der Mehrzahl der Fälle war auf die Strafe, für welche der Aufschub bewilligt wurde, von einem Amtsgeriht oder Schöffengericht erkannt worden; die Fälle, in denen es fih um das Urtheil einer Strafkammer (oder eines Schwurgerichts) handelte, machten 1899 nur 309/%, 1900 31 9% aus.

Die Strafe, deren Vollstreckung»ck ausgeseßt wurde, war meist (1899 bei 84 9/6, 1900 bei 86 °/9 der Gesammtzabl) eine Gefängniß- strafe. Auf Zuchthaus und Festungshaft ift die Maßregel 1899 nur je einmal, 1900 je zweimal zur Anwendung gekommen, auf Haft in 16 0 0 bezw. 14 0 0 aller Fälle.

Die Dauer der ausgeseßten Gefängnißstrafe betrug in beiden Sahren in mehr als der Hälfte der Fälle cine Woche oder weniger.

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*) Von den im Jahre 1898 wegen Verbrechen oder Vergeben “- - » -. s e Ä d gegen Reichsgeseße verurtheilten Personen sind 16,3 9/ weiblichen (Bescblechts.

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